5.

Chronik.

Wien in den Jahren 1740 bis 1766.1

Wir sind bei einem wichtigen Lebensabschnitte Haydn's angekommen. Bisher hatte er mit der Außenwelt nichts zu schaffen, sie konnte auf ihn keinen Einfluß nehmen. Nun sollte dies anders werden: jede Begegnung konnte auf seine weitere Lebensrichtung bestimmend einwirken. Er selbst scheint nicht dazu geschaffen gewesen zu sein, in das Räderwerk seiner Bestimmung energisch einzugreifen. Herumgestoßen von einer Misère in die andere, kämpfte er in den besten Jahren seiner Jugend mit der bittersten Noth, mit der Sorge ums tägliche Brod. Immer aber war und blieb es sein Streben, mit zähem Fleiß und unverdrossener Ausdauer zur Bereicherung seiner Kenntnisse in der ihm heiligen Kunst all' seine Kräfte aufzubieten. Bevor wir nun die weiteren Erlebnisse Haydn's verfolgen, wird es nöthig sein, uns den erweiterten Boden, den unser Held im Begriffe steht zu betreten, wenigstens soweit dies die damaligen musikalischen[79] Zustände Wiens betrifft, in einem allgemeinen Ueberblicke zu vergegenwärtigen. Wenn diese nun auch in der nächsten Zeit auf Haydn keinen geradezu wesentlichen Einfluß ausübten, gewinnen wir doch durch deren Kenntnißnahme für unsere Hauptfigur den so nothwendigen Hintergrund, der uns die Zeit, aus der Haydn hervorging, die Factoren, die er zu seiner künstlerischen Entwickelung vorfand, und den gegenseitigen späteren Gewinn besser verstehen lehren wird.

Die mittleren Jahre des vorigen Jahrhunderts boten, die Musik im Weichbilde Wiens betreffend, nur noch die schwachen Ausläufer einer Periode, wie sie unter den früheren Herrschern Oesterreichs, Leopold I., Joseph I. und Karl VI. nicht glänzender gedacht werden kann. Die ernstere Zeit erheischte nun energische Einschränkungen; die überaus kostspieligen italienischen Opernvorstellungen in der Favorite2 und im ehemaligen Opernhause (spätere Redoutensaal) erreichten eben ihr Ende; die kaiserliche Hofkapelle, vorher so blühend, sank tiefer und tiefer; die Fasten-Oratorien in der Hofburgkapelle waren eingegangen und ebenso die früher auf dem inneren Burgplatz veranstalteten Serenaden mit mythologischen Aufzügen. Doch fand sich mancher Ersatz: ein neues Theater; jedermann zugängliche Concerte in Form von Akademien; gesteigerte Musikliebe des hohen Adels; die Musikkapelle eines kunstsinnigen Prinzen; Beiziehung von Männern wie Hasse, Jomelli, Traetta, Gius. Scarlatti, Gaßmann, Porpora und Gluck.

Von wesentlichem Einflusse aber war die, das Kaiserhaus noch immer beseelende Vorliebe für die Tonkunst. Dies geistige Erbtheil ihrer Vorfahren trug Maria Theresia auch auf ihre Kinder über, bei deren Erziehung für eine musikalische Ausbildung namentlich vorgesorgt war. Wagenseil, Jos. Steffan und der Hoforganist Wenzel Birk (Pürkh) unterrichteten am Hofe in Clavier, Mancini aus Bologna (gest. 1804) in Gesang. Unter seinen acht kaiserlichen Schülerinnen zeichneten sich Erzherzogin Maria Amalia (spätere Herzogin von Parma) und Maria Elisabeth durch Stimme und Geschick am meisten[80] aus. Es war Sitte bei Hofe, daß die Kinder am Namens- und Geburtsfeste der hohen Eltern allein oder auch im Verein mit Hofdamen und Cavalieren eigens für diesen Zweck componirte Cantaten und Opern von Wagenseil, Reutter, Bonno, Gluck, Hasse u.A. in den Gemächern der Burg, Schönbrunn und Laxenburg »auf geheimer Schaubühne« (d.i. nicht öffentlich) ausführten, die dann auch häufig von den kaiserl. Operisten im Theater gesungen wurden. Die Vorliebe des nachmaligen Kaisers Joseph II. für Musik ist bekannt; er war im Gesang, auf dem Clavier und Violoncell sehr wohl unterrichtet, hatte Geschmack und Einsicht und besaß die glückliche Gabe, jede Kunstbestrebung mit Eifer aufzufassen und mit einer gewissen Gewandtheit zu beurtheilen. Frühzeitig nahm er Theil an den heiteren und belehrenden Kunstübungen bei Hofe; begrüßte, kaum erst sieben Jahre alt, seinen hohen Vater an dessen Geburtstage mit einem italienischen Gedicht von Metastasio3 und producirte sich ein Jahr später (Dec. 1749) mit seinen Schwestern Maria Anna und Marie Christine und einigen Hofdamen und Cavalieren mit einer »kleinen teutschen theatralischen Vorstellung« vor beiden Majestäten und der Prinzessin Charlotte (Schwester des Kaisers). Diese Vorstellung wurde im Januar 1750 wiederholt. (Wien. Diar.) Es war dies einer der seltenen Fälle, daß die kaiserlichen Kinder zu ihren theatralischen Spielen sich der Muttersprache bedienten.4 – Die beiden Theater (nächst der Burg und dem Kärnthnerthore) besuchten beide Majestäten, Prinzessin Charlotte und ihr Bruder Herzog Karl Alexander von Lothringen von Schönbrunn aus sehr häufig, manchmal sogar beide Theater an ein und demselben Abend. –

Speiste der kaiserl. Hof, unter Aufwartung des päbstlichen[81] Nuntius, der Botschafter und des hohen Adels öffentlich in der Ritterstube in der Burg oder in den beiden Lustschlössern, so durfte auch eine »virtuose« Tafelmusik (vocal und instrumental) nicht fehlen, wobei sich die Mitglieder der Hofkapelle und der Oper oder zufällig in Wien anwesende fremde Künstler hören ließen. Bis in die Mitte der 60er Jahre sind u.a. genannt: die Violin-Virtuosen Ferrari, Ditters5, Lolli und der zwölfjährige Lamotte; der Flötist Besozzi; die Sängerin Pillaia, die kais. Hof- und Kammersängerin Frau Anna d'Ambreville (Perroni); die Sänger Galieni, Tibaldi und Fabris.

In den 50er Jahren werden die Berichte über Theaterbesuche und Hof-Tafelconcerte immer spärlicher; die politisch getrübten Verhältnisse machten Sang und Klang verstummen. Selbst die vordem häufigen pompösen Schlittenfahrten unter dem Klange lustiger Waldhornmusik waren eingestellt. Erst im Jahre 1760 regt es sich wieder, und mit den Tagen der Vermählung des Erzherzogs Joseph kehrte auf einige Zeit das frohere Leben wieder ein.

Am 4. Oct. 1743 fand in dem neuerbauten Schlosse Schönbrunn die erste Hoffestlichkeit statt, indem Maria Theresia den Namenstag ihres hohen Gemahls beging. Schloß und Park waren zum erstenmale aufs prächtigste erleuchtet; fantastische Aufzüge durchkreuzten den Lusthain und wurden dann im großen Saale orientalische Tänze aufgeführt, worauf ein Ball der hohen Herrschaften das Fest zu Ende führte. Seit dieser Zeit wurden in Schönbrunn abwechselnd französische Komödien, italienische Opern und Ballete von den Mitgliedern des Hofes oder von den Künstlern des Theaters nächst der Burg aufgeführt.

Nachdem noch unter Karl VI., am 28. Aug. 1740, dem Geburtstage der Kaiserin Elisabeth Christine, die kostbar ausgestatteten Vorstellungen in der kais. Favorite mit der Oper »Zenobia«, Musik vom damaligen Vice-Hofkapellmeister Predieri, für immer geschlossen wurden, hatte bald darauf das noch unter Kaiser Joseph I. im Jahre 1706 erbaute große Hofopernhaus6[82] ein gleiches Schicksal. Dieses Theater hatte zwei Säle, von denen der größere der ernsthaften italienischen Oper gewidmet war, welche jährlich hauptsächlich am Namenstag der Kaiserin (14. Nov.) mit verschwenderischer Pracht aufgeführt wurde. Der kleinere Saal diente zu Edelknaben-Komödien und kleineren Hoffestlichkeiten. Am 8. Jan. 1744 wurde im größeren Saale, der seinerzeit als der schönste und größte galt, Metastasio's »Ipermestra« (Tags zuvor im Hofzirkel aufgeführt) zur Vermählung der Erzherzogin Marianna (Schwester der Kaiserin) mit dem Herzog Karl von Lothringen gegeben.7 Die Musik war von Hasse; jene zur Licenza von Predieri und zu den Tänzen von Holzbauer. Mit der dritten Wiederholung am 25. Januar schlossen die Vorstellungen in diesen Sälen, die vier Jahre später in neuer Gestalt dem Publikum zu öffentlichen Faschings-Lustbarkeiten geöffnet wurden. –

Im Jahre 1741 wurde das auf der Nordseite der kaiserlichen Burg gegen den Michaelerplatz hin gelegene Hofballhaus8[83] in ein Theater umgebaut, in der ersten Zeit gemeiniglich »Theater nächst der Burg« genannt, im Jahre 1776 zum Hof- und Nationaltheater erhoben, seitdem aber vorzugsweise als das »Hofburg-Theater« bezeichnet. Das anfänglich sehr kleine Theater wurde dreimal erweitert. Der Tag der Eröffnung ist nicht nachzuweisen; das Wiener Diarium erwähnt des Theaters zum erstenmale im Jahre 1742, wonach am 5. Februar Ihre Majestät die Königin in Begleitung ihres hohen Gemahls und Hofgefolge Abends »in dero neuen Theatro an der königl. Burg eine Welsche gesungene Opera mit anzusehen geruhten«. Der Hof besuchte das Theater in demselben Jahre noch zweimal und sah eine deutsche und eine französische Komödie. Es ist somit die allgemein ausgesprochene Ansicht, dies Theater sei anfangs nur für das deutsche Schauspiel verwendet worden, nicht wörtlich zu nehmen. Das Theater wurde im Gegentheil gleich in dreierlei Weise benutzt und der damalige Impresario Selliers hatte nicht nöthig, es im Jahre 1743 erst »für italienische Singspiele einzurichten«. Die Abwechslungen in den Vorstellungen fanden bei Hof und im Publikum immer mehr Anklang und waren die nächste Veranlassung, daß das erwähnte große kostspielige Opernhaus aufgelassen wurde.

Die deutschen Vorstellungen übergehend, die uns anderwärts beschäftigen werden, heben wir zunächst das französische[84] Schauspiel hervor.9 Eine auf kais. Befehl vom Schauspieldirector Hebert engagirte französische Gesellschaft begann ihre Vorstellungen im Mai 1752, fand aber nur in den höheren Kreisen Anklang.10; wiederholt sehen wir sie nach Schönbrunn und Laxenburg berufen, wo sie auch französische Singspiele aufführten, von denen mehrere von Gluck componirt waren. Um ihnen dann bei Wiederholungen neuen Reiz zu verleihen, schrieb Gluck dazu eine Anzahl Airs nouveaux, Gesänge mit einfacher Clavierbegleitung im leichten französischen Stil. Unter den Singspielen, die Gluck später umarbeitete, sind namentlich hervorzuheben:La Cythère assiégéeLe Cadi dupé – On ne s'avise jamais de tout – L'arbre enchantéLa rencontre imprévue (deutsch: die Pilgrimme von Mecca).11 Das Orchester des französischen Schauspiels, das dann auch zur italienischen Oper verwendet wurde, zählte 24 Mitglieder, unter denen hervor zu heben sind: die Violinisten Karl Huber (Dittersdorf's Lehrer), Braun, Teyber, Starzer, Borghi und Champée; Violoncellist Franciscello; Contrabassist Cammermayer; Flötist Schulz; Oboist Venturini und Waldhornist Stadler. Als die Theater beim Tode des Kaisers Franz I. (18. Aug. 1765) geschlossen wurden, hörten auch die französischen Vorstellungen auf, wurden aber am 16. Mai 1767 unter dem Theaterunternehmer Afflisio (dito S. 146) auf Verlangen des Adels und unter dem Schutze[85] des Hofes wieder eingeführt und währten bis zur Fastenzeit 1772. –

