Im Jahre 1720 ließ Graf Joseph Anton Esterházy am südlichen Ende des Neusiedler-Sees im Ödenburger Comitat in Nieder-Ungarn ein einfaches Jagdgebäude aufführen. Nahe dabei lagen die kleinen Dörfer Süttör (gegen Osten), Szeplak (gegen Westen) und Schrollen (gegen Norden und damals noch nahe dem See). Nach ersterem Orte wurde das Gebäude dann benannt. Die Gegend rundum war so unwirthlich wie nur denkbar: weite Flächen Landes, überwuchert von Schilf und Rohr, Gestrüpp und niederem Gras, langgestreckte Moräste und schwimmender Rasen (Hanság genannt) dehnten sich unabsehbar aus. Die Einwohner schlichen gleich Gespenster herum, geplagt von verderblicher Sumpfluft, von Insecten aller Art und namentlich im Frühjahr heimgesucht vom kalten Fieber. Aber all' diese Übel kamen bei dem Grafen, einem leidenschaftlichen Jagdfreunde, nicht in Betracht im Hinblick auf die Nähe des Sees, der eine reiche Ausbeute an wildem Geflügel versprach.1 Dem Erbauer war es nur kurze Zeit vergönnt, sich seines Besitzes zu erfreuen, denn nach dem Ableben seines Bruders Michael (24. März 1721) als Fürst die Regierung übernehmend, starb auch er zehn Wochen später am 7. Juni. Um so länger profitirte sein Sohn und Nachfolger, Paul Anton, von dem auch ihm lieb gewordenen Aufenthalt. Paul Anton starb am 18. März 1762 und nun erst gelangte der Besitz durch seinen Bruder, Fürst Nicolaus, zu seiner eigentlichen und ungeahnten Bedeutung. Wie bereits[3] erwähnt2 war dieser prachtliebende Fürst im Jahre 1764 in Frankfurt a.M. bei der Wahl und Krönung des Erzherzogs Joseph zum römischen König als Botschafter zugegen und hatte zuvor bei einem Besuche in Paris auch Versailles kennen lernen. Sich einen ähnlichen Sitz zu schaffen war nun sein glühender Wunsch. Merkwürdigerweise wählte er dazu, vielleicht des Contrastes halber, den dazu am wenigstgeeigneten Punkt seiner zahlreichen Besitzungen, jenes Jagdschloß Süttör, das er mit enormen Unkosten, verzehnfacht durch seine entlegene Lage, zu einem prachtvollen Sommer-Palais umgestaltete und ihm im Januar 1766 nach dem Stammorte der fürstlichen Dynastie zum erstenmale den Namen »Esterház« beilegte.3 Hier hielt sich der Fürst den weitaus größten Theil des Jahres auf, um sich versammelt seinen Hofstaat, seine Musikkapelle und die Sänger von der Oper; nur die Chormusik für die Kirche blieb in Eisenstadt zurück.
Esterház,4 das wir nun eingehender kennen lernen, war in der That eine wunderbare Schöpfung des Fürsten. »Vielleicht ist außer Versailles in ganz Frankreich kein Ort, der sich in Rücksicht auf Pracht mit diesem vergleichen ließe«, schrieb ein oft genannter Reisender,5 und in ähnlicher Weise äußerte sich der französische Botschafter Prinz Rohan: »in Esterház habe er Versailles wiedergefunden«.
Denken wir uns in die, beiläufig den Höhepunkt der Herrlichkeit von Esterház bildende Zeit zurück und betrachten wir nun den Fürstensitz mit dem Auge des damaligen Beschauers.[4]
Auf der Ödenburger Straße das Dorf Szeplak erreichend, folgen wir einer prächtigen 450 Klafter langen Lindenallee, die sich noch längs dem Dorfe Esterház hinzieht. Dieser Ort entstand erst während dem Neubau des Schlosses und besteht aus zwei Reihen schmucker Häuschen, die der Fürst damals für die deutschen Handwerksleute erbauen ließ. Wir passiren den herrschaftlichen Gasthof, das weitläufige Musikgebäude für die Mitglieder der Kapelle und der Oper, den riesigen Marstall mit Sommer- und Winterreitschule, die Wohnungen für den Hofstaat und stehen nun vor einem Thor aus kunstvoll getriebenem eisernem Laubwerk, dem Haupteingang zum Schloßhof, dem gegenüber sich rechts und links die Wachthäuser für die fürstliche Grenadiergarde befinden. Den Schloßhof betretend, gewährt das im italienischen Geschmack erbaute, reich mit Statuen, Reliefs und Säulen geschmückte Hauptgebäude mit seinen Seitenflügeln, in einer Breite von 54 Klafter sich ausdehnend, einen wahrhaft imposanten Anblick. Eine freie Hauptstiege führt beiderseits zu einem weiten, auf acht paarweise gekoppelten Säulen ruhenden Balcon. Hier im ersten Stockwerke befindet sich der Paradesaal, vollkommen weiß und mit verschwenderischer Pracht ausgestattet. Grundmann, des Fürsten Cabinetsmaler,6 schmückte den Plafond mit Frescomalereien, der Mythologie entlehnt; lebensgroße Statuen der vier Jahreszeiten mit golddurchwirkten Gehängen geziert, Urnen von Alabaster, Vasen von Chalcedon, mit kostbaren Steinen ausgelegte Uhren fesseln die Aufmerksamkeit. Einen reizenden Gegensatz bildet der ebenerdige Sommersaal (sala terrena) von durchbrochenen viereckigen Säulen unterstützt, zwischen denen hohe Alabaster-Urnen stehen. Der Boden ist mit weißen Marmortafeln ausgelegt; die Decke schmücken auch hier von Grundmann gemalte mythologische Darstellungen. Breite Wandspiegel ruhen auf Tischen von weißem Marmor, mit Gruppen und Einzelfiguren aus feinstem Porzellan besetzt. An den Seitenwänden befinden sich mit Spiegelglas ausgelegte Nischen, in denen auf felsigem Grunde marmorne Becken mit wasserspeienden Drachen und Schwänen ruhen. Es ist dies der Saal, in dem bei festlichen Gelegenheiten Musikaufführungen stattfanden. Das Schloß enthält außerdem in seinen drei Stockwerken 126 reich vergoldete[5] mit japanischem oder indianischem Tafelwerk ausgelegte Zimmer. In jedem derselben wird das Auge überrascht von unzähligen Ausschmückungs-Gegenständen, die in Wahl und Anordnung den feinsten Geschmack verrathen. Die Aufmerksamkeit fesseln ferner noch eine mit kunstvollen Arbeiten angefüllte Raritätenkammer, ein Cabinet mit überaus kostbaren chinesischen und japanischen Gefäßen, die Bibliothek, reich an Handschriften, seltenen Kupferstichen, Handzeichnungen, Landkarten und Globen, an Werth vielleicht noch überragt von der Bildergallerie mit Werken italienischer und niederländischer Meister.
Dem Schlosse reihen sich unmittelbar Garten und Lustwald an. Natur und Kunst unterstützen sich hier gegenseitig. Vom großen, reich geschmückten Blumen-Parterre aus laufen nach allen Richtungen Gänge, geschmückt mit Pavillons, Lauben, Grotten, Cascaden und Statuen. Zu beiden Seiten des rückwärtigen Schloßgebäudes zieht sich eine Doppelallee wilder Kastanienbäume hin. Am Rande der rechtsseitigen Allee steht das Operngebäude und daneben ein Kaffeehaus, der Sammelplatz der Künstlerwelt. Der Oper gegenüber befindet sich das Marionetten-Theater, an das sich die mit den seltensten Gewächsen angefüllten Treibhäuser anreihen.
Hier endet der Ziergarten und beginnt nun der umfangreiche Lustwald voll herrlichen Baumschlags und üppiger Wiesen. Prachtvoll ausgestattete Phantasie-Gebäude zieren die freien Plätze: der Sonnen-, der Dianentempel, die Eremitage, das chinesische Lusthaus (Bagatelle) und nahe dem Ausgang zum Thiergarten der Fortuna- und Venustempel. So umfangreich ist dieses Labyrinth von Gängen, daß bei Festlichkeiten Fächer an die Gäste vertheilt wurden, auf denen zur Orientirung der Grundriß der Anlagen aufgezeichnet war. – Der von Hirschen wimmelnde Thier- sowie der Fasangarten bildet eine Fortsetzung des Lustwaldes, in südlicher Richtung bis in die Nähe des Ortes Szerdahely sich hinziehend. Weiter hinab liegt St. Niklo (Fertösz-Miklos) und noch weiter südlich das reizende fürstliche Jagdschloß Monbijou, an einen namentlich mit Damhirschen bevölkerten Erlenwald gelehnt.
Hatte des Fürsten Machtgebot soweit ein bis dahin verwahrlostes Terrain in einen Prachtsitz umgeschaffen, bildete die Nachbarschaft nach Osten hin noch immer einen um so schreienderen[6] Contrast. Ein im Umfang von sechszehn Quadratmeilen schwimmender mit Rohr bewachsener Morast, jener schon erwähnte Hanság, hinderte noch immer jeden Verkehr und vergiftete die Luft. Auch hier griff der Fürst durch und erwies sich als Wohlthäter des Landes. Durch seinen Ingenieur Anton von Traut ließ er von Esterház aus bis zu dem Orte Pamhaggen (Pomogy) in der Richtung nach Preßburg einen 4300 Klafter langen Damm anlegen und zu beiden Seiten mit Weiden- und Erlenbäumen bepflanzen. Derselbe wurde am 17. Herbstmonat 1780 durch den Fürsten selbst und seinem Gefolge zum erstenmale zu Wagen befahren und dieser Tag durch die dankerfüllten Bewohner jener Gegend in festlicher Weise gefeiert.7 Damit nicht zufrieden, ließ der Fürst zwei Jahre später mit enormen Kosten von obigem Orte aus drei Kanäle zur allmähligen Aufsaugung des Wassers graben, deren größter, 15000 Klafter lang, in die Rabnitz führte, so daß man auf dieser Strecke mit kleinen Plätten bis Raab gelangen konnte und Wiesen und Viehweiden entstanden, wo sonst kein menschlicher Fuß sich hinwagte. Durch diese weitgreifenden Maßregeln wurde aber auch der bis dahin geradezu gesundheitsschädliche Aufenthalt im Bereich des Schlosses wesentlich verbessert.
Hiermit das ungewöhnlich landschaftliche Bild abschließend, das uns nun zur musikalischen Darstellung eines in dieser Art wohl nie mehr wiederkehrenden fürstlichen Hoflebens als Hintergrund dienen wird, kehren wir zunächst zum Opern- und Schauspielhause zurück, das nach den gleichzeitigen Berichten schon von außen einen gewinnenden Eindruck machte. Die Façade war mit römischen Wandpfeilern und einem auf jonischen Säulen ruhenden Balcon, der Giebel mit Vasen und Blumengehängen und einer Gruppe musicirender Engel geziert. Das Innere war mit feinstem Geschmack ausgestattet. Über dem Eingang zum Parterre, das bei 400 Zuschauer faßte, ruhte auf rothen, stark vergoldeten römischen Marmorsäulen die fürstliche Loge. Zu beiden Seiten reihten sich Gallerien an mit Logen für vornehme Gäste, eine jede im Fond mit kostbar eingerichteten Cabinetten versehen. Die Bühne hatte ansehnliche Breite und Tiefe; Dekorationen und Costumes waren vortrefflich. Täglich fanden hier, so lange der[7] Fürst in Esterház weilte, Vorstellungen statt; zweimal in der Woche (Donnerstag und Sonntag) war Oper, die übrigen Tage Schau- oder Lustspiel; der Anfang war um sechs Uhr; Zutritt hatten alle fürstlichen Beamten und Diener, wie auch die zufällig anwesenden Fremden. Die Sänger, meist Italiäner, benutzten die kurze Pause im Winter zu einer Reise in die Heimath, um ihre durch den Aufenthalt in Esterház geschädigten Stimmen zu kräftigen. Durchschnittlich bestand das Personal aus circa 5–6 Sängern und eben so vielen Sängerinnen. Als Dekorationsmaler war Pietro Travaglia, ein Schüler der berühmten Brüder Galliari vom Hoftheater in Wien, angestellt8; als Balletmeister fungirte einige Zeit Ludovico Rossi; in den 80er Jahren ist der italienische Theaterdichter Nunciato Porta als Director der Oper genannt; der fürstliche Bibliothekar P.G. Bader führte die Oberleitung über Garderobe, über die Trabanten und Zimmerleute; auch lieferte er zu einigen italienischen Opern-Textbüchern die deutsche Übersetzung, die dann in Wien, Preßburg oder Ödenburg gedruckt wurden und auch die Namen der auftretenden Personen enthielten. Ein Theil derselben hat sich erhalten und wir ersehen aus ihnen, daß beim Repertoire meistens die Wiener Oper bestimmend war, soweit eben die Kräfte in Esterház ausreichten. Dem Geschmack des Fürsten entsprechend herrschte die heitere Oper (dramma giocoso) vor; neben ihr erscheint auch die heroisch-komische (eroi-comico), aber nur selten die ernste oder tragische Oper (dramma per musica, dramma tragico). Von Haydn abgesehen finden wir, soweit die Textbücher vorliegen, folgende Componisten mit ihren Opern vertreten – Sacchini: L'isola d'amore; L'amore soldato; Piccini: La buona figliuola; Il finto pazzo; L'astratto; Anfossi: Il geloso in cimento; Metilde ritrovata; La forza delle donne; Isabella e Rodrigo; Il matrimonio per inganno; Le gelosie fortunate; Dittersdorf: Lo sposo burlato; Il barone di rocca; Arcifanfano; Gaßmann: L'amore artigiano; [8] Paisiello: La frascatana; Le due contesse; L'amor contrastato; Gazzaniga: Lo locanda; L'isola d'Alcina; La Vendemmia; Sarti: Le gelosie villane; Giulio Sabino; Idalide; Salieri: La scuola de' Gelosi; Traetta: Il cavaliere nell' isola incantata; l'Assedio di Gibilterra; Ifigenia in Tauride; Cimarosa: L'amor costante; Chi dell' altrui si veste; I due baroni; Giulio Bruto; Il marito disperato; L'impresario in angustie; Righini: L'incontro inaspettato; Bianchi: Il disertore; Bertoni:Orfeo ed Euridice.
Das Marionettentheater9 glich innen und außen einer Grotte; die Wände waren mit bunten Steinen, Schalthieren, Schnecken und Muscheln ausgelegt, deren phantastisches Farbenspiel im Widerschein einer glänzenden Beleuchtung sehr passend mit dem drolligen Spiel auf der Bühne harmonisirte. Ausgezeichnet und wahrhaft überraschend waren die Decorationen und Maschinerien, sowie die kunstvoll gearbeiteten, reich gekleideten Figuren von ansehnlicher Größe. Theatermaler und Decorateur war auch hier Travaglia; Bienfait, vordem beim französischen Singspiel in Wien, war Pantomimenmeister. Die Rollen wurden hinter der Scene von Mitgliedern des Schauspiels gelesen und gesungen. Die Stücke lieferten Bader und vornehmlich Pauersbach, die Seele des ganzen Unternehmens. Joseph Karl von Pauersbach, Secretär beim n.ö. Landrecht in Wien, schrieb auch Lustspiele, die in der Hauptstadt aufgeführt wurden,10 und arbeitete jahrelang an einem Marionettenspiel, das ihm dann Fürst Esterházy abkaufte unter der Bedingung, es Jahr und Tag selbst in Esterház zu dirigiren. Für das Marionettentheater schrieb er die Parodien Alceste, Dido,11 Demophon, Arlequin der Hausdieb, die Probe der Liebe, Alcide al Bivio, das ländliche Hochzeitsfest, Genovefens 1. 2. 3. u. 4. Theil, der Hexenschabbes. Im J. 1778 heirathete er die damals in Esterház engagirte Sängerin Marianne Tauber und ging mit ihr nach Rußland. Wie ernst[9] man es mit den Unterhaltungen auf dem Puppentheater nahm, zeigt eine vieractige Operette »Die Fee Urgele, oder: Was den Damen gefällt«,12 nach dem Französischen des Favart, die im Wintermonat 1776 in Esterház aufgeführt wurde. Die Musik war von Ignaz Pleyel, der damals bei Haydn Composition studierte. Nach dem Textbuch enthielt die Operette bei dreißig Musiknummern, darunter Arien (19), Duette, Terzette, Chöre und Finales. – Die Puppenkomödien in Esterház wurden weit und breit gerühmt; selbst die Kaiserin Maria Theresia fand Gefallen an der trefflichen Darstellung und bat sogar den Fürsten, ihr den ganzen Apparat, Dekorationen, Maschinerien sammt dem »Personal« nach Schönbrunn zu schicken, um daselbst eine Vorstellung zu geben. Haydn's Vorliebe für diese Art parodistischer Darstellungen ist bekannt; die ätzende Art, mit der hier so manche Vorgänge auf der Bühne und wohl auch im gewöhnlichen Leben) in drastischer Weise sich persifliren lassen, entsprach so recht seinem, der Ironie leicht zugänglichen Wesen. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß er dem losen Spiel nicht nur seine Feder lieh, sondern auch zu seinem Privatvergnügen sich sogar selber als Director gerirte. Wir lesen darüber Folgendes in einem Bericht des Fürsten (dat. Wien, März 1775) an seinen Wirthschaftsrath von Rahier: »Es ist mir wissend daß der Capellmeister Hayden ein kleines Marionetten-Theater hat, welches er im vergangenen Fasching durch die Musicis hat spielen lassen. Da ich nun solches auf gleiche Art den zwanzigsten als dem Vorabend des Geburtstages meiner Frau möchte von denen nämlichen im Schlosse Eisenstadt produciren lassen, so wäre nothwendig mit dem Hayden die Sache alsogleich, jedoch solchergestalt richtig zu machen, daß die Fürstin nichts davon erfahren möchte. Ich erwarte danenhero ihre Antwort hierüber.« – Haydn schrieb die Musik zu »Philemon und Baucis«, »Genovefens 4. Theil«, »Dido« und wohl noch zu einigen andern Stücken. – Nach Pauersbach's Weggang (1778) erlosch auch das Reich der Marionette und trat dafür die Oper mehr in den Vordergrund.[10]
Die Theaterunterhaltungen in Esterház erstreckten sich auch auf die Vorstellungen wandernder Schauspielertruppen. Während »draußen im Reich« die Gesellschaften Schuch, Schönemann, Ackermann, Koch, Wäser, Seyler und namentlich jene des Döbbelin, dem die Bühne so vieles zu danken hat, als die bedeutendsten genannt wurden, gab es solche, die ausschließlich Österreich zu ihrem Wirkungskreis erwählten und Wien, Brünn, Graz, Salzburg. Wiener-Neustadt und die ungarischen Städte Pest, Temesvar, Ödenburg, Preßburg bereisten. Die vorzüglichsten Truppen besaßen die Principale Hellmann und Koberwein, Passer und Wahr, Paul und Meyer, Diwaldt, Lasser, und Mayer. Wir finden sie sämmtlich der Reihenfolge nach in Esterház, wo sie oft auf eine Reihe von Monaten engagirt wurden. Sie machten sich zur Aufführung von Trauer-, Schau- und Lustspiel, zu Singspiel und Pantomime verbindlich und mußten täglich bereit sein, den Fürsten »mit einer Komödie zu bedienen«. Zudem mußten sie, wie wir gesehen, für die Rollen im Marionettentheater die erforderlichen Personen stellen. Die Truppe bestand durchschnittlich aus 10 bis 14 Personen und erhielt Wohnung (5–7 eingerichtete Zimmer nebst »moderirter Holz- und Licht-Nothdurft«) im Musikgebäude oder, wenn dieses besetzt war, im Gasthof. Der Principal. der immer auch selbst Schauspieler war, bezog für sich und seine Leute wöchentlich 100 Gulden. Das Repertoire umfaßte die beliebtesten und neuesten Stücke, von denen sich manche (z.B. »der Schneider und sein Sohn«, »der Hausvater«, »der Jurist und der Bauer«, »der Bettelstudent«) jahrzehntelang auf allen Bühnen behaupteten, andere längst verschollen sind. Mit Genugthuung findet man aber auch Werke wie »König Lear«, »Hamlet«, »Götz von Berlichingen«, »Stella«, »Emilia Galotti«, »Minna von Barnhelm«, »Fiesco«. »Kabale und Liebe«, »Maria Stuart«. Der Fürst liebte es, wenn die Schauspieler ihren Witz etwas derb auftrugen, ließ aber niemals Gemeinheiten zu; Hanswurstiaden und extemporirte Stücke, damals ohnehin im Absterben begriffen, waren in vorhinein ausgeschlossen. Über die genannten Principale bleibt noch einiges zu sagen übrig. Franz Passer kam von Graz und spielte im Sommer 1770 und 71. Als Kaiser Joseph im ersteren Jahre die königliche Freistadt Ödenburg besuchte, die seit 1681 kein gekröntes Haupt in ihren Mauern gesehen hatte, ließ der Fürst[11] Passer und seine Truppe dorthin kommen, wo sie die Auszeichnung genossen, im Stadttheater vor dem Kaiser zu spielen und dann fürstlich belohnt wurden. (W. Diarium.) Karl Wahr hielt sich in den Jahren 1772, 76 und 77 in Esterház auf und ging dann nach Preßburg zum Grafen Georg Csaky, einem passionirten Kunstfreunde, der für sich eigens ein Theater aus Stein erbauen ließ. Unter Wahr's Truppe befand sich der Schauspieler Christ. Ludwig Seipp, der später selbst Principal wurde und viele Theaterstücke schrieb; er soll 1774 der erste gewesen sein, der Shakespeare's »König Lear« für die deutsche Bühne bearbeitete, worüber sich Wieland im »Deutschen Merkur« aufhielt. Seipp übernahm 1793 das damalige Theater in der Vorstadt Landstraße und starb daselbst am 20. Juni allgemein geschätzt als charakterfester Mann.13 Für die Wahr'sche Truppe schrieb Haydn u.a. die Musik zu Hamlet, Lear, Götz von Berlichingen. Franz Diwaldt's Truppe begann im October 1778; mit ihr wurde dann jährlich der Contract erneuert bis 1785; auch diese Truppe hatte in Schletter ihren Theaterdichter. Im Repertoire Diwaldt's sind bis 1785 »Fiesco«, »Kabale und Liebe« und »Maria Stuart« genannt; unter ihm hielt sich im J. 1780 der Schauspieler Jos. Kettner auf, der 1790 bei Schikaneder spielte und im April 1791 auf kurze Zeit das obige Vorstadttheater (auf der Landstraße) übernahm, das nach ihm seine in Esterház erheirathete Frau Elise weiterführte. Unter dem Personal des Principals Lasser (1787) ist Gieseke genannt, der dann im Schikaneder-Theater in die Entstehungsgeschichte der »Zauberflöte« verwebt ist. Noch ist Berner mit seiner Kindertruppe zu erwähnen, der vorübergehend in Esterház spielte; es ist derselbe, dem wir schon früher (Bd. I. S. 160) begegnet sind und der viele Städte Deutschlands mit Haydn's »Asmodeus« bekannt machte. – Außer den oben genannten Bühnenwerken sind noch »die Feuersbrunst« (1774) und »der Zerstreute« (1776) zu nennen, für die Haydn die Musik zu den Zwischenacten schrieb und die dann als selbstständige Symphonien erschienen.14 Auf letzteres Stück kommen wir seinerzeit noch zurück.[12]
Die Musikkapelle zählte durchschnittlich 16 bis 22 Mitglieder; die Geigen waren doppelt oder höchstens dreifach besetzt; Viola und Contrabaß doppelt, Violoncell einfach. Zu den Blasinstrumenten zählten Flöte, Oboen, Fagotte und Waldhörner (letztere meist vierfach) und nach Bedürfniß Trompeten und Pauken (Klarinetten waren nur in den Jahren 1776–78 in Gebrauch). Die Proben wurden Vormittags abgehalten; Productionen vor dem Fürsten oder vor Gästen fanden Nachmittags statt; gemischte Akademien (Vocal- und Instrumental) zuweilen Abends. Der große Prachtsaal diente bei außergewöhnlichen Festen zur Tafelmusik, wie sie nach damaliger Sitte auch am kaiserlichen Hofe gang und gäbe war.15 Zu kleineren Familien-Diners wurden einzelne Sänger und Virtuosen in die Appartements beschieden. Für seine eigene Person behielt sich der Fürst das Streichquartett vor, das sich ausschließlich im fürstlichen Musikzimmer producirte, wobei Tommasini, des Fürsten Liebling, immer am ersten Pult. Hier war es auch, wo der Fürst im engsten Kreise die eigens für ihn componirten Barytonstücke von Haydn, Tomasini, Kraft und Pichl spielte, wobei ihm die Kapellmitglieder Franz oder Liedl und nach ihnen Anton Kraft auf demselben Instrument secundirten. Bei den Trios für Baryton, Viola und Baß mag wohl auch Haydn häufig die Viola gespielt haben. Daß er sich einmal unterfing, auch auf dem Baryton vor dem Fürsten zu glänzen, haben wir schon erfahren.16
Der fast gänzliche Mangel an lohnenden Ausflügen, die Entbehrung jeder Unterhaltung kettete die Leute enger zusammen; der ganze Musikerstand bildete sozusagen eine einzige große Familie. die in gegenseitiger Erheiterung einen Ersatz suchte für den Mangel freierer Bewegung. Obwohl der Fürst streng auf Ordnung hielt, mag das Leben mitunter doch wohllocker gewesen sein und man erzählt sich hierüber manche nicht wiederzugebende Anekdote, die glaubwürdig erscheint, wenn man bedenkt, daß das ganze Personal, Musiker und Sänger, in einem einzigen Hause[13] in engster Beziehung zu einander lebte. Dieses Musikgebäude enthielt zu ebener Erde 17, im oberen Stockwerk 37 Zimmer. Ein Concept, vermuthlich aus dem Jahre 1776, zeigt uns die Verwendung dieser Räume. Außer dem Vice-Pfleger, Maler, Copisten und zwei Scholaren, Dienstboten und den für die Komödianten reservirten Zimmern war der Rest ausschließlich von den Sängern, Sängerinnen und Musikern bewohnt. Wir finden hier 11 Ehepaare (jedes mit 2 Zimmer), 16 Musiker (je 2 in 1 Zimmer), Sänger, Sängerinnen und einige Musiker (jedes 1 Zimmer); nur Haydn mit seiner Frau hatte drei Zimmer zur Verfügung.
Ein anschauliches Bild einer in Esterház durchlebten Saison bietet uns das vielleicht einzige noch erhaltene in der Beilage I mitgetheilte Verzeichniß der im Jahre 1778 aufgeführten Opern, Schauspiele, Marionettenspiele und Concerte. Wir ersehen auch daraus, daß der Aufenthalt in Esterház sich in einer Weise ausdehnte, die im Hinblick auf die dortigen klimatischen Verhältnisse der gesammten Künstlerwelt manchen Stoßseufzer entlockt haben mag. –
Fassen wir nun Musikkapelle und Oper in engerem Rahmen zusammen. Das Verzeichniß der Mitglieder ist in der Reihenfolge ihres Eintrittes in die fürstlichen Dienste in der Beilage II zusammengestellt. Die jährlichen Ausgaben für den Gesammtkörper betrugen bis in die 70er Jahre sammt Werth der Naturalien-Zugaben gegen 10,000 Gulden rhein. und erhöhten sich im nächsten Jahrzehnt um einige Tausend. Zu Ende 1775 wurden alle Resolutionen und Contracte cassirt und am 1. Januar 1776 erneuert,17 wobei auch in einzelnen Fällen die Gehalte erhöht wurden. Wenn wir vorerst das Orchester betrachten, so finden wir, daß diese Gehalte durchschnittlich jenen im Wiener[14] Hof-Operntheater selbst noch in den 30er Jahren unsers Jahrhunderts gleichkamen und sie mitunter selbst überstiegen. Es bezogen beispielsweise in Esterház ein Violinist 250–480 Gulden rhein.18 (gegen 250–300 in Wien); ein Cellist 430 Gulden (gegen 250–300); ein Contrabassist 400 Gulden (gegen 300); ein Fagottist 300–400 Gulden (gegen 250–350); ein Waldhornist 300–500 Gulden (gegen 250–350), wobei, wohlgemerkt, in Esterház noch freies Quartier, Naturalien (6–9 Eimer Wein, 20–30 Pfund Kerzen, 3–6 Klafter Brennholz »gut authentisches«) und alle 2 Jahre eine Sommer- oder Winter-Uniform hinzukamen. Das Orchester zählte durchaus tüchtige Kräfte, und wenn auch nicht Alle Virtuosen waren, was dem Ganzen eher schadet als nützt,19 so erlangten sie doch schon durch das tägliche Zusammenspielen eine Routine, daß man, sich die Ausführung wohl nicht anders als vorzüglich denken kann. Viele waren in doppelter Eigenschaft thätig: bei der Geige oder dem Contrabaß halfen die Bläser oder auch einige der untergeordneten Sänger aus und bei den Bläsern wurde nach Bedarf die Feldharmonie zugezogen. Für die Pauke fand sich jederzeit eine Aushülfe und ist daher nach dem Tode des wunderlichen Adamus Sturm (I. 214) kein Pauker mehr namhaft gemacht. Manche Mitglieder findet man später in Wien im Opernorchester und in der Hofkapelle, oder als Virtuosen concertirend, und wiederum wurden andere von dort verschrieben. Die schon erwähnte bescheidene Besetzung (16–22 Mitglieder) hat man sich stets vor Augen zu halten bei der Beurtheilung der meisten früheren Symphonien Haydn's, auf welche die Tonstärke unseres heutigen Orchesters (häufig allein schon 40 Violinen und 10 Bässe!) erdrückend wirken muß. Als die bedeutendsten Musiker, die bis zum Jahre 1790 erscheinen, sind zu nennen: Tomasini, Rosetti, Fuchs, Mestrino, Mraw (Violine); Weigl, Küffel, Marteau, Kraft, Bertoja (Cello); Schieringer (Contrabaß); Hirsch (Flöte); beide Griesbacher (Klarinette); Colombazzo, Poschwa, Czerwenka (Oboe); Peczival (Fagott); Steinmüller, Franz, Oliva, Pauer, Eckhardt, Lendway (Waldhorn).[15] Zur speciellen Kammermusik des Fürsten gehörten Lidl und Franz (Baryton) und Joh. Bapt. Krumpholtz (Harfe). Am längsten (bis zur Auflösung der Kapelle im J. 1790) dienten außer dem uns schon bekannten Tomasini, der bis zu seinem Tode (1808) in der Kapelle verblieb, der Contrabassist Schieringer (seit 1767), die Waldhornisten Oliva und Pauer (seit 1769), Flötist Hirsch (seit 1776) und Cellist Kraft (seit 1778.)
