Dritter Abschnitt.

Die Entführung aus dem »Auge Gottes«.

1782.

»Als Jüngling zeigt er den Verstand des Mannes und als Mann die Weisheit der Alten.«


Es ist bei der Betrachtung aller dieser Verhältnisse nicht zu vergessen, daß wir das Jahr 1782 schreiben. Noch hatte nicht die französische Revolution mit ihren kriegerischen Folgen auch in Deutschland jene Freiheit der persönlichen Bewegung geschaffen, die heutzutage jedem, wes Standes er sei, gestattet ist und also zur Gewohnheit werden konnte. Noch bestanden die Standesvorrechte gewisser Klassen, besonders die Privilegien des Adels, in voller Macht, und selbst des großen Friedrich Anerkennung der staatsbürgerlichen Rechte jedes Untertanen und der nachahmende Respekt Josephs II. vor dem Bürgerstande vermochten nicht das tatsächliche Verhältnis aufzuheben und dem Bürger jene Rechte, die ihm als Menschen dem Menschen gegenüber zukamen, zum Bewußtsein zu bringen. Gehörte nun gar einer noch einem Stande an, der wie Musiker und Schauspieler in den Augen des Publikums, wenn auch nicht mehr für ehrlos, doch durchaus nicht für ebenbürtig galt, so ist es wohl zu erklären, wenn der alte Mozart, der ganz in den alten Anschauungen aufgewachsen war, seinem Sohne nicht unbedingt das Recht zuerkannte, sich gegen den Adel, ja gegen den Erzbischof in seinem Menschenrecht zu fühlen. Auch ohne die materiellen Interessen, die hier mit unterliefen, würde er Wolfgangs Schritte nicht durchaus gebilligt haben. Das Gefühl, jedem Menschen, selbst dem Adel, von Natur ebenbürtig zu sein, rief in den bürgerlichen[283] Kreisen Deutschlands erst die mächtige Stimme Schillers wach, und obgleich damals schon die »Räuber« erschienen waren, so ist es doch sehr zweifelhaft, ob die Familie Mozart dieses Werk der Empörung des sittlichen Gefühls gegen verworfene Zustände der Gesellschaft bereits kannte.

Aehnlich verhielt es sich mit dem Familienleben. Zwar Gellert, Wieland, Klopstock waren auch bis in den katholischen Süden gedrungen, und die ersten Dämmer eines erwachenden Innenlebens gingen auch hier mehr und mehr dem Bewußtsein auf: das Herz begann seine Rechte zu fühlen. Allein auch in Norddeutschland war trotz aller Empfindsamkeit noch nicht durchweg in den Familien die Ueberzeugung durchgedrungen, daß der Mensch mit seiner eigensten innersten Empfindung, zumal bei der Wahl der Lebensgefährtin, durchaus im Rechte sei. Dieses Axiom: »Keine Ehe ohne Liebe«, das sich in der heutigen Jugend von selbst versteht, war zur Zeit Mozarts nicht entfernt als ein Gesetz anerkannt. Vielmehr galten hier stets noch die Rücksichten auf Verwandtschaft und Stand, kurzum der Gesamtvorteil der Familie, als das bestimmende Gesetz. Um so mehr ist es anzuerkennen und ein Beweis, daß wir in Mozart eine echte und wahre Natur, einen in jeder Hinsicht bedeutenden Menschen vor uns haben, daß er gegen die Gewohnheit der Zeit sowohl in Mannheim wie jetzt in Wien durchaus das Recht seines Herzens geltend macht.

Schon damals, als er Aloysia liebte, hatte er bei der Nachricht, daß ein Freund eine reiche Heirat getan, folgende Betrachtung gemacht: »So möchte ich nicht heyrathen, ich will meine Frau glücklich machen und nicht mein Glück durch sie machen. Drum will ich es auch bleiben lassen, und meine goldene Freiheit genießen, bis ich so gut stehe, daß ich ein Weib und Kinder ernähren kann. Dem Herrn v. Schiedenhofen war es nothwendig eine reiche Frau zu wählen, das macht sein Adel. Noble Leute müssen nie nach Geschmack und Liebe heyrathen, sondern nur aus[284] Interesse und allerhand Nebenabsichten; es stünde auch solchen hohen Personen gar nicht gut, wenn sie ihre Frau etwa noch liebten, nachdem sie schon ihre Schuldigkeit gethan und ihnen einen plumpen Majoratsherrn zur Welt gebracht hat. Aber wir arme gemeine Leute, wir müssen nicht allein eine Frau nehmen, die wir und die uns liebt, sondern wir dürfen, können und wollen so eine nehmen, weil wir nicht noble, nicht hochgeboren und adelig und nicht reich sind, wohl aber niedrig, schlecht und arm, folglich keine reiche Frau brauchen, weil unser Reichthum nur mit uns ausstürbe, denn wir haben ihn im Kopf – und diesen kann uns kein Mensch nehmen, ausgenommen, man hauete uns den Kopf ab, und dann – brauchen wir nichts mehr.«