An jedem Theaterabende waren dem französischen Schau- und Singspiele und der italienischen Oper auch Balletvorstellung eingefügt, denn Ballete waren in Wien von jeher sehr beliebt. Gewöhnlich eröffneten sie die Vorstellungen und schlossen die Acte ab; mit der Handlung selbst hatten sie nichts gemein, die Tänzer tanzten blos um zu tanzen. Bei den Opern Metastasio's nahmen sie nach und nach auch Rücksicht auf den Inhalt und wurden dem entsprechend wählerischer im Costüme. Unter Hilverding12 wurde das Ballet zuerst selbstständiger; in der Composition herrschte Verstand, Plan, Schicklichkeit, Geschmack und Grazie. Sein Nachfolger und Nachahmer, Angiolini von Toscana, im Jahre 1762 als Balletmeister berufen, machte sich als Künstler und auch als Schriftsteller in seiner Kunst bemerkbar (er schuf u.a. das Ballet zu Gluck's Orfeo), wurde aber weit übertroffen durch den im Jahre 1767 angestellten weltberühmten Noverre, der die Ballete auf die höchste Stufe der Vollkommenheit brachte. Unter den Solisten, die zugleich auch im Stadttheater nächst dem Kärnthnerthor tanzten, sind u.a. genannt die Damen Formigli, Morelli, Angiolino, die Schwestern Ricci und Fusi; die Herren Campioni, Costa, Defreine, Paradis, Pitrot, Angiolino und Salomon (Vater und Sohn). Die Musik zu den Ballets, Divertissements und Pantomimen schrieb Holzbauer und nach ihm Starzer und Champée. –[86]

Die Vorstellungen der italienischen Oper fanden im Zeitraum von 1740 bis 1766 nur zu gewissen Zeiten und dann wöchentlich ein- und zweimal statt und hatten mitunter bedeutende Kräfte aufzuweisen. Zu Zeiten bildeten sie den vorwiegenden Theil der Unterhaltung, und figurirt das Theater deshalb öfters auch als das »Opernhaus nächst an der kaiserlichen Burg«. Die Oper spielte in Wien eine hervorragende Rolle. Unter Kaiser Leopold I. gewann sie zuerst an entschiedener Bedeutung und man war bemüht, mit den dramatischen Fortschritten in Italien gleichen Schritt zu halten. Aus der Liste der berühmten Operncomponisten wird kaum Ein Name fehlen, der hier nicht vertreten war. In dem vorliegenden Zeitraum (1740–66) sind mit größeren und kleineren dramatischen Werken genannt: Predieri, Bonno, Wagenseil, Hasse, Reutter, Jomelli, Adolfatti, Traetta, Gius. Scarlatti, Francesco de Majo, Gaßmann und Gluck.13 Adolf Hasse war im Jahre 1760 zum drittenmale in Wien, blieb diesmal bis zu Anfang der 70er Jahre und schrieb in dieser Zeit fünf Opern für Wien. Jomelli brachte im Jahre 1749 vier Opern zur Aufführung. Traetta wurde im Jahre 1758 nach Wien berufen und führte hier drei Opern auf. Giuseppe Scarlatti, der 1757 nach Wien übersiedelte, schrieb hier eine Reihe komischer Opern; er starb auch in Wien, 65 Jahre alt, am 17. Aug. 1777. Gluck hatte Wien schon im Jahre 1736 besucht, im Fürst Lobkowitz'schen Hause Aufnahme findend; diesmal brachte er am 14. Mai 1748 die Oper La Semiramide riconnosciuta zum Geburtsfeste der Kaiserin zur Aufführung. Diese Oper, in der man freilich noch nicht den Mann ahnte, der später als Reformator der engsten Verbindung von Poesie und Musik nachstrebte, wurde in rascher Folge noch fünfmal wiederholt und jedesmal war (nach Berichten des Wiener Diariums) der kais. Hof zugegen. Im Jahre 1754 wurde Gluck als Kapellmeister der Oper mit 2000 Fl. Gehalt angestellt und blieb in dieser Stellung bis zum Jahre 1764. In dieser Zeit componirte er außer den schon erwähnten französischen Operetten[87] eine Reihe zum Theil für Hoffeste bestimmte dramatische Werke, unter denen er mit seinem Orfeo, zum erstenmale am 5. Oct. 1762 aufgeführt, eine Schöpfung bot, die bald darauf, im Jahre 1767, durch seine gewaltige, Epoche machende Alceste in glänzender Weise weit überboten wurde. – Unter den in der Oper und Akademie mitwirkenden Gesangssolisten sind hervor zu heben: die Castraten Pàolo Bareggi, Giàcomo Bertolotti, Tommàso Guarducci, Giovànni Manzuoli, Tommàso Lucchi, Ferd. Mazzanti, Angelo Monticelli, Ventura Rocchetti, Ferd. Tenducci, Gaetàno Guadagni (Altist); die Tenoristen Angelo Amorevoli, Càrlo Carlani, Gius. Tibaldi, Jos. (?) Friberth. Vom weiblichen Personale: Bianchi, Maria Cassarini, Maria Farinella, Francèsca und Cattèrina Gabrieli, Mariànna Galeotti, Marìa Pinelli, Karoline Keller, Mariànna Nicolini, Rôsa Curioni, Terêsa Giacomozzi, Glebero-Clavarau, Girôlama Giocometti (Altistin), Therese Heinisch, kais. Kammersängerin (nur im Concert), Vittoria Tesi-Tramontini, kais. Kammersängerin (Altistin), Sartori, Tibaldi und Toschi.

Vittoria Tesi (in Florenz geboren) wurde zu den ersten Sängerinnen und Schauspielerinnen ihrer Zeit gezählt; auch ihrer Schönheit wegen war sie berühmt, und die Art, wie sie die übrigens ehrlich gemeinten Bewerbungen eines Grafen nach ihrem Dafürhalten in seinem Interesse zu nichte machte, war ebenso romantisch wie auch resolut. Als sie Burney im Jahre 1772 in Wien kennen lernte, war sie bereits eine 80jährige Matrone. Von den Schwestern Gabrieli war Cattèrina (1730 zu Rom geboren) die berühmtere; schon frühzeitig erlangte sie einen großen Ruf. In Wien bildete sie sich bei Metastasio in Vortrag und Action noch aus und reiste im Jahre 1765 mit Schätzen beladen nach Sicilien, um dort fast ein Opfer ihrer Laune zu werden. Der Contraltist Guadagni (geb. zu Lodi, gest. 1797 zu Padua) wurde Gluck's intimer Freund; er sang u.a. im Orfeo die Titelrolle. Tenducci und Manzuoli lernte der damals achtjährige Mozart in London kennen und liebgewinnen; letzterer, ein berühmter Sopranist, gab ihm dort auch Gesangsunterricht; in Wien trat er in den Jahren 1760 und 1765 auf. Den Tenoristen Karl Friberth (sein Taufname wird in dieser Lebensepoche überall irrthümlich mit[88] »Joseph« angegeben), welcher ein Herzensfreund Haydn's wurde, werden wir später bei der Esterházy'schen Kapelle eingehender kennen lernen. –

Im Theater nächst der Burg fanden in der uns zunächst berührenden Zeit auch öffentliche Concerte statt, vorzugsweise Musikalische Akademien genannt. Diese müssen uns um so mehr interessiren, da sie den Ursprung des nachherigen blühenden Wiener Concertlebens bilden.14 Der Beginn dieser Akademien fällt ins Jahr 1750; die Anzeige im Wiener Diarium Nr. 14 lautet: (Dienstag den 17. Febr.) »Demnach bey vorseyender heiligen Fastenzeit alle Schau-spiele und Comödien eingestellet seynd, so werden in dem kais. Theatro nächst an der Burg zur Unterhaltung des hohen Adels, wie auch des Publici alle Wochen dreymalen, als Sonntag, Dienstag und Donnerstag, Musikalische Academien gehalten.« Bald darauf ist auch der Besuch des Hofes angezeigt: »Sonntag den ersten März Abends haben S. Maj. der Kaiser die Musikalische Academie in dem Opern-Haus nächst an der kais. Burg gegenwärtig zu seyn geruhet.« Die genannten Tage galten für die Fastenzeit; außerdem wurden an Freitagen, an denen kein Schauspiel erlaubt war, und an großen Feiertagen Akademien abgehalten. Die Bühne war zu diesem Zweck in einen halbgeschlossenen Saal umgewandelt und hier war dem Publikum Gelegenheit gegeben, die Künstler auch auf der Bühne selbst in unmittelbarer Nähe zu genießen, wie dies in früheren Jahren in London selbst im Schauspiel gebräuchlich war. Ein »Avertissement« im Wiener Diarium (1762, Nr. 17) zeigt dies ausdrücklich an: »Es wird auch ein Platz auf dem Theatro sein, um den sonst gewöhnlichen Preis des zweiten Parterre.« Das Orchester war bei diesen Akademien wesentlich verstärkt und einheimische und zugereiste Künstler ließen sich um so lieber hören, als es ihnen die einzige Gelegenheit bot, dem großen Publikum bekannt zu werden. Dittersdorf er zählt, daß er nach Auflösung der Kapelle des Prinzen von Hildburghausen im Theater-Orchester aufgenommen,[89] alle vierzehn Tage ein Violinconcert in den Akademien spielen mußte. Auch von Lolli und Pugnani, die Wien besuchten, kann man wohl annehmen, daß sie sich in diesen Akademien hören ließen. Die Abwechslung des Gebotenen (Oratorien, Cantaten, Symphonien, Concerte, Arien und Chöre) machte, wie das Répertoire des Théâtres de la ville de Vienne versichert, dem Musikfreunde diese Abende höchst angenehm. Mit Solovorträgen werden erwähnt: die Violinspieler Pugnani und Rosetti, der Flauttraversist Le Clerc, die Hoboisten Plat und Smith; auch Pantaleon und Psalterium waren durch Max Hellmann (von der Hofkapelle) und Noel vertreten. Von größeren Werken sind fünf Oratorien genannt: La redenzione und Gioas, beide mit Musik von Wagenseil, Il sacrifizio d'Abramo von Jomelli, la betulia liberata von Bernasconi, il roveto di Mosè von Adolfatti. Ferner Psalm VI, VIII, XL mit Musik von Adolfatti, Gluck und Wagenseil; zwei Chöre von Porpora und ein Chor vom Mailänder Kapellmeister und Kirchencomponisten Giov. Battìsta San Martino.15 Die Aufführung der Chöre von Porpora veranlaßte wohl dessen gleichzeitige Anwesenheit in Wien. Wir werden von ihm bei Haydn Weiteres hören. Diesen ersten öffentlichen Concerten in Wien16 reihen sich zunächst an die seit dem Jahre 1772 jährlich[90] zu Ostern und Weihnachten veranstalteten Akademien der »Tonkünstler-Societät«, deren Institut sich bis auf unsere Tage im »Haydn-Verein« erhalten hat.17

Wir wenden uns dem Stadttheater nächst dem Kärnthnerthore zu, dem ersten stehenden deutschen Theater Wiens. Die Entwickelung des Theaterlebens in Wien ist so interessant, daß man am liebsten den Baum gleich bei der Wurzel fassen und zurückgehen möchte auf die frühesten Vorläufer, die Rathhaus- und Zeughauskomödien, die Schul- und Jesuitenkomödien und auf die mannigfachen Vorstellungen in den Markthütten und Ballhäusern. Für den vorliegenden Zweck muß es genügen, in kurzen Strichen zu zeigen, welchen Stufengang das Theater nächst dem Kärnthnerthore bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts genommen hatte, jene Zeit, in welcher, wie wir später sehen werden, Haydn auf demselben Boden, mitten hinein versetzt in das bunte Theatergetriebe, mit seinem Talente zum erstenmale in die Oeffentlichkeit trat.