Wir wenden uns dem Gesang-Personal der Oper zu. Die Mitglieder waren auf 1, 2 und 3 Jahre engagiert und ihr Contract wurde dann nach Umständen erneuert. So finden wir unter den Sängerinnen Saffi (mit 5 Jahren), Spangler, Prandtner, Valdesturla (6), Metilda Bologna (9). Noch ausdauernder waren die Sänger: Moratti (8 Jahre), Braghati (9), Lambertini (10), Totti (12), Bianchi und Ungricht (14), ja selbst, weit über unser gestecktes Ziel hinaus, der Tenorist Dichtler und der unverwüstliche Bassist Specht (36 und 38 Jahre, von denen allerdings nur 22 Esterház angehörten). Die Gehalte20 betrugen 500–1000 Gulden rhein.; bei Ehepaaren (häufig die Männer im Orchester) bis zu 1300 Gulden. Auch hier waren damit freies Quartier und die üblichen Naturalien verbunden; einzelne Sängerinnen erhielten überdies jährlich ein Kleid »nach hohem Wohlgefallen« (oder nach Belieben dafür 100 Gulden). Die vorzüglichsten Mitglieder lassen sich etwa nach Maßstab der ihnen zugetheilten Rollen und ihrer Gehaltshöhe bestimmen. Von den Sängerinnen: Weigl, Spangler (mit Friberth vermählt), Cellini, Jermoli, Tauber, Ripamonti, Valdesturla, Tavecchia, die Schwestern Bologna, Speccioli, Delicatti, Saffi, Raimondi, Benvenuti, Zecchielli, Melo. Von den Sängern: Friberth, Bianchi, Jermoli, Pesci, Pezzani, Rossi, Braghati, Negri, Speccioli, Manchini, Moretti, Nencini, Paolo, Prizzi, Amici, Majeroni.
Faßt man dieses Personal, das sich aus den verschiedensten[16] Ländern fortwährend erneuerte, in seiner Gesammtheit auf, so wird man zugeben müssen, daß eine ähnliche Privat-Kapelle vordem kaum irgendwo existirte; überboten wurde sie allerdings noch vom zweiten Nachfolger des Fürsten in ihrer Zusammenstellung in den Jahren 1800–13. Man darf aber auch annehmen, daß die Gegenwart so mancher hervorragender Mitglieder nicht ohne veredelnden Einfluß auf den Gemeingeist dieser, durch Dienstpflicht und örtliche Verhältnisse so eng verbundenen Künstlerschaar bleiben konnte. Andererseits aber empfing auch Haydn durch den steten Wechsel des Personals fortwährend erfrischende Anregung, sowie Vertrautheit mit dem auswärtigen Musikleben. Er selber kam bis zu seiner Reise nach London nicht über die Grenzen des Vaterlandes hinaus, aber seine Untergebenen trugen seinen Namen allüberall hin und bekräftigten den Ruf, den ihm seine Compositionen längst schon erworben hatten.
Zum Schlusse mögen hier noch einige Daten über solche Mitglieder folgen, die dazu Anlaß bieten und über deren Aufenthalt in Esterház bisher wenig oder nichts bekannt wurde. Vom Orchesterpersonal sind es die Mitglieder Tomasini, Mestrino, Mraw, Fuchs, Marteau und Lidl.21 Rosetti (dessen Namen man nicht ohne einiges Befremden hier finden wird), Kraft und Krumpholtz sind unter die Zahl der Schüler Haydn's zu Ende des Jahres 1779 aufgenommen.
Über Luigi Tomasini's Talent und Stellung wurde schon früher (Bd. I. S. 261) gesprochen. Weitere Nachforschungen ergaben seitdem, daß er 1741 zu Pesaro in Italien geboren und 1757 vom Fürsten Paul Anton von Italien aus als Kammerdiener nach Eisenstadt mitgenommen wurde. Dieser Umstand macht es nun erklärlich, warum über ihn nirgends ein Anstellungsdecret als Mitglied der Kapelle aufzufinden war. Es bleibt unerklärlich, daß der Fürst, der doch dessen Talent gekannt haben mußte und ihn vielleicht aus eben diesem Grunde in seine Dienste aufnahm, nicht schon früher ihn der Kapelle einverleibte. Freilich: diese erhielt erst durch Haydn's Anstellung ihren ersten kräftigen Anstoß und der neue Kapellmeister mochte nicht wenig erfreut gewesen sein, im Schlosse selbst ein so erwünschtes Talent zu entdecken.[17]
Die wenigen bisher bekannten Daten über Nicolo Mestrino aus Mailand, den ausgezeichneten Violinvirtuosen und Componisten für sein Instrument, finden hier eine gewiß unerwartete Ergänzung. Mestrino wurde im November 1780 auf zwei Jahre in die Kapelle aufgenommen, blieb aber bis Ende Januar 1785. Er ging dann, wie wir später sehen werden, nach Preßburg zum Grafen Ladislaus Erdödy und soll 1790 in Paris gestorben sein. Sein Gehalt in Esterház zählte zu den bedeutenderen: 480 Gulden nebst den üblichen Emolumenten. In der Kapelle war er sehr geschätzt und der Fürst nannte ihn nur seinen »Nicoletti«.
Franz Mraw (Mraf), ein vorzüglicher Violinist aus Böhmen, war in den Jahren 1784–86 in der Kapelle und hatte gleichen Gehalt mit Mestrino; er war vordem in der Kapelle des Grafen Kolowrat in Prag, ging von Esterház aus zum Fürsten Batthyáni und starb (nach Dlubacz und Rieger, die allein seiner erwähnen22) 1792 in Diensten des Fürsten Grassalkovics.
Peter Fuchs (Fux), ebenfalls ein vortrefflicher Violinspieler aus Böhmen und auch vorzüglicher Lehrer, wurde (nach den Acten der Tonkünstler-Societät) am 22. Jan. 1753 geboren. Er bildete sich in Prag aus, war 1781 und 82 in Esterház und trat 1787 in die kaiserliche Hofkapelle zu Wien, wo er bis zu seinem Tode (15. Juli 1831) verblieb.23
Franz Xaver Marteau (recte Hammer), ein sehr geschätzter Violoncellist und Componist, war in der Kapelle von März 1771 bis Ende 1778. Auch, ihn werden wir in Preßburg wiederfinden. Er war Mitglied der Tonkünstler-Societät in Wien von 1776 bis 1813. Weder Geburts- noch Todesjahr von ihm ist bekannt.
Andreas Lidl, Virtuose auf dem Baryton, war beim Fürsten in den Jahren 1769 bis 74. Schubart hörte den »süßen« Baryton 1776 in Augsburg.24 1778 trat Lidl in London auf, wo er auch starb; Nachkommen von ihm leben daselbst noch jetzt.[18] Lidl's Vortrag bezauberte durch »süße Anmuth, mit deutscher Kraft verbunden, durch überraschende Bindungen mit der harmonievollsten Melodie«. Er vervollkommnete sein Instrument in der Art, daß er die unteren Saiten, welche die Begleitung ausmachen, bis auf 27, worunter auch die halben Töne begriffen sind, vermehrte.25
Vom Gesangpersonale seien nur die Sängerinnen Tauber, Ripamonti, Valdesturla und Bologna hervorgehoben.26
Maria Anna Tauber, 1777 auf ein Jahr engagirt, bringt uns mit dem, von Kaiser Joseph kaum erst gegründeten Rational-Singspiel zusammen. Sie sang im März 1778 in einer Akademie der Tonkünstler-Societät (in Metastasio's Oratorium La Passione del Redentore, Musik von Jos. Starzer) und hatte das Glück, dem Kaiser zu gefallen, der sie seinem Regisseur Müller mit den Worten empfahl: »Ich habe eine gewisse Tauber aus Esterház singen gehört, die eine gute Stimme hat und aus der etwas werden kann. Hier haben Sie eine kleine Oper; lassen Sie diese gleich einstudieren und geben Sie der Tauber die Rolle der Lucile«.27 Die Oper war das einactige Singspiel »Lucile« von Grétry. Die Tauber trat bei der ersten Aufführung im National-Hoftheater am 29. Juni 1778 auf, erhielt aber nicht den erwarteten Beifall; die Rolle wurde ihr abgenommen und der Marianne Lange (der ersten Frau des Hofschauspielers Lange) übergeben. Wie wir früher gesehen, reiste die Tauber dann als Frau des Marionetten-Directors Pauersbach nach Rußland.
Von Barbara Ripamonti, im April 1778 mit ihrem Manne, Violinist Franziscus Ripamonti, auf 3 Jahre, dann 1784–86 allein (mit 200 Kremnitzer Ducaten = 480 Gulden) engagirt, liegen zwar keine näheren Daten vor, doch rühmt sie die Tradition als eine vorzügliche Sängerin. Haydn schrieb für sie die Rolle der Costanza in l'Isola disabitata. Sie sang damals (am 6. Dec. 1779) in vorgerückter Schwangerschaft, denn schon am 12. Jan. 1780 wurde sie in Esterház von Zwillingen entbunden.[19]
Costanza Valdesturla aus Pisa, von Juli 1779 bis Juli 1785 in Esterház, hatte vordem in Italien Triumphe gefeiert. Haydn schrieb für sie die Hauptrollen in seinen drei letzten Opern. Von Esterház ging sie nach Leipzig, wo sie 1786 J.G. Schicht, den späteren Cantor der Thomasschule (1810–23) heirathete. Sie war durch 19 Jahre eine der bedeutendsten Sängerinnen der Gewandhausconcerte. 1788 sang sie Haydn's Cantate »Deutschlands Klage auf den Tod Friedrich des Großen«, begleitet von Karl Franz auf dem Baryton. (Bd. I. S. 257).
Das vorzügliche Schwesterpaar Maria und Matilde Bologna wurde im Mai 1781 engagirt und bezog 300 Kremnitzer Ducaten (= 1290 Gulden) Gehalt. Maria starb in Esterház am 17. Mai 1784, 30 Jahre alt. Vergebens wünschte der Fürst, ihre Stelle durch eine dritte Schwester zu ersetzen, behielt aber Matilde bei bis 1790 mit erhöhter Gage (1000 Gulden). Maria sang in Haydn's Orlando Paladino und Armida, in Traetta's Ifigenia in Tauride die Titelrolle und blieb neben der Saffi und Benvenuti das vorzüglichste Mitglied der Oper in der letzten Zeit der Kapelle.
Vergegenwärtigen wir uns nun Haydn selbst inmitten seiner Umgebung; sehen wir was seine Amtsthätigkeit erheischte, wie er die wenigen freien Stunden für sich verwerthete und wie er sich den Licht- und Schattenseiten seiner Lage gegenüber verhielt. Die Gleichförmigkeit des Lebens im Allgemeinen unterbrachen häufige Besuche aus den höheren und höchsten Ständen, die zu Unterhaltungen im engeren Kreise, oder auch zu glänzenden Festen Veranlassung gaben. Hier sowie an den Gedenktagen in der fürstlichen Familie spielte die Musik stets eine Hauptrolle, wobei Haydn Alles anzuordnen und vorzusorgen hatte. Auch außerdem galt es, Proben mit der Oper und mit dem Orchester abzuhalten, den Sängern und Sängerinnen ihre Rollen einzustudieren, austretende Künstler durch neue zu ersetzen, Streitigkeiten zu schlichten, Überhebungen entgegen zu treten, den Bedürftigen ein Fürsprecher beim Fürsten zu sein, ja selbst um den Souffleur sich[20] zu kümmern.28 Bei so vielseitigen, aufreibenden Anforderungen mag man wohl staunen, wie Haydn im Stande war, auch noch so zahlreiche Werke zu schreiben und dazu die nöthige Frische und Freudigkeit zu bewahren.
Mit seinem Orchester war Haydn ein Herz und eine Seele; er nannte die Mitglieder seine Kinder und sie ihn Papa. Es ist ein kleiner aber bezeichnender Zug von liebenswürdiger Collegialität, wenn Haydn im Adagio einer Symphonie in der Flötenstimme seinem Untergebenen (Hirsch) mit eigener Hand zur Orientirung mit den Worten nachhilft: »Freund! Suche das Erste Allegro.« (Dies ist nämlich angehängt an das Finale und von Haydn selbst geschrieben.) Bei den Proben nahm er es sehr genau; ließ einzelne Stellen so lange wiederholen, bis die Ausführung seinem Wunsche entsprach, ohne aber dabei je heftig oder ungeduldig zu werden; lautes Rufen kam nie vor. Er dirigirte vom ersten Violinpulte aus und griff gelegentlich auch selbst mit ein. In England gab er nach damaliger Sitte vom Clavier aus den Takt, welche Art er dann beibehielt. Bei humoristischen Stellen, auf die er beim Componiren besonderes Gewicht gelegt hatte, schmunzelte er im Voraus und beobachtete den Eindruck, den sie hervorriefen. Aber auch sonst gab sich in seinen Mienen kund, wie seine Seele beim Schaffen bewegt war. Dies zeigte sich in erhöhtem Grade bei Werken, die er mit seinem Herzblut geschrieben hatte, wie z.B. später bei der »Schöpfung«. »Mir war seine Mimik höchst interessant (schreibt ein Correspondent bei Gelegenheit der zweiten öffentlichen Aufführung); er hauchte dadurch dem Personal der Tonkünstler den Geist ein, in welchem sein Werk componirt war und aufgeführt werden mußte. Man las in allen seinen, nichts weniger als übertriebenen Bewegungen sehr deutlich, was er bei jeder Stelle gedacht und empfunden haben mochte.« Den Sängern und Instrumentalisten gestattete er nicht, ihre Parthien mit Verzierungen auszuschmücken, und wenn es hin und wieder versucht wurde, sagte er: »Ich kann das schon[21] auch und wenn ich es gewollt hätte, würde ich es so geschrieben haben.«
Wir erfuhren schon früher,29 daß Haydn sich den Umgang mit Dittersdorf für sein Violinspiel zunutze gemacht hatte; nun sehen wir ihn auch in Esterház bei der Kammermusik abwechselnd die Violine oder Viola übernehmen. Ebenso liebte er es, bei seinen Wiener Besuchen im Quartett mitzuwirken, wie z.B. bei. Kelly, Tenorist bei der italienischen Oper 1783–87; Dittersdorf, Mozart und Vanhal waren seine Partner, Paisiello und der Operndichter Casti waren zu Gast.30 In den Familien Neuwirth31 (kais. Beamter), Andreas Scherzer (kais. Appellationssecretär), v. Genzinger (viel gesuchter Damenarzt) blieben die Quartettabende mit Haydn in lieber Erinnerung. Haydn hatte später in Wien auch im eigenen Hause Quartett, bei dem er die Viola spielte. Der damals jugendliche Karl Khym32 spielte dabei die erste Violine und als er sich einmal ängstlich zeigte, munterte ihn Haydn mit den Worten auf: »Nur Courage, Junge! du wirst dich doch nicht vor mir fürchten, ich bin ja selber nur ein schlechter Spieler«. – Ein einzigesmal finden wir Haydn auch als Solospieler erwähnt. Zinzendorf33 der am 28. Mai 1772 Esterház besuchte, beschreibt in seinem Tagebuche[22] Schloß und Park. Um 6 Uhr nach der Tafel, der auch die Fürsten Louis und Ottokar Starhemberg beiwohnten, war Musik: »Deux chanteuses chanterent fort bien; Hayden joua de violon«. Die kleine Gesellschaft besuchte dann auch das Theater, wo »der Postzug« gegeben wurde. – Wir können hier auch den Fall anreihen, wo Haydn ein einzigesmal Clavier öffentlich spielte. Es war in London am 1. Juni 1792, wo er (wie sein Tagebuch erwähnt) im Benefice der Sängerin Mara derselben »ganz allein mit dem Pianoforte eine sehr difficult englische Arie von Purcell« [from Rosy Bowers] begleitete. Einmal sah sich Haydn auch genöthigt, eine seiner Compositionen vor dem Fürsten zu spielen. »Vor 3 Tagen (schreibt er 1790 an seine verehrte Freundin v. Genzinger) mußte ich diese Sonate bei unserer Mademoiselle Nanette in Gegenwart meines gnädigsten Fürsten abspielen.« Nach Aussage Prinster's (Mitglied der Kapelle) spielte Haydn nach seiner Rückkehr von London nie mehr Solo, weder auf der Violine noch auf dem Clavier; doch blieb letzteres für Augenblicke der Dolmetsch seiner seligsten Empfindungen noch kurz vor seinem Tode.
Trotz seiner angestrengten Amtsthätigkeit fand Haydn noch Zeit zum Unterricht; seine Schüler in Composition sind schon genannt. Außer diesen nöthigte ihn seine Stellung, auch vornehme, dem Fürsten verwandte Häuser zu übernehmen. Wir ersehen dies aus einer von ihm ausnehmend schön geschriebenen Bittschrift an den Fürsten (dat. 1776), in der er ihm zu wissen macht, daß ihm vom Grafen Erdödy »wegen Zufriedenheit seines Scholarens« zwei Pferde und ein Wagen geschenkt worden seien. Da er aber außer Stande sei, die Pferde zu erhalten, so bitte er den Fürsten, ihm »nach höchster Willkühr Heu und Haber zu resolviren«. Die benöthigte Fourage wurde ihm denn auch in Gnaden zugestanden und bis zu des Fürsten Tod jährlich seinem Gehalte zugeschlagen. Daß Haydn das Geschenk auch praktisch ausnutzte, zeigt uns ein Brief, dat. 1786, an seine eben genannte »allerliebste Nanette« (Peyer, Kammermädchen des Grafen Appony), worin er ihr seinen Besuch in Preßburg ankündigt. Haydn nahm den Weg längs der östlichen Seite des Neusiedler Sees, jener einst trostlosen Gegend, die vor Errichtung des erwähnten Dammes bis Pomäggen geradezu unpassirbar war. Haydn schreibt, er werde mit seinen »eigenen Pferden« von Esterház[23] (über Pomaggen) bis Frauenkirchen fahren und von da ab mit gräflicher Gelegenheit den Weg bis Preßburg fortsetzen. Vier Jahre später (1790) schreibt er an Frau v. Genzinger: »ich habe meinen getreuen ehrlichen Kutscher verloren«.
Auch als Organist lernen wir Haydn kennen. Hatte er einen freien Sonntagsmorgen, so ging er nach dem Orte Szeplak und spielte dort zu seinem Vergnügen die Orgel, wovon noch der uralte dortige Schullehrer zu erzählen wußte.34 Wir werden später sehen, daß Haydn in Eisenstadt als »qua Organista« zu seinem jährlichen Gehalt ein ausgiebiges Quantum an Naturalien bezog.
Wenn der Fürst nach Wien reiste, nahm er zuweilen auch Haydn mit, dem dann die Zeit nur allzu rasch verflog. Oper und Concert mußte er schon im eigenen Interesse besuchen, um sich in Rapport zu erhalten mit dem Stand der Musik in der Kaiserstadt. Die Orchester-Übungen seines schon früher (Bd. I. S. 91. Anm. 16) erwähnten Freundes, Hofrath v. Kees35, dem er häufig seine Symphonien zum Durchspielen zusandte, waren ihm natürlich von besonderem Werth. Mit Artaria und andern Musikalienverlegern gab es Geschäftliches abzumachen; dann waren es die Häuser v. Greiner, v. Genzinger, Martines (seine ehemalige Schülerin), Weigl und Friberth (die ehemaligen Mitglieder seiner Kapelle), die ihn anzogen. Oft aber brach der Fürst, zum großen Leidwesen Haydn's, seinen Besuch rasch ab. »Die gähe entschließung Meines Fürsten (schreibt er an Artaria) sich von dem verhaßten Wienn zu entfernen, verursachte meine schleunige Reise nach Estoras,36 und hinderte mich von dem größten Theil meiner Freunde nicht beurlauben zu[24] können, derohalben werden auch Sie mich hierinfalls excursiren.« Die Besuche des Fürsten beschränkten sich zuletzt fast nur noch auf die übliche Vorstellung bei Hofe am Jahreswechsel, wo der Fürst als Capitain der ungarischen Garde im Schmuck seiner reich mit Juwelen besetzten Uniform erschien und der Garde einige Tage später in ihrem Palais (Fürst Trautsohn'sche Palast vor dem Burgthor) ein glänzendes Fest gab.
Haydn fand in Wien durchaus nicht alles für ihn gestimmt; viele der tonangebenden Musiker betrachteten ihn mehr als einen Fremden, eine Folge seiner Stellung und seinem Aufenthalt in Ungarn. Sie wollten ihn, wie wir schon geschehen haben (Bd. I. S. 274), lange nicht als ihnen ebenbürtig oder gar überlegen anerkennen. Und als obendrein sein Ruf vom Auslande her, wo seine Werke rasche Verbreitung fanden, mehr und mehr nach Wien drang, da wuchs auch die Zahl seiner Neider und Feinde. Neider (»deren ich eine Menge habe« – schreibt er an Artaria) konnten ihm allerdings wenig anhaben, aber die Feinde fanden Mittel und Wege, der Verbreitung und Anerkennung seiner Werke zu schaden. Haydn empfand dies (wie wir später sehen werden) zunächst bei einer Oper, die er im Auftrag des Kaisers, zu einer Zeit da dieser noch nicht von anderer Seite gegen ihn beeinflußt war, für das Nat.-Hoftheater geschrieben hatte und deren Aufführung hintertrieben wurde. Specielle Gegner hatte Haydn in den 80er Jahren im Musikzimmer des Kaisers, wo Musikdirector Franz Kreibich (der bei der Kammermusik die erste Violine spielte) und Kammerdiener Strack alles aufboten, Haydn's Quartette fern zu halten, was ihnen nicht schwer hielt, da der Kaiser ohnedies von Haydn's »Späßen« (wie er sich gegen Reichardt ausdrückte) nicht viel hielt.37
Gegenüber der bekannten späteren Lebensweise Haydn's, zur Zeit da er nach Wien übersiedelt war, sind wir in Esterház nur auf weniges beschränkt. Von jener Regelmäßigkeit in der Tagesordnung, die er im Alter beobachtete, konnte in Esterház nicht die Rede sein; wohl aber hielt er seine frühere Gewohnheit bei, zeitig aufzustehen und die Frühstunden dem Componiren zu widmen.[25] Er lebte sehr mäßig, bewegte sich gern im Freien und unterhielt sich zuweilen unter Freunden mit Kegelschieben. Griesinger erzählt uns auch (S. 29), daß Jagd und Fischfang in Ungarn seine Lieblingserholungen gewesen seien. So konnte er es nie vergessen, daß er einst mit einem Schuß drei Haselhühner erlegt habe, welche auf die Tafel der Kaiserin kamen. Weniger glücklich war er ein anderesmal mit einem Hafen, dem er nur die Ruthe abschoß; aber er tödtete zugleich einen Fasan, den sein Unglück in die Nähe führte, während Haydn's Hund, der den Hafen verfolgte, sich in einer Schlinge erwürgte. Reiten hatte er seit seinem Fall vom Pferde auf den Gütern des Grafen Morzin längst aufgegeben.38
Bei seinen Spaziergängen war Haydn auf den fürstlichen Park oder weiterhin, nach Süd und West, auf die weite, von der Kultur noch unbeleckten Pußta mit ihrem eigenthümlichen Gepräge, wie es nur im Ungarlande zu finden ist, angewiesen. Sei es nun der Blick auf unabsehbare sonnenerglühte Flächen, sei es der sternenflimmernde unermeßliche Horizont mit seiner erhabenen Stille: ein Gemüth wie es Haydn besaß, konnte für solche Eindrücke nicht unempfänglich bleiben. Sie mußten ihm einen Ersatz bieten für die aufreibenden Unruhen, die seine Stellung mit sich brachte, einen Ersatz für den Mangel häuslichen Glücks; sie mußten in ihm jene innere beseligende Ruhe erzeugen, die aus so manchen seiner andachterweckenden getragenen Sätze so vernehmlich zu uns spricht. Ist doch die ihn umgebende Natur stets von wesentlichen Einfluß auf den schaffenden Künstler. Wiederum mußte er sich in lautem Gegensatz zu solchen Momenten von der charakteristischen ungarischen Nationalmusik herumziehender Zigeuner angezogen fühlen, von der sich gleichfalls Nachklänge in seinen Werken vorfinden. – Sein Weg wird ihn wohl auch öfters zu seinen Verwandten geführt haben. Lebte doch seine verheirathete älteste Schwester Franziska im nahegelegenen St. Nicklo, und deren älteste Tochter Anna Maria als verheirathete Wirthin zu Uzker; endlich in Esterház selbst die dort verheirathete Tochter seiner jüngeren Schwester Anna Maria. Diese Verwandten, meistens in ärmlichen Verhältnissen, unterstützte Haydn ohn' Unterlaß und natürlich ohne Wissen[26] seiner Frau. Auch wurde er von ihnen, wie nicht minder von den Musikern und Sängern bei Taufen und Hochzeiten als Pathe oder Beistand selten umgangen; sah ihn doch die kleine Dorfkirche von Süttör oft genug als opferwilligen Zeugen. Trieb ihn der Verdruß außer Haus, so fand er reichen Ersatz in der Anhänglichkeit einer von ihm leidenschaftlich geliebten Freundin, einer Sängerin, der wir später begegnen werden.
Versuchen wir Haydn bei der Arbeit zu belauschen. Wie fromm-gläubig er sein Tagewerk begann, erfahren wir aus seinem eigenen Munde. Als ihn der durch seine volksthümlichen Lieder bekannte Componist Schulz im J. 1770 in Esterház besuchte, zeigte ihm Haydn zahlreiche fertige und noch unbekannte Arbeiten. Schulz erstaunte über deren Originalität wie auch über Haydn's Fleiß. Die Frage aber, wie er es anfange, so viele an Eigenheit so reiche Sachen zu componiren, nahm der echt altdeutsche Künstler in einem ganz andern Sinne als sie gemeint war und erwiederte mit rührender Naivetät: »Ja sehen Sie, ich stehe früh auf, und sobald ich mich angekleidet habe, fall' ich auf meine Kniee und bete zu Gott und zur heiligen Jungfrau, daß es mir heute wieder gelingen möchte. Hab' ich dann etwas gefrühstückt, so setze ich mich an's Clavier und fange an zu suchen. Find' ich's bald, dann geht es auch ohne viele Mühe leicht weiter. Will es aber nicht vorwärts. dann sehe ich, daß ich die Gnade durch irgend einen Fehltritt verwirkt habe und dann bete ich wieder so lange um Gnade bis ich fühle, daß mir verziehen ist.«39 So erzählt auch Griesinger, daß sich Haydn völlig angekleidet des Morgens ans Clavier setzte und so lange phantasirte, bis er seinem Zweck entsprechende Ideen fand, die er sofort zu Papier brachte.40 Die Nachmittagsstunden verwendete er dazu, die entworfenen[27] Skizzen im Geiste so lange zu überdenken, bis Form und Entwickelung klar vor ihm standen; dann erst schrieb er die Arbeit sogleich rein und deutlich nieder, daher eine jede wie aus Einem Guß fertig in sich abgeschlossen erscheint und sich nur selten Correcturen vorfinden. »Das rührt daher, weil ich nicht eher schrieb, als bis ich meiner Sache gewiß war.« Dieser Vorgang berichtigt zugleich die gewöhnliche Annahme, Haydn habe seine Werke »am Clavier componirt«. Das Clavier diente ihm vielmehr nur dazu, seine Ideen zu entfesseln, nicht aber zur Ausarbeitung – ein unkünstlerisches Verfahren, daß nur zu Stückwerk führt. »Hatte ich eine Idee erhascht, so ging mein ganzes Bestreben dahin, sie den Regeln der Kunst gemäß anzupassen und zu souteniren. So suchte ich mir zu helfen und das ist es, was so vielen unserer neuen Componisten fehlt, sie reihen ein Stückchen an das andere, brechen ab, wenn sie kaum angefangen haben: aber es bleibt auch nichts im Herzen sitzen, wenn man es angehört hat.« – Bei seiner Art, am Clavier sein Gemüth, je nachdem er ernst oder heiter gestimmt war, anzuregen, war übrigens auch die Güte des Instrumentes von Einfluß, so daß es vorkam, daß er, wie schon früher erwähnt (Bd. I. S. 354), um besonders gut zu componiren, sich sogar ein neues Fortepiano kaufte. Sein Lieblings-Claviermacher war Wenzel Schanz, und wie sehr er sich gewöhnt hatte, seine Compositionen dem Charakter von dessen Instrumenten anzupassen, zeigen seine entschuldigenden Worte bei Übersendung eines Werkes an seine Verehrerin, Frau v. Genzinger. »Ich weiß, daß ich diese Sonate hätte auf die Art Ihres Claviers einrichten sollen, allein es war mir nicht möglich, weil ich es ganz aus aller Gewohnheit habe.«
Nach Obigem müssen wir jedoch nicht annehmen, daß Haydn ausschließlich das Clavier als Aushülfe zum Componiren diente. Im Geiste sammelte er vielmehr oft lange Zeit Ideen zu einer Arbeit, die nur des rechten Zeitpunktes ihrer Verwirklichung harrten. Als eine Symphonie, die Haydn seiner genannten Verehrerin zu ihrem Namenstage versprochen hatte, wegen überhäufter Arbeit für diesen Tag nicht zu Stande kam, versichert er: »Diese arme versprochene Sinfonie schwebt seit Ihrer anordnung stets in meiner Fantasie, nur einige (leyder) bishero nothdringende Zufälle haben diese Sinfonie noch nicht zur welt kommen[28] lassen.« – Daß Haydn zuweilen in seinen Compositionen bestimmte Vorstellungen ausdrücken wollte, wurde oft versichert. Griesinger und Dies erzählen ebenfalls, daß ihnen Haydn von Symphonien sprach, in denen er moralische Charaktere geschildert habe, so z.B. im Adagio einer seiner ältesten, die er aber nicht anzugeben wußte, sei die Idee vorherrschend, wie Gott mit einem verstockten Sünder spricht, ihn bittet sich zu bessern, der Sünder aber in seinem Leichtsinn den Ermahnungen kein Gehör giebt. Die Gottheit (sagt Haydn später) habe er durch die Liebe und Güte ausgedrückt.41 – Daß ihn häufig bestimmte Empfindungen drängten. ihnen durch künstlerisches Schaffen Ausdruck zu geben, lassen so manche Sätze seiner Instrumental-Werke vermuthen. Er selber sagt von einem Adagio, das er zu einer Sonate für Frau v. Genzinger neu componirt hatte: »Es hat sehr vieles zu bedeuten, welches ich Euer Gnaden bei gelegenheit zergliedern werde.« Eben solche Sätze, in denen der Ausdruck der Ergebung, der feierlichen Ruhe vorwaltet, bilden den schreiendsten Contrast zu Haydn's nächsten Begegnissen im häuslichen Leben, dessen Fesseln sein Genius siegreich löste. Es ist (wie Otto Jahn so schön bemerkt42) »ein glänzender Beweis, wie die Kraft zu schaffen den Künstler vom Druck des Lebens frei macht und ihn in die Region des Schönen erhebt, in welcher allein das wahre Kunstwerk geboren wird«.