Doch ihm war nicht wie uns von Jugend auf dieses Recht des Herzens durch die Werke der großen Dichter mit glühenden Zügen in das Gemüt eingeschrieben worden. In die Kreise, aus denen Mozart hervorging, waren Schiller und Goethe noch nicht gedrungen, ja kaum Lessing war dort bekannt. Wenn wir nun den jungen Liebhaber, um die Zustimmung des Vaters zu erlangen, vorzugsweise praktische, äußere Gründe geltend machen sehen, so tönt doch durch alles lebhaft das Wort hindurch: »Ich liebe sie und sie liebt mich, und so werden wir glücklich sein.« Ja, wenn selbst, worin man vor allem die Einwirkung der Zeit erkennt, der Brief an die erklärte Braut fast mehr Ehrerbietung als Zärtlichkeit zeigt, so vergesse man nicht, daß das Wort und die Schrift nicht das Mittel war, wodurch Mozart seine Empfindungen naturgemäß und unbefangen ausdrückte. Vielmehr giebt über dieses nur seine Musik Aufschluß, und diese ist in dem natürlichen Ausdruck einer zärtlichen, herzinnigen Empfindung so einzig in ihrer Art, daß man wohl erkennt, Mozart empfand diese schönste und natürlichste Leidenschaft des Menschen nicht minder einfach, tief und wahr als ein Goethe und ragte damit wie dieser um mehr denn Haupteslänge über alle seine Zeitgenossen hinaus. Er war es, der mit Goethe zusammen durch[285] seine Weisen in der ganzen Nation das Bewußtsein wachrief, welch herrliches Ding es ist um ein »eigen Herz«, und was wir heutzutage davon besitzen, verdanken wir mit der tiefen Erregung der Gemüter durch diese Beiden. Andere dann führten uns über dieses bloße innere Leben hinaus. Schiller und Beethoven predigten, daß der Mensch, der sich innen etwas fühlt, auch nach außen hin seine Rechte, seine Würde geltend zu machen habe. Aber wäre der gute Deutsche nicht erst innen etwas Ordentliches gewesen, die mächtige Stimme dieser Fortschrittsmänner hätte gewiß vergeblich getönt.

Das alles ist nun über uns hergegangen. Wir Leute von Heute können uns kaum vorstellen, daß das einmal anders war, und Mozarts bescheidene Art will uns etwas gar zu kindlich dünken. Aber es sind nur die Formen, die er mit seiner Zeit teilt. Innen lebt ein lebhaft empfindendes Herz, ein menschliches Fühlen, so rein, so tief, so klar, wie es nur je eins gegeben hat, und dieses wunderbar menschliche Fühlen ist bei Mozart in einer Weise zur Aussprache gelangt, die schnell allgemeingültig werden konnte und die für feiner empfindende Menschenseelen, wohl auch für allezeit in Geltung bleiben wird.

Wir verließen den jungen Genius in der Klemme des praktischen Lebens: der Vater war erzürnt, die Schwiegermutter gemein. Aus beiden Drängnissen hatte er sich und seine Geliebte zu erretten. Er wußte kaum wie. Er wollte sofort heiraten. Der Vater gab es nicht zu. Eine Stellung hatte er nicht, an Geld fehlte es auch. Was waren die hundert Dukaten, die er für die Entführung erhielt! Was die wenigen Gulden, die ihm der preußische Gesandte Baron Riedesel für eine Kopie der Partitur gezahlt haben mag! Was die Vergütung für ein Arrangement der Oper zur Harmoniemusik! Und der Lektionen gab es im Sommer wenige.

Zunächst nun versuchte er wiederum, die Nannerl für sich zu gewinnen, und die ehrerbietige Art, womit Constanze an sie[286] schreibt, und sogar er selbst es sich zur Ehre anrechnet, von seiner Schwester einen Brief zu erhalten, kann uns so recht in jene Zeit versetzen, wo man mit seinem schönsten Empfinden noch kaum die Augen aufzuschlagen wagte. »Meine liebe Constanze hat sich endlich die Courage genommen, dem Triebe ihres guten Herzens zu folgen, nämlich Dir, meine liebe Schwester, zu schreiben. Willst Du sie (und in der That, ich wünsche es, um das Vergnügen darüber auf der Stirn dieses guten Geschöpfes zu lesen), willst Du sie also mit einer Antwort beehren, so bitte ich Dich, Deinen Brief mir einzuschließen, ich schreibe es nur zur Fürsorge, damit Du weißt, daß ihre Mutter und ihre Schwestern nichts wissen, daß sie Dir geschrieben hat.« Und Constanzens Brief spricht unter vielen Verbeugungen so: »Wertheste und schätzbarste Freundin! Niemals würde ich so kühn gewesen seyn, mich so ganz grade meinem Triebe und Verlangen, an Sie, wertheste Freundin, zu schreiben, zu überlassen, wenn nicht dero Herr Bruder mich versichert hätte, daß Sie mir diesen Schritt, welcher aus zu großer Begierde mich mit einer obschon unbekannten, doch durch den Namen Mozart mir so schätzbaren Person wenigstens schriftlich zu besprechen geschieht, nicht übel nehmen werden. Sollten Sie böse werden, wenn ich mich Ihnen zu sagen unterstehe, daß ich Sie, ohne die Ehre zu haben Sie von Person zu kennen, nur ganz allein als Schwester eines Ihrer so würdigen Bruders überaus hochschätze und liebe, und es wage, Sie um Ihre Freundschaft zu bitten? Ohne stolz zu seyn, darf ich sagen, daß ich sie halb verdiene, ganz werde ich mich sie zu verdienen streben, – darf ich Ihnen die meinige (welche ich Ihnen schon längst heimlich in meinem Herzen geschenkt habe) entgegen anbieten? o ja, ich hoffe es, und in dieser Hoffnung verharre ich, wertheste und schätzbarste Freundin, dero gehorsamste Dienerin und Freundin Constanze Weber. Bitte meinen Handkuß an dero Herrn Papa!«