Da die Zufahrten zu den früher erwähnten Ballhäusern sehr beengt und für die Gebäude der nächsten Umgebung selbst auch feuergefährlich waren, kam der Wiener Stadtrath im December 1704 bei Kaiser Leopold I. um die Bewilligung ein, ein eigenes Stadttheater erbauen zu dürfen. Diese Bewilligung[91] erfolgte erst unter Leopold's Nachfolger, Joseph I., im August 1708, wiewohl einstweilen nur privatim und mit der Beschränkung, daß das Theater nur für die damals beliebten wälschen Komödianten, die schon im Jahre 1692 unter Joh. Thomas Dannese im Ballhause in der Himmelpfortgasse ihre Vorstellungen gegeben hatten, bestimmt sein solle.18 Das wirkliche Privilegium wurde erst im August 1720 durch Kaiser Karl VI. ertheilt. Als Bauplatz wählte man den freien Raum auf dem ehemaligen Steinmetzplatz, damals Roßmarkt genannt, nahe dem Kärnthnerthor und der damals noch bestehenden Heiligengeistkapelle im Bürgerspitale. Dieser Platz wurde deshalb auch geeignet befunden, weil »bei etwa entstehenden Händeln und Tumulten die nahe befindliche Stadtthorwache gleich zur Hand war«. Der Bau wurde noch im Jahre 1708 begonnen und schon am 30. Nov. 1709 erlebte Wien die Eröffnung seines ersten Stadttheaters.19 Conte Pecori war der[92] erste Pächter und in kurzen Zwischenräumen lösten sich die italienischen Truppen des Calderoni, Sebastien und Scio ab; im Jahre 1712 gingen die Geschäfte aber so schlecht, daß sich auch die letzte Gesellschaft unter Ristori auflöste. Nunmehr nahmen die deutschen Schauspieler aus dem Ballhause in der Teinfaltstraße von dem Theater Besitz. An ihrer Spitze stand Joseph Stranitzky, ein in der Rolle des Hanswurst berühmt gewordener Schauspieler, der schon im Jahre 1706 in einer Bretterbude auf dem Neumarkt gespielt hatte. Im Jahre 1718 kam abermals eine italienische Gesellschaft unter Ferd. Dannese, und ein Regierungsdecret vom Februar dieses Jahres verordnete, daß nunmehr die Deutschen und Italiener abwechselnd spielen sollten, allein Letztere unterlagen bald und von nun an behauptete Stranitzky als Pächter das Theater bis zu seinem Tode. Dessen Witwe Maria Monica verkaufte das noch auf drei Jahre lautende Pacht-Privilegium an die Theaterunternehmer Francesco Borrosini (Tenorist der Hofkapelle von 1712–31) und Joseph Selliers, denen auch das Ballhaus beim Franziskanerplatz gehörte und die nun für das Stadttheater ein 20jähriges Privilegium erwirkten. Im Jahre 1742 trat Borrosini ab und Selliers führte, zugleich mit dem Theater nächst der Burg, die Leitung allein. Im Jahre 1748 erhielt er die Bewilligung, das Komödienhaus nächst dem Kärnthnerthor »kais. kön. privil. Stadt-Wienerisches Theatro« nennen zu dürfen. Die gemeinschaftliche Leitung der beiden Theater wurde nun beibehalten. Im Jahre 1751 übernahm sie Freiherr von Lopresti in Rechnung des Hofes, aber schon im folgenden Jahre hob Maria Theresia alle bisherigen Privilegien auf, entschädigte die Unternehmer reichlich und übertrug die Aufsicht über die Theaterleitung dem Stadtmagistrat, der die Grafen Franz Esterházy und Joh. Jac. Durazzo zu Commissären ernannte und Leopold von Ghelen als Verwalter betraute. Im Jahre 1753 wurde Graf Durazzo zum alleinigen General-Spectakel-Director ernannt und behielt diesen Posten bei, bis er im Jahre 1764 als Botschafter nach Venedig ging. Das General-Directorium erhielt nun Graf Johann Wenzl von Spork. – Am 3. Nov. 1761 brannte das Stadttheater nach der Aufführung des Ballets »Don Juan« (Musik von Gluck) auf den Grund nieder und während des Wiederaufbaues spielten[93] die deutschen Schauspieler abwechselnd mit den Franzosen im Theater nächst der Burg. Das neue Stadttheater nächst dem Kärnthnerthore, nachmals Hof-, dann Hofoperntheater benannt, wurde nach einem Plane des Hofarchitekten Freiherrn von Pacassi erbaut und am 9. Juli 1763 mit einem Vorspiel von Weiskern eröffnet.20

Lernen wir nun die Schauspieler näher kennen. Der früher erwähnte Joseph Anton Stranitzky, ein geborener Schlesier, den wir hier, obwohl sein Wirken vor die in Rede stehende Zeit fällt, des Zusammenhangs halber genauer ins Auge fassen müssen, zog, ehe er nach Wien kam, mit der Veltheim'schen Truppe, einer der ältesten in Deutschland, herum. Bei Veltheim lernte er zuerst die Sitte extemporirter Stücke kennen und schuf dann in Wien die erste stehende Maske: den Hanswurst, eine lustige Theaterfigur, die vordem nur dem Namen nach existirte.21 Zum Vorbild nahm Stranitzky den italienischen Harlequin und gleich wie dieser in der Maske eines Bergamasker Bauern erschien, benutzte Stranitzky die Mundart und die einfältige und doch possirliche Art eines salzburgischen oder baierischen Bauern, seine derben Ausdrücke um so ungenirter wiedergeben zu können.22 Der Hanswurst, dem im 17. Jahrhundert noch die Figuren Riepel, Pickelhäring und ähnliche vorangingen, setzte durch ein halbes Jahrhundert die Lachmuskeln der Theaterbesucher in Bewegung und gab Anlaß zu einer Reihe Sprößlinge ähnlichen Gelichters, echter Wiener Typen: Pantalon, Bernardon, Bramarbas, Odoardo, Leopoldl, Scapin, Burlin, Jackerl, und nach deren Vertreibung aus der Stadt: Kasperl, dummer Anton, Tonerl, Thaddädl, Simandl und Staberl. In letzterer Maske wußte noch vor 25 Jahren der schon bejahrte Theaterdirector Karl das Wiener Publikum zu fesseln. Es ist dabei nicht zu[94] verkennen, daß, indem jeder begabte Schauspieler sich seinen eigenen Theater-Charakter schuf und ausbildete, ein gewisser Grad von Vollkommenheit in der Ausführung erreicht wurde. Stranitzky war auch mit der Feder thätig und seine, sämmtlich zum Extemporiren eingerichteten Stücke waren nicht minder beliebt.23 Einen Theil ließ Stranitzky in einem Bande gesammelt drucken – damals das Handbuch aller Nachtreter dieser Richtung.24 Die Komödien aus dem Stegreif erhielten sich in Wien durch 68 Jahre und wichen nur Schritt vor Schritt der Einführung des regelmäßigen Schauspiels. Stranitzky, in gewisser Beziehung der Gründer des stehenden deutschen Schauspiels in Wien, betrieb sein Amt mit Ernst und Eifer und verlangte ein Gleiches auch von seinen Untergebenen. Seine vorzüglichsten Mitglieder waren: Andreas Schröter von Berlin als Bramarbas (gest. zu Wien 1761)25 und seine Frau Anna; Joh. Leinhaas von Venedig, der Vater der Pantalons (gest. zu Wien 1767)26; Prehauser als Hanswurst; Frau Maria[95] Anna Nuth als Columbine (gest. 1751)27, deren Rolle die aus Zittau gebürtige Mamsell Lorenz übernahm, die als vermählte Huber und zuletzt als Frau Weidner eine Zierde der Wiener Bühne wurde (gest. zu Wien im 70. Lebensjahre am 14. Nov. 1800). Der Stammvater der Hanswurste erwarb sich ein ansehnliches Vermögen; seine zwei Häuser kannte Jeder und jenes in der Stadt am Salzkries, das er im Jahre 1717 auf einem Fortificationsgrunde erbaute, (neu Nr. 20; es befindet sich jetzt darin die k.k. Lotto-Direction), führte jahrzehntelang im Volksmunde die Bezeichnung »Hannswurstenhaus«.28 Stranitzky's Todesjahr wurde bisher nirgends genau angegeben, was mehrfache Irrthümer veranlaßte. Er starb im Stadttheater selbst, allen bisherigen Annahmen entgegen schon am 19. Mai 1726 im 50. Lebensjahre29, aber weder in den verschiedenen Todten-Protokollen noch im Grundbuche ist sein Stand als Schauspieler oder Theaterunternehmer angegeben, stets wird er nur als Bürger und kais. Hof-Zahn- und Mundarzt bezeichnet, ein Beweis, wie noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Schauspielerstand für etwas Entwürdigendes gehalten wurde, weßhalb ein Jeder trachtete, nebenbei ein Amt in Wirklichkeit oder fingirt zu betreiben.30 Nicht als alter Mann, wie er gewöhnlich hingestellt wird, aber doch wohl leidend und sein baldiges Ende erwartend, wandte sich Stranitzky eines Abends an das Publicum mit der Bitte, ihm, der den Wienern so manchen vergnügten Abend bereitet habe, eine Gunst zu gewähren. Indem er nun Prehauser, sein jüngstes Theatermitglied, vorführte, bat er weiter: »Nehmen Sie diesen jungen[96] Mann als meinen Nachfolger an, ich finde keinen fähigeren, meinen Platz zu besetzen.« Lautlose Stille folgte. Da fiel der also Empfohlene, einer augenblicklichen Eingebung folgend, auf die Knie und flehte, die Hände bittend gegen das Publicum ausstreckend: »Meine Herren! ich bitte Sie um Gotteswillen, lachen Sie doch über mich!« Alles lachte und Prehauser's Glück war gemacht.31

Gottfried Prehauser, geboren am 8. Nov. 1699 zu Wien, kam auf seinen Irrfahrten auch nach Salzburg, wo er sich in die Rolle des Hanswursten einlebte. Im Jahre 1725 berief ihn Stranitzky nach Wien, wo er jedoch anfangs wenig beachtet wurde, erst der erwähnte glückliche Einfall verschaffte ihm die Gunst des Publicums, der er sich bis an sein Lebensende erfreute. Er wurde rasch einer der vorzüglichsten Schauspieler und verdunkelte als Hanswurst bei weitem seinen Vorgänger. In den letzten Jahren seines Lebens spielte er auch in regelmäßigen Stücken, z.B. den Just in »Minna von Barnhelm«, und bewies, was aus ihm hätte werden können, wenn er sich früher dem besseren Schauspiel zugewendet hätte. Auch außer dem Theater genoß Prehauser überall Achtung; meistens ernst32, hatte er doch auch launige Einfälle. Als er die Leiche seines Freundes Weiskern zur Ruhe geleitete, sagte er zu seinen Begleitern: »Unser Odoardo hat's überstanden; ich werde ihm bald nachfolgen müssen, denn er wird nicht ohne seinen Bedienten sein können.« Einen Monat darauf, am 30. Jan. 1769, lag auch er, der bis dahin größte Komiker, als 70jähriger Greis auf der Bahre. Sein Bildniß ließ Kaiser Joseph in der Schauspieler-Galerie aufstellen; Anton Tischler verewigte ihn in Kupfer (»gewidmet von seinen Freunden«).33[97]

Im Jahre 1734 erhielt die Schaubühne einen wichtigen Zuwachs in dem eben erwähnten Friedrich Wilhelm Weiskern, Sohn eines sächsischen Rittmeisters. Er war in ernsten und komischen Rollen gleich stark und schrieb eine Menge Burlesken, die er nach italienischen, französischen und spanischen Schauspielen zustutzte. Er erfand für sich einen eigenen Charakter in der Rolle des Odoardo. Er kultivirte aber auch die schönen Wissenschaften, namentlich Geschichte und Geographie und widmete seine ganze freie Zeit der Ausarbeitung einer Topographie von Nieder-Oesterreich, welche nach seinem Tode in zwei Theilen erschien und noch jetzt geschätzt wird, obwohl ihr des Verfassers letzte Feile fehlt. Ebenso bekannt wurde der ergänzende dritte Theil: Beschreibung Wiens. Weiskern starb am 30. Dec. 1768 im 58. Lebensjahre und auch sein Bildniß ließ Kaiser Joseph für die Schauspieler-Galerie anfertigen.34

Prehauser, bisher das Haupt der Burleske, sah im Jahre 1737 in Joseph Kurz35 einen gefährlichen Nebenbuhler neben sich aufkommen. Auch dieser schuf sich eine eigene Charakterrolle; sein Bernardon fand rasch Eingang und in Erfindung extemporirter Stücke zeigte sich Kurz unerschöpflich. Ihn zu verdrängen war unmöglich; daher verglich sich Prehauser mit ihm, indem jeder in seinen Stücken des andern Theaterfigur zu Hülfe nahm. Mit Kurz, der durch seine momentane Verbindung mit Haydn eine eingehendere Kenntnißnahme mit den Verhältnissen des Theaters nächst dem Kärnthnerthor hauptsächlich nothwendig machte, werden wir noch genauere Bekanntschaft machen.

Den Genannten schlossen sich im Jahre 1743 Wilh. Meyberg[98] und Frau Franziska Kurz und zwei Jahre später noch Joseph Huber36 an. Huber, ein geborener Wiener, der die früher genannte Mamsell Lorenz ehelichte, schuf als Leander und dann als Leopoldl eine heimathliche Possenreißerfigur und führte die Zauber-Komödien ein, die, mit Arien untermischt und von ihrem Schöpfer gewürzt, sich eines enormen Zulaufes erfreuten. Huber war in ernsthaften und komischen Rollen gleich stark, starb aber schon im 34. Lebenejahre, als er eben im Zuge war, ein bedeutender Schauspieler zu werden, am 23. April 1760.