Man würde irren, wenn man aus der großen Anzahl Compositionen, die Haydn schrieb, schließen wollte, daß ihm die Arbeit leicht von statten ging. Dies war keineswegs der Fall. Wie schon bemerkt (Bd. I. S. 365), sagte Haydn selbst, daß er »nie ein Geschwindschreiber war und immer mit Bedächtlichkeit und Fleiß componirt habe«. Der Reichthum an immer neuen Ideen, der aus seiner Feder floß, hat von jeher Staunen erregt; nur höchst selten wird man auf Wiederholungen stoßen. Auf Melodie und namentlich auf volksliederartige Themen richtete er sein Hauptaugenmerk. »Es ist die Melodie welche der Musik ihren Reiz giebt (sagte er zu Kelly43) und sie zu erzeugen ist[29] höchst schwierig; das Mechanische in der Musik läßt sich durch Ausdauer und Studium erlernen, doch die Erfindung einer hübschen Melodie ist das Werk des Genius und eine solche bedarf keiner weiteren Ausschmückung um zu gefallen; willst du wissen ob sie wirklich schön ist, singe sie ohne Begleitung.«44
Haydn war kein Pedant in Regeln; grammatikalische Freiheiten findet man häufig genug bei ihm und oft wiederholt er dieselbe Stelle absichtlich, um anzudeuten, daß er sie wirklich so gewollt habe. Über Albrechtsberger's Strenge, alle Quartenfolgen aus dem reinen Satze zu verbannen, äußerte er sich gegen Griesinger: »Was heißt das? die Kunst ist frei und soll durch keine Handwerksfesseln beschränkt werden. Das Ohr, versteht sich ein gebildetes, muß entscheiden, und ich halte mich befugt wie irgend Einer, hierin Gesetze zu geben. Solche Künsteleien haben keinen Werth; ich wünschte lieber, daß es Einer versuchte, einen wahrhaft neuen Menuett zu componiren.« – Und gegen Dies: »Wenn ich etwas für schön hielt, so daß das Gehör und das Herz nach meiner Meinung zufrieden sein konnten und ich eine solche Schönheit der trockenen Schulfuchserei hätte aufopfern müssen, dann ließ ich lieber einen kleinen grammatischen Schnitzerstehen.« Die gleiche Freiheit gestand er aber auch anderen ihm ebenbürtigen Componisten zu. Sein Urtheil über die unharmonischen Querstände in der Einleitung zu Mozart'sC-dur-Quartett lautete kurz und bündig: »Hat Mozart es geschrieben, so hat er seine gute Ursache dazu.«
Einen wahren Widerwillen hatte Haydn gegen alles Asthelisiren, und wer ihn von seiner Kunst nur reden hörte, hätte in ihm den großen Künstler kaum geahnt. Auch auf die Recensenten war er nicht gut zu sprechen. Als er davon hörte, daß ihm in einer seiner Compositionen eine falsche Quinte zur Last gelegt wurde, versetzte er ruhig: »Die Herren dünken sich wohl bei solchen Entdeckungen sehr weise; ach! wenn ich mich auf's Kritisiren verlegen wollte, wie vieles fände ich da zu tadeln.« Gegen Neukomm äußerte er sich in seiner launigen Weise noch schärfer gegen ihre »spitzigen und witzigen Federn«. Wie er auf die Berliner Kritik zu sprechen war, haben wir aus seiner eigenen Lebensskizze[30] gesehen.45 Dagegen hoffte er, gerade auf dem Gipfel seines Ruhmes, in bescheidener Weise bei Übersendung seiner »Schöpfung« an Breitkopf, daß die Herren Recensenten sein Werk »nicht allzustreng anfassen und ihm dabei zu wehe thun mögen.« Noch ein Jahr vor seinem Tode klagte er dem ihm besuchenden Musiker Nisle, daß ihn die Herren »oft hart mitgenommen hätten und daß es ihm überhaupt unmöglich geschienen, Alles zu befriedigen. Später jedoch setzte er gelassen hinzu) beruhigte ich mich mit dem Gedanken: du willst schreiben, wie es dir das Herz diktirt, und ich befand mich wohl dabei.«
Die Verdienste anderer Meister fanden bei Haydn jederzeit gerechte Anerkennung. Wie dankbar er stets des Nutzens gedachte, den er aus Phil. Emanuel Bach's Werken geschöpft, haben wir schon früher gesehen (Bd. I. S. 132); von Gluck und Händel sprach er mit der größten Verehrung (letzteren sollte er erst in London recht kennen lernen). Sein Verhältniß zu Mozart, der doch seine eigene Künstlerbahn durchkreuzte, war so einzig in seiner Art, daß es für alle Zeiten wie eine Leuchte der edelsten Charaktererscheinung dasteht. Wir werden darüber seinerzeit Ausführlicheres erfahren. Jüngere Talente wußte er durch sein Lob mündlich und schriftlich anzuspornen, verschaffte ihnen Verleger oder Anstellung, suchte ihnen durch seine Empfehlung den Beginn ihrer Laufbahn zu erleichtern und war ihnen überhaupt ein väterlicher Freund. So war es, wie wir schon gesehen (Bd. I. S. 228), mit den Mitgliedern seiner Kapelle; dann aber auch mit einer Reihe angehender Componisten, mit Gyrowetz, Pleyel, Eybler, seinem Pathen Weigl, Edmund von Weber, Andreas Romberg, Johann Fuchs (seinem späteren Nachfolger im Amt), Ignaz von Seyfried und vielen Andern, die wir noch kennen lernen werden.
Bei aller sonstigen Bescheidenheit war Haydn doch von gerechtem Selbstbewußtsein erfüllt. Er erkannte vollkommen, wie sehr er der Tonkunst förderlich war und wohl konnte er sich hierüber im Alter Griesinger gegenüber äußern: »Ich weiß es, daß mir Gott einen Antheil verliehen hat und erkenne es mit Dank; ich glaube auch meine Schuldigkeit gethan und der Welt durch[31] meine Arbeiten genützt zu haben; mögen nun Andere dasselbe thun.«
Aber für ihn gab es keinen Stillstand im Vorwärtsschreiten seiner Kunst. Wie wäre es sonst möglich gewesen, daß er, bereits ein hoher Sechziger, in dem erwähnten Brief an Breitkopf schreiben konnte, es komme ihm vor, als ob mit der Abnahme seiner Geisteskräfte seine Lust und der Drang zum Arbeiten zunähme. »O Gott! (fährt er fort) wie viel ist noch zu thun in dieser herrlichen Kunst, auch schon von einem Manne, wie ich gewesen!« In ähnlichem Sinne hörte ihn später noch Griesinger sagen: Sein Fach sei grenzenlos; das, was in der Musik noch geschehen könne, sei weit größer als das, was schon darinnen geschehen sei. Ihm schwebten öfters Ideen vor, wodurch seine Kunst noch viel weiter gebracht werden könnte, aber seine physischen Kräfte erlaubten es ihm nicht mehr, an die Ausführung zu schreiten. – Auch gegen Kalkbrenner äußerte er als alter Mann, wie traurig es sei, daß der Mensch sterben müsse, ohne erreichen zu können was er erstrebe: »In meinem Alter habe ich erst gelernt, die Blasinstrumente zu gebrauchen; nun da ich's verstehe, muß ich fort und kann es nicht anwenden.« Mit Bewunderung und Hochachtung stehen wir vor einem Greis, der seinen Beruf so hoch achtet und stets nur die Verherrlichung desselben vor Augen hat. So wird auch hier der Ausspruch des Dichters zur Wahrheit: »Jahre lang bildet der Meister und kann sich nimmer genug thun.«
Haydn's pekuniäre Lage entsprach gewiß nicht seinem hohen Werthe als Künstler und den an ihn gestellten Anforderungen, doch wird sie viel zu düster geschildert. Über seine Stellung als Kapellmeister sind wir schon unterrichtet; auch über die Verwerthung seiner Compositionen läßt sich vieles nachweisen. Allerdings fehlt uns bis zu Ende der 70er Jahre jeder Anhaltspunkt, ob Haydn irgend einen Nutzen zog aus seinen in Leipzig, Berlin, Speyer, Amsterdam, Paris und London erschienenen Compositionen. Nun aber ersehen wir in vielen Fällen, wie Haydn dabei verfuhr und wie er auch zu rechnen verstand. Fassen wir zunächst seine Verbindung mit Artaria ins Auge. Haydn erhielt z.B. für 3 Clavier-Trios jedes »wie gewöhnlich 10 ⌗.« (Ducaten) Honorar; für 12 Menuetts sammt Trios 12 ⌗; für das bekannte Capriccio in C 24 ⌗ (»der Preis ist etwas hoch«,[32] beschwichtigt Haydn, meint aber, Artaria werde schon seinen Nutzen daraus schöpfen). Für 6 Claviersonaten (Trios) 300 Gulden. Für 6 Streichquartette (1784) willigt Haydn in die zugesagten 300 Gulden, obwohl er »jedesmal mit der Pränumeration mehr denn 100 ⌗ erhielt, welche mir auch Herr Willmann (in Paris) zu geben versprach«. Für die nächstfolgenden 6 Quartette (1788) »bleibt der alte Preis von 100 ⌗«.46 – Dies waren für jene Zeit immerhin ansehnliche Honorare, obwohl auch Haydn sich einmal gegen Artaria äußerte, daß er »nicht hinlänglich bezahlt sei« und er daher trachten müße, sobald die Stücke gestochen seien. noch einigen Gewinn zu erzielen, da er dazu mehr Recht habe als die Unterhändler. Schade, daß wir über die Honorare für Symphonien (die »englischen« kommen hier nicht in Betracht) so wenig erfahren, nur von den 5 Ouverturen (als Symphonien bezeichnet) wissen wir, daß sie Haydn an Artaria für 25 ⌗ überließ, obwohl »ich für diese 5 Stück von einem andern Verläger 40 ⌗ haben könnte«. Von Gesangswerken ist nur das Honorar für die ersten 12 Lieder bekannt; es betrug 12 ⌗ (Haydn hatte anfangs 30 ⌗ begehrt). Da es einem Verleger in jener Zeit des Nachdrucks darum zu thun sein mußte, soviel wie möglich sich zu schützen, so suchte er sich vor allen Dingen des Componisten zu versichern. Zwei Vollmachten liegen in dieser Hinsicht bei Artaria vor: Haydn verpflichtet sich 1790 das Original-Manuscript von 3 Clavier-Trios an ihn mit allen Rechten des alleinigen Eigenthumsrechtes für 135 Gulden zu überlassen und solle Haydn nicht befugt sein, »selbe weder hierorts noch anderwärts an Andere zu geben«. Ebenso war es mit 12 Redoutt-Menuetts sammt Trios (1792), wofür Haydn 24 ⌗, also das doppelte des obigen Preises, erhielt. – Kurz nach Artaria (1780) trat Haydn in Verbindung mit Paris (Willmann, Nadermann, Sieber), wohin er seine Symphonien, Quartette und Clavierstücke ebenfalls gut verkaufte; nicht minder mit London (Forster, an den er im Jahre 1786 verschiedene Werke für 70 Pf. Sterling verkaufte, mit Longman & Broderip und mit Bland). Es waren dies, wohl zu beachten, häufig dieselben Werke, aus denen er also dreifachen Nutzen zog. Ob[33] er aus seinen Opern, die doch auch auswärts häufiger gegeben wurden, als man annimmt, einen nennenswerthen Gewinn erzielte, ist sehr fraglich. Sie waren übrigens, wie ja auch die Symphonien, im Dienste des Fürsten geschrieben, der seinem Kapellmeister freie Hand ließ, mit ihnen nach Belieben zu verfügen – ein nicht zu unterschätzender Umstand. – Wenn trotzdem Dies behauptet, Haydn's Noth habe bis zum 60. Lebensjahre gedauert. so ist dies jedenfalls übertrieben. Noch weiter geht Griesinger, indem er sagt, daß Haydn bis dahin bis zur Abreise nach London) seine meisten Compositionen entweder gar nicht oder nur sehr mittelmäßig bezahlt wurden, was schon obige Daten widerlegen. Griesinger meint auch, daß Haydn vor der Abreise noch kaum 2000 Gulden eigenes Capital hatte. Dieses dagegen können wir ihm aufs Wort glauben und eher bezweifeln, ob er überhaupt so viel hatte; denn wir dürfen uns nur daran erinnern, welches Regiment zu Hause seine Frau führte; wie häufig Haydn in die Lage kam, seine armen Verwandten unterstützen zu müssen, wie er an einen derselben, einem ausgesprochen liederlichen Gesellen, nach und nach über 5000 Gulden verschwendete. Dazu sein Bruder Johann, den er jährlich ins Bad schickte und ihn ohn' Unterlaß unterstützte und überdies noch eine unselige Liebe zu einer Sängerin, die seine Leidenschaft durch 20 Jahre auszunutzen verstand. Wir sahen (Bd. I. 225), daß Haydn selbst den Vortheil anerkannte, immer ein Orchester zur Hand zu haben; es war ihm eine lebendige Partitur, in der er nach Belieben streichen und hinzusetzen konnte. Er übergab wohl auch selten eine Arbeit zum Druck, ehe er sie dieser sichersten Prüfung unterzogen hatte. So bemerkt er ausdrücklich, eine Serie Symphonien an Artaria abschickend: »Ich habe sie selbst mit meinem Orchester probirt«. Ein anderesmal: »Die Quartette, so ich eben heute abspielen ließ, werde ich Ihnen senden«. – In Ermangelung eines eigentlichen Publikums hatte Haydn um so mehr auf die Anerkennung seines Orchesters Gewicht zu legen, dessen Theilnahme ihm der belebende Quell für sein künstlerisches Schaffen sein mußte. Und gewiß waren es für ihn selige Stunden wahrer Befriedigung und Genugthuung, wenn er die gewünschte Wirkung eines neuen Werkes aus den Mienen seines Häuflein Unterthanen ablesen konnte. Hatte er dann auch seines Fürsten Sinn getroffen, so war sein Werk nicht umsonst gethan und[34] höher und immer höher trieb es ihn, die selbst geschaffenen Pfade zu erweitern und zu befestigen. Gleich Michael, seinem Bruder, äußerte sich auch Abt Vogler gar oft, daß Haydn wohl um nichts so sehr zu beneiden sei, als um seine Stellung, in der er bei seinen Talenten ein großer Mann habe werden müssen. Wohl fühlte sich dieser im Ganzen auch glücklich in derselben und hörten wir schon (Bd. I. 225), wie er sich darüber äußerte und versicherte. nur so habe er original werden können.
Gleichwohl kamen Stunden, in denen er die Schattenseite seiner Lage nur zu sehr fühlte. Seiner Sehnsucht nach Italien. welche der Fürst stets zu beschwichtigen wußte, wurde schon früher (Bd. I. 223) gedacht. Ein Blick in seine Briefe verräth uns noch gar Manches. Mit seiner Klage gegen Artaria (bei Gelegenheit seiner Opern): »mein Unglück ist nur mein Aufenthalt auf dem Lande« läßt er durchblicken, wie er überzeugt war, viel mehr bekannt zu werden. wenn er in der Stadt leben könnte. Artaria auf seine Ankunft in Wien vertröstend, lesen wir ferner, wie er zu Zeiten seine ganze Abhängigkeit empfand. »Das größte Hinderniß in allem ist der lange Aufenthalt meines Fürsten in Estoras, ohngeachtet derselbe sehr wenig Unterhaltung hat, indem die Hälfte des Theaters theils krank theils abwesend ist: Sie können sich darnach vorstellen, wie ich stets sorgen muß Hochdenselben zu unterhalten.« Von seiner »Einöde« aus schüttet er sein Herz noch offener aus in den Briefen an seine verehrte Freundin von Genzinger. Da hören wir (Mai 1790), daß, so oft auch der Fürst sich von Esterház entfernt, Haydn nie die Erlaubniß erhalten kann, nur auf 24 Stunden nach Wien gehen zu dürfen. »Es ist kaum zu glauben und doch geschieht diese weigerung auf die feinste arth, und zwar auf solche, daß ich außer stand gesetzt werde, die Erlaubniß zu begehren«. Und in demselben Briefe bittet er die Freundin, ihn »mit dero so angenehmen Briefwechsel zu trösten, indem mir dieser zur aufmunterung in meiner Einöde meines öftern sehr tief gekränkten Herzens höchst nothwendig ist. O könnt ich nur eine Viertelstunde bey Ihro Gnaden seyn, um meine widerwärtigkeiten auszuschütten und von Euer Gnaden Trost einzuhauchen. Ich unterliege bey unserer dermahligen Regierung vielen Verdrießlichkeiten, welche ich aber hier mit stillschweigen übergehen muß. Der einzige Trost, so mir noch übrig bleibt, ist daß ich Gott lob,[35] gesund, und thätige Lust zur arbeith habe«. Und einen Monat später mehrt sich der Trübsinn: »Nun trifft es sich abermahl, daß ich zu Hauß bleiben muß. was ich dabey verliehre, können sich Euer Gnaden selbst einbilden. es ist doch traurig, immer Sclave zu seyn: allein, die Vorsicht will es. ich bin ein armes geschöpf! stets geplagt von vieler arbeith, sehr wenige erholungsstunden. Freunde? was sag ich – einen ächten? es giebt ja gar keine ächten Freunde mehr – eine Freundin? o ja, es mag wohl noch eine seyn. Sie ist aber weit von mir. I nun, ich unterhalte mich in gedanken; Gott segne Sie, und mache. daß Sie auch meiner nicht vergesse!« – Und noch von London aus zittert die wehmüthige Saite nach. Das Bild von Esterház tritt vor Haydn und inmitten der schönsten Natur und einer Familie »die der Genzingerschen gleichet«, macht Haydn seinem gepreßten Herzen Luft. »O meine liebe, gnädige Frau! wie süß schmeckt doch eine gewisse Freyheit; ich hatte einen guten Fürsten, mußte aber zu Zeiten von niedrigen Seelen abhangen. Ich seufzte oft um Erlösung, nun habe ich sie einigermaßen: ich erkenne auch die Gutthat derselben, ohngeachtet mein Geist mit mehrer arbeith beschwert ist. Das Bewustseyn, kein gebundener diener zu seyn, vergütet alle mühe; allein so lieb mir diese Freyheit ist, so gerne verlange ich bei meiner zurückkunft im Fürst Esterházischen Dienst zu seyn, blos meiner armen Familie wegen.«
Also doch wieder zurück zu seinem Fürsten! Allerdings, aber gewiß nicht mehr nach Esterház, dessen Tage damals auch vorüber waren. –
Die Ereignisse daselbst während eines vollen Vierteljahrhunderts werden nun in ihrer Reihenfolge an uns vorüberziehen. Dazwischen fallen wohl einige nicht unwichtige Ausflüge Haydn's nach Wien, wie auch die nach Band I weitergeführte musikalische Chronik der alten Kaiserstadt. Die Gesammt-Signatur bleibt für uns aber dennoch »Esterház« – der Ort, wo Haydn den Hauptgrund zu seiner künstlerischen Ausbildung legte, mithin der bedeutungsvollste Zeitabschnitt seines Lebens, der uns gerade hier bis jetzt die empfindlichste Lücke bot. Daher sagt auch Otto Jahn mit Recht:47 »Die Popularität Joseph Haydn's beruht auf den Werken der letzten zwanzig Jahre seines Lebens; wir kennen ganz[36] vorzugsweise den nachmozartischen Haydn; der aufstrebende Haydn, der die Instrumentalmusik befreite und aufbaute, ist so gut wie verschollen, wenn man von einer Anzahl seiner früheren Quartette absieht«. In gleicher Weise äußerst sich Jahn zur Zeit, da er bemüht war, das Material für seine beabsichtigte Haydn-Biographie zu sammeln, in einem Briefe an den ihm befreundeten verdienstvollen Musikfreund Leopold Edler von Sonnleithner in Wien: »Die schwierige Aufgabe ist es, den heranwachsenden und sich ausbildenden Haydn darzustellen, da man von diesem und den obwaltenden Verhältnissen und Einflüssen bis jetzt so gut, wie gar nichts weiß. Der Haydn, den alle kennen, ist nicht Mozarts Vorgänger, sondern sein Zeitgenosse und Nachfolger. Das wissen Sie freilich so gut wie ich«.
Die ersten Jahre, die Haydn mit seiner Kapelle in Esterház zubrachte, bieten uns nur wenige bemerkenswerthe Momente. Die luxuriöse Ausstattung des Schlosses konnte nur allmälig vor sich gehen und größere Festlichkeiten verboten sich somit von selbst; die Complettirung des Sänger- und Orchester-Personals erforderte Zeit; Haydn hatte somit den Vortheil, sich der Composition mit genügender Muße hingeben zu können.
Sein erstes dramatisches Werk nach Acide (Bd. I. 232) war die zweiactige Buffo-Oper La Canterina (die Sängerin), in Haydn's Original-Partitur als Intermezzo bezeichnet. Sie wurde im Carneval 1767 aufgeführt, »um die K. Hoheiten zu unterhalten«. Wo aber die Aufführung stattgefunden, bleibt dahingestellt; weder im Wiener Diarium noch irgendwo ist derselben erwähnt. Vermuthlich war es vorerst nur eine Salon-Aufführung. Das bei Joh. Mich. Landerer in Preßburg gedruckte Textbuch48 nennt folgende Personen:
Don Pelagio, maestro di capellaCarlo Friberth.
Gasparina, canterinaMaria Anna Weigl.
Apollonia, finta matre di
GasparinaBarbara Dichtler.
Don Ettore, figlio d'un
mercanteLeopoldo Dichtler.
[37] Die Handlung. die sich im Studierzimmer der Sängerin Gasparina abspielt, läßt sich in wenigen Worten skizziren. Der Kapellmeister und ein Kaufmannssohn bewerben sich gleichzeitig um die Gunst der Sängerin, der ihre Schein-Mutter stets die Lehre vor Augen hält, die Situation auszunutzen. Gasparina versteht sich so wohl auf diese Ermahnung, daß keiner der Liebhaber ins Klare kommt, wer der Bevorzugte ist, indem die Diva noch am Schlusse der Handlung nach regelrecht fingirter Ohnmacht wegen vorgeblicher Kränkung mit demselben Lächeln von dem Einen die Börse, von dem Andern Diamanten und Ringe als kräftigende Hausmittel entgegennimmt.
Die Composition dieser Oper fällt übrigens, wie das Autograph bezeugt, noch ins Jahr 1766. – In demselben Jahre entstand auch Haydn's 4. Messe,Es-dur49 (l. 4),50 die bis dahin umfangreichste, in der auch die Orgel obligat eingeführt ist. Ihr Titel lautet nach Haydn's Entwurf-Katalog: »Missa solennis ad honorem Beatissimae Virginis Mariae« dal Giuseppe Haydn 1766. In Haydn's Handschrift ist die Messe vom Sanctus an vorhanden; das Kyrie wurde von Artaria im Jahre 1835 an einen russischen Edelmann abgegeben. An diese Messe reiht sich ihrem inneren Gehalt nach unmittelbar der im Jahre 1768 componirte Applausus an und ist namentlich die Behandlungsweise, hier des Claviers, dort der Orgel, unverkennbar ein- und derselben Zeit angehörig.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre (1767):
2 Symphonien (a. 1, 2). No. 2 Autograph. No. 1 in Abschrift erschienen,51 aber zweifellos gleich zeitig mit 2 früher erwähnten Symphonien (Bd. I. S. 245 und 288) entstanden und wie jene eher alsDivertimento concertante zu bezeichnen. Somit hätten wir in diesen 3 Stücken den Tag in seinen Abstufungen – Morgen, Mittag und Abend vor uns, womit dem Wunsche des Fürsten, der freilich auf »vier Tageszeiten« reflektirte(Bd. I. S. 229) entsprochen war.
[38] Divertimento a tre, für Waldhorn, Violine und Violoncell (c. 1) in Autograph vorhanden.
2 Claviersonaten;(f. 1. 2). No. 1 in Abschrift erschienen;
No. 2 Autograph.
Als dritte italienische Oper componirte Haydn Lo Speciale (der Apotheker), deren Aufführung im Herbst 1768 stattfand. Das gedruckte Textbuch52 nennt folgende Mitwirkende:
Sempronio, spezialeCarlo Friberth.
Mengone, uomo di spezieriaLeopoldo Dichtler.
Griletta, pupulla sotto
tutela di SemproniaMaddalena Spangler.53
VolpinoBarbara Dichtler.
Die Handlung, eine der bessern, spielt in einem Apothekerhause, theils im Laden selbst, theils in einem Zimmer und im inneren Hofraume. Sempronio, ein schon bejahrter Mann, strebt danach seine Mündel Griletta zu hei rathen. Zu Rivalen hat er zwei junge Leute, Mengone und Volpino, von denen Ersterer ohne Kenntniß des Geschäfts sich von Sempronio als Ladendiener aufnehmen läßt, um desto sicherer zum Ziele zu gelangen. Beide suchen den eifersüchtigen Vormund, einen Zeitungsnarren, der sich mehr für Indien, Persien und die Türkei als für sein Geschäft interessirt und immer Zirkel und Compaß zur Hand hat, um den Erdball mit einer neuen Ländereintheilung nach seinem Sinn zu beglücken, von dieser schwachen Seite beizukommen und schließlich trägt Mengone den Sieg davon. – Trotz der einfachen scenischen Beihülfe wickelt sich die gut gegliederte Handlung unterhaltend ab und bietet wirksame und für den Componisten dankbare Momente. Jeder Act schließt in erhöhter Lebendigkeit mit einem hübschen Finale, in dem die Charakteristik der einzelnen Personen scharf hervortritt. Namentlich bieten die zwei letzten Actschlüsse, in denen die jungen Leute (im zweiten als Notare, im dritten als Türken verkleidet) den alten Narren zum Besten haben, ein belustigendes Spiel. Wir werden der Oper nochmals, aber in Wien begegnen. –
Die zweite größere Cantate Haydn's entstand im Jahre 1768; die erste haben wir schon früher (Bd. I. S. 243) kennen gelernt. Wie dort ein Fürst gefeiert wurde, so war hier der Held ein geistlicher Würdenträger. In seinem ersten Entwurf-Katalog notirte Haydn dies Werk als »Applausus in lateinischer Sprache bei Gelegenheit einer Prälatenwahl in Kremsmünster« (eine Benediktiner-Abtei[39] in Ober-Österreich); im Hauptkatalog hat Haydn auf das Werk vergessen. Die Genesis dieses Applausus ist in ein mysteriöses Dunkel gehüllt. Abgesehen von Haydn's nicht zutreffender Bemerkung54 werden noch andere geistliche Stifte (Zwettl, Melk, Göttweig) als Urheber genannt. Die Wahrscheinlichkeit für Zwettl lag um so näher, als hier die autographe Partitur und die geschriebenen Auflagstimmen vorhanden waren, die in den Jahren 1832 und 35 als Geschenk in den Besitz des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien gelangten. Doch auch Zwettl hatte im Jahre 1768 keine Prälatenwahl; dort stand Rainer I. dem Stift als Abt seit 1747 vor, hielt 1775 seine Jubiläumsfeier und starb ein Jahr darauf; die Cantate könnte also nur etwa zu seinem Namens- oder Geburtsfeste bestimmt gewesen oder auch dorthin ausgeliehen worden sein. Auch Melk trefft nicht zu, denn dort regierte Abt Urban II. von 1763–1785. So bleibt nur noch das uns schon wohlbekannte Benediktiner-Stift Göttweig, wo wir zutreffenden Umständen begegnen, denn der 7. August 1768 war hier der Installationstag des Abtes Magnus Klein (gest. 1783). Der gleichzeitige Prior, P. Urban Schaukögl,55 der das Textbuch zu einer, bei Gelegenheit der Sekundiz des jubilirten Abtes Odilio Piazol am 29. Juni 1766 aufgeführten lateinischen Oper geliefert hatte,56 dürfte wohl auch der Verfasser des Textes zu unserer lateinischen Cantate gewesen sein. Schaukögl, der mit musterhafter Genauigkeit ein Tagebuch führte, erzählt auch die Feier am Vorabend der Installirung des Abtes haarklein, mit der Bemerkung endigend, er wolle dem Festtage selbst eine besonders genaue Beschreibung widmen. Er ließ nun einige Blätter leer, um sie nachträglich auszufüllen und führte das Diarium weiter, aber – habent sua fata libelli – die versprochene Beschreibung ist uns der würdige Prior schuldig geblieben!
Bei der Bestellung des Werkes wurden weder die vorhandenen Sänger, noch, wie aus Obigem zu ersehen, Ort und Zeit[40] genannt, wo und wann dasselbe aufgeführt werden sollte, worüber sich Haydn bitter beklagte. Dennoch widmete er der Ausarbeitung ungewöhnlich viele Mühe und legte sogar bei Einsendung der Original-Partitur eine schriftliche Weisung bei, die jenem ihm unbekannten Dirigenten beim Einstudieren des Werkes zur Richtschnur dienen sollte. Es ist ein stark vergilbtes Blatt in großem Format, zwei Seiten ausfüllend und durchaus in Haydn's schon damals so zierlicher Handschrift.
Haydn schreibt: »Weilen Ich bey diesen Applaus nicht selbst zugegen seyn kan, habe ein und andere Erklärungen vor nöthig gefunden und zwar« – und nun folgen in zehn Absätzen Anleitungen, deren Umständlichkeit beweisen, wie sehr es Haydn darum zu thun war, daß das Werk bei der Aufführung auch einen guten Eindruck mache. Seine Bemerkungen lassen zudem erkennen, welches Gewicht er auf gewisse Einzelheiten bei der Ausführung seiner Compositionen legte. Im Eingang bittet er, daß bei allen Arien und Recitativen das Tempo genau beachtet werde und, da der ganze Text applaudirend, ein und das andere Allegro und Recitativ etwas schärfer wie gewöhnlich zu nehmen sei. Weiterhin ersehen wir, daß Haydn dem Werk eine Symphonie (wahrscheinlich eine ältere) zur Einleitung beigelegt hatte. »Wenn mir der Tag der Production bewußt wäre, wurde vielleicht bis dahin eine neue Sinfonie überschicken«. – Bei den Recitativen solle das Accompagnement erst eintreten, wenn der Sänger den Text fertig gesungen, »denn es würde sehr lächerlich seyn, wenn man dem Sänger das worth vom Mund herabgeigete«. Bei dem WorteMetamorphosis hatte Haydn Zweifel in der Betonung. Er bemerkt: »Unsere Gelehrten in Eisenstadt, deren zwar sehr wenige«, disputirten, ob bei dem WorteMetamorphosis die vorletzte Sylbe kurz oder lang sein müsse; ungeachtet aber im italienischen Metamôrfosi gesagt wird, habe er sich doch der lateinischen Betonung (Metamorphōsis; bedient.57 Ferner: Es sollen die verschiedenen Zeichen nach ihrem Werthe wohl beachtet werden »dan es ist ein sehr großer unterschied zwischen piano und pianissimo, forte und fortissimo, zwischen crescendo und forzando und dergleichen.« Haydn dringt auch[41] auf Befolgung der »sogenannten Ligaturen, als eine der schönsten Figuren in der Musik«, die von manchen Geigern »jämmerlich geschändet werden«, worüber er sich in verschiedenen Akademien genug geärgert habe. Es sollen auch immer ihrer zwei die Viola spielen, da die Mittelstimme in manchen Fällen besonders hervortreten muß; »man wird auch in allen meinen Compositionen sehen daß selbe selten mit dem Baß anhergehet«. Ferner müsse es der Copist so einrichten, daß nicht Alle zu gleicher Zeit umwenden müssen »dan dieses nimmt bey einer schwach besetzten Music viele Krafft hinweg«. Haydn empfiehlt auch »denen zwey Knaben« (Solostimmen) eine gute Aussprache, »langsam in Recitativen, damit man jede Sylbe verstehen kann, ingleichen die arth des Gesanges im Recitiren, z.E.
muß also gesungen werden
und nicht
und auf solche arth in allen Fällen«. Noch eine Bemerkung verdient Erwähnung: »In der Sopran-Aria kan allen fahls der Fagot ausbleiben, jedoch wäre es mir lieber, wan selber zugegen wäre, zu mahlen der Baß durchaus obligat, und schätze jene Music mit denen 3 Bässen, als Violoncello, Fagot und Violon, höher als 6 Violon mit 3 Violoncells, weil sich gewisse Passagen hart distinguiren«. Haydn verhofft 3 oder 4 Proben von dem ganzen Werk und wendet sich schließlich besonders an die »Herren Musicis um meine und Ihre eigene Ehre zu befördern, Ihren möglichsten Fleiß anzuwenden: Sollte ich etwa mit meiner arbeith den Geschmack derselben nicht errathen haben, ist mir hierinfals nicht übl zu nehmen, weil mir weder die Persohnen, noch der Orth bekannt sind; die Verhellung dessen hat mir in wahrheit diese arbeith sauer gemacht; übrigens aber wünsche ich, daß dieser applausus sowohl dem Herrn Poeten und denen verehrten Herrn Tonkünstlern, als auch dem hochlöblichen Auditorio gefallen möge, der ich mit größter Veneration allerseitig geharre
dero gehorsambster Diener
Giuseppe Haydn: Maestro di Cap. di
Sua Alt: Sere: Prencipe d'Estorházy.«[42]
Haydn hat auf dem letzten Blatt seiner umfangreichen Partitur, Hochformat (173 Seiten) folgendes Chronogramm beigefügt:
hVnC appLaVsVM feCIt Joseph haIDn.