Hier rührt die Unsicherheit, die sich auch in der Handschrift[287] zeigt, von der Ungewohnheit des Briefschreibens her. Mehr war Constanze in mädchenhaften Nöten, als sie an den Vater selbst zu schreiben gezwungen war: »So eben ist Ihr lieber Sohn zur Gräfin Thun gerufen worden und hat also die Zeit nicht, seinem lieben Vater den Brief zu endigen, was ihm sehr leid ist. Er hat mir die Commission gegeben, Ihnen es zu wissen zu machen, weil heut der Posttag ist, damit Sie nicht ohne Brief von ihm seyen. Das nächstemal wird er seinem lieben Vater schon das Mehrere schreiben, bitte also um Verzeyung, daß ich schreibe, das was Ihnen nicht so angenehm ist als das, was Ihr Herr Sohn geschrieben hätte. Ich bin Ihre wahre Dienerin und Freundin C.W.« Und Wolfgang muß im nächsten Briefe ausdrücklich bemerken: »Sie hat lange nicht daran gewollt aus Furcht, Sie möchten sie über ihre Orthographie und Concept auslachen, – und sie läßt mir keinen Frieden, ich muß sie bey Ihnen deßwegen entschuldigen.«

Bald darauf hatte der Vater ihn um eine Symphonie angegangen. Was er darauf antwortet, zeigt sowohl, wie sehr es ihm jetzt darauf ankam, die gute Laune des Vaters zu erhalten, wie es die ganz außerordentliche Elastizität und Kraft seiner Phantasie beweist. »Nun habe ich keine geringe Arbeit,« schreibt er. »Bis Sonntag acht Tage muß meine Oper auf die Harmonie gesetzt seyn – sonst kommt mir einer bevor – und hat anstatt meiner den Profit davon, und soll nun eine neue Symphonie auch machen! – wie wird das möglich seyn? – Sie glauben nicht, wie schwer es ist, so was auf die Harmonie zu setzen – daß es den Blasinstrumenten eigen ist, und doch dabei nichts von der Wirkung verloren geht. – Je nun ich muß die Nacht dazu nehmen, anders kann es nicht gehen – und Ihnen, mein liebster Vater, sey es aufgeopfert. – Sie sollen alle Posttage sicher etwas bekommen – und ich werde so viel möglich geschwind arbeiten – und soviel es die Eile zuläßt – gut schreiben.« Und er hielt Wort. In vierzehn Tagen bekam der Vater, was er gewünscht, und dazu hatte Mozart in derselben Zeit noch eine Nachtmusik[288] zu machen gehabt. Nach einem halben Jahre muß ihm der Vater die Arbeit zurückschicken, damit sie in einem Konzert aufgeführt werde, und da heißt es: »Die neue Hafner-Sinfonie hat mich ganz surprenirt, denn ich wußte kein Wort mehr davon, die muß gewiß guten Effekt machen.« Das ist der ganze echte Mozart! ruft Jahn aus; er entschuldigt sich, daß die Symphonie nicht neben andern Arbeiten in vierzehn Tagen vollendet ist, und wundert sich nachher, daß sie so gut geworden!

Wie mußte ihm damals Kopf und Herz von den Heiratsplänen erfüllt sein! – Der außerordentliche Erfolg der »Entführung« hatte seinen Namen auf aller Lippen gebracht, und bis zum Hofe hinauf sprach zugleich fast jedermann von seinem Verlöbnis. Sogar der Kaiser hatte sich bereits im Winter äußerst gnädig darüber geäußert. Zwar waren die Hoffnungen, die Mozart darauf gegründet hatte, nicht in Erfüllung gegangen. Allein jetzt, nachdem die Oper ihm eine glänzende Zukunft in Wien verhieß, konnte und wollte er nicht länger mit der Hochzeit warten. »Liebster, bester Vater,« schreibt er, »ich muß Sie bitten, um Alles in der Welt bitten, geben Sie mir Ihre Einwilligung, daß ich meine liebe Constanze heyrathen kann. – Glauben Sie nicht, daß es um das Heyrathen wegen allein ist – wegen diesem wollte ich noch gern warten. – Allein ich sehe, daß es meiner Ehre, der Ehre meines Mädchens, und meiner Gesundheit und Gemüthszustand wegen unumgänglich nothwendig ist. – Mein Herz ist unruhig, mein Kopf verwirrt – wie kann man da was Gescheidtes denken und arbeiten? – wo kommt das her? – die meisten Leute glauben, wir sind schon verheyrathet – die Mutter wird darüber aufgebracht – und das arme Mädchen wird sammt meiner zu Tode gequält. – Diesem kann so leicht abgeholfen werden; – glauben Sie mir, daß man in dem theuern Wien so leicht leben kann als irgendwo, es kömmt nur auf Wirthschaft und Ordnung an. Die ist bei einem jungen, besonders verliebten Menschen nie. Wer eine Frau bekommt,[289] wie ich eine bekomme, der kann gewiß glücklich seyn – und sorgen Sie sich nicht – denn, sollte ich, Gott bewahre, heut krank seyn (besonders verheyrathet) so wollte ich wetten daß mir die Ersten der Noblesse einen großen Schutz geben würden. Das kann ich mit Zuversicht sagen. – Ich weiß was der Fürst Kaunitz zum Kayser und Erzh. Maximilian von mir gesprochen hat. – – Ich erwarte mit Sehnsucht Ihre Einwilligung mein bester Vater – ich erwarte sie gewiß – meine Ehre und mein Ruhm liegt daran.«