Das deutsche Schauspiel war zu jener Zeit größtentheils die Unterhaltung der mittleren Bürgerklasse. Hof, Adel und Alles, was sich zu den feineren Ständen zählte, besuchte das Theater nächst der Burg. Bald aber lockten Kurz-Bernardon und Prehauser mit dem grünen Hut und der Hanswursten-Jacke auch die vornehmeren Kreise ins Stadttheater und das deutsche Schauspiel wurde dadurch immer mehr der Lieblingsgenuß des größeren Publikums. Auch der Hof fing an, Gefallen daran zu finden. Bereits im Jahre 1737 hatten die deutschen Schauspieler zum erstenmale die Ehre, nach Mannersdorf, einem damals beliebten Badeort an der ungarischen Grenze, wo sich der Hof zeitweise aufhielt, gerufen zu werden; ebenso spielten sie wiederholt im sogenannten spanischen Saale in der Burg. Später nahmen Maria Theresia und ihr hoher Gemahl entschieden Partei für das deutsche Schauspiel und würdigten es ihres Schutzes. Nun lesen wir auch häufiger im Wiener Diarium: »Beede Majestäten haben im Stadt-Theatro einer neuen Teutschen Komödie abgewartet.«

Wir sind hier bei dem wichtigen Momente angekommen, wo das Frühroth eines besseren Geschmackes, der erst zwanzig Jahre später über die verkommene Lokalposse siegte, sich zum erstenmale Bahn zu brechen suchte. Zum erstenmale wagte man sich an regelmäßige Stücke. »Die Allemannischen Brüder«, ein Trauerspiel in Versen von Krüger, machte im Jahre 1747 den Anfang und der gute Erfolg ermuthigte Selliers, Mitglieder der Neuber'schen Gesellschaft in Leipzig (das Ehepaar Koch, Heydrich, Mlle. Lorenz) eigens zu studirten Stücken zu[99] engagiren. Im Jahre 1753 folgte ihnen auch Friederike Karoline Neuber selbst, entsprach aber den gehegten Erwartungen nicht. Sie kehrte nach Dresden zurück und spielte in den umliegenden Bädern in den traurigsten Umständen. Da die Kaiserin darauf drang, die Schaubühne zu verbessern, verschrieb Durazzo Stephanie den ältern, Kirchhoff und Frau von Riga, Jaquet und dessen Frau und Tochter von Graz (Katharina, geb. 1760 zu Wien und daselbst 30. Jan. 1786 gest., wurde eine hervorragende Schauspielerin). Diese trafen im Jahre 1760 ein. Unterdessen war am Theaterhimmel der Name Sonnenfels aufgestiegen – in den nächsten Jahrzehnten die Leuchte einer gereinigten Richtung. Schon jetzt (1751) drang sein Wille durch. Auf seinen Antrag wurde zur Ueberwachung der Sittlichkeit der Stücke die Theatercensur eingeführt. Für die regelmäßigen Stücke konnte man nun freilich haften, aber den extemporirten Burlesken blieben überall Luftlöcher geöffnet. Diese zu verstopfen, wurde die ganze Sippschaft vor eine Hofcommission gerufen und ihnen aufs schärfste anbefohlen, sich in Zukunft beim Extemporiren jeder Unanständigkeit zu enthalten. Empfindliche Verweise, Arrest, lebenslängliche Hast (!) waren die angedrohten Foltergrade. Nichtsdestoweniger stemmten sich Prehauser, Kurz und Weiskern gegen die versuchte Neuerung und trachteten zunächst, »Essex«, »Miß Sara Sampson« und andere regelmäßige Stücke lächerlich zu machen, was ihnen nur zu leicht gelang. Das Schlimmste war, daß sie ihre eigenen Machwerke nun als regelmäßige Stücke brachten. Die Stücke von Prehauser, Kurz, Weiskern und Huber (denen in den 60er Jahren Hafner, Klemm und Heufeld folgten) beherrschten die Bühne, und die Darsteller, eine Menge ausgeprägter Theaterfiguren, hatten es im Extemporiren nun so weit gebracht, daß ihnen keine Truppe gleich kam. Müller, der im Jahre 1761 auf der Durchreise in Wien die Vorstellungen besuchte, sagt darüber: »Ich bewunderte die Fertigkeit und bündige Suada in der Burleske. Prehauser, Weiskern, Leinhaas, Heydrich und Mad. Weidner (Kurz war damals von Wien abwesend) waren Meister in der Kunst, aus dem Stegreif zu spielen; ihr Vortrag verdiente nachgeschrieben zu werden.«37[100]

Eine Uebersicht der gegebenen Stücke und deren Verfasser bietet uns wieder, wenn auch nur in den früher genannten Jahren (Ostern 1752 bis Ende 1756) das erwähnte Répertoire des Théâtres u.s.w. Außer den Burlesken erscheinen Original- und übersetzte Werke von Grimm, Gellert, Baron Trenk, Koch, Gottsched, Goldoni, Metastasio, Apostolo Zeno, Bambini, Boissy, Destouches, Graffigny, Voltaire, Racine, Le Sage u.A. – Eine Specialität bieten die von den Kurz'schen Kindern dargestellten Komödien und Pantomimen. Die Ballete waren meist von Hilverding und Salomon, standen aber jenen im Theater nächst der Burg an Werth nach; die besseren Solotänzer waren an beiden Theatern beschäftigt. Auch das Orchester besaß außer Starzer, Cammermayer, Pacher, Mederitsch Gallus (Waldhorn, Violoncell und Baß) keine nennenswerthen Musiker; es zählte 10 Violinen, je zwei Violen, Celli und Bässe, Flöte, Fagott, zwei Oboen und zwei Waldhörner. Es wurde hier wie im Theater nächst der Burg täglich gespielt, die Freitage ausgenommen; in der Fasten- und Adventzeit waren ebenfalls keine Vorstellungen. –

Zur Marktzeit und im Fasching wurden im vorigen Jahrhundert in den dazu errichteten Bretterbuden auf dem Neumarkt, Judenplatz und auf der Freiung Pantomimen und Possen aller Art aufgeführt. Namentlich die Marionettenspiele waren sehr beliebt; die Figuren hatten bewegliche Glieder, die mit einem Draht von oben dirigirt wurden. Ehe Prehauser Wien verließ, ließ er sich im ersten Stadium seiner Theaterlaufbahn von dem »Zahnarzt« Hirschnak für dessen Puppen-Komödien auf der Freiung anwerben. Stranitzky hielt eine zeitlang trotz seiner Stadttheater-Pachtung auch eine Marionettenbude, ebenfalls auf der Freiung, in Gang; seine Witwe aber, in der kurzen Zeit, da sie allein das Regiment im Stadttheater führte, beklagte sich beim Stadtrath bitter über den gleichzeitigen Bestand der Marionetten, da ihr dies Eintrag thue. Im Jahre 1728 wurde das Spiel untersagt, da viel Unzucht dabei getrieben wurde, doch tauchte es schon nach zwei Jahren wieder auf. Wir lesen auch von einer obrigkeitlichen Verordnung im Jahre 1747, sich nicht mit brennenden Fackeln und Windlichtern in die Nähe der auf dem Neumarkt stehenden Pantomime zu begeben oder gar die Fackeln darinnen anzuzünden. Hoch und Niedrig unterhielt sich[101] an diesen Possen, die später namentlich in der Travestie Gelungenes leisteten. Im genannten Jahre finden wir im Wiener Diarium auch den Besuch des Kaisers und seines Bruders, des Herzogs Karl von Lothringen, bei einer pantomimischen Vorstellung auf dem Neumarkt erwähnt. Müller38 nennt noch im Jahre 1772 das Hofmann'sche Marionetten- oder sogenannte Kreuzerspiel auf der Freiung; Hofmann war auch der Einzige, der von der Abgabe eines Theils der Einnahme an die Theatral-Direction befreit war. Haydn's Vorliebe für das Marionettentheater ist bekannt; im fürstlichen Schlosse Esterház gelangte es unter Pauersbach's Direction zu besonderer Vollkommenheit.39

Es würde unserem Wiener Lebensbilde ein charakteristischer Zug fehlen, wenn wir nicht auch der öffentlichen Tanzbelustigungen gedächten. Die Tanzmusik Wiens war vor hundert Jahren noch lange nicht tonangebend, aber die Lust zum Tanzen war da. Von der Musik zu den Tänzen jener Zeit ist uns nur Weniges erhalten; es waren, wie in den späteren Jahrzehnten, in den Redouten und auf öffentlichen Bällen ausschließlich Menuetten (Minuetti di Ballo) und Deutsche (Allemands) in Gebrauch. (Contretänze, Ländler und Walzer kommen erst später vor.) Sie waren zum Theil für volles Orchester, zum Theil nur für Streichinstrumente, zwei Violinen und Baß, geschrieben, wie z.B. jene von Holzbauer (circa 1745) und von Huber (circa 1765). In fast gleichem gemessenen Gang bewegen sich die in Nürnberg (circa 1740) erschienenen in Kupfer gestochenen Menuetten (2 Violinen, 2 Hörner und Baß) des Ludwig Alb. Friedr. Baptiste.40 Diese 24 Menuette wechseln[102] (mit einer einzigen Ausnahme) regelmäßig in Dur und Moll ab und gilt immer der zweite Menuett gleichsam als Trio des vorhergehenden, der dann wiederholt wird. Die Meisten zählen je 8 Takte in beiden Theilen; beim letzten Menuett überlassen Hörner und Baß den zwei Violinen allein das Feld, die sich nun wie in einem reich geschmückten Coda in längeren Theilen ergehen, die erste Violine Triller auf Triller häufend, die zweite sie unermüdet mit Achteln in weiten Sprüngen begleitend, worauf dann, den vorletzten Menuett wiederholend, alle Instrumente gemeinschaftlich die Serie zu Ende führen. Die ersten Tanzstücke von Haydn (14 Menuette für 2 Violinen und Baß, Flöte, Oboen, Fagott und 2 Hörner) erschienen im Jahre 1767 bei Breitkopf in Abschrift. Sie sind noch (für Clavier allein) im Original erhalten und reichen der Schrift nach wohl selbst in die 50er Jahre zurück. Später werden wir Mozart, Haydn, Beet hoven und andere gleichzeitige Componisten die Feder für die kaiserlichen Redoutensäle in Bewegung setzen sehen; in unserm Jahrhunderte tauchten dann die Tanzweisen von Ferd. Gruber und Michael Pamer auf, die Vorläufer von Lanner und Strauß, mit denen die Wiener Tanzmusik eine entschiedene Wendung nahm und sich den Weg durch aller Herren Länder bahnte.

Es verlohnt der Mühe, bei dieser Gelegenheit auch die damalige Art und Weise, wie es bei diesen Unterhaltungen gehalten wurde, sowie die Tanzlokalitäten näher kennen zu lernen. Noch in den ersten 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren die Hauptvereinigungspunkte für Bälle nur das Theater nächst dem Kärnthnerthor (das Theater im sogenannten Hofballhause ist nur einigemal genannt) und der Tanzsaal »auf der Mehlgrube« am Neumarkt. Bis zur Eröffnung der kais. Redoutensäle hatte das Stadttheater allein das Vorrecht, auch[103] maskirte Bälle zu geben; sie begannen am 6. Januar und wurden an bestimmten Tagen bis zum Fasching-Dienstag fortgesetzt; das Einlaßgeld betrug einen Dukaten in Gold. Es wurde auf der Bühne und im Parterre getanzt, erst in späterer Zeit wurden beide vereinigt. Man gelangte zum Theater im Wagen oder Tragsessel, zu Fuß durfte sich keine Maske auf der Straße blicken lassen; alle hohen und vorhin schon unerlaubten Spiele waren strenge verboten. Das Orchester bestand aus circa 40 Musikern, welche zunächst aus der früher erwähnten, mit dem obersten Spielgrafenamte vereinten St. Nicolai-Bruderschaft bei St. Michael recrutirt wurden; sie allein hatten auch das Recht, in Zeiten, wo jede Wirthshausmusik verboten war, »bei denen Hochzeiten und ehrbaren Mahlzeiten« aufzuspielen. Es war dafür eine gewisse Taxe (Musikimpost) im Rathhause des Wiener Stadtmagistrats zu entrichten. Nachdem im Jahre 1782 der Zunftzwang der genannten Bruderschaft aufgehoben wurde, versammelten sich die Musiker, welche Tanzmusik ausführten, jeden Samstag des Morgens hinter der Säule am hohen Markt, und an den übrigen Tagen auf der Brandstatt, wo sie ein Jeder, der Musiker zu Bällen suchte, zu finden wußte.41

Die Verwendung des früheren, im Jahre 1744 geschlossenen Opernsaales zu Redouten, der Theatralleitung unterstehend, kam dem Publikum zum erstenmale Sonntag den 7. Jan. 1748 zu statten. »Diesen Abend (berichtet das Wiener Diarium Nr. 3) haben sich die Carnevals- oder Faschings-Lustbarkeiten in dem hierzu erbaueten prächtigen Redouten-Saal an der kais. Burg angefangen, wobey sich eine große Menge Maskern eingefunden hat, welche in allem zu sattsamen Vergnügen bedienet worden.« Unter »großer Menge« waren circa 600 bis 800 Personen verstanden. Im Jahre 1752 wurden die Maskenbälle bereits in den neu und aus Stein erbauten Sälen, wie wir sie jetzt kennen, abgehalten. Die Bälle begannen am ersten Sonntag oder Mittwoch nach dem heil. Dreikönigfest und schlossen am sogenannten Erchtag (Fasching-Dienstag). Den Besuchern war es gestattet, an den gleichen Ball-Abenden in beiden Theatern im Maskenkleide,[104] jedoch ohne Larve, zu erscheinen. In den 50er Jahren sind auch im November Maskenbälle angezeigt, welche von 8 bis 2 Uhr Mitternacht währten.