Zum Schlusse folgt dann noch eine der von ihm stets beachteten Formeln:
Finis. O: A: M: D: G: et B: V: M.58
Der lateinische Text des Applausus führt die vier Cardinal-Tugenden vor: Temperantia, Justitia, Fortitudo, Prudentia (die Mäßigkeit, Gerechtigkeit, Thatkraft und Klugheit) von den heiligen Vätern als die vier Ecksteine jedes geistlichen Hauses bezeichnet; außerdem Theologia (die Theologie) personificirt. Diese allegorischen Personen besingen das geistliche Gemein-Leben wie es in den Klöstern gehalten wird, preisen die Hochherzigkeit des Vorstehers und schließen mit der Bitte: Der Himmel möge ihr Haus mit gnädigem Wohlwollen in seinem Bestande schützen. –
Die umfangreiche Partitur des Applausus scheint Haydn keine Zeit zu weiteren Arbeiten gelassen zu haben; dafür zeigt sich das Jahr 1769 um so ersprießlicher. Wir haben folgende Compositionen zu notiren:
4 Symphonien (a. 3. 4. 5. 6), in Abschrift erschienen.
6 Streichquartette (d. 21–26), in Abschrift erschienen.
2 Violinconcerte (e. 1. 2), in Abschrift erschienen. Nr. 1: »fatto per il Luigi« (Tomasini).
1 Clavier-Trio (h. 1), in Abschrift erschienen (ursprünglich mit Begleitung von Baryton und 2 Violinen (vergl. Bd. I. S. 257. Anm. 48).
Den 6 Quartetten gehen Nr. 19 und 20 voraus, die sich den früheren 18 (Bd. I. S. 334) anschließen. Die bisher beobachtete Reihenfolge ist zwar hierdurch gestört, allein, der Schnitt mußte endlich doch einmal geschehen. Dazu berechtigt folgendes: Nr. 20 kann nur gleichzeitig mit den ersten Nummern entstanden sein. In Haydn's Entwurf-Katalog steht dazu die Bemerkung:[43]
»Ein nicht gestochenes Quartett«, was aber nicht zutrifft; im Haupt-Katalog ist es unter die Divertimenti (wie Haydn ja auch früher die Quartette benannte) aufgenommen. Es erschien, wenn auch nur in Abschrift, bei Breitkopf im J. 1765 als Nr. 6 von 8 Quartetten; ferner gestochen in der Collection Sieber, livre IV und zwar zusammen mit Nr. 19, dem im J. 1786 bei Hoffmeister in Wien einzeln veröffentlichten Quartett D-moll59. Dieses, so störend in die chronologische Folge des Quartetts eingreifende kleine Werk gehört seinem Werth nach ebenfalls zu den ersten 18 Nummern. Die hier festgestellte Reihenfolge der Quartette ist übrigens schon in der erwähnten Ausgabe von Sieber in Paris und von Sauzay in seinem Werk »Etude sur le quatuor« (p. 44) eingehalten. –
Es war beiläufig im Jahre 1770, daß Haydn, vom hitzigen Fieber ergriffen, das Bett hüten mußte. Er genaß wohl allmälig, allein auch jetzt noch hatte ihm der Arzt aufs strengste jede Beschäftigung mit Musik verboten. Diese Zeit wurde dem an die Arbeit gewohnten Manne zur Qual. Die mechanische Handarbeit, das Notenschreiben, konnte der Arzt allerdings verhindern, nicht aber die geistige Thätigkeit. Gerade jetzt, wo er ungestört war, ließ er der Phantasie freien Lauf. In einem solchen Momente packte ihn plötzlich die Arbeitslust, die Idee zu einer neuen Sonate nahm ihn gefangen. Aber wie sollte er unter den Argusaugen seines strengen Weibes das Verbot des Arztes umgehen? – Da, im rechten Augenblicke, ertönte vom nahen Dorfe Süttör herüber die Kirchenglocke. Haydn segnete den Sonntag und den Mann, der die Glocken erfand und drängte die Frau, in der Kirche für ihn zu beten und als sie fort war, schickte er auch die überwachende Magd auf den entlegendsten Ort, der ihm eben einfiel. Endlich allein, eilte er zu seinem lieben Clavier; in raschen Skizzen lag der erste Satz der Sonate auf dem Papier und als die Frau zurückkehrte, fand sie ihren Gemal, wie sie ihn verlassen hatte, fromm und folgsam wie ein Kind mit der unschuldigsten Miene von der Welt in den Federn. Noch in seinen[44] alten Tagen rühmte sich Haydn gegen seinen Freund Griesinger, dem wir diese Anekdote verdanken,60 seiner damaligen Schlauheit. Welche Sonate dies aber gewesen, vermochte Haydn nicht anzugeben, nur erinnerte er sich der Vorzeichnung mit fünf Kreuzen, eine Sonate, die wir vergebens bei ihm suchen und die demnach verschollen ist.
Im März 1770 finden wir Haydn mit der fürstlichen Kapelle in Wien, um seine schon erwähnte Oper Lo Speciale aufzuführen, aber nicht im Theater, sondern in einem Privathause bei Gottfried Freiherrn von Sumerau61, dem Eigenthümer desselben. Es lag in der damals noch spärlich bebauten Vorstadt Mariahilf, Hauptstraße Nr. 12 (Schild: »zum weißen Stern«). Freiherr von Sumerau, ein damals noch junger Mann von 28 Jahren, war mit Clara von Hagen vermählt, bekleidete nie ein öffentliches Amt und starb in seinem Hause 1787, 21. Dec. im 45. Lebensjahre. Was die Veranlassung zu der Opernvorstellung bot, die sogar in Form einer Akademie wiederholt wurde, ist nicht bekannt. Es war das erstemal, daß die fürstliche Kapelle sich vollzählig in Wien producirte und der Erfolg war ein ehrenvoller. Wir lesen darüber im Wiener Diarium Nr. 24: »Als eine besonders angenehme Nachricht hat man hier nicht unangemerkt lassen wollen, daß jüngst abgewichenen Mittwochs den 22. dieses in der Behausung des (Titl.) Herrn Barons von Sumerau nächst Maria Hilf ein von dem fürstlichen Esterhasischen Kapellmeister Herrn Joseph Hayden in die Musik gesetztes Singspiel, der Apotheker genannt, von den sämmtlichen Fürst Esterhasischen Kammervirtuosen diesen Tag aufgeführet und den darauf gefolgten Donnerstag auf hohes Begehren in Gestalt einer musikalischen Akademie, und im Beysein vieler hoher Herrschaften, mit ganz besonderem Beyfall wiederholt worden, eine Sache die gedachten Herrn Kapellmeister[45] Hayden, dessen große Talente allen Musikliebhabern zu Genüge bekannt sind. wie nicht minder den obgedachten sämmtlichen Virtuosen zur vorzüglichen Ehre gereichet«. –
Im September dieses Jahres wurde in Esterház das Fest der Vermählung der Gräfin von Lamberg (Nichte des Fürsten) mit dem Grafen Poggi gefeiert. Dem Wiener Diarium wurde eine Beschreibung der Festtage von Oedenburg aus zugeschickt, der wir Nachstehendes entnehmen. Sonntag den 16., Nachmittags 5 Uhr verfügte sich das Brautpaar in Begleitung des Fürsten Esterhazy und Gemalin und zahlreichen eingeladenen Cavalieren und Damen in die Schloßcapelle, wo die Einsegnung statt fand. Abends wurde im Theater die Oper Le Pescatrici (Die Fischerinnen)62 von Haydn gegeben und erndtete der »durch seine vielen schönen Werke allschon sehr berühmte« Componist von allen Anwesenden die größten Lobeserhebungen. Der Oper folgte eine kriegerische Festvorstellung der Grenadiere, Beleuchtung geworfener Granaten, militärische Musik und Souper. Montag Abends 6 Uhr nach der Tafel wurde von der in fürstlichen Dienste stehenden Schauspielertruppe zwei kleine deutsche mit Arien vermischte Stücke aufgeführt. Die Gesellschaft fuhr sodann in den Schloßgarten, wo auf dem größten geschmackvoll beleuchteten Platz Wasserkünste spielten. Gruppen von Landleuten erschienen und führten Tänze und Gesänge auf. Dies Bauernfest, bei dem reichlich für Wein und Speisen gesorgt war, dauerte bis spät Abends, worauf im Schlosse das Souper eingenommen wurde und ein Ball die dazu geladenen 400 Personen bis 6 Uhr früh vergnügte. Dienstag war abermals große Tafel und Abends eine Wiederholung der Oper, Kunstfeuerwerk und Abendtafel.
Nach dem bei Sieß in Oedenburg gedruckten Opern-Textbuch63 traten folgende Personen auf:
Eurilda, creduta figlia di
MastriccoGertruda Cellini.
Lindoro, principe di SorentoCristiano Specht.
Lesbina, pescatrice, sorella
di BurlottoMaddalena Friberth
Burlotto, pescatore, amante di
NerinaLeopoldo Dichtler.[46]
Nerina, pescatrice, sorella di
Frisellino ed amante di
BurlottoBarbara Dichtler.
Frisellino, pescatore, amante
di LesbinaCarlo Friberth.
Mastricco, vecchio
pescatoreGiacomo Lambertini.
Der Gang des Libretto ist folgender: Lindoro Prinz von Sorrento begiebt sich auf eine Seereise, um die Erbin eines Fürstenthrones, die der Sage nach unter einem Fischervolk leben soll, aufzusuchen. Er landet an einer Küste, wo er Fischer antrifft. denen er sein Vorhaben mittheilt. Lesbina und Nerina fühlen bei dieser Nachricht unzweifelhaft fürstliches Blut in ihren Adern rollen und lassen es ihren bisherigen Liebhabern, Burlotto und Frisellino, entgelten Mastricco, ein alter Fischer, gesteht dem Prinzen daß seine vermeinte Tochter Eurilda, die ihm einst zum Schutze übergeben wurde, die gesuchte sei und daß sie keine Ahnung von ihrer Herkunft habe Der Prinz will aber dennoch zuvor die zwei Erstgenannten ausforschen und diese benehmen sich mit soviel Geschick daß der Prinz wankelmüthig wird. Durch sein Gefolge läßt er nun vom Schiffe Schätze aller Art, Gold und Juwelen und auch einen kostbaren Dolch bringen und überläßt den Mädchen freie Wahl, sich etwas auszuwählen. Das Geschmeide findet sogleich seinen Anwerth, nur Eurilda greift ohne weiteres Besinnen nach dem Dolche, den sie begeistert schwingt. Lindoro glaubt sofort in ihr das wahre Fürstenkind zu erkennen, erwählt sie zur Frau und verläßt mit ihr die Küste unter dem Jubelruf des Fischervolkes.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
2 Symphonien (a. 7. 8.), in Abschrift vorhanden.
1 Violinconcert (e. 3.), »fatto per il Luigi« in Abschrift vorhanden.
Duetten und Trios für die Laute, 2. Cassationen für Laute, Violine und Vell, 1 Harfensonate mit Flöte und Baß, G-dur, in diesem Jahre angezeigt, sind sämmtlich verschollen.
Im Jahre 1771 sehen wir Haydn, der bisher so oft für seine Untergebenen ein Fürsprecher war, zum erstenmale seit seiner Anstellung dem Fürsten als Bittsteller für seine eigene Person sich nahen. Der Mangel an Lebensmitteln, der in diesem wie im vorhergegangenen Jahre in Folge mißrathener Erndte in ganz Mittel-Europa herrschte und in Böhmen und Schlesien in wahre Hungersnoth ausartete64, breitete sich auch nach dem sonst so fruchtbaren Ungarn aus, wenigstens blieb die Gegend um Esterház von dieser Geisel nicht verschont. Eine Reihe von Gesuchen[47] aus jener Zeit liegen vor, in welchen die Mitglieder der fürstlichen Kapelle »bei dermahliger übermäßiger Theuerung« um Aufbesserung durch eine Extra-Unterstüt zung bitten. Was Haydn betrifft hebt er es in seiner Zuschrift an den Fürsten gleichsam als mildernden Umstand hervor, daß er von jener Zeit an, seit er in dessen Diensten stehe, ihn noch niemals für seine Person mit einer Supplique belästigt habe und er würde sich auch dermalen die Kühnheit nicht erlaubt haben wenn ihn nicht die Noth dazu dränge. »Die jetzige sehr theuere Zeit«, in welcher aller Unterhalt doppelte Auslagen erfordert, träfe ihn schon jetzt und werde ihm voraussichtlich auch noch weiterhin fühlbar werden und so sei er in der That genöthigt Se. Durchlaucht demüthigst zu bitten, ihm zum »besseren Auskommen monatlich einen Eimer Offiziers-Wein und eine halbe Klafter Brennholz« gnädigst anzuweisen. Der Bescheid über diesen gewiß unerwarteten Anlauf gegen fürstliche Großmuth ist aus Wien datirt (1. Dec. 1771) und lautet: »Wird verwilliget und solle dem Instanten täglich eine Maas Offiziers-Wein, dann jährlich sechs Klafter Brennholz verabfolgt und an Behörde angewiesen werden.«
In diesem Jahre componirte Haydn ein größeresSalve Regina, G-moll (m. 11) dessen schon (Bd. I. S. 363) gedacht wurde. Es stimmt sehr wohl zum Ernst der Kirche; der Ausdruck ist bald kräftig, bald weich, wie es der liturgische Text erfordert. Die Stimmen bewegen sich in den verschiedensten Combinationen, häufig imitatorisch; die Instrumente treten discret auf und dienen mehr zur Verstärkung der Singstimmen, mit denen sie ein unlösbares Ganze bilden. Das Werk hat der Zeit Stand gehalten und machte, wo immer es seither aufgeführt wurde, den besten Eindruck. In Leipzig hatte Joh. Gottfried Schicht, Cantor der Thomasschule, die Orgel für einige Blasinstrumente, namentlich obligate Clarinette »sehr passend und effectvoll« umgesetzt65.
Dieser, im Stile älterer Italiener gehaltenen Composition[48] gingen eine Reihe ähnlicher kleinerer Stücke(m. 5–10) für die Kirche voraus, die sehr ungleich an Gehalt sind und meistens dem Geschmack der Zeit huldigen. Man erkennt auf den ersten Blick, welche aus eigenem Antrieb und welche nur lästigen Rücksichten nachgebend geschrieben sind. Daß Haydn hierin nur allzu häufig seine bigotte Frau zum Schweigen zu bringen suchte, wurde schon früher (Bd. I. 197) erwähnt.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
2 Symphonien (a. 9. 10). Nr. 9 Autograph, Nr. 10 in Abschrift vorhanden.
6 Streichquartette (d. 27–32), Autograph.
1 Violoncellconcert (e. 4), in Abschrift erschienen.
1 Clavierconcert (i. 1), in Abschrift und im Druck erschienen. 1 Claviersonate (f. 3), Autograph.
Das Jahr 1772 führt uns mit dem Prinzen Rohan,66 französischen außerordentlichen Botschafter am Wiener Hofe zusammen. Von König Ludwig XV. für diesen Posten erwählt, traf der Prinz am 10. Januar in Wien ein, hatte am 12. Audienz beim Kaiser und am 19. bei Maria Theresia.67 Prinz Rohan verstand es, das Leben nur von der heiteren Seite zu fassen; er arrangirte große Feste mit Ball und Feuerwerk in Wien selbst und in Baden in drei eigens hierzu gemietheten Häusern, gab Concerte in seinem Palais, zu denen er besonders eine Reihe junger und schöner Damen aus den hohen Kreisen lud und ließ sich wiederum vom Adel nach seinem Sinne huldigen.68 Sein lockeres Leben erregte bald das Mißfallen der Kaiserin derart, daß sie auf seine Abberufung drang, die denn auch im Juli 1774 unter des Königs Nachfolger (Ludwig XV. war am 10. Mai gestorben) erfolgte. Die Zeit seiner Besuche bei Fürst Esterházy wird von allen dahin einschlagenden Werken verschieden und unrichtig[49] angegeben. Für Eisenstadt hilft uns, wenn auch in bescheidenem Maße, das Wiener Diarium; für Esterház, das sich hier besonders glänzend hervorthat, läßt uns dasselbe Blatt unerwartet ganz im Stich; dafür ist letzterer Besuch in einem beschreibenden und vorzüglichen ungarischen Gedicht bleibend erhalten. Über die Anwesenheit des Prinzen in Eisenstadt giebt das Wiener Diarium Nr. 58, 18 Heumonat (Juli) folgende nur allzu kurze Notiz: »Bey Gelegenheit des von dem kön. franz. Herrn Botschafter Prinzen von Rohan Guémené erhaltenen Besuches gaben der Fürst Niklas Esterhazy von Galantha ein herrliches Festin in dero fürstl. Residenz zu Eisenstadt, wobey der hohe Adel des kais. kön. Hofes zahlreich zugegen war.« – Von Esterház, wo der Prinz vom 12. bis 16. Juni weilte,69 war er wahrhaft überrascht. Seines Ausspruches »Er habe hier Versailles wiedergefunden« wurde schon gedacht. Aber nicht der Ort allein, auch die ihm zu Ehren veranstalteten Feste (es wurde in Eile sogar im Park ein neues Phantasiegebäude, die »Eremitage« errichtet), die in Saus und Braus verlebten fünf Tage stimmten so recht zu seinem Drang, sich in Vergnügungen auszutoben. Leider wurden sie (wie wir bald sehen werden) um den Preis eines schweren, unersetzlichen Verlustes für die Kunst erkauft. Nach dem oben erwähnten Gedichte70 wurden in Esterház alle Hebel in Bewegung gesetzt, den Prinzen und die geladenen vornehmen Gäste mit Lustbarkeiten förmlich zu berauschen. Schauspiele, Oper, Concert, Kinder-Komödie, Ballet und Marionettentheater, Maskenbälle im Schlosse, Bauerntänze im Freien, Feuerwerk, Illumination, Serenaden wechselten mit Ausflügen in die Umgegend, Jagden im Walde und zur See (Entenjagd) und dazwischen thaten Küche und Keller ihr äußerstes, der Fama vom[50] Reichthum des Hauses Esterházy gerecht zu werden. Von den Stücken, die das Theater bot, sind zwei namhaft gemacht: »Heinrich VI.«, von den Schauspielern aufgeführt, und das Ballet »das Urtheil des Paris«.71 Letzteres wird überschwenglich und wohl mit Recht hervorgehoben, denn kein geringerer als der berühmte Verfasser selbst, Noverre,72 damals Balletmeister am Kaiserlichen Hoftheater, war vom Fürsten eingeladen worden, sein Werk in Scene zu setzen. Er brachte aber auch die drei erforderlichen ersten Solotänzerinnen mit, von denen Mlle. Delphin73 in der Rolle der Venus im Gedicht als »das Entzücken der Wiener«, als »Wunder der Welt« gepriesen wird. Dieselben Beinamen legten ihr alle Zeitgenossen bei. Der »Chronik« vorgreifend, wo wir über jene glänzende Zeit des Ballets in Wien mehr hören werden, sei über diese seltene Erscheinung schon hier das Weitere ergänzt. Mlle. Delphin wird zuerst 1768 unter den Eleven Noverre's genannt, dessen Stolz sie werden sollte. Zwei Jahre später wurde sie in Gluck's »Alceste« und »Paride ed Helena« bewundert.74 Bei ihrem Spiel im Agamemnon blieb kein Zuschauer unempfindlich. Sie besaß Stärke, Geschwindigkeit, Anstand, Lebhaftigkeit, Ausdruck, Grazie und wahre Empfindung; dabei war sie von der höchsten heroischen Manier bis zum komischen, ja bis zum grotesken eine Meisterin.75 Die Macht ihrer Kunst war um so bewunderungswürdiger, als ihr ein Haupt-Attribut einer Tänzerin, die Schönheit fehlte. (»Elle n'est point belle« sagt Zinsendorf an anderer Stelle.) Der Besuch in Esterház wurde für sie verhängnißvoll: sie erkältete sich und starb,[51] kaum in Wien angekommen, am hitzigen Fieber am 18. Brachmonat (Juni) 1772 im fünfzehnten Lebensjahre!76 –
Wir begeben uns auf kurze Zeit nach Preßburg, der damaligen ungarischen freien Haupt- und Krönungsstadt. Graf Anton Grassalkovics de Gyarak,77 Kronhüter von Ungarn (Schwiegervater des Hofkanzlers Grafen Franz v. Esterházy), gab daselbst am 16. November 1772 in seinem Gartenpalast dem ungarischen Generalstatthalter Herzog Albert und seiner Gemalin, Erzherzogin Marie Christine78 ein glänzendes Fest, über welches das Wiener Diarium Nr. 75 berichtet. Abbate Pellegrini (Architekt des Grafen von Esterházy), hatte für diese Gelegenheit eine blendende, nach architektonischen Zeichnungen erfundene Illumination veranstaltet. Dem vom vornehmsten ungarischen Adel besuchten Balle, bei dem wiederholt mit Masken gewechselt wurde und der nur von einer reich besetzten Tafel von nahezu hundert Gedecken unterbrochen wurde, wohnten auch die da mals auf Besuch in Preßburg weilenden Erzherzoginnen Marianne und Elisabeth bei. Sowohl die Hausoffiziere als auch die Musikkapelle des Gastgebers waren in reiche Uniform gekleidet und letztere spielte beim Balle unter der Direction »des berühmten Hayden« – der einzige Fall, daß seiner als Dirigent einer Tanzmusik Erwähnung geschieht.
Es war übrigens nicht das erste und letztemal, daß Haydn in Preßburg verweilte und wir dürfen wohl annehmen, daß es ihn drängte, von dort aus die so nahe gelegene Stadt Hainburg zu besuchen, wo er die erste Schulzeit verlebte und sein Lehrer Frankh noch lebte. Bei verschiedenen Gelegenheiten ließ Fürst Esterházy seine Kapelle nach Preßburg kommen, den Glanz der dortigen Feste zu erhöhen. Auch zur Zeit des Landtags hielt sie[52] sich daselbst auf und hatte um die Mitte der 70er Jahre Gelegenheit, vor der Königin Maria Theresia zu spielen. Die Stadt hatte der Monarchin gerade im J. 1772 ihre wesentliche Verschönerung und Vergrößerung zu danken und sie nahm dort häufig von Wien aus kurzen Aufenthalt. Eine Anekdote von ihr hat uns der Maler Dies79 aufbewahrt. Bei einer Musikproduction äußerte die Fürstin einmal halblaut, sie möchte wohl sehen, was aus der Aufführung werden würde, wenn die vornehmen Dilettanten ihrer Hauptstütze beraubt würden. Haydn erfuhr dies, verabredete sich mit den uns schon bekannten ersten Primgeiger Tomasini und Beide verließen im bedenklichsten Moment unter einem schicklichen Vorwand das Orchester, das auch bald, der Führung beraubt, ins Stocken gerieth und sich auf Gnade und Ungnade ergeben mußte, worüber die Monarchin herzlich lachte.
Musik wurde zu jenen Zeiten ganz besonders in Preßburg gepflegt. Außer der oben genannten Kapelle, bei der später der Violinist Schlesinger als Musikdirector fungirte und die in Kurzweil einen eigenen Componisten (besonders für Symphonien) hatte, hielten auch Graf Joh. Nepomuk Erdödy, Fürst Batthyányi und Herzog Albert von Sachsen-Teschen eigene Kapellen. Graf Ladislaus Erdödy hatte wenigstens einzelne Musikvirtuosen, z.B. den uns bekannten bedeutenden Violinisten Mestrino80 in seinen Diensten.
Wie in den 70er Jahren Graf Csasky ein eigenes Theater erbaute und dazu eine Schauspielertruppe in Sold hielt, so engagirte auch Graf Erdödy im J. 1785 eine Operntruppe, die in seinem Palais auf einem eigens dazu erbauten niedlichen Theater zweimal wöchentlich Vorstellungen gab, zu denen der Adel, das Offizierscorps und zufällige Fremde und Gäste unentgeldlich Zutritt hatten. Director der Truppe war Hubert Kumpf, als Kapellmeister fungirte Joh. Paneck. War im Schauspielhause81 keine deutsche Truppe, so erlaubte der Graf seiner[53] Oper, daselbst zu ihrem Vortheile Vorstellungen zu geben und sorgte somit für die öffentliche Unterhaltung der Stadtbewohner. Der Gothaer Theater-Kalender für 1788 nennt 33 italienische und deutsche Opern, die innerhalb 1785–87 im gräflichen Palais sowohl als auch im Stadttheater zur Aufführung kamen. Die deutsche Übersetzung besorgte der Buffosänger Girzik, der auch bei den Tänzen mitwirkte. Unter den Opern finden wir solche von Paisiello, Anfossi, Sarti, Cimarosa, Salieri, Martin, Gretry, Dittersdorf, Benda, Gluck, Mozart und auch Haydn. Letzterer war mit 4 Opern vertreten, von denen Armida in Gegenwart Kaiser Joseph's aufgeführt wurde. Wir werden Gelegenheit haben, auf diese Kumpf'sche Gesellschaft wiederholt zurückzukommen.
Fürst Joseph von Batthyányi, Cardinal und Primas von Ungarn hatte sich schon zur Zeit, da er noch Bischof war, von Dittersdorf eine Kapelle zusammenstellen lassen. Dieselbe wurde dann bedeutend verstärkt; Kapellmeister war Anton Zimmermann, zugleich Organist an der Domkirche, der am 8. Oct. 1781 im 40. Lebensjahre starb;82 als Concertmeister und erster Violinist fungirte Jos. Zistler. Unter den Mitgliedern finden wir ferner den Violinisten Franz Mraw, den ausgezeichneten Contrabaßspieler Joh. Sperger, die Violoncellisten Marteau (Hammer) und Max Willmann, den Waldhornisten Karl Franz,83 sämmtlich Virtuosen vorzüglichen Ranges. Beim Regierungsantritt des Kaisers Joseph (1780) sah sich der Fürst veranlaßt seine Kapelle bis auf einige Mitglieder zu entlassen.
Herzog Albert von Sachsen-Teschen und seine Gemalin, Erzherzogin Marie Christine die Beide musikalisch gebildet waren, lebten 14 Jahre in Preßburg, verließen die Stadt am Schluß des Jahres 1780, hielten sich bis zu ihrer Abreise in die Niederlande, wo der Herzog an die Spitze der Regierung trat, in Wien auf, kamen aber später wiederholt nach Preßburg. Mitglieder der herzoglichen sowie der oben erwähnten Musikkapellen waren auch in der Wiener Tonkünstler-Societät, in deren Akademien sie als Solisten und um Orchester mitwirkten. Ohne[54] Zweifel wurden diese Kapellen zur Verstärkung der Esterházy'schen auch nach dem Sommerpalais Kitsee84 berufen, wann dessen Besitzer, Fürst Esterházy, daselbst Bälle und Concerte gab, wozu die Mitglieder des Hofes und der vornehme Adel geladen wurden. Überhaupt übte der häufige Aufenthalt des Hofes und so vieler reichbegüterter Fürsten und Grafen auch in musikalischer Beziehung einen wohlthätigen Einfluß aus auf das gesellige Leben in Preßburg. –
Aus der Beschreibung von Esterház haben wir er sehen, daß das Musikgebäude für alle Mitglieder der Kapelle kaum ausreichte und. um so weniger, wenn dieselben auch noch Platz für Frau und Kind beanspruchten. Diesen Raummangel sowohl als auch den unausweichlichen Verdrießlichkeiten abzuhelfen, die das so nahe Zusammenleben ganzer Familien in ein und demselben Hause erzeugte. mochte wohl zunächst den Fürsten bewogen haben, darin eine Erleichterung zu treffen. Demgemäß machte er im Jan. 1772 durch seinen Wirthschaftsrath von Rahier den Musikern schriftlich zu wissen, daß er »künftighin ihre Weiber und Kinder nicht einmal auf 24 Stunden in Esterház sehen wolle« und daß diejenigen, denen diese Verordnung nicht behage, sich melden sollten, um ihre Dimission entgegen zu nehmen.85 Zugleich mußte dem Fürsten eine Liste der Kapelle vorgelegt werden, in der er diejenigen bezeichnete, welche er von dem Verbot ausgeschlossen wissen wollte. Es waren dies Kapellmeister Haydn, die beiden Kammersänger Fribert und Dichtler und der erste Violinist Tomasini. Die nächste Folge der fürstlichen Verordnung war, daß die Musiker, nunmehr gezwungen doppelte Menage zu führen, um eine Aufbesserung ihres Gehaltes baten, die ihnen auch bewilligt wurde. Sie erhielten ein Jeder 50 Gulden jährliche Zulage mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß sie sich nicht unterfangen sollten, den Fürsten weiterhin zu belästigen oder ihre Weiber und Kinder etwa in des Fürsten Abwesenheit dennoch[55] nach Esterház kommen zu lassen, widrigenfalls diese Wohlthat allsogleich aufhören würde. Als einzigen Trost stellte es ihnen der Fürst frei, die Zeit seiner Abwesenheit von Esterház nach vorausgegangener Bewilligung zur Reise nach Eisenstadt benutzen zu dürfen. Dem Fürsten schien aber gerade damals der Aufenthalt in Esterház so sehr behagt zu haben, daß er nicht ans Fortgehen dachte und überdies denselben weit über den Herbst hinaus ausdehnte.
Der Seufzer und Klagen war nun kein Ende; sie fanden ihren Weg nach Eisenstadt und hallten von dort als getreues Echo in noch trostloserer Weise zurück. Vergebens wandten sich die armen Ehemänner an ihren Papa Haydn, der gegen seine Gewohnheit es diesesmal nicht unternahm, der Fürsprecher seiner Kapelle zu sein. Er hatte für die Musiker nichts als etwa ein schalkhaftes Lächeln, aus dem sie nicht klug wurden, bis ihnen bei einer Probe zum nächsten Orchesterconcert unerwartet ein Hoffnungsstrahl leuchtete. Der Tag der Aufführung kam und klopfenden Herzens begann die Kapelle, die zur Zeit nur aus 16 Mitgliedern (6 Violinisten, je einen Bratschisten, Cellisten und Contrabassisten, 2 Oboisten, 1 Fagottisten und 4 Waldhornisten) bestand, als Schlußnummer eine neue Symphonie ihres verehrten Führers, dem dabei selber bange ums Herz war. Schon die Tonart,Fis-moll, war eine ungewöhnliche. Der erste Satz(All° assai 3/4) strebt entschlossene Haltung an; imAdagio (A-dur 3/8) herrscht Weichheit und Milde, die Violinen gedämpft durch Sordinen, Oboen und Hörner nur an wenigen Stellen die Harmonie ausfüllend; Menuet und Trio (Fis-dur), beide kurz gehalten, suchen wohl den herkömmlichen Charakter beizubehalten, aber die gewohnte freudige Sorglosigkeit kommt nicht recht zum Durchbruch; das Finale (Presto, Fis-moll ) redet sich gewaltsam in den sonst hier sprudelnden Frohsinn hinein; nach kaum hundert Takten machen alle Instrumente auf der Dominante von Fis plötzlich Halt, aber statt des erwartetenFis-dur oder moll tritt Takt und Tonart des zweiten Satzes (Adagio, A-dur 3/8) ein, diesesmal mit einem neuen Thema in der Oberstimme der nun in vier Gruppen abgetheilten Violinen, die anfangs zu zweien (1. und 3., 2. und 4. Violine) dann aber jede selbstständig auftreten. Noch eine kurze Weile und etwas bis dahin Unerhörtes geschieht: der zweite Hornist und erste Oboist, getreu ihrer Vorschrift,86[56] (packen ihre Instrumente ein und verlassen das Podium; elf Takte weiter greift der bisher unbeschäftigte Fagottist zu seinem Instrument, aber nur um unisono mit der 2. Violine zweimal die Anfangstakte des ersten Motivs zu blasen, dann löscht er das Licht an seinem Pulte aus und geht gleichfalls ab. Nach sieben Takten folgt ihm der erste Hornist und zweite Oboist. Nun löst sich endlich das Violoncell vom Basse los; beide gehen geraume Zeit jedes seinen eigenen Weg, bis bei einer Wendung, wo Cis als Dominante eintritt, auch der Baß das Weite sucht. Wir sind nun wieder in Fis-dur und die dritte und vierte Violine bringen in dieser Tonart das frühere Thema des Adagio (A-dur). In kurzen Zwischenräumen verschwinden nun Cellist, dritter und vierter Violinist und Bratschist.