Allein der Vater hielt nach wie vor mit der Einwilligung zurück. Nach seiner Ansicht ruinierte diese Heirat seinen Sohn gänzlich. Ja, er war so verstimmt, daß er selbst auf die guten Nachrichten von dem neuen Werke, »welches in Wien (nicht platterdings gefallen) sondern so Lärm macht, daß man gar nichts anderes hören wolle,« nur ein »gleichgültiges, kaltes Schreiben« abläßt und obendrein den Sohn wieder durch allerhand Vorwürfe quält. »Die ganze Welt behauptet,« ist dessen Erwiderung, »daß ich durch mein Großsprechen, Kritisiren die Professori von der Musik (d.h. das Orchester) und auch andere Leute zu Feinden habe? – Was für eine Welt? – Vermuthlich die Salzburger Welt; denn wer hier ist – der wird genug das Gegentheil davon sehen und hören; – und das soll meine Antwort darauf seyn. – – Sie werden unterdessen meinen letzten Brief erhalten haben – und ich zweifle auch gar nicht, daß ich mit künftigem Briefe Ihre Einwilligung zu meiner Heyrath erhalten werde, – Sie können gar nichts dawider einzuwenden haben – und haben es auch wirklich nicht! – das zeigen mir Ihre Briefe – denn sie ist ein ehrliches, braves Mädchen von guten Eltern, – ich bin im Stande ihr Brod zu verschaffen – wir lieben uns – und wollen uns; – alles was Sie mir noch geschrieben haben und allenfalls noch schreiben könnten – wäre nichts – als lauter gutmeinender Rath! – welcher so schön und gut als er seyn mag, doch für einen Menschen, der schon so weit mit einem Mädchen ist,[290] nicht mehr paßt; – da ist also nichts aufzuschieben – lieber sich seine Sachen recht in Ordnung gebracht – und einen ehrlichen Kerl gemacht! – das wird Gott dann allzeit belohnen; – ich will mir nichts vorzuwerfen haben!«

Mit solchem Ernst faßte er, der sonst so kindlich frohe Mensch diese Sache auf, und wir hörten, daß er auch häufig mit seiner Constanze zur Messe und zur Beichte ging, und daß ihm schien, daß er »niemalen so gekräftig gebetet, so andächtig gebeichtet und communiciret habe als an ihrer Seite«. Aber jetzt zeigte sich auch wirklich Hilfe. Die Baronin Waldstädten, dieselbe, die sich nach der freien Sitte der Zeit in jenem Spiele so gut wie Constanze von einem Chapeau hatte die Waden messen lassen, war bereits seit langer Zeit eine besondere Gönnerin Mozarts. Schon im Winter hatte sie, die sich nach Frauenart nicht für den Künstler allein interessierte, seine Braut auf mehrere Wochen zu sich ins Haus genommen und so den Verkehr der beiden Liebenden erleichtert. Allein die Mutter bemerkte, daß ihr auf diese Weise die Gewalt über die Tochter allmählich ganz entzogen wurde, und wollte auch diesen Aufenthalt nicht ferner gestatten. Sie hatte dazu scheinbar begründetes Recht. Denn die Baronin, die, wie sie selbst später einmal an Mozarts Vater schreibt, seither viel Leid, vielen Gram und Schmerz erfahren hatte, suchte sich nun, wie es damals unter dem Adel nicht ungewöhnlich war, durch ein genußvolles, etwas freies Leben zu entschädigen und stand nicht eben in dem besten Rufe. Das wußte Mozart so gut wie alle Welt; »man spreche zweideutig von ihr, auch sei sie schwach – mehr wolle er nicht sagen«. Allein er hatte ja sonst niemand, der ihm helfen konnte, und er war sicher, daß es die Baronin mit ihm und seiner Constanze gut meinte. Nun lese man den folgenden Zettel, um die ganze Not, die trüben Verhältnisse jener Wochen kennen zu lernen, und man wird begreifen, daß Mozart der einzigen Frau, die ihm damals zu helfen vermochte und wirklich half, von Herzen dankbar war. Er habe zu viel Gnade von[291] ihr genossen, sagt er noch später, und müsse sie daher verteidigen oder, wo er dies nicht könne, wenigstens schweigen.