Die Bälle des Hofes und Adels wurden im kleinen Redoutensaale abgehalten. Den Kammerfestins, mit und ohne Verkleidung, wohnten meistens beide Majestäten und die übrigen kaiserlichen Mitglieder bei. Der Adel gab aber auch im Saale zur Mehlgrube geschlossene Bälle und hatte das Vorrecht, auch hier in Verkleidung zu erscheinen. Hoher und niederer Adel hatten jeder seinen bestimmten Abend und waren in beiden Kreisen diese maskirten Bälle besonders beliebt.42

Vor Eröffnung der Redoutensäle war der Saal zur »Mehlgrube« die größte und beliebteste Tanzlocalität Wiens43, wo man auch im Maskenkleide, jedoch ohne Larve, erscheinen durfte. Fast jeder Tag der Woche war hier besetzt, doch wurde sorgfältige Musterung der Stände gehalten. Es gab Bälle für »honette Compagnien« (aus dem Beamten- und Handelsstand u.s.w.), anspruchsvollere »Distinctions-Bälle« (Herreneintritt ein Dukaten in Gold) und »geschlossene Compagnien«, von denen jede besondere Bestimmungen hatte.44

Außer den genannten Orten sind gleichzeitig als »berühmte« Privat-Tanzsäle noch genannt: das Defranz'sche oder sogenannte Haasenhaus in der Kärnthnerstraße (neu Nr. 14), das Stampfische Haus »zum Sommer« unter den Tuchlauben[105] (neu Nr. 17) und der »berühmte große Saal« im Waffenbergischen Hause auf dem Peters-Freithofe. Die »properen« Bälle dieser Orte mit »wol-besetzter« Musik und ausgesuchten Speisen und Getränken sind jahrelang zur Faschingszeit im Wiener Diarium angezeigt. Für allzu derbe Mischung sorgte das Entrée: Leggeld für eine Mannsperson ein Species-Dukaten, Frauenzimmer franco. Der Anfang war um 6 Uhr Abends; das Ende ist nicht angezeigt.45

Auch der Nachtmusiken haben wir zu gedenken; sie boten den warmblütigen Wienern eine gar willkommene Unterhaltung und weiß von ihnen schon im 17. Jahrhundert ein Reisender zu erzählen.46 Indem er den großen Musiksinn des Kaisers Leopold I. hervorhebt, findet er es erklärlich, »daß sich so viele Musicanten in Wien befinden, wie dann schwerlich irgendwo mehr anzutreffen sind als allhier und ging schier nicht ein Abend vorbey, daß wir nicht eine Nachtmusic vor unsern Fenstern auf der Straßen hatten«. In den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts gewannen dieselben an Ausdehnung und Mannichfaltigkeit. Der im großen Stil ausgeführten, schon früher erwähnten Serenaten mit glänzend costümirten mythologischen Masken, die an Familienfesttagen des kais. Hofes auf dem innern Burgplatz abgehalten wurden, gedenkt ein anderer Reisender.47 Wenn auch mit dem Tode Kaiser Karl's VI. musikalische Nachtfeste solcher Pracht verstummten, gediehen sie doch in mannichfacher Gestalt in bürgerlichen Kreisen fort; so wird noch in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts in einem Briefe aus Wien berichtet: »Nachtmusiken sind hier so häufig, als unter dem schönsten italienischen Himmel. Bald sind es ganze Gesellschaften von[106] Sängern, bald rauschende Instrumentalmusik, bald auch die einzelne Flöte oder Mandoline, welche Ihnen beim nach Hause gehen aus den stillen Straßen entgegenschallen und bald einen Kreis von Zuhörern um sich versammeln, welche mit aller Schnelligkeit ihr Lager verlassen und herzuströmen.«48 Verführerischer noch werden uns diese Ständchen in einem Wiener Theater-Almanach vom Jahre 1794 (S. 173) geschildert: »In den Sommermonaten trifft man fast täglich, wenn schönes Wetter ist, Ständchen auf den Straßen, und ebenfalls zu allen Stunden, manchmal um ein Uhr und noch später. Diese Ständchen bestehen aber nicht, wie in Italien oder Spanien, in dem simplen Accompagment einer Guitarre, Mandore, oder eines andern ähnlichen Instruments zu einer Vocalstimme, denn man giebt die Ständchen hier nicht, um seine Seufzer in die Luft zu schicken, oder seine Liebe zu erklären, wozu sich hier tausend bequemere Gelegenheiten finden, sondern diese Nachtmusiken bestehen in Terzetten, Quartetten, meistens aus Opern, aus mehreren Singstimmen, aus blasenden Instrumenten, oft aus einem ganzen Orchester, und man führt die größten Symphonien auf. Besonders wimmelt es von solchen Musiken an den Vorabenden der bekannten Namensfeste, vorzüglich am Annenvorabende. Gerade bey diesen nächtlichen Musiken zeigt sich auch die Allgemeinheit und Größe der Liebe zur Musik sehr deutlich; denn sie mögen noch so spät in der Nacht gegeben werden, zu Stunden, in denen alles gewöhnlich nach Hause eilt, so bemerkt man doch bald Leute in den Fenstern, und die Musik ist in wenigen Minuten von einem Haufen Zuhörer umgeben, die Beyfall zuklatschen, öfters, wie im Theater, die Wiederholung eines Stückes verlangen und sich selten entfernen, bis das Ständchen geendigt ist, das sie öfters noch in andere Gegenden der Stadt schaarenweise begleiten.« Auch zu Anfang des laufenden Jahrhunderts waren die Ständchen in Wien noch gebräuchlich. Nach Moscheles49 gab Graf Palffy deren sechs im Jahre 1815 im botanischen Garten. Moscheles selbst, Mayseder, Merk, Giuliani und Hummel wirkten mit und führten in Gegenwart der Kaiserin[107] Marie Louise und der Erzherzoge Rainer und Rudolph Compositionen von Beethoven, Mayseder und Hummel auf und dazwischen »lustige Jodler, die aus den Gebüschen hervorklangen und ein noch lustigeres Souper. Außerdem wohl ein halbes Dutzend, welche Privatleute den Ihrigen zu ihren Namenstagen gaben«.

Die Nachtmusiken zur Zeit unserer Chronik denken wir uns in bescheidenem Zuschnitt, etwa von drei und mehr Streich- oder Blasinstrumenten (je zwei Klarinetten, Hörner, Fagott) oder auch von gemischten Instrumenten mit und ohne Gesang ausgeführt. Auf die Serenade im weiteren Sinn werden wir am gehörigen Orte zurückkommen.

Ab und zu gab es in den Jahren nach Haydn's Austritt aus dem Kapellhause allerlei Feste, die theilweise auch ein öffentliches Schaugepränge trugen. So berichtet das Wiener Diarium sehr ausführlich über ein glänzendes Fest, das der französische Botschafter Marquis d'Hautefort im November 1751 an zwei aufeinander folgenden Tagen zur Feier der Geburt des Herzogs von Burgund in seinem Palast auf der Freiung (Platz in der innern Stadt) veranstaltete. Ein von einem auserlesenen und stark besetzten Orchester ausgeführtes Concert, große Tafel, glänzender Ball in dem auf dem Platze eigens dazu erbauten Saale sind namhaft gemacht, wie auch eine glänzende Außenbeleuchtung des Hauses, transparente Bilder auf einem Prachtgerüste und ein Springbrunnen, der dem Volke unter beständigem Pauken- und Trompetenschall an beiden Abenden Wein spendete. – Ein ähnliches noch brillanteres Fest veranstaltete der neapolitanische Minister Marchese Niclas da Majo im October 1754 zur Geburtsfeier des Erzherzogs Ferdinand Karl. Der Weg vom Schottenthore nach dem in der Roßau liegenden fürstlich Liechtenstein'schen Gartenpalaste war mit einer doppelten Reihe Pechpfannen und vergoldeten Laternen beleuchtet. Palast und Garten strahlten im Widerschein von achtzigtausend Lampen und Feuertöpfen und am Hauptportale war ein doppelter Triumphbogen errichtet, auf dem zwei Chöre musicirten, eine dritte Musik mit Feldinstrumenten war oberhalb der Stiege des Prospect-Gebäudes aufgestellt. In dem von Pozzi gemalten, von zwanzig Säulen getragenen Saale, der mit unzähligen Häng- und Wandleuchtern und krystallenen Girandolen erhellt[108] war, bewegten sich hunderte von Masken, die um Mitternacht an sieben reich besetzten Tafeln Platz nahmen und später bis zum Morgen dem Tanze huldigten. Auch der kais. russische Botschafter gab ein nicht minder glänzendes Fest im Januar 1755 im Ro frano'schen Gartenpalast (später Auersperg'sches Palais) vor dem Burgthor zur Feier der Geburt des Großfürsten Paul Petrowiz.

Häufig finden wir erwähnt, daß Haydn von seinen frühesten Werken keinen pecuniären Vortheil zu ziehen wußte, daß er sie sorglos von Hand zu Hand wandern ließ und, anstatt erbittert zu sein, daß Andere damit Gewinn erzielten, sich im Gegentheil kindisch freute, wenn er eine seiner Compositionen in den Auslagfenstern der Musikhandlungen durch den Stich verbreitet sah. Die Richtigstellung dieser Annahme bietet zugleich Gelegenheit, auf den Musikalienhandel, wie er damals in Wien beschaffen war, ausführlicher einzugehen. Wir werden in der Folge sehen, wie rasch sich dieser für Componisten und Publikum gleichwichtige Handelszweig ausbildete, wie Firma auf Firma entstand, wieder verschwand oder an Andere überging. Vor Allem muß bemerkt werden, daß es bis in die Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Wien überhaupt keine ausschließlichen Musikalienhändler oder Verleger im Sinne der Jetztzeit gab. Nur ausnahmsweise kamen musikalische Werke von hier aus in den Handel; der größere Theil wurde in Abschriften verbreitet; fast alle in Kupfer gestochenen Werke kamen von auswärtigen Städten, namentlich von Nürnberg, Augsburg, Leipzig50, Amsterdam, Paris und London. Mit dem Verkauf der Musikalien befaßten sich vorzugsweise die Buchhändler; auch Buchbinder (J.F. Baumgartner), Kupferstecher (Joh. Jak. Lidl) und Copisten (Haschke) boten Musikalien feil; selbst in einem Gewürzgewölbe (J.G. Gründler beim Kärnthnerthor) konnte man Musikwerke, z.B. Hurlebusch's Clavierstücke, kaufen. Unter[109] den Firmen, welche im Wiener Diarium am häufigsten vorräthige Musikalien ankündigten, sind hervorzuheben: Joh. Peter von Ghelen, kais. Hof- und Universitäts- und gemeiner Stadt Wien Buchdrucker (bei dem schon im Jahre 1725 Fux's berühmter Gradus ad Parnassum, mit beweglichen Typen gedruckt, erschienen war); Joh. Thomas Edler von Trattner, k.k. Hofbuchdrucker und Buchhändler auf dem Kohlmarkt (jetzige Café Daum) und im Schottenhof (im Jahre 1775 im eigenen Hause auf dem Graben); Jos. (später Edler von) Kurzböck, k.k. Hofbuchdrucker in allen orientalischen Sprachen und Buchhändler, Verlagsgewölb auf dem Hof, dann in der Bognergasse; Georg Bauer, Buchhändler auf dem alten Fleischmarkt; Peter Conrad Monat, Buchgewölb unter den Tuchlauben; die Kunst- und Buchführerey Prasser auf dem Kohlmarkt (Schild zum St. Johann in der Wüsten); Augustin Bernardi, Universitäts-Buchhändler, der oberen Jesuitenpforte gegenüber; Rudolph Gräffer, Buchhändler im Jesuitenhof; Herm. Jos. Krüchten, Buchhändler unter den Tuchlauben (bei der Weltkugel im Seitzerhof); Joh. Paul Kraus, Buchführer neben dem Hofballhaus; Emerich Felix Bader, Buchführer in der Bognergasse (neben dem Todtenkopf), und etwas später Huberty, Musik-Kauffmann in der Alstergasse (zum goldenen Hirschen). Der bescheidene Binz, dem wir auf dem Stephans-Friedhof begegnet sind, erlaubte sich erst später die so kostbare öffentliche Ankündigung im Wiener Diarium. Das Handlungshaus Artaria auf dem Kohlmarkt war das erste, das, im Jahre 1769 mit einem Privilegium versehen, sich bald darauf mit dem Verlag eigener gestochener Musikalien befaßte. Haydn, Mozart, Beethoven erschienen daselbst der Reihe nach mit ihren Werken und namentlich hatte Haydn in den 80er Jahren regen Verkehr mit dieser Firma, die auch, die erste in Wien, seit dem Jahre 1777 eigene Musikkataloge veröffentlichte und im folgenden Jahre zum erstenmale Musikalien selbst verlegte. Vordem hielten die drei Brüder Cesare, Domenico und Giovanni, gebürtig aus dem Orte Blevio am Comersee, verschiedene Kunstartikel in ihrem Gewölbe unter den Tuchlauben unter dem Schilde »zum König von Dänemark«. (Carlo Artaria hatte seinen Laden unter demselben Schilde im Jahre 1775 gegenüber dem Michaelerhaus.) Der Firma Artaria werden wir später noch oft begegnen.[110]

Mit dem Eigenthumsrecht der Musikalien war es im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts übel bestellt; jeder Verleger suchte dem andern durch Nachdruck zu schaden und den Copisten gegenüber standen wiederum Componisten und Verleger machtlos gegenüber. Das Schlimmste dabei war, daß mit jeder neuen Abschrift auch neue Fehler sich einschlichen, welche die Zeit endlich sanctionirte. Mitunter suchten die Componisten das Geschäft der Herausgabe selbst in die Hand zu nehmen; so kündigte Mozart im Jahre 1783 drei Clavierconcerte an, auf die man in seiner Wohnung subscribiren konnte; Haydn verlegte 1784 Claviersonaten auf eigene Rechnung, die in der Gräffer'schen Buchhandlung zu haben waren.