Es ist fast finster geworden im Orchesterraum; nur an Einem Pulte brennen noch zwei Lichter; hier sitzen Tomasini (des Fürsten Liebling) und ein zweiter Violinist, denen das letzte Wort zugefallen ist. Leise, gedämpft durch Sordinen, erklingt ihr Wechselgesang, zuletzt in Terzen und Sexten sich verschlingend wie im leisesten Hauche ersterbend. – Die letzten Lichter erlöschen, die letzten Geiger gehen und auch Haydn ist im Begriff, ihnen zu folgen als der Fürst, der dem Vorgange anfangs befremdet gefolgt war, auf ihn hinzutritt, ihm gerührt die Hand reicht und mit den Worten anredet: »Ich habe Ihre Absicht wohl durchschaut, die Musiker sehnen sich nach Hause – nun gut – Morgen packen wir ein.«
Im Vorsaale aber harrte die Kapelle in banger Erwartung ihres Führers und als nun dieser unter sie tritt und sein leuchtender Blick ihnen den glücklichen Ausgang verräth – bedarf es noch der Worte die nun folgende Scene zu schildern, wie Alle, die Junggesellen mit inbegriffen, sich herzu drängen seine Hände zu drücken und Haydn selbst die Rührung kaum verbergen kann – ein glücklicher Vater unter glücklichen Kindern!87[57]
Die Sage läßt Haydn auch ein Gegenstück dieser, seitdem näher bezeichneten »Abschieds-Symphonie«88 (a. 11.) schreiben, in der eine Stimme nach der andern eintritt und in gleichem Maße die Pulte sich mit Lichter beleben. Beide Symphonien sollen vom Musikdirector Rust in Dessau zu Anfang und Ende der Winterconcerte 1785/86 aufgeführt worden sein.89 Auch Pleyel und Dittersdorf wird ein ähnlicher Gedanke zugeschrieben.90
Die Abschieds-Symphonie diente bei verschiedenen Veranlassungen als willkommenes Musikstück. Über den Eindruck einer solchen Aufführung lesen wir:91 »Der Redacteur hörte diese Symphonie als ein gewisses musikalisches Institut seine letzte Zusammenkunft hielt. Als sich beim Schlusse erst etliche Blasinstrumente entfernten, ließ man sich's gefallen, manche Zuhörer kam es sogar komisch vor. Als aber auch die nothwendigen Instrumentisten aufhörten, die Lichter auslöschten, leise und langsam[58] sich entfernten – da wurde allen eng und bang ums Herz. Und als endlich auch der Violon schwieg und nur die Geigen – jetzt nur noch Eine Geige (sic, schwach erklang und nun starb: da gingen die Zuhörer so still und gerührt hinweg als wäre ihnen aller Harmoniegenuß für immer abgestorben«. – Mendelssohn, der die Symphonie in Leipzig in einem historischen Concerte zum Schlusse aufführte, nennt sie »ein curios melancholisches Stückchen«.92 – Schumann gedenkt derselben nach der Leipziger Aufführung im Winter 1837/38: »Die Musiker (auch unsere) löschten dabei, wie bekannt, die Lichter aus und gingen sachte davon; auch lachte Niemand dabei, da es gar nicht zum Lachen war«.93 – Julius Eberwein schrieb zur Symphonie ein dramatisches Gedicht (in Jamben) in einem Aufzuge, betitelt »Vater Haydn«,94 das in der im Vorwort gegebenen Form in Rudolstadt wiederholt aufgeführt wurde. –
In diesem Jahre schrieb Haydn seine 5. MesseG-dur, auf dem Autograph bezeichnet mit Missa Sti. Nicolai 1772 (l. 5.), der Taktart entsprechend gewöhnlich die Sechsviertel- (im Stift Klosterneuburg auch Spatzen-) Messe genannt. Man findet sie auf manchen Chören, der vermeintlich leichteren Lesart halber in Dreivierteltakt umgestaltet, wodurch der Charakter, des unwillkürlich schärfer betonten Takt-Accents wegen, sich mitunter dem Tanzrhythmus nähert. Ihrer leichten Ausführbarkeit verdankt sie es zunächst, daß sie noch heutzutage in katholischen Kirchen häufig aufgeführt wird.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
6 Symphonien (a. 12. 13. 14. 15. 16. 17). Nr. 14. und 16. Autograph. Nr. 12. und 13. in Abschrift erschienen; Nr. 15. und 17. in Abschrift vorhanden und aufgeführt.
Menuetten für Orchester, in Abschrift oder Stich erschienen.
1 Violoncellconcert (e. 5), in Abschrift erschienen.
1 Motette de tempore (m. 16) in Abschrift vorhanden.[59]
Montag und Dienstag den 26. und 27. Juli 1773 gab Fürst Esterházy zu Ehren des Namensfestes der verwittweten Fürstin Esterházy95 ein Festin in Esterház, zu dem ein zahlreicher hoher Adel geladen war. Am ersten Tage wurde eine neue burleske Oper in 2 Acten von Haydn »L'Infedeltà delusa« (Die getäuschte Untreue) aufgeführt, der eine glänzende Illumination des Schlosses und Parkes und ein Festball folgte. Beim Ball erschienen unerwartet und en masque Erzherzogin Christine mit ihrem Gemal Herzog Albert von Sachsen-Teschen und fuhren erst am frühen Morgen nach Laxenburg zurück. Dienstag wurde der Ball wiederholt und ein brillantes Feuerwerk abgebrannt. Das bei Sieß in Oedenburg gedruckte Textbuch der Oper96 nennt folgende Mitwirkende:
Vespina, giovane spiritosa, sorella
di Nanni, ed amante
di NencioMaddelena Friberth.
Sandrina, ragazza semplice,
ed amante di NanniBarbara Dichtler.
Filippo, vecchio contadino, e padre
di SandrinaCarlo Friberth.
Nencio, contadino benestanteLeopoldo Dichtler.
Nanni, contadino, amante
di SandrinaCristiano Specht.
Die Handlung ist matt genug: Der alte Landmann Filippo bestimmt für seine Tochter Sandrina, die in den armen Bauer Nanni verliebt ist, den wohlhabenderen Nencio, der dann einem reichen Cavalier weichen soll. Nencio, dagegen liebt die lebensfrohe Vespina. Intriguen bringen es dahin, daß Jedes sich hintergangen glaubt. Vespina durchblickt zuerst das lose Spiel und ist entschlossen, durch Schlauheit die Wege zu ebnen. Es folgen nun[60] Verkleidungsscenen und schließlich finden sich beide Paare, Vespina und Nencio, Sandrina und Nanni, nach Wunsch zusammen, indem Vespina eine listig herbeigeführte Unterzeichnung des Ehecontractes (sie selbst als Notar, Nanni als Stellvertreter des Cavalier verkleidet) zu Stande bringt. Der alte Filippo merkt zu spät den Betrug, fügt sich aber willig in's Unvermeidliche. –
Als im August 1773 Franz Nowotny, der bisherige Organist der Schloßkirche in Eisenstadt starb (Bd. I. 261), wurde der Dienst getheilt. Haydn spielte im Winter (oder ließ sich vielmehr suppliren), der Schulmeister Jos. Diezl97 im Sommer und überhaupt, wenn Haydn von Eisenstadt abwesend war. Letzterer erhielt den üblichen Organisten-Gehalt (100 fl.), Haydn aber als »qua-Organista« die bisherigen Organisten-Bezüge an Naturalien,98 wofür er (wie es ausdrücklich heißt) zu sorgen hatte »daß die Eisenstädter Orgel gut versehen werde«. Der Werth der Naturalien betrug 179 Gulden 15 Xr. rhein.; Haydn hatte somit die bisher baar bezogenen 782 Gulden 30 Xr. hinzugerechnet, im Ganzen 961 Gulden 45 Xr., welcher Gehalt bis zum Tode des Fürsten (1790) unverändert blieb.99 (Außerdem bezog er noch jährlich eine Sommer- oder Winter-Uniform.) –
Im September 1773 wurde Fürst Esterházy durch einen Besuch ausgezeichnet, der ihm und seinem Vorfahren in Eisenstadt und dem Lustschlosse Kittsee (Köpeséy) wohl oft zutheil geworden war100, von dem er aber in Esterház noch nie und auch nur dies einzige Mal beglückt wurde. Die Kaiserin Maria Theresia, angeregt durch die lebhaften Schilderungen des prachtvollen fürstlichen Besitzes, hatte gewünscht, die erzählten Wunderdinge selbst zu sehen und somit, das erstemal nach dem Tode ihres Gemals, an den durch einen kaiserlichen Besuch hervorgerufenen Festlichkeiten theilzunehmen.101 Der beglückte Fürst[61] bot sofort alles auf, sich dieser hohen Auszeichnung würdig zu zeigen. Nach Vereinbarung der dazu bestimmten Tage begaben sich vorerst Dienstag den 31. August Herzog Albert von Sachsen-Teschen mit seiner Gemalin, Erzherzogin Christine und dem dazu befohlenen Hofstaat von 30 Herren und Damen nach Esterház, wo sie nach einer Rundfahrt im Park Abends im Opernhause mit dem Lustspiel »Die zwo Königinnen« unterhalten wurden. Am nächstfolgenden Tage, den ersten September begab sich die Monarchin von Schönbrunn aus in Begleitung ihrer Töchter, der Erzherzoginnen Maria Anna und Elisabeth und ihrem jüngsten Sohne, Erzherzog Maximilian auf die Fahrt. Der Fürst war ihr bis Ödenburg entgegengefahren und geleitete sie über Szeplak, wo des kaiserlichen Zuges Tausende von festlich gekleideten Landleuten harrten, nach seinem Schlosse. Die Fahrt von Schönbrunn bis dahin dauerte fünf Stunden. Nach der Tafel durchfuhren die hohen Gäste in fünfzehn fürstlichen Wägen den Park, den die Kaiserin nicht müde wurde zu bewundern; namentlich überraschten sie die verschiedenen überreich ausgestatteten Lustgebäude, der Sonnen- und Dianentempel, die Eremitage etc. Am Abend wurde im Opernhause die uns schon bekannte zweiactige Burletta L'Infedeltà delusa102 von Haydn aufgeführt. Wie sehr der hohen Fürstin die Ausführung gefiel, beweist ihr nachträglicher Ausspruch, der sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat: »Wenn ich eine gute Oper hören will, gehe ich nach Esterház«. Der Oper folgte ein Maskenball in den Prachtsälen des Schlosses und von hier geleitete dann der Fürst seine Monarchin zu dem chinesischen Lusthause, dessen mit hohen Spiegelgläsern bedeckte Wände, das Licht zahlreicher Lustres und Lampions wiederstrahlend, den Saal wie in ein Flammenmeer erscheinen ließen. Auf einer Estrade hatte die fürstliche Kapelle in ihrer kleidsamen Prachtuniform Platz genommen und führte[62] unter der Leitung Haydn's eine Symphonie (a. 18)103 und einige concertirende Stücke auf. Haydn, vom Fürsten der Monarchin vorgestellt, benutzte die Gelegenheit, dieselbe an den recenten Schilling zu erinnern, der ihm als Sängerknabe im Schloßgarten zu Schönbrunn auf ihren Befehl aufgemessen wurde,104 für welche allerhöchste Auszeichnung er sich nun nachträglich allergnädigst bedankte. Die gutmüthige hohe Frau, in so geschickter Weise an ihr liebes Schönbrunn und die daselbst verlebte schönste Zeit ihres Lebens erinnert, erwiederte, indem sie scherzend mit dem Finger drohte: »Sieht Er, lieber Haydn, der Schilling hat doch seine guten Früchte getragen«. Die ohnedies längst verschmerzte Dissonanz dieser Jugenderinnerung verscheuchte schließlich eine kostbare mit Ducaten gefüllte Tabatière. – Die Kaiserin verweilte anderthalb Stunden in diesem Saale und soupirte dann in ihren Gemächern, während sich Erzherzog Maximilian und Herzog Albert sammt Gefolge, diesmal maskirt, auf den noch immer in voller Lust dahin wogenden Maskenball zurückbegaben, der erst bei Tagesanbruch endete. An diesem Tage, 2. September, war im Prachtsaale öffentliche Tafel wobei sich die vorzüglichsten Virtuosen der Kapelle mit Concertstücken producierten und Fremde und Einheimische Gelegenheit hatten, die Glanzentfaltung des fürstlichen Hauses zu bewundern. Um vier Uhr wohnte die Kaiserin einer Vorstellung im Marionettentheater bei. Zur Aufführung gelangte die Oper »Philemon und Baucis«105 nebst einem Vorspiel »Der Götterrath« oder »Jupiters Reise auf der Erde«. Hatte schon das Vorspiel mit der Darstellung des Olymp und der versammelten Götter durch die kunstvollen Dekorationen, durch die Trefflichkeit der Maschienerien und die exakten Bewegungen[63] der reich costümirten Puppen laute Bewunderung erregt, wurde dieselbe noch erhöht durch die nachfolgende gemüthvolle Oper und die allegorische Darstellung am Schlusse, der hier zu einer Huldigung der Monarchin und des Herrscherhauses umgestaltet war. Maria Theresia sprach dem Fürsten wiederholt ihr Wohlgefallen über die Darstellung aus, die ihr einen derartigen Eindruck hinterließ, daß sie sich vier Jahre später mit demselben Puppen-Apparat in Schönbrunn eine Oper aufführen ließ. – Nach eingenommenen Souper begab sich die Kaiserin mit ihrem Gefolge durch eine mit farbigen Laternen erleuchtete Allee außerhalb des Parks, um ein vom Pyroballisten Rabel veranstaltetes Kunstfeuerwerk anzusehen. Sie selbst entzündete mit der Stoppine die Feuerkörper, deren Zusammenstellung und Reichhaltigkeit alle Erwartung übertraf. Der Fürst geleitete hierauf seinen hohen Gast zu einem anderen festlich decorirten und magisch beleuchteten Theil der Parkumgebung. Dieser ganze über 8000 Besucher fassende Flächenraum war wie übersät mit buntfarbigen die verschiedensten Figuren bildenden Lampions. Besonderes Interesse erregten hier die, in einer bis dahin unbekannten Art von rückwärts erleuchteten Darstellungen nach Gemälden von Van Dyk. In festlichem Aufzuge, die Fahnen hoch schwingend, erschienen sodann bei tausend mit Bändern und Blumen geschmückte Landleute beiderlei Geschlechts, beim Klang nationaler Musik feurige Tänze nach Art ihres Landes aufführend. In ihrer Freude, die geliebte Landesmutter in ihrer Mitte zu sehen, erfüllten sie die Luft mit Zurufen: Es lebe Maria Theresia! Hoch unsere Königin! während das Kaiserliche Gefolge sich unter die Fröhlichen mischte und an ihren Tänzen Theil nahm. Mit Mühe entzog sich die Monarchin der allgemeinen Lustbarkeit, die noch lange nach ihrem Weggange fortwährte. Am dritten Morgen verließ die Kaiserin das Schloß; der Fürst gab ihr bis Ödenburg das Geleit, wo ihrer ebenfalls ein festlicher Empfang zu Theil wurde. Dem Schlosse Esterház aber blieb dieser einzige, damals auch in einem Gedicht106 besungene Besuch unvergeßlich und noch heute wird der Fremde durch die in Ehren gehaltenen Gemächer »unserer Königin« an denselben erinnert.
Es erübrigt noch, einiges über die erwähnte Marionettenoper[64] zu sagen. »Philemon und Baucis« ist als Schauspiel im Jahre 1753 von C. Gottlieb Pfeffel geschrieben worden; der früher (I. 160) genannte Felix Berner führte das Stück mit seiner Kindertruppe im Jahre 1763 in Zabern und Straßburg auf; Gluck benutzte die Handlung im J. 1769 als Festoper unter dem Titel: Bauci e Filemone. Als »ein ganz neues Ballet« bezeichnet, wurde »Philemon und Baucis, oder: Die belohnte Tugend« zugleich mit der ersten Aufführung von Lessings »Emilia Galotti« am 13. März 1772 in Braunschweig gegeben. Die Handlung ist bekannt: Jupiter und Merkur besuchen, als Pilgrimme gekleidet, die Erde, und von der Gastfreundschaft der alten phrigischen Eheleute gerührt, verheißen sie ihnen Verjüngung. Das gerührte Paar bittet zugleich um die Gunst, ihre Hütte als Tempel des Jupiter zu weihen und ihnen darin den Priesterdienst versehen zu lassen. – Von Haydn's Musik hat sich außer einer einzigen Zeile in seiner Handschrift107 nur die kleine zierliche Ouverture D-moll (b. 1.) und eine Canzonette des Philemon: »Ein Tag, der Allen Freude bringt« (A-dur, 3/4) erhalten. –
Das einzige Stabat mater(m. 12) das Haydn geschrieben,108 entstand wahrscheinlich in diesem Jahre. (Eine Unterschrift im Stifte Göttwig trägt das Datum 1773, 19. Nov.). Dieses uralte tief religiöse Mönchsgedicht schildert in ergreifender Weise die Wehmuth der Schmerzensmutter, wendet sich dann an diese selbst und, im Vorgefühl des jüngsten Gerichts ihre Fürsprache bei Gott erflehend, betrachtet es, im Vertrauen auf ihren Schutz, den Kreuzestod Jesu's nur noch als ein Gnadenmittel, nach dem leiblichen Tode der Aufnahme der Seele im Paradiese theilhaftig zu werden. Von jeher haben sich die Componisten ersten Ranges von dieser weihevollen Dichtung angezogen gefühlt. Josquin Desprez, Palestrina, Orlando Lassus, Astorga, Pergolese, Agostino Steffani109 lieferten, jeder in seiner Art, anerkannte Meisterke;[65] ihnen folgten, ebenfalls noch vor Haydn, Joh. Jos. Fux, Hasse und weiterhin Tuma, Traetta, Wagenseil u.A. – Es ließe sich allenfalls annehmen, daß Haydn zu seiner Wahl zunächst durch Pergolese's Werk angeregt wurde, welches damals in Wien aufgeführt wurde.110 Auch Haydn's Composition dürfte dann in Wien bekannt geworden sein,111 wo sie Hasse, der sein Urtheil darüber schriftlich gegen Haydn aussprach, wohl gehört haben mag oder doch wenigstens Einsicht in die Partitur genommen hatte. Später weist ein Brief Haydn's auf eine Aufführung in Paris hin;112 auch Cramer's Magazin der Musik (1783, S. 960) läßt sich aus Paris über die gute Aufnahme berichten, die das Werk dort gefunden und gedenkt schon früher (S. 168) der Aufführungen in verschiedenen Privatzirkeln Rom's, u.a. beim Fürsten Rezzonico (1780). In den 801. Jahren wurde das Werk auch in London wiederholt in den Nobility concerts aufgeführt. Berichte über weitere Aufführungen liegen noch vor aus Leipzig (1802, unter Schicht), Wien (1808 und später), Berlin (1812), Amsterdam (1819), Riga (1823), Weimar (1825), Danzig (1845). In vielen Kirchen und Klöstern wird Haydn's Werk am Charfreitag abwechselnd mit dessen »Sieben Worte« zur Aufführung gebracht. Haydn's Auffassung und Behandlungsweise des Textes ist der Schreibweise seiner italienischen Zeitgenossen analog; so erklären sich auch die, wie Haydn bescheiden schreibt, »unverdienten« Lobsprüche, welche ihm Hasse, wie oben erwähnt, ertheilte, worüber sich Haydn äußert: »Eben diese Handschrift (Hasse's) werde ich zeit Lebens wie Gold aufbehalten, nicht[66] des Inhalts sondern eines so würdigen Mannes wegen.«113 Was später über das Werk Lobendes geschrieben wurde,114 kann man heutzutage nur noch bedingungsweise gelten lassen. Hier und im »Tobias«, der bald darauf folgte, war es Haydn nur selten gelungen, sich der Strömung der Zeit zu entschlagen. Immerhin aber verdient das Werk nicht in jener Weise abgefertigt zu werden, wie dies Reichardt115 gethan, der selbst das Gedicht »ein schlechtes Lied«, eine »elende Poesie« nennt.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
Symphonien (a. 19. 20) Nr. 19 Autograph, die andern in Abschrift erschienen.
Violoncellconcert (e. 6.) in Abschrift erschienen.
Claviersonaten (f. 4. 5. 6.), im Druck erschienen mit den nächstfolgenden
Sonaten für Clavier mit Violine ad lib. (g. 1. 2. 3.) Autograph.
Das Jahr 1774 bietet uns weder eine Festlichkeit noch sonst einen nennenswerthen Moment, dafür aber zahlreiche Compositionen, darunter
6 Streichquartette (d. 33–38.) in Abschrift erschienen (nach dem Tittelblatt der Berliner Ausgabe unter der Bezeichnung »Sonnenquartette« bekannt). Artaria gab sie erst im J. 1800 und 1801 in 2 Serien heraus; Haydn nahm selbst die Correctur vor und widmete sie Nicolaus Zmeskall von Domanovecz, Beamten der ungarischen Hofkanzlei, einem geschickten Dilettanten auf dem Violoncell und im Tonsatz, der auch in Beethoven's Leben oft genannt wird. Artarias Ankündigung der verbesserten Auflage der Quartette in der Wiener Zeitung vom J. 1800 lautet: »Wir glauben Freunden und Kennern der Kunst einen nicht gemeinen Dienst zu erweisen, indem wir ihnen dieses schätzbare Produkt der früheren Muse Haydn's in der gegenwärtigen Auflage mittheilen. Es ist durch die Hand und unter der Aufsicht des Verfassers theils von den vielfältigen Schreibfehlern,[67] die es bisher beinahe unbrauchbar gemacht haben, gereinigt, theils in Anerkennung der zum richtigen Vortrag unentbehrlichen Beziehung der Stärke, Schwäche, des Bogenstrichs etc. so berichtiget, daß wohl schwerlich in irgend einem andern Werke solche Correctheit zu finden sein dürfte.«
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
7 Symphonien (a. 21 – 27.). Nr. 21 – 23, 25 und 27. Autograph; Nr. 24 und 26. in Abschrift erschienen.
1 Thema mit Variationen für Clavier (k. 1.) in Abschrift erschienen.
Im Winter 1774/75 schrieb Haydn sein erstes Oratorium Il Ritorno di Tobia. Das Textbuch hatte der, seit 1772 bei der italienischen Oper in Wien als Dichter angestellte Giov. Gastone Boccherini verfaßt. Das Oratorium wurde in italienischer Sprache das erste Mal im k.k. priv. Schauspielhause nächst dem Kärnthnerthor in der Akademie der im Jahr 1771 gegründeten Tonkünstler-Societät, am 2. und 4. April 1775 aufgeführt. Haydn hatte es dem Verein unentgeltlich überlassen und dirigirte selbst. Er hatte sich von Eisenstadt drei Solosänger, Christian Specht und das Ehepaar Friberth und zwei Instrumental-Virtuosen seiner Kapelle, Tomasini und Marteau, Mitglieder des genannten Vereins, mitgebracht, welch' letztere zwischen den beiden Abtheilungen, Tomasini am ersten Abend ein Violin-, Marteau am zweiten Abend ein Violoncell-Concert spielten.
Besetzung der Gesangsolo-Partien:
Tobit, ein BlinderChristian Specht.
Anna, sein WeibMargarethe Spangler.
Tobias, Beider SohnKarl Friberth.
Sarah, sein WeibMagdalena Friberth.
Raphael, Erzengel, unter
der Gestalt des AzariasBarbara Teyber.
Über die Aufnahme des Oratoriums giebt uns ein Zeitungs-Bericht116 Aufschluß, aus dem wir zugleich ersehen, mit welcher Achtung man von Haydn sprach und wie schon damals seine[68] Werke im Auslande bekannt und beliebt waren. Wir lesen: »Der berühmte Herr Kapellmeister Hayden hat durch das von ihm in Musik gesetzte und den 2. und 4. dieses aufgeführte Oratorium, genannt ›Die Wiederkunft des Tobias‹ allgemeinen Beifall erhalten und seine bekannte Geschicklichkeit abermals auf der vortheilhaftesten Seite gezeigt. Ausdruck, Natur und Kunst war durchgängig in seiner Arbeit so sein verwebt, daß die Zuhörer das eine lieben und das andere bewundern mußten. Besonders glühten seine Chöre von einem Feuer, das sonst nur Händeln eigen war, kurz, das gesammte, außerordentlich zahlreiche Publikum wurde entzückt und Haydn war auch da der große Künstler, dessen Werke in ganz Europa beliebt sind, und in welchem Ausländer das Originalgenie dieses Meisters erkennen.«117
Die Einnahme der Doppelaufführung betrug die für jene Zeit beträchtliche Einnahme von 2085 Gulden, wovon 373 Gulden für Auslagen in Abzug kamen.
In dem an dramatischem Interesse dürftigen Textbuch werden in umständlicher Breite die Einzelheiten der bekannten biblischen Erzählung mitgetheilt; die Sehnsucht des erblindeten Vaters Tobit und seines Weibes Anna nach dem abwesenden Sohne Tobias; des Vaters Ver trauen, daß dem Sohne kein Unfall widerfahre; des Erzengels Verkündigung von der bevorstehenden Ankunft des Sohnes; dessen Heimkehr in Begleitung seiner Frau; die Heilung der Blindheit des Tobit durch den Sohn (mittelst der Galle eines von ihm getödeten Fisches) und endlich, nachdem sich der Erzengel als solcher zu erkennen gegeben, der Dank- und Lobgesang Aller.[69]
Nachdem eine Wiederholung des Oratoriums im J. 1781 in unliebsamer Weise hintertrieben worden war, kam dasselbe »ganz neu bearbeitet und mit zwei Chören vermehrt« durch dieselbe Societät am 28. und 30. März 1784 zur Aufführung (diesmal im K.K. National-Hoftheater).