»Hochschätzbarste Frau Baronin!« lautet jenes angstvolle Billet, »meine Musikalien habe ich durch die Magd der Madame Weber erhalten und habe müssen eine schriftliche Bescheinigung darüber geben. – Die Magd hat mir etwas anvertraut, welches, wenn ich schon nicht glaube, daß es geschehen könnte, weil es eine Prostitution für die ganze Familie wäre, doch möglich wäre, wenn man die dumme Madame Weber kennt, und mich folglich doch in Sorge setzt. Die Sophie ist weinend hinausgekommen, – und da sie die Magd um die Ursache fragte, so sagt sie: ›Sage sie doch heimlich dem Mozart, daß er machen soll, daß die Constanze nach Hause geht, denn – meine Mutter will sie absolument mit der Polizei abholen lassen.‹ – Darf denn hier die Polizeiwache gleich in ein jedes Haus? – Vielleicht ist es auch nur ein Locknetz um sie nach Hause zu kriegen. – Wenn das aber geschehen könnte, so wüßte ich kein besser Mittel als die Constanze morgen frühe – wenn es seyn kann heute noch zu heyrathen. Denn dieser Schande möchte ich meine Geliebte nicht aussetzen – und meiner Frau kann das nicht geschehen. – Noch was; – der Thorwarth ist heute hinbestellt. – Ich bitte Ew. Gnaden um dero wohlmeinenden Rath – und uns armen Geschöpfen an die Hand zu gehen. – Ich bin immer zu Hause. – In größter Eile. Die Constanze weiß noch von nichts. War Herr v. Thorwarth bey Ew. Gnaden? ist es nöthig, daß wir beyde heute nach Tisch zu ihm gehen?«

Da war freilich kein Zögern mehr möglich. Die Frau Baronin schrieb an den Vater um die Einwilligung und lud ihn sogar zu sich ein, welche Gnade dieser mit den hochachtungsvollsten Empfindungen kaum anzunehmen wagt. Sodann räumte sie die verschiedenen Hindernisse, die der Kopulation im Wege standen, Gott weiß auf welche Art, fort, verschaffte ihrem Schützling sogar die tausend Gulden, die er als Aequivalent gegen die fünfhundert[292] Gulden Heiratsgut der Constanze zu erlegen hatte, sowie den Dispens von den Kirchenaufgeboten, und so ward die Hochzeit der Beiden, die einander so innig liebten, am 4. August 1782 wirklich gefeiert. Der Heiratskontrakt war tags vorher im Beisein des »Windmachers« Franz Gilowsky, des Bruders von jener Gilowsky-Katherl, die einmal auf der Scheibe paradiert hatte, und des Landrats v. Cetto abgeschlossen worden. Der Konsens des Vaters, auf den Mozart zwei Posttage gewartet hatte, kam sogleich nach der Hochzeit, und so durfte er allerdings freudigen Herzens sein. Er schreibt am nächsten Tage folgenden schönen Brief:

»Mon très cher Père! Sie haben sich sehr an Ihrem Sohne betrogen, wenn Sie glauben konnten, daß er im Stande sei, eine schlechte Handlung zu begehen. – Meine liebe Constanze, nunmehr (Gott sei Dank) meine wirkliche Frau, wußte meine Umstände und Alles, was ich von Ihnen zu erwarten habe, schon lange von mir. Ihre Freundschaft aber und Liebe zu mir war so groß, daß sie gerne mit größten Freuden ihr ganzes künftiges Leben meinem Schicksale aufopferte. – Ich küsse Ihnen die Hände und danke Ihnen mit aller Zärtlichkeit, die immer ein Sohn für seinen Vater fühlte, für die mir gütigst zugetheilte Einwilligung und väterlichen Segen. – Ich konnte mich aber auch gänzlich darauf verlassen! – denn Sie wissen, daß ich selbst Alles – Alles was nur immer gegen solch einen Schritt einzuwenden ist, nur zu gut einsehen mußte – und aber auch, daß ich ohne mein Gewissen und meine Ehre zu verletzen, nicht anders handeln konnte. Daher geschah es auch, daß ich Ihrer Einwilligung schon ganz versichert und getröstet, mich in Gottes Namen mit meiner Geliebten trauen ließ. – Nun ist es vorbey! ich bitte Sie nun nur um mein zu voreiliges Vertrauen auf Ihre väterliche Liebe um Verzeihung, – durch dieses mein aufrichtiges Geständnis haben Sie einen neuen Beweis meiner Liebe zur Wahrheit und Abscheu vor Lüge. – Mein liebes Weib wird nächsten[293] Posttag ihren liebsten Schwiegerpapa um seinen väterlichen Segen und ihre geliebte Schwägerin um die fernere Fortdauer ihrer werthesten Freundschaft bitten. – Bey der Copulation war kein Mensch als die Mutter und die jüngste Schwester, Herr von Thorwarth als Vormund und Beystand von beiden; Herr v. Cetto und der Gilowsky. – Als wir zusammen verbunden wurden, fing sowohl meine Frau als ich an zu weinen. – Davon wurden alle, sogar die Priester gerührt – und alle weinten, da sie Zeuge unserer gerührten Herzen waren. – Unser ganzes Hochzeitsfest bestund aus einem Souper, welches uns die Baronin von Waldstätten gab, welches in der That mehr fürstlich als baronisch war. – Nun freuet sich meine liebe Constanze noch hundertmal mehr nach Salzburg zu reisen! – und ich wette – ich wette – Sie werden sich meines Glückes erfreuen, wenn Sie sie werden kennen gelernt haben – wenn anders in Ihren Augen so wie in den meinigen ein gutdenkendes, rechtschaffenes, tugendhaftes Weib ein Glück für ihren Mann ist.«