In Kupfer gestochene Musikalien bildeten einen Luxusartikel und kamen noch im Jahre 1770 so selten vor, daß der Buchhändler Bernardi die bei ihm vorräthige »allerneueste in Kupfer gestochene Musik« gleichsam als etwas Ungewöhnliches ankündigte. In Wien selbst wurden, wie oben erwähnt, nur hin und wieder Werke in dieser Art verlegt, doch lieferten schon im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts die Notenstecher Joh. Jak. Freundt und Jakob Hoffmann mit einem umfangreichen musikalischen Werk des Fürsten Paul Esterházy eine saubere Arbeit. Dreißig Jahre später klagt Küchelbecker51, daß unter den Kupferstechern »keiner von sonderlicher Reputation anzutreffen« sei. Doch finden wir in Folge der Gründung der k.k. Kupferstich-Akademie (1766) wieder ganz tüchtige Männer, wie namentlich C. Schütz, F. Müller, Georg David Nicolai, und in zweiter Linie Beheim, Brunet, Huberty, Eberspach und den früher genannten Lidl; die geschmackvoll und fleißig ausgeführten Titelkupfer der drei Erstgenannten (Canzonetten von Martin, Gluck's Oden, Lieder und Symphonien von Haydn, Clavierwerke von Steffan, Wagenseil u.A.) wird man noch heutzutage mit Vergnügen betrachten.

Geschriebene Musikalien waren auch in Deutschland so zahlreich verbreitet, daß z.B. Breitkopf in Leipzig, Westphal in Hamburg förmliche Lager von Manuscripten hielten. In Wien bildeten diese eine Haupterwerbsquelle der Copisten, deren einzelne[111] durch langjährige Ausübung einen gewissen Ruf erlangten; so werden die Opern-Partituren des Hoftheatralcopisten Wenzl Sukowaty noch heutzutage häufig in Bibliotheken angetroffen. Durch ihre Gewinnsucht und meist unzuverläßlichen Arbeiten bildeten die Copisten eine stehende Klage der Componisten; besonders Reisende wußten sie nach Möglichkeit auszubeuten, wie denn der englische Musikschriftsteller Burney bei seinem Wiener Besuche im Jahre 1772 von ihnen förmlich belagert wurde. Einem Copisten aber fiel die Ehre zu, der Erste gewesen zu sein, der Werke von Haydn in den Spalten des Wiener Diariums ankündigte; es war dies der oben erwähnte Simon Haschke, »Musiko und Notist in den drey Huetten zu Maria Trost« (St. Ulrich, Vorstadt Wiens), der im Jahre 1768 copirte Musikalien für verschiedene Instrumente zum Verkauf anbot und unter den »besten Meistern«, als Steffan, Wagenseil, Hoffmann, Wanhal, Mathielli, Toeschi, Bach und Jomelli auch Haydn nennt.52 Zu Anfang der 70er Jahre werden dann Haydn's Symphonien und Quartette, im Ausland gestochen, von Krüchten u.A. angezeigt; Artaria folgte im Jahre 1776. Haydn's erste größere, in Wien selbst verlegte Sonatensammlung erschien 1774 bei Kurtzböck in Typendruck, in welcher Gestalt kurz zuvor auch die Partituren von Gluck's »Alceste« (1769) und »Paride ed Elena« (1770) in Typendruck, gr. Folio bei Trattner gedruckt und verlegt worden waren.53

Musikalisch-theoretische Werke waren kurz nach ihrem Erscheinen auch in Wien im Wiener Diarium angekündigt; so finden wir die Schriften von Mattheson, Marpurg, Rameau, Sorge und Kirnberger; auch sehen wir aus zwei Anzeigen, daß man sich damals bereits auf akustische Fragen einließ.54[112]

Die Musikliebe des österreichischen Adels, für die wir zum Theil schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und wiederum bis in die Epoche Beethoven zahlreiche Belege finden, gab sich auch im Verlauf des verflossenen Jahrhunderts in mannigfacher Weise kund. Wir dürfen uns nur der im Jahre 1724 bei Hofe veranstalteten Aufführung der Oper Euristeo von Caldara und anderer Hoffestlichkeiten erinnern, um schon hier auf der Bühne und im Orchester ein selbstausübendes hochadeliges Personal kennen zu lernen, das jedem gleichzeitigen Hofkapellmeister hohe Befriedigung gewährt haben mußte. Haydn trat in nähere Beziehung zum hohen und höchsten Adel; es genügt hier, die Grafen Apponyi, Erdödy, den Fürsten Lobkowitz zu nennen, denen Haydn einen Theil seiner Streichquartette widmete; ferner den Fürsten Schwarzenberg, in dessen Palais die ersten Aufführungen der Schöpfung und der Jahreszeiten stattfanden; die Fürsten Liechtenstein, Auersperg, Kinsky, Lichnowsky, Trauttmannsdorff und die Grafen Czernin, Harrach, Fries und Sinzendorf, die im Verein mit Fürst Schwarzenberg und unter unmittelbarer Anregung van Swieten's die Compositionen der erwähnten Oratorien veranlaßten. Aus den 50er und 60er Jahren sind als ausübende Sänger und Sängerinnen in den bei Hofe aufgeführten Opern Fürst Taxis, Graf Pergen, die Gräfinnen Frankenberg, Rosenberg, Lamberg, Kollonicz u.A. namhaft gemacht; auf dem Clavier thaten sich ferner hervor Graf Althann, die Gräfinnen Zierotin, Wilczek und Baronin von Gudenus. Auch die Orgel war vertreten; so spielte die jugendliche Fürstin Leopoldine Liechtenstein beim Theresienfeste, 15. Oct. 1765, in der Kapelle des Neconvalescentenhauses auf der Landstraße ein Orgelconcert ihres Lehrers Christoph Stephan. (Wiener Diarium Nr. 84.) – In der Theresianischen Ritter-Akademie sehen wir sogar wiederholt Opern, Singspiele, Ballete und Schauspiele mit Musik ausschließlich von den jungen Cavalieren dargestellt, die auf der Bühne und im Orchester vor den[113] geladenen Gästen und dem kais. Hofe Proben ihrer Kunstfertigkeit ablegten.

Den meisten der früher und später oft genannten Namen begegnen wir im Wiener Diarium auch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts als Betheiligte bei den wahrhaft glänzenden Schlittenfahrten, die der kais. Hof oder abwechselnd einer der Fürsten Paul Anton Esterházy, Joh. Adam von Auersperg, Jos. Adam von Schwarzenberg, Franz von Liechtenstein, von Kinsky, Graf Clary unter Betheiligung der wirkl. geheimen Räthe und Kammerherren, Fürsten, Grafen und Barone veranstalteten (deren Gemahlinnen und Töchter durch das Loos jedem Einzelnen zugetheilt) und ihre Rundfahrt unter Begleitung von Pauken und Trompeten und einem Chor Waldhornisten durch die Hauptstraßen der inneren Stadt auf dem Burgplatz mit dem sogenannten »Rädel« beschlossen, worauf dann Diner und Ball im Palais des jeweiligen Veranstalters folgte.


Den Reigen fürstlicher Musikkapellen, die in der Musikgeschichte Wiens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine so wichtige Rolle spielen, eröffnet schon jetzt, am Ausgang der 40er Jahre, in glänzender Weise und gleichsam als Vorläufer der erst in den 60er Jahren zu größerer Bedeutung sich erhebenden fürstlich Esterházy'schen Kapelle jene des Prinzen Joseph Friedrich von von Sachsen Hildburghausen. Dieser kunstsinnige Prinz (geb. am 5. Oct. 1702, gest. am 4. Aug. 1787) trat frühzeitig in österreichische Dienste und stieg bis zur Stufe eines Feldmarschalls und General-Feldzeugmeisters. Sein langjähriger Aufenthalt in Wien und die Nähe eines so musikliebenden Hofes nährte seine Leidenschaft für die Tonkunst, der er in seinem Palais eine wahrhaft fürstliche Stätte bereitete.55 Der Prinz[114] unterhielt eine ansehnliche Musikkapelle und veranstaltete jeden Winter an den Freitags-Abenden, an denen die Theater geschlossen waren, musikalische Akademien, die vom Hofe und hohen Adel besucht wurden. Dittersdorf, für dessen Ausbildung der Prinz in väterlicher Weise sorgte und der in den 50er Jahren ein rühriges Mitglied der Kapelle wurde, hat uns zuerst deren Einrichtung beschrieben. Der kais. Hofcompositor Joseph Bonno, spätere Hofkapellmeister, hatte die Anordnungen und die Leitung der Aufführungen übernommen, Joseph Trani war Orchesterdirector; zuweilen dirigirte auch Dittersdorf, und als Gluck im Jahre 1751 wieder nach Wien kam, wurde auch er für die Kapelle gewonnen und ward durch seine vielseitige Bildung dem Prinzen bald ein unentbehrlicher Hausfreund. Die Kapelle versammelte sich dreimal wöchentlich zu Uebungen; nach Ostern endigten die Winter-Akademien und waren die Musiker im Sommer frei, doch mußten sie sich täglich bis vier Uhr Nachmittags in Bereitschaft halten. Die vorzüglichsten Mitglieder der Hofkapelle, der Hofoper und des französischen Schauspiel-Orchesters und der besten Kirchenchöre waren hier vereinigt und an Concerttagen wurde das Orchester noch verstärkt – kein Wunder (sagt Dittersdorf), daß diese Akademien in ganz Wien als die besten anerkannt wurden. Zur Aufführung kamen u.a. Symphonien von Jomelli und Gluck, Oratorien, Arien aus den damals beliebtesten Opern, Violinconcerte von Benda, Tartini, Locatelli und Zuccarini. Dittersdorf selbst beschreibt in warmen Worten seine Seligkeit beim Vortrag seines ersten Violinconcertes vom Orchester begleitet. Als Instrumental-Solisten sind genannt: Pugnani, van Malder und Dittersdorf (Violine), Gentsch (Cello), Le Claire (Flöte), Schmitt und Besozzi (Oboe, Ersterer auch Bassethorn), Tune (Fagott), Stamitz, Leut geb und beide Hubaczek (Waldhorn). Von vorzüglichen Gesangskräften traten hier auf: die Altistin Vittoria Tesi (-Tramontani), die Sopranistinnen Theresia Heinisch (verehel. Pettmann), Katharina Starzer, Cattèrina Gabrieli, der Tenorist Karl Friberth, die Castraten Guarducci und Manzuoli. Im Sommer brachte der Fürst gewöhnlich einige Monate auf seiner am Marchfluß, nahe bei dessen Mündung in die Donau bei Hainburg gelegenen Herrschaft Schloßhof zu, einem prächtigen, vom Prinzen Eugen von[115] Savoyen erbauten Schlosse sammt Park. Auch hier wurden gelegentlich Concerte und auch Opern veranstaltet und selbst herumziehende Komödianten-Truppen fanden ein gastliches Dach und weckten durch ihre, wenn auch bescheidenen Leistungen zuerst die Lust des jungen Dittersdorf zur dramatischen Tonkunst. Ein mehrtägiges, glänzendes und an Abwechslung reiches Fest zu Ehren der Anwesenheit des Kaiserpaares, in Begleitung der Erzherzoge Joseph und Karl, und der Erzherzoginnen Marianne und Christine fand im September 1754 statt und ist im Wiener Diarium (Nr. 82) und in Schmid's »Gluck« (S. 54–67) ausführlich beschrieben worden und erschien auch als einzelne Broschüre bei J.P. v. Ghelen. Der Prinz reiste im Jahre 1758 zur Reichsarmee, kehrte aber im folgenden Jahre zurück. Sein Aufenthalt war diesmal von kurzer Dauer, da er in Folge des Absterbens seines Großoheims die Vormundschaft über seinen Mündel übernehmen mußte. Doch wurde ihm noch in den letzten Wochen seines Wiener Aufenthaltes die Ehre zu Theil, beide Majestäten in seinem Palais zu begrüßen. Dieselben waren, nach Angabe des Wiener Diariums (1759, Nr. 23.), am 18. März in Begleitung der jungen kaiserlichen Herrschaften und vieler Mitglieder des Adels gekommen, der Aufführung eines von Metastasio verfaßten und von Bonno in Musik gesetzten geistlichen Oratoriums, »Isaac ein Vorbild des Erlösers« (Isacco figura del redentore, 1740 auch von Reutter componirt) beizuwohnen. Das Werk und die Ausführung mußte sehr gefallen haben, denn es wurde in den nächsten Tagen zweimal wiederholt und waren noch weitere Aufführungen in Aussicht genommen. Der Prinz befand sich im Jahre 1761 abermals in Wien und wohnte zu Ebenthal, wo ihn die Kaiserin mit der Gemahlin des Erzherzogs Joseph und zweier Erzherzoginnen besuchte, bei ihm dinirte und Abends nach Schönbrunn zurückfuhr. (Wiener Diarium Nr. 68.)