Zu Leipzig brachte J.G. Schicht, Musikdirector der Gewandhausconcerte den »Tobias« im Frühjahre 1802 zu Gehör, vermuthlich auf Anregung seiner früher (S. 20) erwähnten Gattin Constanza Valdesturla. Die nächste Aufführung durch die Tonkünstler-Societät in Wien war 1808. Neukomm, Haydn's Schüler, war von Petersburg, wo er drei Chöre aus dem Oratorium Tobias unter großem Beifall hatte aufführen lassen, nach Wien zurückgekehrt und hatte mit Zustimmung Haydn's, der sich der Mängel des Werkes wohl bewußt war, die Partitur den Ansprüchen der Zeit gemäß gekürzt und in der Instrumentation vermehrt.118 In dieser Gestalt wurde das Werk »Aus Wohlwollen für die Gesellschaft neu bearbeitet« am 22. und 23. Dec. gegeben, d.h. getheilt: an jedem Abend eine Abtheilung (mit Zugabe anderer Stücke).119 Im J. 1861 brachte Franz Lachner in München »die Heimkehr des Tobias« (deutsche Übersetzung von Fr. Graf Pocci) zur Aufführung, bedeutend gekürzt und mit neuen Einlagen versehen; ebenso 1866 in Wien der Haydn-Verein (frühere Tonkünstler-Societät) unter Esser's Leitung. Die Einlagen bestanden aus 3 Compositionen Haydn's: Chor – »Du bist's dem Ruhm und Ehre gebühret«, (aus den vierstimmigen Gesängen); Quartett mit Chor – »Laß uns auf diesem dunklen. Pfad« (Nr. 10 aus dem Stabat mater); Chor – »Preis Dir, Allmächtiger, und Ehre« (ursprünglich, »Non nobis Domine«). Diese drei Einlagen enthält auch der Clavierauszug, (Nr. 8 der Kirchenmusik, herausgegeben von Holle), bearbeitet von H.M. Schletterer, der zugleich Vorschläge zu den wünschenwerthesten[70] Abkürzungen macht. Drei kräftige Chöre aus »Tobias«, Finale I, der Sturmchor, und Finale II, (m. 13. 14. 15.) werden noch heutzutage mit unterlegtem lateinischen Text in katholischen Kirchen oft und gerne gesungen. –
Haydn läßt dieses Gebiet in der Musik nun auf lange Zeit unberührt, denn das hier und da erwähnte und auch in Abschrift vorhandene Oratorium Abramo ed Isacco (Worte von Metastasio) wird Haydn fälschlich zugeschrieben. Es ist richtiger von Giuseppe Misliwececk und wurde u.a. 1777 in München aufgeführt. Die Fälschung stammt aus derselben Quelle, die Haydn auch zwei Opern andichtet, deren später Erwähnung geschehen wird. –
Montag, den 28. August, 8 Uhr Abends, langten Erzherzog Ferdinand120 mit Gemalin Maria Beatrice über Ödenburg auf Besuch in Esterház an. Der Fürst hatte nun abermals Gelegenheit, den Reichthum seines Hauses zu entfalten und bewies sich in der That unerschöpflich in Erfindung abwechselnder Lustbarkeiten, die uns dieses Mal insbesondere ein getreues Bild bieten von dem damaligen Geschmack bei derlei Festen. Schon auf dem Wege von Szeplak aus wurden die hohen Gäste von der aus der Umgebung herbeigeeilten Landbevölkerung mit Trommelwirbel, flatternden Fahnen und freudigem Zuruf begrüßt; ebenso nahe dem Schlosse von einem auf einer laubgeschmückten Estrade postirten Chor Trompeter und Paucker. Auf der Hauptwache standen zu beiden Seiten in zwei Zügen die fürstlichen Grenadiere in voller Parade; zwischen ihnen 24 Livréebedienten in prächtiger Gala, 6 Läufer, 6 Heyducken, die Leibhusaren, die fürstliche Musikkapelle, das Jagdgefolge, alle Hausofficianten, 6 deutsche und 6 ungarische Pagen. Am großen Portal, der Hauptwache gegenüber, harrten der Ankunft das fürstliche Paar und der aus Ungarn und Wien eingeladene Adel. Nach kurzem Aufenthalt in den zum Empfange bereit gehaltenen[71] festlich geschmückten Apartements begab sich die hohe Gesellschaft ins Theater wo ein kleines deutsches Schauspiel aufgeführt wurde. Nach Beendigung desselben fanden die Gäste das ganze Schloß und einen Theil des Parkes beleuchtet und vereinigte sich Alles bei der reich besetzten Tafel. Am folgenden Morgen spielte unter den Fenstern der Gäste die Feldmusik und wurden dann alle kostbaren Schätze des Schlosses besichtigt. Mittags wurde an drei Tafeln öffentlich gespeist; der höchste Adel saß an einer Tafel zu 40 Gedecken im großen Prachtsaale; der übrige Adel, ebenfalls zu 40 Gedecken in der Sala Terrena, der Rest im Marionettentheater. Um vier Uhr war Pirutschade im Park; der Dianen- und Sonnentempel, der Tempel der Liebe, der Fortuna, die Eremitage und die übrigen Theile des Parks wurden besichtigt und bewegte sich schließlich die ganze Wagenreihe zum Theater, wo eine neue eigens für diese Gelegenheit von Haydn componirte italiänische Oper: »L'Incontro improvviso« (die unvermuthete Begegnung)121 aufgeführt wurde, welche den Beifall aller Anwesenden erndtete. Der Oper folgte Abendtafel und nach dieser im großen neuen chinesischen Redoutensaale ein von nahezu 1400 Personen besuchter Maskenball. Am Mittwoch war nach der Tafel Spazierfahrt im Park, die zu einem großen Platze lenkte, auf dem ein ländlicher Jahrmarkt improvisirt war. Nach Besichtigung der in laubgeschmückten Buden ausgelegten Kleinigkeiten aller Art, darunter aber auch kostbare Stücke von Gold und mit Edelsteinen besetzt, ging die Fahrt zu einem noch größeren freien Punkt, der einen der volksthümlichen Theile der Pariser Boulevards versinnlichte. Närrische Dinge waren hier zu sehen: ein Polichinell-Theater, eine Marktschreierbude, der Stand einer Bilder-Sängerin, ein Zahnarztstand, ein Tanzplatz mit Bauernmusik, zwei Bühnen für Hanswurstiaden. Die bekannten Farçen-Charaktere Arlequin, Pierrot und Pantalon traten auf und trieben ihre derben Spiele; dann erschien ein Zahnarzt zu Roß mit Gefolge auf Maschinenpferden; ihm folgte ein Marktschreier auf einem von sechs Ochsen gezogenen Karren, begleitet von aus Pappe fabricierten Affen, Löwen und[72] Tigern. Der Zug machte Halt und der Marktschreier erklärte von einem monströsen Blatt herab seine bildlich dargestellten Kuren; solche die zu den »verschwiegenen« gehören, deutete er wenigstens verblümt an. Nun erschien Monsieur Bienfait, den wir vom Marionettentheater her kennen und zeigte die drolligen Gliederverrenkungen seiner Maschinen-»Eleven«, an Narrheit noch überboten von einem Pariser Schuhflicker, der eine kleine Farce zum Besten gab. Ein neuer Marktschreier tauchte auf, seine Wissenschaft preisend; ein zweiter Wundarzt zeigte auf einem 18 Fuß hohen Gestell als großer Thomas seine Fertigkeit im Zahnbrechen und dazwischen erklärte die Bildersängerin in einem französischen Liede ihre schauerliche auf Leinwand dargestellte Marktgeschichte. Nachdem man sich an diesem Wirrwar von tollen Späßen satt gesehen und ein gouté von Erfrischungen eingenommen hatte, fuhr man zum Marionettentheater, in dem »Alceste«122 als parodierte Oper aufgeführt wurde. Verfasser derselben war der uns schon bekannte Pauersbach, der auch die Vorstellung leitete. Es folgte dann noch Feuerwerk, Abendtafel und Wiederholung des Balles. Der Donnerstag Vormittag war der Jagd gewidmet, dieser schloß sich die Mittagstafel an, dann abermals Spazierfahrt und während dem gouté im Gloriett Concert der fürstlichen Kapelle. Die Gesellschaft begab sich sodann in's Theater, wo das Lustspiel »Der Zerstreute«123 nach dem französischen des Renard durch die Wahr'sche Schauspielertruppe aufgeführt wurde. Nach Schluß der Vorstellung und eingenommener Tafel fuhren die Gäste unter Begleitung von Feldmusik nach dem großen mit Guirlanden und seltenen Gewächsen geschmückten und glänzend beleuchteten Ovalplatz, auf dem große transparente Conversationsgemälde ausgestellt waren. Ein Kanonenschuß ertönte und im Nu füllte sich der Platz mit 2000 in ihre Nationaltracht gekleidete Bauern, sämmtlich Unterthanen des Fürsten, die von allen Seiten unter Jubelgeschrei herbeiströmten und ungarische und kroatische Tänze unter Begleitung ihrer landesüblichen Musik aufführten. Während[73] sich dann das Landvolk bei Speise und Trank gütlich that und bis in den hellen Tag hinein tollte, begaben sich die Gäste durch den mit farbigen Laternen erleuchteten Park in's Schloß zurück, wo der letzte Ball stattfand. Am frühen Morgen verabschiedete sich das erzherzogliche Paar, das zuvor die angesehensten Hausofficianten des Fürsten mit kostbaren Geschenken bedacht hatte, um ihnen die Erinnerung an diese Festtage wach zu halten.
Wir kommen nun auf die Oper zurück. Das bei Sieß in Ödenburg gedruckte Textbuch,124 das zum ersten Male auch den Verfasser angiebt (den Sänger Karl Freiberth) nennt folgende Personen:
Ali, principe di Balsora, amante
di ReziaCarlo Friberth.
Rezia, principessa di Persia,
favorita di Sultano d'Egitto nel
serraglioMaddalena Friberth.
Balkis, schiava, con fidente
di ReziaBarbara Dichtler.
Dardane, schiava, confidente
di ReziaElisabetta Prandtner.
Osmin, schiavo d'AliLeopoldo Dichtler.
Un calandro, inspettore magazino
delle caravaneChristiano Specht.
Il Sultano d'EgittoMelchiore Griessler.
Der Kern der umständlichen Handlung ist folgender: Ali, Prinz von Balsora, ist in Rezia, persische Prinzessin und Favoritin des egyptischen Sultans verliebt und sinnt auf Mittel, sich ihr zu nähern. Auch Rezia schwärmt für ihn und möchte ihn wiedersehen. Balkis, ihre Sklavin und Vertraute, sucht Ali auf und benachrichtet ihn, daß eine hohe Dame aus dem Serail mit ihm in einem dazu bestimmten Palais zusammen zu kommen wünscht. Nur ungern folgt Ali, gelobend daß er einer Unbekannten niemals Liebe entgegen bringen und der Dame seines Herzens untreu werden würde. Im Palais empfängt ihn Dardane, eine zweite Sklavin und Vertraute der Rezia, giebt sich für die erwartete hohe Dame aus und sucht ihn zu gewinnen, wird aber zurückgewiesen. Rezia und Ali kommen endlich doch zusammen und ersinnen einen Plan, in Verkleidung zu entfliehen. Aus Dummheit vertraut Osmin, Ali's Sklave, diesen Plan einem Derwisch (Calandro) an, der ihn dem Sultan verräth. Auf dem Wege zur Flucht werden die Liebenden von Soldaten ergriffen; ein Schreiben des Sultan bestimmt sie zum Tode, bietet ihnen aber Verzeihung, wenn sie sich dem Sultan ergeben; der Derwisch aber soll als Verräther lebendig geschunden werden. Rezia und Ali geloben, sich für ihn beim Sultan zu[74] verwenden. Dieser drückt beide an sein Herz und sie nennen ihn den gutmüthigsten aller Väter. Der Derwisch wird verwiesen und Tanz und Sang feiern die Güte des Herrschers.125 –
In dieses Jahr fallen Haydn's letzte drei Compositionen für das Baryton,126 wenigstens liegen keine weiteren mit Datum bezeichneten Stücke vor. In diesen Arbeiten, im Ganzen 175 Nummern, von denen die meisten für Baryton, Viola und Violoncell geschrieben sind, zeigt sich so recht auffallend Haydn's unerschöpflicher Erfindungsgeist in immer neuen Themen und deren mannigfachen Verarbeitungen. Von nun an scheint der Fürst das Spiel seines Lieblings-Instrumentes weniger cultivirt zu haben, und Andere (Tomasini, Kraft, Pichl, Pleyel) sorgten für Zuwachs an neuen Stücken. Die erwähnten drei größeren Compositionen für acht Instrumente (2 Waldh., Baryton, 2 Violinen, Viola, Violoncell und Baß) verwerthete Haydn bei einer Sammlung von 6 Divertimenti (Baryton durch Flöte ersetzt), welche bei Artaria im J. 1781 erschienen, wo sie verzeichnet sein werden.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
1 Symphonie (a. 28); in Abschrift vorhanden.
Wir sind bei dem Jahre 1776 angelangt, in dem Haydn, dazu aufgefordert, für ein zu erscheinendes Werk (»Das gelehrte Österreich« von De Lucca) seine Lebensskizze schrieb. Sie ist in Band I. S. 381 mitgetheilt und die dort ausgesprochene Vermuthung daß die bis dahin in allen Wiedergaben fehlende Jahreszahl mit 1776 oder 1777 zu ersetzen sei, hat sich bestätigt, da sich seitdem das Original als in Privathänden befindlich vorgefunden hat. Es trägt das Datum »Estoras, den 6. July 1776.«127[75]
Jetzt, wo wir die ganze Lebensperiode Haydn's bis zu diesem Jahre mit durchgelebt haben, wird es wohl frommen, an die Gedanken, welche, damals seine Feder führten und besonders an die zweite Hälfte jener Skizze zu erinnern, wo Haydn jener Gesangswerke aus den Jahren 1770–75 erwähnt, die u.a. »den meisten Beyfall erhalten haben«, sowie der Werke im Kammerstyl, in dem er »außer den Berlinern fast allen Nationen zu gefallen das Glück gehabt hat«, wozu er in seiner ironischen Weise weiter bemerkt, wie es ihn wundert daß ihn »die sonst so vernünftigen Herrn Berliner« in ihrer Kritik »bis an die Sterne erheben« und wiederum »60 Klafter tief in die Erde schlagen«, was sie übrigens nicht abhält sich äußerst zu bemühen, alle seine Werke zu bekommen.
Geschätzt und geliebt von seiner Umgebung, vom In- und Ausland, besteht doch sein größter Ehrgeiz nur darin, vor aller Welt so wie er es ist »als ein rechtschaffener Mann« angesehen zu werden. Und alle Lobeserhebungen auf die Gnade Gottes zurückweisend, dem allein er solche zu danken habe, hat er nur den einen Wunsch, weder seinen Nächsten, noch seinen gnädigsten Fürsten, viel weniger seinen unendlich barmherzigen Gott zu beleidigen. –
Am 6. Januar 1776 kam im Stadttheater nächst dem Kärnthnerthor zur Aufführung »Der Zerstreute«, Lustspiel in 5 Akten nach dem französischen des Regnard (le distrait)128 und dazu ein Ballet »Die Ankunft der Savoyarden in ihrem Vaterlande«. Die privilegirte Realzeitung129 giebt S. 107 über diesen Abend folgende Notiz: »Vor dem Lustspiel und zwischen einem jeden Aufzug wurde eine neue analoge Sinfonie aufgeführt, welche eigentlich zu diesem Stück der berühmte Herr Jos. Haiden, Kapellmeister in Diensten des Fürsten Esterhazy verfertiget«. Diese Symphonie ist besser bekannt unter der Bezeichnung Il distratto(a. 29). Die Musik wurde auch im Leopoldstädter Theater im[76] J. 1800 bei Aufführung des oft gegebenen Stückes130 benutzt. Was Haydn später selbst davon hielt, zeigt ein Brief an Elßler (5. Juni 1803) in dem er ihn bittet, ihm »den alten Schmarn«131 nach Wien zu schicken, da die Kaiserin (Marie Therese, Gemalin des Kaisers Franz) danach verlangte. –
In diesem Jahre erhielt Haydn vom kaiserl. Hofe den Auftrag, für die im Januar 1777 wieder beginnende italiänische Oper ein neues Werk zu schreiben. Die nächste Veranlassung dazu ist wohl in dem wiederholten Besuche des kaiserl. Hofes in Esterház zu suchen, wo derselbe Gelegenheit hatte, Haydn auch als dramatischen Tondichter kennen zu lernen. Die Wahl fiel auf das Textbuch La vera costanza. Haydn hatte bei der Composition selbstverständlich auf die vorhandenen Kräfte Rücksicht genommen und die Rollenvertheilung selbst bestimmt. Beim Einstudieren aber sollte er nur zu bald die Macht der Kabalen kennen lernen. Vergebens kämpfte er gegen sie an und selbst der Kaiser, an den er sich wandte und der sich für die Sache interessirte, vermochte nichts auszurichten132. So zog denn Haydn seine Partitur zurück und nahm sie mit nach Esterház, wo wir deren Aufführung in 1779 begegnen werden. Es ist zu vermuthen daß Haydn es hier unbewußt mit einem Rivalen, Anfossi, zu thun hatte, der dieselbe Oper in Bereitschaft hatte, die auch wirklich am 12. Jan. 1777 im Theater nächst dem Kärnthnerthor von der Gesellschaft der Katharina Schindler, die damals in diesem und dem Theater nächst der Burg im Januar und Februar einen Cyklus von 12 Vorstellungen gab, zur ersten Aufführung gelangte.133[77]
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
2 Symphonien (a. 29. 30). Nr. 29 (siehe S. 76) in Abschrift vorhanden; Nr. 30 Autograph.
6 Soli für Violine mit Begleitung einer Viola(c. 2–7) in Abschrift erschienen.
6 Clavier-Sonaten (f. 7–12) in Abschrift erschienen.
1 Offertorium (m. 17) in Abschrift vorhanden.
Dienstag den 8. Juli 1777 trafen in Wien auf Besuch ein Clemens Wenzel Kurfürst von Trier, seine Schwester Marie Kunigunde Dorothee Herzogin von Sachsen, Herzog Albert zu Sachsen-Teschen und seine Gemalin Marie Christine. Die Herrschaften kamen von Preßburg und nahmen Absteigquartier im Lustschlosse Schönbrunn. Der Besuch galt der Besichtigung der Merkwürdigkeiten der Stadt. Um ihnen einen besonderen Genuß zu bereiten, erbat sich die Monarchin vom Fürsten Esterházy seine Oper und Kapelle sammt dem Marionettentheater.134 Mittwoch fuhren die Genannten in Begleitung des Hofes ins Belvédère, dem ehemaligen Palais des Prinzen Eugen von Savoyen, um die, auf Anordnung des Kaisers vor Kurzem (1775) von der Stallburg dahin übertragene k.k. Gemälde-Gallerie zu besehen. Abends war auf dem Schloßtheater in Schönbrunn »Spectakel«, von der fürstl. Esterházyschen »Bande« mit allerhöchstem Beifall aufgeführt. Donnerstag Abend besuchten die Gäste (mit Ausnahme des Kurfürsten von Trier) das Theater nächst dem Kärnthnerthor, wo ein »wälsches Singspiel« (die Oper La contadina ingentilità) zum erstenmale gegeben wurde. Freitag concertirte die fürstl. Esterházische Kapelle während der kaiserlichen Tafel in Schönbrunn. Nebst den oben genannten waren zugegen Erzherzog Maximilian, die Erzherzoginnen Marie Anna und Marie Elisabeth. Der Nachmittag wurde zum Besuche des kaiserl. Zeughauses und der St. Stephanskirche verwendet. Samstag begleitete der Hof seine Gäste ins Nationaltheater nächst der Burg, um einer Vorstellung des Schauspieles »Alcidonis«[78] beizuwohnen. Diesesmal war auch die Kaiserin zugegen und als sie erschien, brach das Publicum »über die unverhoffte Freude, die allermildeste Landesmutter zu sehen, in allgemeines Frohlocken aus«.135 Der Sonntag wurde einer Fahrt in den Augarten und Prater gewidmet und brannte in letzterem Stuver ein Feuerwerk ab. Montag war Tafel beim Fürsten Franz von Liechtenstein und Abends führte die Esterházysche Bande in Schönbrunn abermals ein »prächtiges Singspiel« auf. – Da die Stücke nicht genannt sind, läßt sich nur vermuthen, daß, was das Singspiel betrifft, entweder ein älteres aus dem Programm der fürstl. Oper gewählt wurde, oder daß Haydn eine gerade fertig vorliegende neue italiänische Oper benutzte, die dann bald darauf (wie wir gleich sehen werden) in Esterház gegeben wurde. Unter dem »Spectakel« ist jedenfalls eine Marionetten-Oper, wahrscheinlich »Dido« gemeint, deren Aufführung in Esterház in diesem Jahre Aufsehen machte, worüber folgendes berichtet wird: »Im vergangenen Jahre (1777) wurde eine neue Vorstellung (in Esterház) gegeben, welche 6000 Gulden kostete und so prächtig war daß die Kaiserin selbst sie zu sehen verlangte. Es wurde deswegen zu Schönbrunn ein Theater erbaut und die Marionetten und Dekorationen nach Wien geführt«.136 Eine neue Symphonie, etwa die in D (a. 32), dürfte Haydn wohl für diese Gelegenheit rasch geschrieben haben. –
Bald darauf, am 3. August, wurde in Esterház die Vermählung des k.k. Kämmerers und Majors Grafen Nicolaus Esterházy137 (zweitem Sohne des Fürsten) mit der Gräfin Marie Anna Franzisca von Weißenwolf138 gefeiert. Zu den Festlichkeiten zählten auch Oper und Marionettenspiel. Haydn schrieb[79] dazu die dreiactige komische Oper Il mondo della luna (Die Welt des Mondes); auch die »im Sommer zum erstenmale aufgeführte Marionetten-Operette in 3 Aufzügen ›Genovefens vierter Theil‹«, mit Musik von Haydn, dürfte für diese Gelegenheit bestimmt gewesen sein. Das bei Kurzböck in Wien gedruckte Textbuch139 der Oper nennt folgende Personen:
Ecclitico, finto astrologoIl Signor Guglielmo
Jermoli.
Ernesto, CavaliereIl Signor Pietro
Gherardi.
BuonafedeIl Signor Benedetto
Bianchi.
Clarice, figlia di BuonafedeLa Signora Cattarina
Poschwa.
Flaminia, altra figlia di BuonafedeLa Signora Maria
Anna Puttler.
Lisetta, cameriera. di BuonafedeLa Signora Marie
Jermoli.
Cecco, servitore di ErnestoIl Signor Leopoldo
Dichtler.
Die Handlung dieser, mit Decorationen, Ballets, Aufzügen etc. reich ausgestatteten und von vielen Componisten140 benutzten Oper, welche Zinzendorf mit den wenig erbaulichen aber zutreffenden Worten abfertigt »Le sujet est une farce pour la populace et pour les enfans«, ist folgende:
Ecclitico, der sich für einen Astronomen ausgiebt, erfreut sich einer Anzahl gläubiger Schüler. Auch ein gewisser Buonafede will von dessen Weisheit profitiren. Dieser ist reich und hat zwei heirathsfähige Töchter, Clarice und Flaminia, die sammt dem Kammermädchen Lisetta von ihm mit Strenge behandelt werden. Der Astrolog beabsichtigt, es durch List dahin zu bringen, daß Buonafede selbst, ohne es zu ahnen, seine Zustimmung zur Verheirathung der Genannten giebt. Clarice bestimmt er für sich selbst, Flaminia für seinen Freund den Cavalier Ernesto, das Kammermädchen für Cecco den Diener des Buonafede. Ecclitico hat unerwartet leichtes Spiel; er weiß seinem Opfer durch ein großes dazu eingerichtetes Telescop allerlei Erscheinungen im Monde, bei denen die Frauen die Hauptrolle spielen, vorzugaukeln. Buonafede sieht und glaubt Alles und selbst, als Ecclitico versichert, ihn und sich selbst durch einen Trunk in den Mond versetzen zu können, geht er auch in diese Falle, trinkt, schläft ein und wird im Schlaf durch Ecclitico's Leute in dessen phantastisch dazu hergerichteten Garten getragen, wo er beim Erwachen auch richtig sich im Monde zu befinden wähnt. Ecclitico als Ceremonienmeister empfängt ihn, Tänzerinnen umgaukeln ihn, herrlich duftende Blumen entquillen der Erde, Musik tönt[80] aus jedem Gebüsche und schließlich erscheint in der Person des verkleideten Cecco die Majestät des Mondes, welche die ebenfalls verkleidete Lisetta zu sich auf den Thron erhebt. Buonafede ist entzückt und wünscht auch seine Töchter im Monde zu sehen. Auch diese erscheinen, begleitet von dem als Hesperus verkleideten Ernesto. Die Majestät befiehlt nun, daß mit Zustimmung Buonafede's Ecclitico die Clarice, Ernesto deren Schwester Flaminia sich zur Frau wählen sollen, die Majestät selbst behält sich die Throngefährtin Lisetta vor. Der Akt der Verbindung wird geschlossen und zu spät entdeckt Buonafede endlich daß alles nur Gaukelei war. Er bereut wohl seinen Wahn, vergibt aber großmüthig und alle preisen den Mond, durch dessen Macht ein so gutes Ende herbeigeführt wurde.
Die genannte Marionetten-Oper bietet dem Maschinisten und Decorateur einen überreichen Stoff, Witz und Geschmack daran zu erproben. Es ist schwer zu begreifen, wie die kleine Bühne Raum fand zur Entfaltung dieser Masse von Gruppen, wenn es auch nur Marionetten waren. Der beschreibende Text der Handlung ist ungenießbar; noch tiefer steht alles, was den Solo-Figuren singend und sprechend zugetheilt ist. An Arien, Arietten, mehrstimmigen Singstücken und Chören ist kein Mangel, die Musik selbst aber ging verloren. –
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
1 Symphonie (a. 31), in Abschrift vorhanden und aufgeführt (Nr. 32, Autograph, ist schon erwähnt).
3 Clavier-Sonaten (f. 13–15) im Druck erschienen.
1 Regina coeli (m. 18) in Abschrift vorhanden.
Im Jahre 1778 verbreitete sich in England das Gerücht, daß Haydn gestorben sei. Burney zog darüber Erkundigungen ein bei Sir Robert Keith, dem damaligen englischen außerordentlichen Bevollmächtigten am österreichischen Hofe, der nicht nur die Aussage widerlegte, sondern Burney auch das Material lieferte zu einer kurzen Lebensbeschreibung Haydn's, die ihm sein deutscher Secretär verschaffte und die Burney in seiner Geschichte der Musik benutzte.141 Es war dies zweifellos der gleichzeitig in dem schon erwähnten Werke »Das gelehrte Österreich«, Bd. I. erschienene Aufsatz, welcher Haydn's autobiographischen Skizze entnommen war.[81]
Im ersten Bande (S. 201) wurde der zwei großen Brände gedacht, die Eisenstadt in den Jahren 1768 und 76 größtentheils zerstörten. Im J. 1768 währte der Brand zwei volle Tage, 2. und 3. August; das Franciscaner- und Frauenkloster wurden in Asche gelegt und blieben nur 19 Häuser und die Stadt-Pfarrkirche unversehrt. Am 17. Juli 1776 fielen dem Brande 104 der neu aufgebauten Häuser zum Opfer.142 Das Feuer wüthete namentlich in der oberen und unteren Pfarrgasse, welcher Theil daher auch fortan die Brandstatt genannt wurde. Griesinger bemerkt:143 »Zweymal betraf ihn (Haydn) der Unfall, daß ihm sein Haus in Eisenstadt abbrannte, und jedesmal ließ es der Fürst wieder aufbauen; einige Haydn'sche Opern und andere Compositionen wurden dabey ein Raub der Flammen, und es existirt schwerlich noch eine Copie davon«. An anderer Stelle144 wird der erste Brand irrthümlich ins J. 1774 verlegt und Le Breton145 damit berichtigt, daß nur der Dachstuhl des Hauses abbrannte. Der Fürst sorgte übrigens dafür daß nach dem zweiten Brande mit Hülfe Pleyel's, dem Schüler Haydn's, der damals bei ihm wohnte, die ganze Einrichtung in der früheren Weise wieder hergestellt wurde. Dieses noch heute bestehende Haus befindet sich in der unteren Stadt, Klostergasse Nr. 84 unweit dem Franciskanerkloster. Es besteht aus dem Erdgeschoß und einem Stockwerk mit vier Fenster Gassenfront und macht innen und außen einen freundlichen Eindruck. Die Fenster des rückwärtigen Theils sind dem Schloßpark zugekehrt und hier, in abgeschiedener Ruhe, mag Haydn wohl oft, den Blick auf das üppige Laubwerk mächtiger Bäume gerichtet und dem Sange zahlloser Singvögel lauschend, sich in erhöhter Stimmung dem Zuge seiner Phantasie hingegeben[82] haben. Der Contrast mit seinem langen und ungesunden Aufenthalt in Esterház, wo er der Unruhe musiktreibender Nachbarn preisgegeben war und ihm nur wenig Zeit zur eigenen Arbeit übrig blieb, war groß genug, um ihm die kurze Ruhe in dem überdies so gesunden Eisenstadt doppelt wohlthuend empfinden zu lassen.
Nach dem Ausweis des Steuerbuchs war Haydn gleich den übrigen »Abbrandlern« (vom Feuer Beschädigten) vermöge k. Resolution von der Contribution (Militär- und Stadtsteuer) seit 1776 befreit. Zu dieser »Hofstatt Behausung« gehörten auch mehrere Joch Äcker, Viehtrifft und Waldung, und ein kleiner, hinter dem Spital in der Vorstadt gelegener Küchengarten. Hier stand auch ein kleines, aus Brettern leicht aufgezimmertes Gartenhäuschen. Eine Stiege führte in den obern Theil und von hier aus übersah man weithin das vorliegende Feld. In diesem Tusculum, das noch heute, mit Epheu umrankt und von Obstbäumen beschattet, erhalten ist, dürfte wohl Haydn, fern vom Hofgetriebe und aus dem Bereich seines keifenden Hausdrachens, wonnige Stunden verlebt haben. Wie gerne möchte man die Entstehung so mancher Composition aus jener Zeit in dies Häuschen verlegen, aber der Meister blieb stumm; wahrscheinlicher dürfte es sein, daß er hier, im Anblick der belebenden Natur ringsum, überhaupt nur seinen Geist auffrischte. Die geschäftige Fama hat bis in die neueste Zeit in diesem Bretterhäuschen Haydn's große Messen aus den 90er Jahren und ähnliche spätere Werke entstehen lassen und die innere Einrichtung der winzig kleinen Hütte mit besonderer Vorliebe ausgestattet. Canapé, Sesseln und ein kleines Clavier fehlen nicht; die Wände zieren Partitur-Abrisse, Lieder-Concepte, selbst die Canons sind nicht vergessen, mit denen er als Greis sein Zimmer im eigenen Hause in Wien ausschmückte. All' diese Herrlichkeiten zerstört ein Windhauch: Haydn, durch Feuerschaden gewitzigt, verkaufte am 27. Weinmonat (Oct.) 1778 Haus, Gründe und auch den Garten sammt dem bescheidenen Asyl an den fürstlichen Buchhalter Anton Lichtscheidl um Zweitausend Gulden.146 –[83]
Wir haben früher gesehen daß Haydn im J. 1775 sein Oratorium »Tobias« in einer Akademie der Tonkünstler-Societät aufführte. Er beabsichtigte nun, diesem Verein als Mitglied beizutreten. In seiner Eingabe, vorgelegt in der unter dem Präsidium des Hofkapellmeisters Bonno abgehaltenen Sitzung am 18. Nov. 1778 ersucht er demnach »in Ansehung seiner sich schon erworbenen Meriten um Aufnahme in die Societät, wie auch um Nachsicht des, ihm als einem Auswärtigen (nicht in Wien ansässigen) zu erlegen kommenden Beitrags-Capital pr. 300 Gulden, wogegen er sich noch erbietet, künftighin auf allmaliges Verlangen der Societät ein Oratarium, Cantate, Sinfoni oder Cori etc. zu den musikalischen Societäts-Academien zu componiren«. Dieses Gesuch wurde Haydn sofort bewilligt »wegen seiner schon wirklich geleisteten, hauptsächlich aber vermög seinem Anerbieten (worüber er einen Revers einzulegen) noch fernerhin zu leistenden Dienste«. Zugleich versichert die Societät »daß die Forderung in Betreff seines Reversmäßig einzulegenden Anerbietens niemalls indiscret seyn werde«. – Die Zumuthung, sich schriftlich zu binden, der Societät jederzeit nach deren Gutdünken mit seinem Talent aufzuwarten, war selbst dem sonst so herzensguten aber nach Umständen auch ebenso reizbaren Haydn zu stark. In einem ausführlichen Schreiben an Thaddäus Huber, Secretär der Societät, verwahrt er sich gegen deren Forderung und verlangt seine schon deponirte Einlage zurück. indem er seine Aufnahme annullirt, aber trotz der Unbill die ihm widerfuhr, sich gleichzeitig freiwillig anheischig macht, auch ferner »wenn es anderst Zeit und Umstände mir erlauben werden, für die Wittwen verschiedene piècen Neu und unentgeltlich zu verfassen«. Die ganze Angelegenheit wurde dann in einer am 22. Febr. 1779 abgehaltenen Sitzung mit lakonischen Worten als abgethan erledigt.
Der Brief an den Secretär des Societät folgt hier unverkürzt:147
Estoras den 4. Febr. 1779.
Wohl Edel gebohrner, insonders Hochzuehrender Herr!
Aus Dero Zuschrift vom 18. Jenner 1779 habe ich unter anderen, den von einer Hochlöbl. Societät verfaßten, und unten angesetzten revers (so ich unterschriebener einhändigen solte), in Ermangelung dessen aber die Bedrohung einer so schnellen Annullirung meiner schon beschehenen Aufnahme mit[84] vieler Verwunderung durchlesen: Dan, daß mich eine Hochlöbl. Societät unter denen Bedingnissen auf allmalliges Begehren, Oratorien, Contaten, Chori, Sinfonienetc. [zu componiren] an- und aufgenommen, widerspricht sich platterdings folgender Ursachen, zumallen ich bey dermals gehaltenen Session vor meiner Aufnahme noch, in Gegenwart des Herrn Kapellmeisters v. Bonno, Herrn v. Starzer und übrigen Rechtschaffenen Männern wider diesen so eingeschränkten, und verbindlichen revers schnurgerade darwider protestirte, mit gründlich folgender Vorstellung, wie daß ich zu Einem so außerordentlichen Begehren, und zu dessen Beförderung wenigstens zwey bis drey Monat des Jahrs hindurch von nöthen haben würde, folglich wehrend die ser Zeit meinem allergnädigsten Fürsten und Herrn dem ihme gebührenden Dienst nicht leisten könnte, sondern, daß ich einen revers mit diesen hiebey gefügten Ausnahme (wenn es die Zeit und Umstände mir erlauben werden) diesen revers alsdann mit allen obigen ausgesetzten Forderungen bereitwilligst unterschreiben wolle, worauf einhellig dieser mein Vortrag gebilliget, und das Urtheil meines Aufnahmes gesprochen wurde; zum Beweis dessen wurde mir an der Stelle befohlen, um in der That aufgenommen zu seyn, das Geld bestehend in 368 fl. 10 kr. alsogleich in Gegenwart der ganzen Session zu erlegen, weil man mir ausdrücklich sagte, daß sobald das Geld depositiret ist, der Aufnahm seine Richtigkeit habe. Ich erlegte das Geld, ware also ohne Revers aufgenohmen. – Man gratulirte mir, – ich sagte in aller Unterthänigkeit vielen Dank des Aufnahmes: Freylich solte bey derleyFunctionen die ganze Sache von einem BevollmächtigtenNotario protocolliret und dem Neu aufgenohmenen Mitglied ein revers seines schon beschehenen Aufnahmes zugestellt werden, allein bis dahin hat eine Hochlöbl. Societät wegen meiner nicht gedenken wollen: Ferners –
Hängt dieses Klausul, oder das sogenannte discrete Begehren meines Erachtens bloß von der Einbildungs-Kraft, oder von der Mißgunst einiger Herrn Mitglieder ab, oder es könnte mit der Zeit, und vielleicht meistens von denen abhängen, so die allerwenigste Einsicht in die Composition haben, letztere könnten also das indiscrete für discret (zum Beyspiel ein Oratorium für ein baar Sinfonien) ansehen, ich müßte also aus Zwang einer für deren Recht gehaltenen Indiscretion die aller discreteste Oratorien in plurali verfassen, wo nicht, so wurden die mehrere Vota aus purer Discretion geradezu auf meine Anullirung sine jure, und Rücksicht (so wie man mir schon dermallen drohet) einher stürmen, und warum? vielleicht darum, weil ich einer Hochlöbl. Societät freywillig, ohneigennützig großen Dienst, und Nutzen verschaffet habe? Vielleicht darum, weil ich ein Auswärtiger bin? bei mir heißt in diesem Fall nur jener auswärtig, dessen Persohn denen Inwärtigen in keiner Sache nüzet: Ich bin durch meine wenige Werke nur gahr zu einheimisch: wann schon der Verfasser nicht, so seind doch fast in allen Musicken seine Kinder zugegen, und verschaffen viellen nützliche Beyträge.