Das also war die »Entführung aus dem Auge Gottes«, wie Mozart selbst seine Verheiratung scherzhaft zu nennen pflegte. Im »Auge Gottes« am Petersplatze, – das Haus steht noch heute, – wohnte ja die Mutter, und wahrlich ihr hatte die Tochter entführt werden müssen. Denn selbst in der nächsten Zeit ließ sie nicht nach, mit Zank und Streit der jungen Frau wie ihrem Schwiegersohne das Leben schwer zu machen, so daß dieser so selten wie möglich in ihr Haus ging. Er hatte wohl Grund, bei der Trauung gerührt zu sein. Denn welch peinigenden Verhältnissen machte sie mit einem Schlage ein Ende! Und jetzt empfand er in der Tat das reinste Glück, das dem Menschen zuteil werden kann. Seinem Herzen floß Ruhe und Zufriedenheit aus diesem innigen Miteinandersein. »Mit einem Worte,« schreibt er wenig Tage später, »wir sind für einander geschaffen – und Gott, der alles anordnet und folglich dieses auch also gefüget hat, wird uns nicht verlassen.«[294]

Er wollte jetzt alles daran setzen, eine sichere Stellung zu gewinnen. Die Oper erzeugte ihm mit jeder neuen Aufführung höheres Selbstgefühl. In diesen Tagen war es, wo ihn Gluck so sehr gelobt und mit Constanzen zum Speisen geladen hatte. Aber er richtete seinen Blick jetzt weiter: »Die Herren Wiener (worunter aber hauptsächlich der Kayser verstanden ist) sollen nur nicht glauben, daß ich wegen Wien allein auf der Welt sey. Keinem Monarchen in der Welt diene ich lieber als dem Kayser – aber erbetteln will ich keinen Dienst. Ich glaube so viel im Stande zu seyn, daß ich jedem Hofe Ehre machen werde. Will mich Teutschland, mein geliebtes Vaterland, worauf ich (wie Sie wissen) stolz bin, nicht aufnehmen, so muß in Gottes Namen Frankreich oder England wieder um einen geschickten Teutschen mehr reich werden – und das zur Schande der teutschen Nation – Sie wissen wohl, daß fast in allen Künsten immer die Teutschen diejenigen waren, welche excellirten – wo fanden sie aber ihr Glück, wo ihren Ruhm? – in Teutschland wohl gewiß nicht! – Selbst Gluck – hat ihn Teutschland zu diesem Mann gemacht? – leider nicht! – Gräfin Thun – Graf Zichy, Baron van Swieten – selbst der Fürst Kaunitz ist deßwegen mit dem Kayser sehr unzufrieden, daß er nicht mehr die Leute von Talent schätzt und sie aus seinem Gebiet läßt. – Letzterer sagte jüngsthin zum Erzherzog Maximilian, als die Rede von mir war, daß solche Leute nur alle 100 Jahre auf die Welt kämen, und solche Leute müsse man nicht aus Teutschland treiben – besonders wenn man so glücklich ist, sie wirklich in der Residenzstadt zu besitzen.«

Man gab sich denn auch alle Mühe, den Kaiser zu bewegen, daß er für Mozart etwas tue. Allein Mozart mochte nicht so auf die bloße Barmherzigkeit warten und gedachte nach Paris zu gehen. Er hatte deshalb bereits an den Direktor Le Gros geschrieben. Der Vater redet ihm zwar diese Pläne zunächst wieder[295] aus, allein sie bleiben von jetzt an stets vor seinen Augen. Denn er fand sich in Wien nicht genug beschäftigt. Stunden und Konzerte zu geben war nicht so sehr sein Behagen und brachte auch nicht so viel ein wie Opern schreiben, und auf eine Gelegenheit dazu sollte er allerdings zunächst wieder mehrere Jahre warten. Er arbeitete derweilen fleißig und mühte sich überhaupt um seine Existenz nach Kräften ab. Aber wenn er dann mittags oder abends ermüdet nach Hause kam, war doch jetzt eine liebende Gattin bemüht, es ihm bequem und erquicklich zu machen. Sie entfernte von ihm, so viel sie es vermochte, die kleinen Sorgen und Geschäfte, mit denen er sich von je so ungern geplagt hatte. sie hatte Nachsicht mit seinen Eigenheiten. Zumal wenn er gar oft so tief in seine Arbeiten versunken war, daß er rings um sich nichts sah und hörte, ging ihre Aufmerksamkeit so weit, daß sie ihm bei Tische das Fleisch zerschnitt, denn er fürchtete, in der Zerstreutheit sich zu verletzen. Ja selbst bei der Arbeit half sie ihm, indem sie ihm – erzählte oder vorlas. Auch veranlaßte sie ihn zu mancherlei Kompositionen, wie zu jener Fuge, die er seiner Schwester mit der Bemerkung sandte, sie möge sich nicht wundern, daß das Präludium hinter der Fuge stehe; denn er habe, während er die eine aufgeschrieben, das andere im Kopfe ausgedacht! Der Baron van Swieten, den wir noch näher kennen lernen werden, hatte ihm nämlich die Fugen von Händel und Bach geliehen. Diese gefielen nun der Frau gar zu gut, und da sie ihren Mann oft hatte Fugen aus dem Kopfe spielen hören, so bat sie ihn, doch einmal eine aufzuschreiben. Sie hatte also auch Sinn für gelehrtere Kunst. Die Begabung für die Musik überhaupt teilte sie mit ihren Schwestern, und wenn sie auch weder der ältesten, der späteren Madame Hofer, für welche die »Königin der Nacht« geschrieben wurde, noch der Aloysia Lange gleichkam, so waren doch ihre Stimme und ihre Geschicklichkeit genügend, daß sie mit ihrem Manne manche seiner Komposition zu probieren vermochte. Ja, in Salzburg sang sie sogar in einer[296] seiner Messen die Solopartie. Sie hatte also Verständnis genug, um ihres Mannes Schaffen zu würdigen und ihm so viel wie möglich Ruhe zur Arbeit zu bereiten. Von seinem Genius freilich ahnte sie, solange er lebte, nichts Rechtes, er schwebte stets unerreichbar wie die Sonne über ihrem Verstehen. Allein da Mozart seiner ganzen Anlage noch keiner Anregung, sondern eher des Zurückhaltens bedurfte, so war diese Frau auch nach dieser Seite hin gewiß die rechte für ihn.