Schloßhof kaufte Kaiser Franz I. und schenkte es der Erzherzogin Christine; der Palast in Wien kam später in den Besitz der fürstl. Familie Auersperg. Die Mitglieder der Kapelle, welche nicht schon anderwärts angestellt waren, wurden vom Theater nächst der Burg und vom Fürsten Paul Anton Esterházy übernommen.

Fußnoten

1 Quellen: Chronologie des deutschen Theaters. 1775. (Leipzig, von Christ. Heinrich Schmid.) – Geschichte des gesammten Theaterwesens in Wien (von Jos. Oehler), Wien 1803. – Genaue Nachrichten von beyden k.k. Schaubühnen in Wien, von J.H.F. Müller, 1773. – Geschichte und Tagebuch der Wiener Schaubühne, von ebendemselben, Wien 1776. – Abschied von der k.k. Hof- und Nationalbühne, von ebendemselben, Wien 1802. – Monatsschrift für Theater und Musik. Wien, 4. Jahrg., 1858 (»Zur Geschichte der kais. Hoftheater in Wien« [von Dr. Jos. Bacher]). –Répertoire des Théâtres de la ville de Vienne. Vienne 1757. – Wiener und Gothaer Theater-Almanache. – Wiener Diarium. – Aufzeichnungen von Dr. Leopold Edlen von Sonnleithner. – Eigene Aufzeichnungen. – Weitere Quellen sind an Ort und Stelle angegeben.


2 Kais. (neue) Favorite, ehemal. Lustschloß, jetzige Theresianische Ritterakademie auf der Wieden, Vorstadt Wiens. (Die alte Favorite war im Augarten in der Leopoldstadt.)


3 Opere del Signor Abate Pietro Metastasio. Nizza 1783. Tomo X. p. 359.


4 Wir finden diesen Fall vordem nur ein einzigesmal erwähnt. Im Jahre 1690 wurde bei Hofe aufgeführt: »Die Erstlinge der Tugend in dem noch unmündigen Cato von Utica vorgestellt.« Deutsches Schauspiel mit Spielen und Tänzen in einer Abtheilung. – Deutsch vorgestellt von Erzherzog Joseph (nachmals Kaiser Joseph I.), Erzherzog Karl und andern Mitgliedern des kais. Hauses nebst Cavalieren und Damen. (Dichter und Tonsetzer sind nicht genannt.)


5 Karl Ditters, später geadelt mit dem Prädicat von Dittersdorf. Wir behalten in der Folge den uns geläufigeren »Dittersdorf« bei.


6 Dieses Theater hatte einen Vorläufer in dem unter Kaiser Leopold I. im Jahre 1659 erbauten ersten Schauspielhause Wiens, das auf dem damaligen Rait- oder Tumbl- (jetzigen Josephs-) Platze stand. Jährlich wurden hier Opern mit fabelhafter Pracht aufgeführt. Es wurde 1683 zur Zeit der Türkenbelagerung wegen Feuersgefahr abgebrochen, wieder aufgebaut, aber kurz vor der Vollendung im Jahre 1699 vom Feuer verzehrt. – Im Jahre 1667 ließ Leopold I. auch ein riesiges, 5000 Personen fassendes Gelegenheitstheater auf dem großen Burgplatz erbauen. In einem vom Adel ausgeführten Carrouselfest »La contèsa dell' Aria e dell' Acqua« von F. Sbarra, Musik von Bertali und Schmelzer, waren alle Elemente dargestellt. Der Kaiser führte in Person die 12 Touren der Reitfiguren an. Das Textbuch in Folio mit zahlreichen Kupfern erschien in Wien bei Cosmerov.


7 Am 12. Jan. 1744 gab die Kaiserin dem neuvermählten Paare ein großes Maskenfest in der prachtvollen, 1729 von Fischer von Erlach an der Stelle des ehemal. Paradies- (Hof-) Gartens erbauten Reitschule. Es waren über 8000 Personen zugegen und wurde »bey diesem Freudenfeste so viel Pracht und Ueberfluß erblicket, daß dergleichen, weil Wien stehet, nicht gesehen worden ist«. (Topographie von Nieder-Oesterreich von F.W. Weiskern. 1769. Bd. III. S. 91.) In diesem geschmackvollen und akustisch günstigen Saale wurden in den Jahren 1812–47 die großen Musikfeste der Gesellschaft der Musikfreunde abgehalten.


8 Ballhaus im damaligen Sinn. Es wurde daselbst nach französischer Sitte zur Leibesübung Ball geschlagen. Das Ballspiel (Jeu de paume) wurde schon im 16. Jahrhundert in Wien eingeführt; der Geschmack daran verlor sich aber bald. Das früheste kais. Hofballhaus stand gegenüber dem jetzigen Burgtheater und brannte zu Ende des 16. Jahrhunderts ab. Die privaten Ballhäuser wurden alle frühzeitig zu Theatervorstellungen umgebaut; das früheste, schon 1628 genannte und 1658 zu Theaterzwecken benutzte Ballhaus stand in der Himmelpfortgasse, zum Theil auf dem Grund des jetzigen k.k. Finanzministeriums. Aus dem kleineren Ballhaus in der Teinfaltstraße zogen die deutschen Schauspieler im Jahre 1712 in das neu erbaute Theater nächst dem Kärnthnerthor; das Ballhaus in dem, nach ihm benannten Ballgäßchen nächst dem Franziskanerplatze hatten zuletzt Selliers und Borrosini übernommen und zu kleinen Singspielen, ital. Bussen, Komödien und Balle ten eingerichtet. Es hielt sich am längsten. Das Wiener Diarium berichtet 1731 in Nr. 22: »Man ist Tag und Nacht beschäftigt, in dem Ball-Haus bey denen P. P. Franciscanern ein neues Theatrum zum Gebrauch der Italiänischen Comödie und Musica Bernesca (jocoser Stil des Berni) in eben benannter Sprache noch vor Ostern in Stand zu setzen.« Nr. 24 kündigt dann die erste Vorstellung auf den 26. März an.


9 Ausführliches über Schauspiel und Oper, wenigstens in der Zeit von Ostern 1754 bis Ende 1756 bietet das im Jahre 1757 bei Leop. Edl. von Ghelen erschienene »Répertoire des Théâtres de la ville de Vienne«. Auch das Wiener Diarium giebt einmal (1755, Nr. 13) ein Verzeichniß der aufgeführten Werke im abgelaufenen Jahre.


10 In Wien wurde die französische Komödie um diese Zeit leidenschaftlich cultivirt. Wo der Hof ein geladen war, wurde er auch mit einer franz. Vorstellung, vom jungen Adel gegeben, unterhalten. Das Wiener Diarium nennt zu Anfang der 50er Jahre wiederholt die franz. Komödien bei Graf v. Taroucca, bei der Fürstin Trautson, im Theresianum und auswärts im Kloster der engl. Fräuleins in St. Pölten, das zwei Erzherzoginnen auf einem Ausflug passirten. Bei Hofe selbst wohnten die Majestäten den von den ältesten Erzherzoginnen und dem Adel gegebenen Vorstellungen in der Burg und auf den Lustschlössern häufig bei.


11 Siehe darüber A. Schmidt's »Christoph Willibald Ritter v. Gluck«. Wien 1854, S. 76 fg.


12 Franz Hilverding von Weven war kais. Hofballetmeister. Seine Vorfahren erscheinen schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Wien in den Markthütten und im Ballhaus in der Himmelpfortgasse und arbeiteten sich aus unterster Stufe als Polichinell, Marktschreier, Schauspieler und Theaterunternehmer zu einer geachteten Stellung hinauf. Als der kais. Hof im Jahre 1766 das Theater in Pacht gab, wurde dies zuerst Hilverding zur Belohnung seiner Verdienste zuerkannt, und dieser zeigte sich dabei als ein eifriger Beförderer des Schauspiels und als ein achtbarer Mann überhaupt. Eine Schülerin Hilverding's war u.a. die wegen ihrer Schönheit und Kunstfertigkeit berühmt gewordene Maria Eva Veigel, eine Wienerin, die den genialen englischen Mimen und Director des Drurylane-Theaters in London, David Garrick, heirathete. Hilverding starb, 58 Jahre alt, am 29. Mai 1768. (Todtenpr.)


13 Das Verzeichniß der in den Jahren 1740 bis 1766 in Wien bei Hof und im Theater gegebenen Opern bringt Beilage III.


14 Daß sich in Wien vor Maria Theresia's Zeiten öffentliche Concerte nicht nachweisen lassen, hat bereits Dr. Ed. Hanslick nachgewiesen in seinem Werke: »Geschichte des Concertwesens in Wien.« Wien 1869. Vgl. daselbst S. 3 fg.


15 Ein im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindlicher Concertzettel ohne Datum dürfte, der Erwähnung Tenducci's nach zu schließen, in die 50er Jahre fallen, da dieser Sänger Wien nur einmal (circa 1756) besuchte. Das Répertoire des Théâtres führt ihn ebenfalls an. Obwohl Hanslick diesen Zettel schon mitgetheilt hat (Geschichte des Concertwesens, S. 6), sei er der Seltenheit halber auch hier vollständig wiedergegeben: »In der Musikalischen Academie werden heute zu hören seyn: Verschiedene Arien, zwey Concerten von Instrumenten, und allerhand Symphonien. Nicht weniger eine neue Composition mit Arien, und Chören untermischet. Es wird auch unter anderen dabey singen der neu-angekommene Virtuos, Sig. Tenducci, detto Senesino.

Man bezahlt auf der ersten Gallerie 1 Fl. 25 Kr. Auf der Gallerie des dritten Stockes 24 Kr. Im vierten Stock 10 Kr. NB. Die Logen wird der Logen-meister verlassen.

Der Anfang ist präcise um 6 Uhr, und vor 9 Uhr das Ende.

Die musicalischen Academien werden alle Sonntag, Dienstag, und Donnerstag in dem Theater nächst der Kaiserl. Burg gehalten.«


16 Aus einer Wiener Correspondenz in Hiller's wöchentl. Nachrichten (1766, 13. Stück) sehen wir, daß in den 60er Jahren auch Privatpersonen regelmäßig wöchentlich wenigstens ein Mal musikalische Akademien veranstalteten, die aber nicht öffentlich waren. Ihre Blüthezeit fällt in die späteren Jahrzehnte; als die frühesten sind jene genannt bei Graf Collaldo, Gerichts-Secretär v. Keeß, v. Oertel. Mit Franz Bernhard Ritter v. Keeß, der sehr musikalisch war, trat Haydn später in regen Verkehr. Manche von Haydn's Symphonien kamen hier privatim zuerst zur Aufführung, wobei v. Keeß selbst dirigirte. Wir werden später Ausführlicheres über ihn hören.


17 Aus dem Wiener Diarium erfahren wir, daß außer obiger Akademie noch eine zweite im Saal »zur Mehlgrube« bestand. Da dieselbe nur zweimal angezeigt ist und ihrer bisher noch nirgends Erwähnung geschehen, seien beide Ankündigungen hier wörtlich wiedergegeben: 1752, Nr. 96, 29. Nov. »Es wird allen respective Hoch- und Niederen Liebhabern hiemit zu wissen gemacht, daß auf hohes Begehren die Musicalische Academie auf der Mehl-gruben künftighin präcise um 6 Uhr angefangen werden wird.« Die zweite Ankündigung, Nr. 104, 25. Dec., zeigt an, daß die Akademie »zu der vormals gewöhnlichen Stund um 8 Uhr Abends anfangen werde, dabey sich eine ganz neue virtuose Sängerin produciren wird«.