Bester Freund! Ich bin ein Mann von zu vieler Empfindung, als daß ich beständig der Gefahr solte ausgesezet seyn cassiret zu werden: Die freyen Künste, und die so schöne Wissenschaft der Composition dulden keine Handwerks-Fesseln: Frey muß das Gemüth, und die Seele seyn, wenn man denen Wittwen dienen, und sich Verdienste sammlen will. Noch eines:
[85] Diesen mir geschänkten Nachtrag per 360 fl. betrachte ich als ein sehr nothwendiges Wider-Vergeltungs-Recht, indem ich der Societät dafür 1000 fl. durch meinen Neu und unentgeldlichen Ritorno di Tobia verschaffte. Gott der allzuweiseste Versorger aller unser wird mich, und mein Weib durch meinen allergnädigsten Fürsten und Herrn hierinfals schüzen, besonders, da ich überzeigt bin, daß die mindeste Persohn in Hochfürstl. Estorházy'schen Haus eine hinlänglichepension bishero erhalten hat. Es wird demnach am 15ten dieses Fürst Estorhazyscher Herr Inspector v. Kleinrath in Namen meiner erscheinen, welchem eine Hoch löbl. Societät meine 368 fl. 10 kr. in eben jener Münze zurückbezahlen wird.
Ich aber werde trachten, unerachtet eines so drohenden rauhen Verfahrens, wenn es anderst Zeit und Umstände mir erlauben werden, für die Wittwen verschiedene piècen Neu und unentgeldlich zu verfassen. Der ich übrigens bin mit ausnehmender Hochachtung meines hochzuehrenden Herrn
Dienstfertigster Diener
Josephus Haydn. m. p.
Kapelln Meister.
Im Jahre 1781 fand sich die Societät aber dennoch veranlaßt, Haydn zu ersuchen, zur beabsichtigten Wiederaufführung seines »Tobias« Änderungen in der Partitur vorzunehmen, worauf Haydn erwiderte: »Wenn ihm die Societät Benefice-Billetten oder eine andere Bonification für seine Mühe und Spesen versichern würde, er sowohl die Symphonie als Chori abzukürzen und auch die Proben und Productionen selbst zu dirigiren übernehmen wollte, indem er sich schmeichelt, daß die Societät seiner großen Bekanntschaften und allgemein guten Rufes wegen schon um 100 Dukaten mehr einnehmen könnte«. – Was that nun die Societät? In der Sitzung vom 25. Oct. lehnte sie, »diesen Prätensionen wegen künftigen Folgen auszuweichen«, Haydn's Anerbieten »aus Abgang einer Altistin« ab und gab dafür Hasse's Oratorium »Elena«. Die Aufführung des »Tobias« kam jedoch drei Jahre später zu Stande und Haydn componirte zwei neue Chöre hinzu (vergl. S. 70).
Wie die Societät ihr Vergehen gegen Haydn gut machte und dieser ihr ein edler Retter wurde, werden wir im Schlußbande hören. –
Bei Haydn's sechster, der sogenannten Kleinen Orgelmesse B-dur (l. 6) müssen wir uns in Betreff des Datum an die Auflagstimmen in Göttweig halten, wo das Werk in 1778 aufgeführt wurde.
Das Autograph, dem die Jahreszahl fehlt, trägt die Bezeichnung: [86] Missa brevis Sti Joanni de Deo. Kurz, ansprechend, leicht ausführbar und mit kleiner Besetzung ist sie in katholischen Kirchen besonders beliebt. Das allerdings grausam zusammen gedrängteGloria hat Haydn's Bruder zur beliebigen Benutzung umgearbeitet. Es trägt die Aufschrift: Gloria del Sig. Giuseppe Haydn, prolungato dal suo fratello Michaele Haydn. 16. Juli 1795. In Haydn's thematischem Hauptkatalog ist diese Messe zweimal verzeichnet: einmal mit den zwei Anfangstakten, das andermal mit dem 3. und 4. Takt beginnend, welcher Irrthum in allen Abschriften dieses Kataloges getreulich beibehalten wurde.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
2 Symphonien (a. 33. 34) in Abschrift erschienen. 1 Sonate für Clavier mit Violinbegl. (g. 4.)
1 Il maestro e lo scolare, variazioni a quadri mani per un clavicembalo(k. 2).
Haydn's ursprünglich für die Hofoper in Wien bestimmte Oper La vera costanza (Die wahre Beständigkeit) gelangte endlich im Frühjahre 1779 in Esterház zur ersten Aufführung.148 Das bei Kurzböck in Wien gedruckte Textbuch149 nennt uns folgende Mitwirkende:
Rosina, pescatrice virtuosa e diLa Sigra. Barbara
spiritoRipamonti.
Conte Errico, giovine vo-
lubile e stravagante, sposo
segreto di RosinaIl Sig. N. Totti.
Villotto, villano ricco ma
sciocca, destinato sposo di
RosinaIl Sig. Benedetto Bianchi.
Il Marchese Ernesto, amico
del conteIl Sig. Vito Ungricht.
La Marchesa Irene, zia
del conte amante
d'ErnestoLa Sigra. Cath. Poschwa.
Lisetta, cameriera della
baronessa, amante non
corrisposta di MasinoLa Sigra. Marianna Zannini.
Masino, capo de pescatori,
fratello di RosinaIl Sig. Leopoldo Dichtler.[87]
Als Verfasser des Libretto ist Francesco Puttini genannt, ferner der seit Mitte 1778 angestellte, schon früher (S. 8) genannte Dekorationsmaler Pietro Travaglia. In Signora Ripamonti begrüßen wir eine neue und nicht unbedeutende Sängerin, die in der Hauptrolle auch hervorragend bedacht ist. Sie war schon im Sommer 1778 in Piccini's »l'Astratto« aufgetreten, in welcher Oper sie zwei Rollen übernommen hatte. Die damals beliebtesten Nummern der Oper erschienen später in Stich bei Artaria. Die Handlung läßt sich in folgendem dürftigem Abriß zusammen fassen:
Baronesse Irene, begleitet von ihrem Kammermädchen Lisetta und dem Marquis Ernesto, begeben sich auf die Reise, um eine gewisse Rosine, eine geistig begabte Fischerin, die heimlich mit dem Grafen Errico, einem Freunde des Ernesto, verlobt ist, aufzusuchen und sie an den reichen aber beschränkten Bauern Villotto zu verheirathen. Nach glücklich überstandener Seefahrt landen die Reisenden an einer Küste und finden die Gesuchte unter ihren Genossen. Rosina sträubt sich gegen die ihr aufgedrungene Heirath und wird dabei von ihrem Bruder Masino, Haupt des Fischervolkes, unterstützt. Villotto aber zeigt sich um so williger zu einer Verbindung mit Rosina und vergebens suchen Errico den Bauern, und die Baronin den Grafen von Rosine abwendig zu machen. Ernesto liebt seine Tante, diese aber will von seiner Zuneigung nur dann etwas wissen, wenn Rosina dem Villotto die Hand reicht. Irene und Ernesto nehmen nun zu Intriguen ihre Zuflucht, in Folge dessen Rosine mit ihrem ge heim gehaltenen Söhnchen des Grafen entflieht. Nach langem Suchen wird sie in einer Bauernhütte entdeckt. Graf Errico, durch einen von der Baronin gefälschten Brief irre geführt, wirst Rosina Untreue vor, doch die Wahrheit kommt zu Tage, die Baronin giebt endlich nach und drei Paare – Irene und Ernesto, Rosina und Errico, und Lisetta und Masino reichen sich die Hände zum ewigen Bunde150.
Die Oper wurde 1785 in Preßburg in deutscher Übersetzung von Girzik von der Kumpf'schen Gesellschaft des Grafen Erdödy auf dem gräflichen Theater und im Schauspielhause aufgeführt;151 ferner in Brünn im Januar und November 1792.152 In Wien[88] kam die Oper im Frühjahre 1790 auf dem neu erbauten Theater der Vorstadt Landstraße zur Aufführung. Haydn war zugegen und berichtet über die Vorstellung in einem Briefe an seine verehrte Freundin, Frau von Genzinger; der Brief ging verloren. La vera costanza wurde 1791 in Paris im Theater Monsieur unter dem Titel Laurette gegeben, opera comique en trois actes, imité de l'Italien par Mr. Dubuisson (gest. Partitur bei Sieber). Gerber erwähnt Laurette als eine von Haydn 1791 für Paris componirte Oper. Fétis corrigirt ihn dahin, daß die Oper nur ein Pasticcio sei, aus verschiedenen Werken Haydn's zusammengetragen. Wir können ihm mit seinen eigenen Worten entgegnen: c'est une erreur. Laurette besteht fast vollständig aus Nummern von La vera costanza, nur in anderer Reihenfolge gegeben; als Einleitung ist die Ouverture zu Armida gewählt.
Am 26. März 1779 wurde das Ehepar Polzelli auf zwei Jahre in die fürstliche Musikkapelle aufgenommen – ein Engagement, das für Haydn verhängnißvoll wurde. Antonio Polzelli, gebürtig aus Rom, war Geiger und in schon vorgerücktem Alter; Luigia153 seine Frau, eine geborene Moreschi aus Neapel, hatte einen Mezzo-Sopran von gewöhnlichem Umfang. Sie zählte damals 19 Jahre und war, ohne gerade schön zu sein, doch von sehr einnehmendem Wesen. Ein schmales, längliches Gesicht von dunklem Teint belebten dunkle lebhafte Augen; Braunen und Kopfhaar waren kastanienfarbig; der Körper war von mittlerer Größe und zierlichem Wuchs.154 Nach ihrem Repertoire läßt sich auf den Grad ihrer Leistungen schließen: sie gab Rollen zweiten Ranges in Opern von Anfossi, Sarti, Gazzaniga, Salieri, Trajetta, Righini, Cimarosa und Haydn. Auch ihr Gehalt,155 verglichen mit dem anderer Sängerinnen, deutet auf nur bescheidene künstlerische Leistungen.
Dem Fürsten scheinen Beide nicht behagt zu haben, denn sie erhielten noch vor Ablauf ihres Engagements, Ende Dec. 1780, ihre Entlassung, doch wurde ihnen die Gage für die noch[89] fehlenden zwei Monate voll ausbezahlt.156 Als diese Zeit zu Ende ging wurden sie aber dennoch mit dem bisherigen Gehalt beibehalten und blieben bis zur Auflösung der Kapelle (1790), obwohl der, wie es scheint, immer kränkliche Mann keine Dienste versah und daher auch nicht im Verzeichniß der ausübenden Musiker erscheint. Ihr Fürsprecher war ohne Zweifel Haydn, den eine heftige Neigung zu der Sängerin erfaßt hatte. Er studirte ihr, gleich den übrigen Sängerinnen, ihre Rollen selbst ein und verschaffte ihr nach der Auflösung der Kapelle Engagements auf kleineren italienischen Bühnen (Piacenza, Bologna), »weniger der Gage als der fortwährenden Übung halber«, wozu ihr Haydn gute Rollen und »einen guten Meister wünscht, der sich dieselbe Mühe geben wird wie dein Haydn«.157
Wie dein Haydn! – hier stehen wir vor jener Reihe von Prüfungen die Haydn bevorstanden und denen er sich nach jahrelangen Kämpfen, von seinem Wahne endlich geheilt, glücklich entwand. Er hatte an seinem Weibe die Hölle im Hause, der Sängerin war ein ähnliches Loos in ihrem Manne beschieden – kein Wunder daß die Herzen sich zusammen fanden und gegenseitig Trost suchten. Es fehlte jedoch der rechte Boden zu wahrer, fesselnder Neigung. Bei all' seinen glühenden Betheuerungen ewiger Liebe vermissen wir in Haydn's Briefen jene Zeichen höherer Achtung und Werthschätzung, ohne welche ein dauernder Herzensbund nicht denkbar ist.158 – Die Sängerin verstand es nur zu gut, Haydn's Glut sowohl als seine Güte auszunutzen. Fast jeder seiner Briefe aus London159 spricht davon, daß er ihr Geld schickte, oder schicken wird, bedauernd ihr nicht ausgiebiger helfen zu können. Doch möge sie Geduld haben mit einem Manne, der bis jetzt über seine Kräfte gearbeitet hat und dennoch trotz allen Fleißes nichts besonderes erreicht habe; der nur wenig, fast nichts von seinen Mühen genieße und mehr für Andere als für sich lebe. Sie solle bedenken daß er ihr in kaum Jahresfrist über 600 Gulden geschickt habe, wobei er noch[90] ihren älteren Sohn erzieht und ganz erhält, bis er sich sein Brod selbst verdienen könne. Auch daran möge sie denken, daß er sich nicht mehr so ermüden kann wie die vorhergehenden Jahre, da er anfange alt zu werden und ihn allmählig das Gedächtniß verlasse, daß er daher nicht mehr ein Übriges verdienen kann.
Beide, Haydn und die Polzelli, rechneten damals noch auf eine endliche Vereinigung; jedes wartete nur auf den Tod der andern Ehehälfte. Und als wirklich der Tod des alten Polzelli erfolgte, schreibt Haydn: »Theure Polzelli, vielleicht wird jene Zeit kommen, welche wir uns so oft herbeigewünscht haben, daß vier Augen sich schließen würden. Zwei haben sich geschlossen, aber die andern zwei – je nun, wie Gott will«. Dennoch weiß Haydn sich auch mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß die Polzelli einen Andern vorziehe, doch soll sie ihm dies zuvor anzeigen, »damit ich ihn dem Namen nach kenne, der so glücklich sein wird, dich zu besitzen.« Und während er, ohne zu wissen warum, tagelang von Melancholie befallen war, betheuert er, daß er vielleicht niemals mehr in so guter Laune sein werde, als er es bei ihr, seiner lieben Polzelli gewesen war. »Du lebst und webst immer in meinem Herzen; nie, nie werde ich deiner vergessen«.160 – Als man Haydn nach London berichtet, daß die Polzelli in Wien das ihr von Haydn geschenkte Clavier verkauft habe, will er es nicht glauben und sagt nur: »Siehe, wie sehr man mich deinethalben seccirt« (vedi come mi seccano per via di te). Noch weniger will er es zugeben, daß sie sogar übel über ihn geredet habe. Statt eines Vorwurfes schreibt er ihr: »Gott mög dich segnen, ich verzeihe dir alles, da ich weiß daß die Liebe aus dir sprach. Sorge für deinen guten Ruf, ich bitte dich, und denke manchmal an deinen Haydn, der dich schätzt und zärtlich liebt und der dir ewig treu sein wird.« Auch nach Bologna, wohin sich die Polzelli mit ihren zwei Söhnen begeben hatte, folgt ihr Haydn's Liebe – und sein Geld. Er beabsichtigte sogar nach seiner ersten Londoner Reise selbst nach Italien zu reisen um sie zu sehen. Bis dahin aber versichert er sie abermals: »Ich schätze dich und liebe dich wie am ersten Tage und bin immer betrübt, wenn ich nicht im Stande bin, mehr für dich zu[91] thun. Doch habe Geduld, vielleicht kommt jener Tag, an dem ich dir zeigen kann, wie sehr ich dich liebe.«
Aber dieser Tag wollte nicht kommen, selbst dann nicht, nachdem das beiderseitige Hinderniß durch den Tod des Polzelli und der Frau Haydn's behoben war. Im Gegentheil finden wir statt einer Vermählung folgendes, von Haydn am 23. Mai 1800 ausgestellte Document, das ihm die Sängerin kurz nach dem Tode seiner Frau (gest. 20. März) herauspreßte:
Io qui in fine Sottoscritto prometto alla Signora Loisa Polzelli (in caso ch'io pensasse di rimaritarmi, io nissuna altra prenderei per mia moglie, che Suddetta Loisa Polzelli; e se io resto vedovo, prometto alla Suddetta Polzelli di lasciar dopo la mia morte ogni anno una pensione di tre cento fiorini, cioè 300 fl. in monetta di Vienna durante sua vita. in valore da ciaschedun Giudice io mi sottoscrivo
Joseph Haydn
Maestro di Capella di S. Alt. il Principe
Vienna ai 23. di Maggio 1800.
Esterhazy161
Es folgt dann im August aus Eisenstadt ein Briefchen, mit dem er ihr bis zu seiner Ankunft in Wien einstweilen einiges Geld schickt per l'affitto di casa, und endlich noch geschieht ihrer eine letzte Erwähnung in einem Briefe Haydn's an ihren Sohn, dat. Eisenstadt, August 1802:.. »ich hoffe, daß auch deine Mama sich wohl befindet, alles schöne an Sie.«
Den weiteren Verlauf dieser leidigen Liebes-Affaire zu verfolgen müssen wir neue Wege einschlagen, zunächst Haydn's erstes Testament, dat. 5. Mai 1801. Haydn bestimmt darin der Polzelli 100 Gulden, 6 Wochen nach seinem Tode auszuzahlen; außerdem jährlich 150 Gulden auf Lebensdauer. Obige Anweisung[92] aber auf 300 Gulden erklärt er »für Null und nichtig, weil so viele meiner armen Anverwandten bei größerer Abgabe zu wenig erhielten. Endlich, die Polzelli soll also mit obigem jährlichen Vermächtniß von 150 Gulden zufrieden seyn«. – Im zweiten Testament (1809) werden der Polzelli § 33 nur die jährlichen 150 Gulden zugewiesen; nachdem sie sich aber auf obiges Document berief, hatte es von diesem Paragraph von gerichtswegen sein Abkommen, doch wußte sich Haydn's Universal-Erbe mit ihr ein für allemal mit einer Geldsumme abzufinden, so daß sie bei Abschließung der Erbschaftsangelegenheit (1816) die schriftliche Erklärung abgab »daß sie über die erhaltene Befriedigung keinen Anspruch mehr an die Haydn'sche Verlassenschaft zu stellen habe«.
Luigia Polzelli heirathete noch vor Haydn's Absterben den Sänger Luigi Franchi, mit dem sie sich bis 1815 in Bologna aufhielt. Im J. 1820 reiste sie mit ihm von Cremona aus nach Ungarn;162 79 sie starb 1832 im 82. Lebensjahre in dürftigen Umständen in Kaschau.163
Daß die Polzelli (wie oben erwähnt) mit ihrem Manne nicht glücklich lebte, erfahren wir durch eine Äußerung Haydn's in einem Londoner Brief. Er spricht darin von ihrer Schwester (Christine Negri) die damals als Sängerin an der Oper im Pantheon angestellt war und »schon lange Zeit von ihrem Manne, dieser Bestie«, getrennt lebte. »Sie ist eben so unglücklich wie du es gewesen bist und sie erweckt mein Mitleid«. Im März 1791 schreibt er weiter: »Du hast gut gethan, ihn in's Spital bringen zu lassen, um dein Leben zu erhalten«. Und im August: »Was deinen armen Mann betrifft, sage ich dir daß die Vorsehung wohl daran gethan hat, dich von einer schweren[93] Bürde zu befreien, da es besser ist, in der andern Welt zu sein als unnütz in dieser. Der Arme hat genug gelitten«.164 Nach dessen Tode wurde Haydn als gerichtlicher Vormund der beiden Söhne, Pietro und Anton, bestellt.165
Der jüngere Sohn Aloys Anton Nicolaus wurde 1783, 22. April zu Esterház geboren; der fürstl. Maler Grundmann und dessen Frau waren die Pathen. Zeitgenossen166 schilderten ihn als einen begabten Mann, der in der Kapelle durch seinen echt ital. Typus, durch sein reiches schwarzes Haar und seine dunkle Gesichtsfarbe auffiel. Er genoß nicht nur den Unterricht Haydn's, sondern auch dessen reichliche pekuniäre Unterstützung. Bei Eröffnung des neuen Theaters an der Wien (1801) ist er unter den Violinisten des Orchesters genannt; in gleicher Eigenschaft trat er im Nov. 1803 in die fürstl. Kapelle in Eisenstadt, übernahm den Gesangunterricht der Kapellknaben und die Stelle eines Correpetitors bei den Hofsängerinnen und rückte 1807 in Abwesenheit Hummel's, mit dem er wiederholt Verdrießlichkeiten hatte, zum substituirten Concertmeister und Director und 1812 zum wirklichen Musikdirector unter sehr vortheilhaften Bedingungen vor und trat bei momentaner theilweiser Auflösung der Kapelle am 26. Juli 1813 aus derselben aus. Im J. 1814 verheirathete er sich in Wien mit Josepha Dorner, geborne von Pulendorf, Tochter eines fürstl. Esterhazyschen Beamten in Ungarn. Nach seinem Austritt aus der Kapelle entsagte er der Musik167 und wandte sich der Landwirthschaft zu, ließ sich in gewagte Spekulationen ein und wurde der Reihe nach Güterdirector, Wirthschaftsrath, Generalsecretär bei Fürst Grassalcovics, Graf Carl Andrássy und Graf Jos. Csáky und endlich[94] Secretär der Fürstin Grassalcovics. Im Jahre 1826 wurde er in den römischen Adelstand erhoben. Nach so vielen Wandlungen finden wir ihn in späteren Jahren in Pest ein trauriges Leben führen. In große Prozesse verwickelt, betrogen von unredlichen Menschen, hatte er den Verlust seines Vermögens zu beklagen und war gezwungen, in seinen alten Tagen zu Musiklektionen seine Zuflucht nehmen zu müssen. Lebenssatt, verbittert mit sich und der Menschheit starb er am 18. Febr. 1855 in Pest im Alter von 72 Jahren168. Er wird als ein Mann von liebenswürdigem, edlen Charakter geschildert; als Musiker zeigte er die gute Schule Haydn's. Kompositionen von ihm, meistens Kammermusik, erschienen bei Breitkopf und Härtel, Traeg und Artaria. 6 Lieder sind der Fürstin Marie Esterházy gewidmet. Das Eisenstädter Archiv bewahrt auch in Mscpt. Messen, Offertorien, eine komische Operette »der Junker in der Mühle« in 1 Akt von Heinrich Schmidt, aufgeführt 1805 in Eisenstadt zur Namensfeier der genannten Fürstin. Eine seiner letzten beabsichtigten Arbeiten war die Composition von Goethe's, »Claudine«, über deren Ausführung er sich des Dichters Ansicht erbat169. Die Antwort erfolgte aber zu spät – Polzelli hatte bereits mit der Musik abgeschlossen.
Es war nothwendig, das Leben dieses vielgeprüften Mannes eingehender zu schildern, da ihn die Fama noch heute für einen natürlichen Sohn Haydn's ausgiebt. Daß ihn Haydn schätzte und liebte und auch für sein geistiges Wohl besorgt[95] war,170 ist gewiß und er verdiente es auch; dennoch deutet nichts auf eine bevorzugte Anhänglichkeit. Es muß im Gegentheil auffallen, daß Haydn ihn in seinem ersten Testamente nur gering bedachte,171 im zweiten aber ganz überging, während er noch ein Jahr vor seinem Tode in Erwiederung einer Namenstags-Gratulation der fürstl. Kapelle, die ihm Polzelli im Namen derselben zusandte und ihn mit »Mein geliebter Wohlthäter und Lehrer« anredet, in der liebevollsten Weise antwortet.172
Polzelli zeigte nichtsdestoweniger nach Haydn's Tode ein dankbares Gemüth, indem er einen Trauergesang componirte,173 der von den fürstl. Kammer-Kapellsängern bei der Seelenmesse für den Verstorbenen in der Kirche zu Eisenstadt aufgeführt wurde.
Polzelli's älterer Bruder, Pietro, war entschieden Haydn's Liebling, für den er wahrhaft väterlich sorgte. Dies bezeugen zahlreiche Äußerungen in seinen Briefen an dessen Mutter. »Ich hoffe, daß mein Pietro sich besser befindet (schreibt Haydn von London aus); ich lasse ihm sagen, daß er besser auf seine Gesundheit achte und daß er seiner Mutter folgen soll«. Und nach Piacenza: »Du schreibst mir von deinem lieben Pietro, daß du ihn mir schicken willst. Sende ihn nur, ich werde ihn mit ganzem Herzen umarmen, er wird mir immer so werth sein und gehalten wie mein eigener Sohn. Ich werde ihn mit mir nach Wien bringen«. Pietro sollte dann bei der Schwester der Polzelli[96] wohnen aber jeden Tag zu Haydn kommen um Lectionen zu nehmen. »Ich werde deinen Sohn gut kleiden und alles für ihn thun; ich will nicht daß du Auslagen habest, er soll alles Nöthige haben«. Und auf der Rückreise »wird mein Pietruccio immer mit mir sein. Aber ich hoffe daß er bisher immer ein folgsamer Sohn gegen seine theure Mutter gewesen, wo nicht, mag ich ihn nicht und du wirst mir die Wahrheit schreiben; ich möchte nicht einen Undankbaren haben, da ich fähig sein würde, ihn augenblicklich zu verlassen«. Und daß ihn Haydn streng gehalten wissen will, zeigt folgendes Postscriptum eines Briefes: »Deinem Sohn ein Kuß, wenn du zufrieden mit ihm bist, wenn nicht – fünf und zwanzig auf den H –«.174 Nach der ersten Rückreise von London nahm ihn Haydn zu sich, um mehr Zeit zu gewinnen, ihn in Allem zu unterrichten: »Dein Sohn ist sehr wohl von meinem Weibe empfangen worden«, fügt Haydn mit Befriedigung einem Briefe desselben an seine Mutter bei. Im Sommer 1793 befand er sich mit Pietro in Eisenstadt und beabsichtigte mit ihm eine Reise zu machen. Dem noch sehr jungen Pflegebefohlenen hatte er damals schon seine erste Clavierlection bei der Tochter der Gräfin Weißenwolf verschafft. Der Sohn kündigt dies der Mutter in einem rührenden Briefe frohlockend an, da er hoffte ihr dadurch beistehen zu können, wobei auch Haydn bestätigt, daß ihn Pietro selbst gebeten, alles Geld das er verdient, seiner Mutter schicken zu dürfen Der dankbare Sohn wurde bald darauf im Orchester des Schikaneder-Theaters als zweiter Geiger aufgenommen und zog in's Starhemberg'sche Freihaus, wo sich in einem der Höfe dieses kleine Theater befand. Hier hatte er u.A. zu Schülern im Clavier den früher erwähnten, damals etwa 11jährigen Michael Prinster, der sich noch in hohem Alter seiner sehr wohl erinnerte, und den späteren Musiklehrer Matthäus Babnigg (gestorben 1868 in Pest).
Pietros Leben war von kurzer Dauer; zart von Natur erlag er dem geringsten Windstoß. Die in der Nähe wohnende Mutter nahm den kranken Sohn zu sich in seine Wohnung, wo er am 14. Dec. 1796 am Lungenbrand im Alter von nur 19 Jahren verschied. Compositionen von ihm, die sich im Eisenstädter[97] Musik-Archiv befinden, darunter eine Sonate in seiner Handschrift, deuten auf ein hübsches Talent.
So einfach das ruhig dahinfließende kurze Dasein dieses Zöglings von Haydn erscheinen mag, zeigt sich uns doch gerade hier Haydn's warm fühlendes Herz im schönsten Licht; es war ihm Bedürfniß, für ein anhängliches Wesen zu sorgen und sich über die Leere in seinem Hause hinweg zu täuschen.175 Wohl klügelte man auch hier dieselbe nähere Beziehung aus wie bei dem jüngeren Bruder und hätte in Wahrheit mehr Grund dazu. Diese Annahme widerlegt sich je doch einfach dadurch, daß Pietro – zwei Jahre vor dem Eintreffen des Ehepaares Polzelli in Esterház zu Bologna geboren wurde. –
Am 26. Juli als am Annatag wurde zu Esterház das Namensfest der Fürstin gefeiert. An einer musikalischen Betheiligung wird es dabei wohl nicht gefehlt haben, obwohl das Wiener Diarium nur zu erzählen weiß, daß zu einem Freiball 600 Billets ausgetheilt wurden. Die Anwesenden konnten nicht genug die bei diesem Anlasse entfaltete Pracht rühmen, besonders die verschiedenen Masken und den pompösen Einzug der Venus und des Amors. –
Vier Monate später erlebte das herrliche Schloß eine traurige Katastrophe: Donnerstag den 18. November, 4 Uhr Morgens, da noch alles im Schlummer lag, brach am Ende des großen Redoutensaales, oberhalb des Orchesters, Feuer aus. Der ganze prächtige Saal wurde binnen einer halben Stunde ein Raub der Flammen. In Kurzem stand dann auch der Maschinenthurm sammt dem großen Theater in Feuer. Alles wurde daselbst zerstört: die Bühne, der Zuschauerraum, die Garderobe, Instrumente und Musikalien. In der ersten Verwirrung standen die Hausleute rathlos da bis der Fürst selbst den Befehl gab, die zwei anstoßenden Flügel des Schlosses abzubrechen, wodurch dem Weitergreifen des Feuers bei gleichzeitig eingetretenem Regen Einhalt gethan wurde.176 Haydn er litt dabei einen empfindlichen Verlust, indem ein großer Theil seiner Compositionen mitverbrannte, was ihn vorzugsweise im J. 1792 abhielt, ein Verzeichniß[98] seiner Werke anzufertigen, wozu er damals von einem Freunde Gerber's in dessen Namen aufgefordert worden war.177 –
Der Namenstag des Fürsten, 6. December, wurde in diesem Jahre durch die Aufführung eines neuen Werkes von Haydn gefeiert, dessen Charakter es sehr wohl erlaubte daß es, da das Theater ohnedies abgebrannt war, im Schlosse selbst, wahrscheinlich im Festsaale aufgeführt wurde. Es war Metastasio'sL'Isola disabitata (die unbewohnte Insel), dramatische Handlung178 mit unveränderter Scenerie, wie etwa Händel's »Acis und Galatea«. Es wird auch nur einer einzigen Decoration, natürlich von Erfindung des Pietro Travaglia, erwähnt. Dies war das einzige Mal, daß Haydn zu einer größeren Dichtung Metastasio's griff, bei dessen Composition er sich wohl oft genug der mit dem Dichter unter einem Dache verlebten Zeit erinnert haben mag.
Das bei Sieß in Ödenburg gedruckte Textbuch179 nennt folgende Personen:
Costanza, moglie di
GernandoSigra Barbara Ripamonti.