Er selbst wenigstens blieb davon nach jeder Seite hin sein Lebtage überzeugt, und für diese Liebe hatte auch sie Sinn und Verständnis. Nach seinem Tode verlangte sie von den Briefen, die er von den Reisen der letzten Jahre aus an sie geschrieben hatte, ausdrücklich die »umständliche Erwähnung zu seiner Ehre«, und ließ durch ihren zweiten Mann an den Verleger Härtel in Leipzig schreiben: »Diese seine nachlässig d.h. unstudiert aber gut geschriebenen Briefe sind ohne Zweifel der beste Maßstab seiner Denkungsart, seiner Eigentümlichkeit und seiner Bildung. Ganz vorzüglich charakteristisch ist seine seltene Liebe zu mir, die alle seine Briefe athmen, – nicht wahr, die in seinem letzten Lebensjahre sind ebenso zärtlich, als die er im ersten Jahre unserer Verheirathung geschrieben haben muß?«

In ganz Wien war es bekannt und besprochen, wie sehr Mozart seine Frau liebte. Sein Benehmen während des unglückseligen Brautstandes hatte ja schon die Aufrichtigkeit seiner Neigung gezeigt. Als sie nun kurze Zeit nach der Verheiratung einmal im Augarten miteinander spazieren gingen und mit dem Lieblingshunde der Frau Scherz trieben, forderte Constanze ihren Mann auf, sie zum Spaß zu schlagen, weil dann der Hund garstig auf ihn los fahren werde. In diesem Augenblicke trat der Kaiser aus seinem Sommerhause und sagte mit neckischem Erstaunen: »Ei, ei, erst drei Wochen verheirathet und schon Schläge!« – worauf ihm Mozart lachend den Zusammenhang erklärte. Ebenso später, als von dem unglücklichen Verhältnis des Langeschen Ehepaares[297] sogar in den öffentlichen Blättern die Rede war, begegnete der Kaiser einmal der Constanze und redete mit ihr über die traurige Lage ihrer Schwester, indem er mit den Worten schloß: »Was für ein Unterschied ist es, einen braven Mann zu haben!«

Allein so ganz »brav« war er denn doch nicht. Und wenn auch von alle den Verleumdungen, die der Neid der Kunstgenossen oder die Unvorsichtigkeit gewöhnlicher Naturen über den Lebenswandel unseres Meisters ausgebreitet hat, nicht der hundertste Teil oder im Grunde gar nichts, wenigstens nicht in der niedrigen Art wie manches erzählt wird, zu glauben ist, so soll doch die Frau selbst später berichtet haben, daß er nicht immer ganz treu gewesen, daß er ihr, die allerdings oft monatelang krank war, aber seine »Stubenmädeleien«, wie sie es nannte, selbst bekannt, und daß sie ihm dieselben verziehen habe: »er war so lieb, daß es nicht möglich war, ihm böse zu sein, man mußte ihm wieder gut werden.« Ihre Schwester berichtigte dann wohl, erzählt Jahn, daß Constanze nicht immer so nachsichtig gewesen, sondern daß es dabei auch zu heftigen Auftritten gekommen sei, was sehr begreiflich ist; indessen geht daraus hervor, – und Mozarts Briefe an seine Frau bestätigen es vollkommen, – daß das innig zärtliche Verhältnis beider zueinander auch durch solche Fehltritte nicht innerlich gestört worden ist. Und dies bestätigt ein Zeitgenosse, der beide recht gut gekannt hat, der Professor Niemtschek in Prag. Er sagt: »In seiner Ehe mit Constanze Weber lebte Mozart vergnügt. Er fand an ihr ein gutes liebevolles Weib, die sich an seine Gemütsart vortrefflich anzuschmiegen wußte und dadurch sein ganzes Zutrauen und eine Gewalt über ihn gewann, welche sie nur dazu anwendete, ihn oft von Uebereilungen abzuhalten. Er liebte sie wahrhaft, vertraute ihr Alles, selbst seine kleinen Sünden, – und sie vergalt es ihm mit Zärtlichkeit und treuer Sorgfalt. Wien war Zeuge dieser Behandlung, und die Wittwe denkt nie ohne Rührung an die Tage ihrer Ehe.«[298]