18 Ein bisher wenig beachteter Umstand verdient hier berührt zu werden. Nach einer Notiz in Schlager's Wiener Skizzen, III, S. 266 hatte ein gewisser Franz Ballerini bereits ein Privilegium erwirkt zur Abhaltung von Opern und für die dazu nöthige Erbauung eines Theaters. Der Magistrat, dem Ballerini im Jahre 1710 dies Privilegium zum Verkaufe anbot, ging darauf nicht ein. Von seinem, ihm und seinen Erben ertheilten Rechte »um Bezahlung gesungene Opern und Welsche Comödien halten lassen zu können«, wollte der Besitzer im Jahre 1726 endlich selber Gebrauch machen. In diesem Jahre kündigte er im Wiener Diarium (Nr. 13 und 14) an, daß ein hoher Adel und die Gemeinde in der Niederlage des Hrn. Joseph de Trevano im Gundelhof das Nähere über Erbauung und Einrichtung des neuen Theaters einsehen könne. Weiteres wurde darüber nicht bekannt.


19 »Eodem ist in dem vom Wiennerischen Stadt-Rath neuerbauten Comedi-Hauß bey den Kärntner-Thor die erste Comoedi von den Welschen Comoedianten gehalten worden und hat dabey der Herr Anton Peduzzi, ein Bologneser, kays. Theatri Ingenieur, wegen seiner in Angebung gedachten Comoedi-Hauß und darinnen befindlichen Theatri, wie auch anderer Sachen erwiesener Geschicklichkeit ein besondern Ruhm sich erworben.« (Wiennerisches Diarium, 1709, Nr. 661, vom 30. Nov. bis 3. Dec.) Die damalige Außenseite ist in Salomon Kleine's Prospecten, 1. Thl., Nr. 3, abgebildet. Das Innere wird von Küchelbecker vortheilhaft beschrieben, es mußte also bedeutend gewonnen haben, denn, was das Gebäude und die Darstellung betrifft, entwirft uns davon eine bekannte geistreiche englische Dame bei ihrem Besuche im Jahre 1717 ein wenig einnehmendes Bild. Letters of the R.H. Lady Mary Wortley-Montague, London 1803.


20 Nach Erbauung und Eröffnung des großen Hofoperntheaters (25. Mai 1869) wurde das ehemalige Kärnthnerthortheater im Jahre 1872 abgebrochen und werden an dessen Stelle gegenwärtig (1874) Privathäuser erbaut.


21 Der Hanswurst erscheint schon 1553 in einem Fastnachtsspiel: Ein schön Buch von Fastnachtsspielen und Meistersängen durch Peter Probst zu Nurnberg gedicht. anno 1553.


22 Briefe über die wienerische Schaubühne von Sonnenfels). Wien 1768. Bd. II. S. 768.


23 Von Stranitzky mochte vermuthlich das Stück herrühren, welches die erwähnte Lady Wortley-Montague in ihren Briefen beschreibt. Nach ihr war es mit gemeinen und unanständigen Ausdrücken und Geberden gespickt, wie sie (nach der Lady Versicherung) der brittische Pöbel nicht einmal einem Marktschreier verzeihen würde.


24 Olla potrida des durchgetriebenen Fuchsmundi u.s.w., aus Licht gegeben vom Schalk Terrä (S. T. = Stranitzky). In dem Jahr da Fuchsmundi feil war. 1722. 8. (Das Buch erschien dann 1728 unter dem Titel: »Der kurzweilige Satyrikus u.s.w. An das Licht gegeben von einem lebendigen Menschen«. Cosmopoli, auf Kosten der Societät.) Von Str. erschien ferner noch: »Lustige Reiß-Beschreibung aus Salzburg in verschiedene Länder; herausg. von Jos. Antoni Stranitzky, oder dem sogenannten Wienerischen Hannswurst. 4.« (Ohne Jahreszahl und Druckort, mit 13 Kupfern in schwarzer Kunst, gez. von Jacob Mellion, gest. von J.V. Brugg.) Dies selten gewordene Buch verlegte Str. selbst und setzte diesmal ausnahmsweise seinen vollen Namen und Hanswurst-Charakter bei.


25 Biographisches, siehe J.H.F. Müller, Genaue Nachrichten. 1773. S. 135.


26 Leinhaas, urspr. Chirurg, spielte schon im Ballhaus in der Teinfaltstraße; erst seit dem Jahre 1744 war er ohne Unterbrechung in Wien. Biogr.: Müller, Genaue Nachr. 1773. S. 137. – Gesch. d. ges. Theaterwesens zu Wien (Oehler). S. 117 und 178.


27 Biogr.: Gesch. des ges. Theaterwesens (Oehler). S. 151 fg.; Müller, Gen. Nachr. 1773. S. 134.


28 Gerade dieses Haus wurde ein halbes Jahrhundert später der Versammlungsort einer liter. Gesellschaft, deren vorzüglichstes Mitglied eben jener Mann war, der dem Reiche des Hanswurst in Wien ein Ende machte.


29 Todten-Protokolle und Pfarr-Register.


30 In ähnlicher Weise erscheinen der Marionettenspieler Augustin Carbonese als Hofmaler; der Schauspieler Gottfried Marquart als Stein-Bruch- und Augenarzt; Thomas Dannese hielt Arzneien feil; Jakob Hirschenack, der eine Marionettenbude auf der Freiung (Platz in Wien) hielt, nannte sich Zahnarzt.


31 Ueber Stranitzky siehe Müller's Abschied von der Bühne, S. 64; Gesch. des ges. Theaterw. (Oehler.) S. 92 fg. u.s.w. – Die historische Ausstellung in Wien im Jahre 1873 lieferte Nr. 662 ein Aquarell auf Pergament: Stranitzky (als Hanswurst) und seine Frau Monika, beide tanzend.


32 Als Prehauser einst an der Tafel eines Grafen, der sich an ihm zu belustigen hoffte, gefragt wurde, warum er nicht munterer sei, antwortete er: »Hier ist Prehauser, der ist nie anders; wollen Sie aber den Hanswurst sehen, so kommen Sie um 6 Uhr in die Komödie.«


33 Ausf. Biogr. über Prehauser giebt sein Freund J.H.F. Müller, der täglich um ihn war, in Theatr. Neuigkeiten, 1773, S. 145 fg., dann abgedruckt in dessen Abschied von der Bühne, 1802, S. 63 fg. Oehler, S. 122 fg. und 181 fg. Selbst das in dgl. nicht verschwenderische Wiener Diarium widmet Prehauser einen warmen Nachruf. Jahrg. 1769, Nr. 9.


34 Oehler, S. 127 fg. Müller, Gen. Nachr., 1773, S. 138. Vergl. auch Weiskern's eigene Worte über die damals sich bekämpfende Gegenströmung im Schauspiel, Bd. III, S. 132 seiner Topographie.


35 Dessen eigenhändige Namensfertigung (siehe Verlassenschaftsacten seiner ersten Frau) war Kurtz, doch erscheint diese Schreibweise nur selten im Druck.


36 Biogr. siehe Müller, Gen. Nachr., 1773, S. 136. Oehler, S. 153.


37 Müller's Abschied von der Bühne, 1802, S. 40. Oehler, S. 145.


38 Müller, Gen. Nachr. von beyden k.k. Schaubühnen in Wien, 1772, S. 111.


39 In der Advent- und Fastenzeit führte man auch Krippenspiele auf. Diese Vorstellungen aus der bibl. Geschichte wurden nicht nur von Kindern und Leuten aus der untern Volksklasse, sondern auch von Personen aus den höhern Ständen besucht und auch der kais. Hof ließ sie öfters in die Burg kommen. Diese stummen Theater haben sich, alle Wandlungen überdauernd, bis auf unsere Tage erhalten.


40 Menuets nouveaux à 2 Violons, 2 Cors de Chasse et la Basse; dédiés à son Sér. Monseigneur Le Prince regnant d'Oettingen, comp. par Mr. A.L.F. Baptiste, Maître à danser de la Sér. Cour de Hesse Cassel. Oeuv. I. à Nuremberg, aux dépens de Jean Ulric Haffner, Maître du Lut. In der franz. Vorrede spricht der Verfasser von einem, dem Fürsten vor etwa 11 Jahren gewidmeten Sonatenwerk. Walther's Lexicon sagt S. 69: »Baptiste, ein ber. u. ietzo florirender Frantzösischer Violinist, hat ein Buch Sonates vor die Violin und noch ein Buch von 2 Musettes oder Vielles in Paris herausgeben lassen.« Nach Gerber starb Baptiste zu Cassel in den 60er Jahren.


41 Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag. (Schönfeld) 1796, S 99.


42 Ende des vorigen Jahrhunderts wählte der Adel für seine Bälle den Tanzsaal des Hoftraiteurs Jahn in der Himmelpfortgasse (neu Nr. 6), wo auch viele Concerte Statt hatten.


43 In den Kellern dieses am Mehl- (Neu-) markt gelegenen, im Jahre 1698 nach Plänen des J.B. Fischer von Erlach erbauten Gebäudes wurden die Mehlsäcke untergebracht – daher der Name. Der Saal hat seine Geschichte. Mozart gab hier im Verein mit Phil. Jak. Martin in den 80er Jahren zur Fastenzeit Abonnement-Concerte. Auch Beethoven dirigirte später hier. Im Jahre 1807 wurden die Liebhaberconcerte daselbst abgehalten. Die späteren Bälle arteten in bedenklicher Weise aus, bis im Jahre 1831 der neu und geschmackvoll hergerichtete Saal den gebildeten Ständen als Casino diente. Heutzutage ist das Haus eines der feinsten Hôtels der innern Stadt.


44 Ueber die in den 30er Jahren daselbst abgehaltenen Kinderbälle berichtet Joh. Basili Küchelbecker, Allern. Nachr. vom röm. kais. Hof. Andere Aufl. Hannover 1732. S. 420.


45 Als Tanzlokale sind zu Ende des vorigen Jahrhunderts in der inneren Stadt noch genannt: das Casino von Otto in der Spiegelgasse und der Trattner-Hof; in den Vorstädten der weltbekannte Sperl. Die sprüchwörtlich gewordene sorglose Wiener Leichtlebigkeit zeigte sich im ersten Jahrzehnt des gegenwärtigen Jahrhunderts namentlich bei Eröffnung des glänzend eingerichteten Apollosaales in der Vorstadt Schottenfeld, dem sogenannten »Brillantengrund«.


46 Dr. Ed. Browne ganz sonderbare Reisen durch Niederland, Teutschland u.s.w. Nürnberg 1684. S. 237.


47 Küchelbecker's Allern. Nachricht. 1732. S. 160.


48 Der neue teutsche Merkur, von C.M. Wieland. 1799. S. 51.


49 Aus Moscheles' Leben, von seiner Frau. 1872, I, S. 23.


50 In Deutschland war es namentlich Gottlob Immanuel Breitkopf, der im Jahre 1745 in Leipzig die Druckerei des Vaters übernommen hatte und 1756 durch Neu-Erfindung eines Notendrucks sich in diesem Zweig verdient machte. Seit 1762 lieferte er auch die zur Orientirung so unschätzbaren thematischen Verzeichnisse gedruckter und geschriebener Musikalien, die durch ihn zu beziehen waren.


51 Küchelbecker, Allern. Nachr. S. 745.


52 In Breitkopf's themat. Katalogen wird Haydn das erstemal im Jahre 1763 mit einem Divertimento und 2 Concerten für Clavier genannt.


53 Damit entfällt zugleich die Anschuldigung Oscar Comettant's, der in seinem Werke »La musique, les musiciens et les instruments de musique« etc. (Paris 1869) S. 474 sagt: »De Gluck, non plus, on n'aurait pu trouver jusque dans ces derniers temps aucune grande partition en Allemagne. C'est incroyable, mais cela est ainsi.«


54 Gespräch zwischen einem Musico theoretico und einem Studioso Musices von der Prätorianischen, Prinzischen, Werkmeisterischen, Weidhardischen, Silbermannischen und Telemannischen Temperatur. 8°. 1749. – Fr. Wilh. Riedt's Versuch über die musik. Intervalle in Ansehung ihrer wahren Anzahl, ihres eigentl. Sitzes und natürl. Vorzuges in der Composition. Berlin 1753.


55 Dieses Palais vor dem Burgthor, am Josephstädter Glacis gelegen, wurde 1724 im Auftrag des Marquis Rofrano von J.B. Fischer von Erlach erbaut. Aus einem halbrund ausgebauchten Mittelbau und hervortretenden Seitenflügeln bestehend, war es zur Zeit des Prinzen berühmt durch seine prachtvolle innere Ausschmückung. Eine in Kupfer gestochene Abbildung im Almanach de Vienne, 1773, zeigt die Hauptfaçade noch mit einem Gitter umgeben.

Quelle:
Pohl, Carl Ferdinand / Botstiber, Hugo: Joseph Haydn. Band 1, Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1878.
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