So hatte Mozart doch recht gehabt, selbst gegen den Willen des Vaters dem Zuge seines Herzens zu folgen, und der schöne Ernst, mit dem er die Schwierigkeit seiner Lage erfaßte und all die schmerzlichen Störungen seines edelsten Empfindens überwand, ließ ihn nun auch die innere Befriedigung finden, die des Mannes Gemüt in der Verbindung mit einem geliebten Weibe sucht. Welche Heiterkeit sich jetzt zunächst über sein Leben ausbreitete, davon giebt das treffendste Zeugnis ein Brief, den er kaum zwei Monate nach jener stillen Kopulation an die Dame schrieb, die ihm so liebenswürdig dazu verholfen hatte.

Das lustige Schreiben vom 2. Oktober 1782 lautet folgendermaßen:


»Allerliebste, Allerbeste, Allerschönste,

vergoldete, versilberte und verzuckerte

wertheste und schätzbarste

Gnädige Frau

Baronin!


Hier habe ich die Ehre Euer Gnaden das bewußte Rondeau, sammt den zwei Theilen von den Comedien, und den Bändchen Erzählungen zu schicken. – Ich habe gestern einen großen Bock geschossen! – es war mir immer als hätte ich noch etwas zu sagen – allein meinem dummen Schädel wollte es nicht einfallen! und das war, mich zu bedanken, daß sich Euer Gnaden gleich so viel Mühe wegen dem schönen Frack gegeben – und für die Gnade mir solch einen zu versprechen! – allein mir fiel es nicht ein; wie dies denn mein gewöhnlicher Fall – mich reuet es auch oft, daß ich nicht anstatt der Musik die Baukunst erlernt habe, denn ich habe öfters gehört, daß derjenige der beste Baumeister sey, dem nichts einfällt. – Ich kann wohl sagen, daß ich ein recht glücklicher und unglücklicher Mensch bin! – unglücklich seit der Zeit, da ich Euer Gnaden so schön frisirt auf dem Ball sah! denn – – meine ganze Ruhe ist nun verloren! – nichts als[299] seufzen und ächzen! – die übrige Zeit die ich noch auf dem Ball zubrachte konnte ich nichts mehr tanzen – sondern sprang – das Souper war schon bestellt – ich aß nicht – – sondern ich fraß. – Die Nacht durch anstatt ruhig und sanft zu schlummern – schlief ich wie ein Ratz, und schnarchte wie ein Bär! – und (ohne mir zuviel darauf einzubilden) wollte ich fast wetten, daß es Euer Gnaden à proportion eben auch so ging! – Sie lächeln? – werden roth? – o Ja – ich bin glücklich! – mein Glück ist gemacht! – doch ah! – wer schlägt mich auf die Achseln? – wer guckt mir in mein Schreiben? – au weh, au weh, au weh! – mein Weib! – Nun in Gottes Namen, ich hab sie einmal, und muß sie behalten! was ist zu thun? – ich muß sie loben – und mir einbilden, es sei wahr! –

Glücklich bin ich, weil ich keine Auerhammer brauche um Euer Gnaden zu schreiben wie Herr v. Taisen, oder wie er heißt! (ich wollte er hätte gar keinen Namen! –) denn ich hatte an Euer Gnaden selbst etwas zu schicken – und auch außer diesem hätte ich Ursache gehabt Euer Gnaden zu schreiben; doch das traue ich mir in der That nicht zu sagen; – doch warum nicht? – also Courage; – ich möchte Euer Gnaden bitten, daß – Pfui Teufel, das wäre grob! – à propos, können Euer Gnaden das Liedchen nicht?


Ein Frauenzimmer und ein Bier

wie reimt sich das zusamm? –

Das Frauenzimmer besitzt ein Bier,

davon schickt sie ein Blutzer mir,

so reimt es sich zusamm.


Nicht wahr, das ist recht fein angebracht? – Nun aber .... wenn mir Euer Gnaden auf heute Abends einen Blutzer zukommen lassen könnten, so würden Sie mir eine große Gnade erweisen – denn meine Frau ist – ist – ist – und hat Gelüste – – und aber nur zu einem Bier, welches auf englische Art zugerichtet ist! – nun brav, Weiberl! – ich sehe endlich, daß Du[300] doch zu etwas Nutze bist! – Meine Frau die ein Engel von einem Weibe ist, und ich der ein Muster von einem Ehemann bin, küssen beider Euer Gnaden 1000mal die Hände und sind Ewig Dero getreue Vasallen


Mozart Magnus corpore parvus et

Constantia omnium uxorum pulcher-

rima et prudentissima.


An die Aurnhammer bitte kein Compliment.«

Quelle:
Ludwig Nohl: Mozarts Leben. Berlin 4[um 1910], S. 279-301.
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