Silvia, sua minor
sorellaSigra Luigia Polzelli.
Gernando, consorte di
CostanzaSig. Andrea Totti.
Enrico, compagno di
GernandoSig. Benedetto Bianchi.
Die einfache Handlung ist mit wenigen Worten erzählt: Gernando hat sich mit seiner Frau Costanza und deren jüngeren Schwester Silvia eingeschifft, um sich mit seinem Vater in Westindien zu vereinigen. Ein Sturm verschlägt das Schiff an eine wüste Insel. Es erscheinen Piraten und führen Gernando fort. Die beiden Schwestern fristen fortan ihr Leben kümmerlich. Nach drei Jahren hat sich Gernando frei gemacht und unternimmt es, obwohl hoffnungslos,[99] die Verlassenen aufzusuchen. Mit der Wiedervereinigung der Liebenden schließt die Handlung.
Haydn hat Metastasio's ohne Unterbrechung fortlaufendes Libretto in zwei Theile getrennt. Der Schluß (Coro) ist durch einen neuen Text ersetzt, der als Quartett behandelt ist. Welchen besonderen Werth Haydn auf dieses Werk legte, bezeugt eine Stelle aus einem seiner Briefe an Artaria (27. Mai 1781), wo er, seiner Pariser Correspondenz erwähnend, sich über dieses und ein zweites Werk äußert: »daß dergleichen Arbeit in Paris noch nicht ist gehört worden und vielleicht eben so wenig in Wien«. Auch schickte er Abschriften an die philharmonische Akademie in Modena (von der er kurz vorher zum Mitgliede ernannt worden war und als solches auch schon auf dem Titel des Libretto erwähnt ist) und vermuthlich auch an den spanischen Hof, von dem er bald darauf ein werthvolles Zeichen der Anerkennung empfing. L'Isola disabitata wurde 1785, 19. März (am Namenstag Haydn's) von dem Violoncell-Virtuosen Willmann im k.k. National-Hoftheater in Wien als Akademie aufgeführt. Eine deutsche Übersetzung der Dichtung, betitelt: »Die wüste Insel« von G.A. Meißner erschien schon 1778 in Leipzig bei Dyk. –
Während dem Neubau des abgebrannten Theaters wurden die Opernvorstellungen in Esterház nicht unterbrochen, wie dies einige gedruckte Textbücher bezeugen. Wenn diese auch jetzt noch auf dem Tittelblatt die alte Bemerkung: »da rappresentarsi nel teatro d'Esterhaz« beibehalten, so kann damit nur ein Interims-Theater gemeint sein, das entweder im Schlosse oder im Freien aufgeschlagen war.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
5 Symphonien (a. 35. 36. 37. 38. 39), in Abschrift erschienen.
Motette de Tempore (m. 19) in Abschrift vorhanden.
Zu den Schülern Haydn's zählten in den 70er Jahren Niemecz, Distler, Krumpholtz, Pleyel, Kraft und Rosetti
P. Niemecz, Primitio aus dem Orden der barmherzigen Brüder, war Bibliothekar in Esterház, spielte Gambe, Violine,[100] Clavier, Harfe und Baryton und schrieb für diese Instrumente Sonaten, Duos und Concerte, die ihres reinen Satzes wegen von allen Kunstkennern Beifall erhielten. 1798 verfertigte er auch eine Kunstorgel für England.180
Johann Georg Distler, aus Wien gebürtig, war seit 1780 Violinist und Concertmeister in der herzogl. Hofkapelle zu Stuttgart. Eine Gemüthskrankheit zwang ihn um 1790 zu seinen Eltern nach Wien zurückzukehren, wo er 1798 gestorben sein soll.181 Er war als Violinspieler und Componist sehr geschätzt und als letzterer ein würdiger Schüler Haydn's, der ihn sehr liebte. Seine Violinquartette erlebten innerhalb 6 Jahren 6 Auflagen. Ein Violinconcert von ihm spielte 1794 der damals 13jährige Clement im Kärnthnerthor-Theater. Ein Flötenconcert in seiner Handschrift besitzt das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.182
Johann Baptist Krumpholtz, Harfenvirtuose aus Böhmen, wurde vom Fürsten am 1. August 1773 auf ein Jahr engagirt, blieb aber bis März 1776. Sein Name erscheint zuerst 1772 im Wiener Diarium; er hatte in einer Akademie im Burgtheater gespielt und empfahl sich nun zum Unterricht auf der Pedalharfe. In Esterház war er ein sehr eifriger Schüler Haydn's. Nach seinem Austritt ließ er sich zuerst in Leipzig, 1776, 17. Juni, auf der »organisirten Harfe« hören. In Paris verbesserte er sein Instrument und erhielt von der Akademie (21. Nov. 1787) ein sehr anerkennendes Schreiben. Seine zahlreichen und sehr geschätzten[101] Compositionen erschienen in Paris und London. Auch als Lehrer und Componist für sein Instrument war er sehr geschätzt. Er heirathete eine höchst talentvolle Schülerin, Meyer aus Metz, die ihm ein junger Mann nach London entführte, wo sie am 2. Juni 1788 in Hanover Square Rooms ihr erstes Concert gab, außerordentlich gefiel und fortan in London verblieb. Sie spielte häufig Duos mit dem Pianisten Dussek und trat erst 1802 von der Öffentlichkeit zurück. Ihr Mann stürzte sich aus Gram über ihre Untreue und Undankbarkeit im Jahre 1790 in die Seine.183
Ignaz Jos. Pleyel, der überaus fruchtbare Componist, spätere Musikalienverleger und Gründer einer weltberühmten Pianofortefabrik in Paris, geb. 1. Juni 1757 im Dorfe Ruppersthal in Unter-Österreich, zeigte frühzeitig so viel Talent zur Musik, daß man ihn nach Wien schickte, wo er bei Van Hal (Wanhall) Clavierunterricht nahm. Sein Gönner, Graf Ladislaus Erdödy, gab ihn dann in den 70er Jahren zu Haydn in Pension, um bei ihm Composition zu studieren. Er blieb bei ihm mehrere Jahre und gewann dessen volle Zuneigung. Es mag für Pleyel die glücklichste Zeit seines Lebens gewesen sein und beide Theile werden sich derselben mit Genugthuung erinnert haben, als sie in London den Vorabend des Weihnachtsfestes 1791 (Pleyel war den Tag zuvor in der Weltstadt angekommen) am traulichen Kaminfeuer bei Haydn zubrachten – den Verhältnissen zum Trotz, die sie als feindliche Parteien gegen einander gestellt hatten, denn Pleyel war eingeladen worden, Salomon und Haydn gegenüber die Concerte der Fachmusiker,(professional concerts) zu dirigiren. Des Schülers Benehmen machte damals auf Haydn den wohlthuendsten Eindruck, denn mit sichtlicher Befriedigung schrieb er an seine verehrte Freundin, Frau von Genzinger, nach Wien: »Pleyel zeigte sich bey seiner Ankunft gegen mich so bescheiden, daß Er neuerdings meine liebe gewann, wir sind sehr oft zusammen[102] und das macht Ihm Ehre, und Er weiß seinen Vater zu schätzen, wir werden unsern Ruhm gleich theilen und jeder vergnügt nach Hause gehen«. Pleyel widmete Haydn sein zweites bei Rudolf Gräffer erschienenes Werk,184 6 Streichquartette, über die Mozart seinem Vater schreibt (24. Apr. 1784): »Dann sind dermalen Quartette heraus von einem gewissen Pleyel; dieser ist ein Scolar von Jos. Haydn. Wenn Sie selbige noch nicht kennen, so suchen Sie sie zu bekommen, es ist der Mühe werth. Sie sind sehr gut geschrieben und sehr angenehm; Sie werden auch gleich seinen Meister heraus kennen. Gut – und glücklich für die Musik, wenn Pleyel seiner Zeit im Stande ist uns Haydn zu remplaciren«. Damit nun hatte es allerdings seine guten Wege. Wohl suchte Pleyel seines Lehrers Manier und Stil sich eigen zu machen aber der Geist fehlte und in seiner späteren handwerksmäßigen, schablonenhaften Vielschreiberei untergrub er selbst seinen Ruf. Daß er sich eigentlich als Gesangcomponist in die musikalische Welt einführte, sahen wir früher. Außer diesem Erstlingswerk, werden von ihm von Vocalwerken noch genannt: eine Oper Ifigenia in Aulide, aufgeführt 1785 in Neapel (als Frucht seines Aufenthaltes in Italien), eine Hymne à la nuit (Offenbach 1797) und 12 deutsche Lieder Op. 47, Hamburg. Pleyel, als Musikalienverleger in Paris etablirt, gab 1801 in Paris die damals erste vollständige Sammlung der Quartette Haydn's in Auflagstimmen, mit Haydn's Porträt und dem Consul Bonaparte gewidmet, heraus. Bald darauf folgten in Partitur 30 dieser Quartette und 5 Symphonien. Als die Pariser Tonkünstler im J. 1800 beabsichtigten, Haydn's »Schöpfung« im großen Operntheater in französischer Sprache aufzuführen, hofften sie Haydn zur Übernahme der Direction zu bestimmen. Pleyel übernahm es zwar, auf Haydn persönlich einzuwirken und mit ihm Rücksprache zu nehmen, allein er kam nur bis Dresden, von wo aus es ihm als französischen Bürger nicht gelang, einen Paß nach Österreich zu erwirken, obwohl sich Haydn selbst und die Herren Artaria für ihn verwendet hatten. So übernahm denn Steibelt, der sich die Partitur nach seinem Sinn zurecht gelegt hatte, die Leitung jener denkwürdigen Aufführung am 3. Nivôse[103] (24. Dec.), denkwürdig sowohl durch den großen Eindruck, den das Werk hervorbrachte, als auch durch das an jenem Abend stattgefundene Ereigniß.185 Pleyel gründete 1807 in Paris jene berühmte Pianoforte-Fabrik, die noch heute unter der FirmaPleyel & Co. fortbesteht.
Der rühmlichst bekannte Violoncellist Anton Kraft (Krafft) wurde am 1. Januar 1778 auf 3 Jahre engagirt, blieb aber bis zur Auflösung der Kapelle 1790. Er war bei seinem Eintritt 25 Jahre alt186 und bereits verheirathet. Sein erster Sohn, Nicolaus, auf den sich das Talent des Vaters vererbte, wurde zu Esterház am 14. Dec 1778 geboren. Haydn schätzte Kraft wegen seines ausdrucksvollen Spiels und seiner reinen Intonation; das 1781 componirte Violoncellconcert soll Haydn für ihn geschrieben haben. Da Kraft zur Composition Talent zeigte, erbot sich Haydn, ihn zu unterrichten; als aber der Schüler voll Eifer dabei sein Instrument vernachlässigte, brach Haydn den Unterricht ab mit der Bedeutung, daß er nun genug für seinen Zweck wisse. Kraft erlernte gleich anfangs bei seiner Aufnahme auch das Baryton, um den Fürsten begleiten zu können und componirte selbst mehrere Trios für 2 Baryton und Cello.187 Er lebte seit 1791 in Wien. trat der Tonkünstler-Societät als Mitglied bei und starb am 28. Aug. 1820.
Antonio Rosetti, ein tüchtiger Geiger und Componist, der öfters mit Andern gleichen Namens verwechselt und hier zum erstenmale als Mitglied der fürstl. Kapelle erscheint, trat in dieselbe im April 1776 und blieb bis 1781. Das sein eigentlicher Name Rößler (Roesler) gewesen, wird vielfach bestritten. Nach der bisherigen Annahme soll er in Leitmeritz 1744 oder 1750 geboren sein, was aber pfarramtlich widerlegt wird, indem weder der Name Rosetti noch Roesler in den Tauf-Protokollen erscheint. Er kam im 7. Lebensjahre nach Prag ins Seminar, wurde zum geistlichen Stande bestimmt und erhielt auch wirklich die Tonsur. Dennoch entsagte er dieser Bestimmung und wandte sich ausschließlich[104] der Musik zu. Er zeigte sich als ein sehr begabter Componist und wenn auch die Behauptung, daß er ein Schüler Haydn's gewesen sei, nicht nachweisbar ist, so kann man ihn doch einen Jünger desselben nennen, der sich mit glücklichem Erfolge dessen Stil anzueignen suchte.
Haydn zeichnete ihn besonders aus; er schrieb selbst dessen Aufnahms-Decret und bezeichnete seine Auflagstimme bei mehreren Symphonien mit Illustrissimo Signore Rosetti. Die zahlreichen Compositionen von ihm, deren Gehalt u.A. H. Riehl188 ausführlich bespricht, erschienen in Mainz, Frankfurt, Mannheim, Paris und Wien und bestanden in Symphonien, in Kammer- und Gesangmusik. Außer 6 Violinduetten, 3 Symphonien Op. 5, 6 Quartetten Op. 6 erschien auch sein erstes Oratorium »Der sterbende Jesus«, bei Artaria (1786); viel bedeutender ist »Jesus in Gethsemane«, das er in Berlin mit großem Beifall aufführte. Fürst Oettingen-Wallerstein engagirte ihn für seine Kapelle als Director; 1789 wurde er Kapellmeister des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin und starb am 30. Juni 1792 zu Ludwigslust.
1 Der seit undenklichen Zeiten launenhafte See trocknete zu Zeiten derart aus, daß der Boden mit Feldfrüchten bebaut und Jagden abgehalten werden konnten (zuletzt 1874); dann wiederum schwoll er an, tief genug, um bei Festlichkeiten zu Seeschlachten zu dienen (1797).
2 Halbband I. S. 241. – Fortan gilt für die Bezeichnung »Halbband« durchgehends die Abkürzung Band (Bd. I.).
3 Vergl. Band I. S. 249.
4 Esterház erreicht man heutzutage mittelst Eisenbahn per Ödenburg, Groß-Zinkendorf und Szerdahely. Beschreibungen vom Schlosse und seinem angrenzenden Park, einen Flächenraum von über 6000 Klafter einnehmend, erschienen zunächst in französischer Sprache (1775 u. 84). Eine »Beschreibung des Hochfürstlichen Schlosses Esterhasy im Königreiche Ungern«, Preßburg 1784, mit in Kupfer gestochenen Illustrationen besorgte der Fürst selbst. Auch Joh. Matth. Korabinsky's »Geographisches-Historisches-Produckten Lexikon von Ungarn«, Preßburg 1786, bringt einen ausführlichen Artikel. Die Daten der abgehaltenen Feste sind in keinem einzigen dieser Werke genau und zudem unvollständig.
5 R(isbeck), Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland. 2. Auflage 1784, I. 354.
6 Siehe Band I. S. 231. Anm. 25.
7 Wiener Diarium 1780, Nr. 78 u. 103; ferner Wiener Zeitung 1782, Nr. 94.
8 Im Textbuche von Gluck's »Alceste« (1. Aufführung 1768) heißt es: Inventori delle scene i Sig. fratelli Galliari. Travaglia malte auch die drei ersten Decorationen zu Mozart's »Titus« zur Prager Aufführung. (O. Jahn's Mozart Bd. II. 469. Anm. 37.) Er war noch 1798 in fürstl. Esterhazy'schen Diensten.
9 Über Marionetten siehe Bd. I. S. 101. Heinrich von Kleist schrieb »Über das Marionettentheater«, ein anregendes Zweigespräch (siehe dessen Ges. Schriften, herausg. v. Tieck, rev. v. Julian Schmidt, Bd. III. S. 303 ff.)
10 Die indianische Witwe (1771); Die zwo Königinnen (1772); Schach Hussein (1773); Der redliche Bauer und großmüthige Jude (1774).
11 1776 gab die Moll'sche Truppe aus Preßburg im Theater nächst dem Kärnthnerthor »Dido«, Schauspiel »eines hiesigen Dichters«.
12 La Fee Urgele, ein mit Arien untermischtes Lustspiel in 4 Acten, wurde im Dec. 1765 in Paris von italienischen Komödianten aufgeführt. Den Stoff dazu gab Voltaire's »Ce qui plait aux dames« (Lessing, Hamburg. Dramaturgie). »Die Fee Urgele«, Oper in 4 Acten, Musik von Kapellmeister Schulze wurde 1789 in Berlin aufgeführt.
13 Seine Biographie bringt der Gothaer Theater-Kalender 1794, S. 113 f.; er selbst schrieb über seine Reisen im Jahrgang 1788, S. 204.
14 Scheibe wird als der erste genannt, der 1738 für die Neuberin (Karoline Weißenborn) Symphonien zu Schauspielen schrieb, die mit dem Inhalt derselben übereinstimmten. Hertel und Agricola folgten dem Beispiele. (Lessing's Ansicht über dieses Verfahren, siehe dessen Hamburg. Dramaturgie, 26–28. Stück.)
15 Vergl. Bd. I. S. 82.
16 Siehe Band I. S. 253.
17 Das Contract-Formular lautete: 1. Soll der Herr Contrahent einen auferbaulichen christlich gottgefälligen Lebenswandel führen. 2. Hat er dem Kapellmeister Hayden in Allem Gehorsam zu leisten. 3. Soll er aller Orten und zu allen Zeiten, wo und wann es S.D. gefallen wird Musique zu machen, sich in seiner Art und Gattung in der Musique gebrauchen lassen. 4. Soll er ohne besondere Erlaubniß S.D. seinen Dienst nicht verabsäumen, oder anderwärts Musique machen, oder von dem Ort wo S.D. Musique haben, sich entfernen. 5. Wird beiden unterschriebenen Theilen eine wechselseitige halbjährige Aufkündigung vorbehalten.
18 Concertmeister Tomasini hatte in steigender Gage 800 Gulden.
19 »Eine Welt von Königen, die keine Herrschaft haben«, nennt Schubart ein solches Orchester. (Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst.)
20 Sie wurden häufig in Ducaten bemessen: 1 ⌗ ordinär, holländ. oder kaiserlich = 4 Gulden 14 Xr. rhein.; 1. ⌗ Kremnitzer = 4 Gulden 22 Xr. (vor dem Patent vom 1. Sept. 1783 nur 4 Gulden 18 Xr., Fr. Nicolai IV. S. 487), 1 Zechine = 4 Gulden 22 Xr., ganze Souverain = 12 Gulden 40 Xr.
21 Band I wurden schon erwähnt: Weigl (S. 264), Steinmüller (S. 266), Franz (S. 267).
22 Künstlerlexikon für Böhmen. Bd. II. S. 341. Statistik von Böhmen (Rieger). S. 260.
23 Das hier und da mit 1804 angegebene Todesjahr ist dahin zu berichtigen.
24 Schubart's Leben und Gesinnungen, herausg. von dessem Sohne Ludwig. Stuttgart 1793. S. 29 u. 122.
25 Musikal. Almanach auf das Jahr 1782 (Junker), S. 30. Gerber's Lexikon 1790. S 805. Über das Baryton siehe Bd. I. S. 249–257.
26 In Bd. I wurden erwähnt: Die Ehepaare Weigl (S. 264), Friberth (S. 270) und Dichtler (S. 271).
27 Müller's Abschied von der Bühne, S. 259.
28 »Was Musik und Acteurs, sowie das Souffliren betrifft, wird der Kapellmeister Haiden sorgen und Ordnung zu halten wissen.« (Verordnung aus den 70er Jahren.) Die Fama bürdet ihm auch das Clavierstimmen auf, wofür jedoch der Bassist Specht eigens honorirt wurde, sowie er auch die Kunstuhren im Schlosse und im Mon-Bijoux in Stand zu halten hatte.
29 Bd. I. S. 140.
30 Kelly, Reminiscenses, vol. I. p. 241.
31 Die Familie bewahrte noch die autographe Partitur von 6 Streichquartetten, comp. 1771, nunmehr dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien gespendet.
32 Nachmaliger kais. Rath und Cammeral-Zahlmei ster, Schwiegervater des Primararztes Dr. Joseph Ritter von Standthartner.
33 Karl Graf von Zinzendorf und Pottendorf, wirkl. geh. Rath, Staats- und Konferenz-Minister, Ritter des hohen deutschen Ordens, Land-Kommenthur der Balley Österreich, geb. zu Dresden 1739, 5. Januar, gest. zu Wien 1813, 5. Januar. Die hohe Stellung, die dieser Staatsmann bekleidete, brachte es mit sich, daß derselbe unablässig mit den Kreisen des höchsten Adels, der Kunst und Wissenschaft verkehrte, leider nur zu oft und zu lange unterbrochen durch seine Reisen ins Ausland. Gewohnt, von frühester Jugend an bis zu seinem Lebensende ein Tagebuch zu führen, sind uns dadurch nach jeder Richtung hin zahllose werthvolle Aufzeichnungen erhalten. Auch die Musik ging nicht leer aus, und wenn auch gerade hier die Quellen spärlicher und bescheidener fließen, so bieten sie doch so manche schätzenswerthe Gabe, sei es auch nur, um mitunter bisher zweifelhafte Daten zu berichtigen oder festzustellen. Einen ausführlichen Nekrolog über Zinzendorf bringt die Wiener Zeitung 1813, Nr. 7.
34 Mitgetheilt von Consistorialrath Fabian, der früher in Szeplak und vor seinem Tode (1871) in Süttör als Dechant fungirte.
35 Vielleicht war es hier, wo Haydn (nach Dies' Überlieferung), von Eisenstadt kommend, in einer Straße nächst dem Stadtthore vor einem Gebäude Halt machte, aus dem ihm eine seiner Symphonien, vom Orchester ausgeführt, entgegentönte. Vom Diener in seinem verstaubten, abgetragenen Reisegewand nicht erkannt, gelang es ihm doch durch ein Trinkgeld die Erlaubniß zu erwirken, an der Thüre des Saales zu horchen. Dem Diener wurde endlich der Fremde unbequem und er wollte ihn eben abfertigen, als die Thüre sich öffnete und einer der Heraustretenden Haydn erkannte und ihn in den Saal führte, wo er jubelnd begrüßt wurde.
36 Wegen der Schreibweise Estoras (Esterház) siehe Bd. I. S. 206. Anm. 7.
37 Ich dachte, ihr Herren Berliner liebt solche Späße nicht: »ich hab' aber auch nicht viel dran.« Gespräch mit Kaiser Joseph in Wien 1783. (Allg. Mus. Ztg. XV. S. 667. Reichardt's Autobiographie.)
38 Vergl. Bd. I. S. 194.
39 Nach Reichardt's Erzählung (Allg. Mus. Ztg. 1800. S. 173). Joh. Abraham Peter Schulz reiste damals als Begleiter der polnischen Fürstin Sapieha (Woiwodin von Smolensk), die er im Clavier unterrichtete. Reichardt erzählt auch, daß keiner der Künstler, die Schulz auf seiner Reise kennen lernte, so mächtig auf ihn gewirkt habe wie Haydn, dessen übergroße Bescheidenheit ihn anfangs in nicht geringe Verlegenheit setzte.
40 Nach Elßler's Aussage gegen Griesinger und Dies pflegte Haydn sein Phantasiren meistens im Baß abzuschließen. »Er arbeitete dann im Groben«, wie der treue Diener sich ausdrückte, und jetzt erst gestattete er den harrenden Fremden den Zutritt zu Haydn's Zimmer. Wie Elßler seine unbegrenzte Verehrung zu seinem Herrn zu bezeugen pflegte, sahen wir früher (Bd. I. S. 268).
41 Sollte hier etwa das eigenthümliche Recitativ der Symphonie C-dur »Le Midi« gemeint sein? Band I. S. 287 ist schon darauf hingewiesen.
42 Mozart, zweite Auflage (auf die auch weiterhin hingewiesen wird), Bd. I. S. 686.
43 Reminiscences vol. I. p. 190.
44 In ähnlicher Weise äußerte sich auch Mozart gegen Kelly über Melodie. (Reminisc. vol. I. p. 228.)
45 Band I. Beilage II. S. 382.
46 Soviel erhielt auch Mozart für seine 6, Haydn gewidmeten Quartette, gedr. bei Artaria. (Jahn, Mozart, Bd. I. S. 734.)
47 Beethoven und die Ausgabe seiner Werke. S. 6.
48 La Canterina, opera buffa, representata nel tempo di carnevale per divertimento delle Loro Altezze Reali.
49 Über die erste Messe siehe Bd. I. S. 123 f. und 358 f., 2. u. 3. Messe Bd. I. S. 361 f.
50 Die arabischen Lettern beziehen sich stets auf die Noten-Beilage.
51 Bezieht sich auf das genannte Jahr, sowie die weiterhin vorkommende Bezeichnung »vorhanden« besagt, daß das Werk im genannten Jahre in Abschrift existirte, ohne Rücksicht darauf, ob und wann dasselbe später in Abschrift oder im Druck erschien.
52 Lo Speziale, dramma giocoso da rappresentarsi a Esterház nel teatro di S.A. il Principe Esterházy de Galantha etc. etc. nell' autunno dell' anno 1768.
53 Nachmals verehelichte Friberth, siehe Band I. S. 271.
54 Eine Prälatenwahl konnte 1768 im Stifte Kremsmünster nicht stattgefunden haben, denn Berthold Vogl war daselbst Abt von 1759– 1771.
55 Er wurde 1769 zum Abt des, seit 1715 Göttweig incorporirten (seit 1878 selbstständigen) ungarischen Stiftes Zala Apáti gewählt und starb 1773.
56 Die Musik war von dem Weltpriester Joh. Georg Zechner. (Wiener Diarium 1766, No. 54).
57 Haydn hatte auch wirklich in der Singstimme anfangs die italienische Betonung gewählt, dieselbe aber durch die lateinische ersetzt.
58 Omnia ad Majorem Dei gloriam et Beatissimae Virgini Mariae. (Vergl. Bd. I. S 229.)
59 Bekannt als opus 8 und eingereiht zwischen die 6 sogenannten »Russischen« opus 33 und die 6 Quartette opus 50.
60 Biogr. Notizen, S. 27.
61 Kommt auch in der Schreibart Sommerau vor. Ant. Theodor, Hof-Kammerath und Cameral-Referendar, Vogt zu Alten-Sumerau (Dorf in Österreich o.d. Enus) wurde wegen uralt-adeligen und ritterlichen Geschlechtes 1745 in den Reichs- und erbländischen Freiherrnstand erhoben. Anton Thaddäus war Vorderöster. Regierungs- und Kammer-Präsident. (Vergl. öst. Adels-Lexicon v. Mühlfeld, 1822, S. 89, 106; ditto v. Hellbach, 1826, Bd. II. S. 500; Genealog. Tasch. d. freih. Häuser, Gotha 1848, S. 455; Neues allg. deutsch. Adels-Lex. von Prof. Dr. E.H. Kneschke 1870. S. 44 etc. etc.)
62 Piccini's gleichnamige Oper wurde im Theater nächst der Burg in Wien im Jan. 1769 zum erstenmale aufgeführt, vordem (1765) in Neapel.
63 Le Pescatrici, dramma giocoso per musica, da rappresentarsi nell' autunno dell' anno 1770, nel teatro di S.A.S. il Principe Esterhazy de Galantha etc. etc. in Esterház.
64 Alfred Ritter v. Arneth, Maria Theresia's letzte Regierungszeit, Wien 1879, Bd. IV. S. 42
65 Haydn's Autograph besitzt die Berliner Hofbibliothek; eine Abschrift von Elßler's Hand ist im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Nach der neuesten Ausgabe (Rieter-Biedermann), besprochen von Chrysander (Allg. Mus.-Ztg. 1871. Nr. 8), kann die Orgel durch Oboen und Fagott ersetzt werden. Auch sind die im Original ausdrücklich vorgeschriebenen Solostimmen, (a quattro voci ma soli), zum Vortheil des Ganzen abwechselnd auf Soli und Chor vertheilt.
66 Louis René Edouard, Prinz von Rohan-Guémené, Cardinal und Erzbischof von Straßburg. Es ist derselbe der 1785 in die berüchtigte Halsbandgeschichte verwickelt war.
67 Wiener Diarium Nr. 4 und 7.
68 1772, 25 Mars. Chez l'ambass. de France. Je restais au concert, ou il y avait nombre de jeunes et belles dames. – 31 Mars. Au concert chez l'amb. de Fr.; beaucoup de monde. (Zinsendorf's Tagebuch).
69 Der Verfasser des Gedichtes giebt die Tage vom 12–16. Juli an und sagt ausdrücklich Sz. Jakob havának (St. Jakobs-Monat, so genannt nach dem auf den 25. Juli fallenden St. Jakob major.) Dieser Zeitangabe widerspricht aber evident der weiterhin erwähnte Todesfall.
70 Eszterházi vigasságok (Lustbarkeiten von Esterház) 8°. gedr. 1772 (Szechen Katalog 7370, Pest, Nat. Museum). Die Vorrede nennt als Verfasser den ungarischen Lieutenant-Gardist Besenyei György. Er zählte mit Franz Faludi, Abrah. Bartsai, Freih. Lorenz Ortsy, Alx. Bárotzi, Graf Ad. Teleki, Freih. Stephan Daniel, Paul Anyos u.A. zu den bedeutendsten Schriftstellern Ungarns, unter denen im vorigen Jahrhundert bis 1780 die ungar. Literatur zur höchsten Blüthe gelangte. B. schrieb u.a. »Hunyadi Lásslo«.
71 »Das Urtheil des Paris«, ein heroisch-pantomimisches Ballet von der Erfindung des Noverre, zuerst aufgeführt im Sommer 1771 im Hoftheater nächst der Burg.
72 Im Gedicht ist er irrthümlich Növer genannt.
73 Im Gedicht als Dessen angegeben.
74 »J'admirais la danse de la Delfine. Quelle force, quelle précision, combien elle étoit supérieure à toutes les autres« (Alceste). »Quelle difference de la danse de la Vigano à celle de la Delphin« (Paride et Elena). Zinsendorfs Tagebuch 1770, 4. u. 15. Dec.
75 Das Urtheil über sie lautet übereinstimmend im Theaterkalender von Wien 1772 und 73; in Müller's »Genaue Nachrichten von beyden k.k. Schaubühnen« in Wien 1773, wie auch später in Oehler's »Geschichte des gesammten Theaterwesens« in Wien 1803.
76 Wiener Todtenprotokoll, das allein uns auch den Vornamen, Margarethe, nennt. Schon vordem war Delphin, gleich andern Mitgliedern des Theaters (Stephanie, Huber, Aufresne, Pique, v. Gluck, Müller) durch den berühmten Arzt Quarin dem Leben wiedergegeben worden. (Vergl. Müller, Genaue Nachrichten 1772, S. 101, der dem Arzte öffentlich dankte.)
77 Vermählt am 21. Mai 1758 mit der Tochter des Fürsten Nicolaus Esterházy, Marie Anna, geb. 27. Febr. 1739, † 1811 in Preßburg. Graf Grassalkovics † 5. Juni 1794.
78 Der Herzog, vermählt seit 8. Apr. 1766, ließ seiner Gemalin, die am 24. Juni 1798 starb, jenes schöne Denkmal von Canova in der Augustinerkirche zu Wien errichten, das am 24. Juni 1805 enthüllt wurde.
79 Biogr. Nachr. S. 64.
80 Er spielte 1786 beim Cardinal Primas während der Mittagstafel zu Ehren des Kaiserl. Geburtsfestes. W. Ztg. S. 355.
81 Im neu erbauten festlich decorirten Theater (Stadt-Comödienhaus) wurde am 4. Juni 1764 ein lustiges italienisches Singspiel aufgeführt, das mit einem großen Ballet endigte. Der Hof war Tags zuvor nach Preßburg gefahren und ebenfalls anwesend. W.D. Nr. 54.
82 Die Wiener Zeitung, 1781, Nr. 86 widmet ihm einen ehrenvollen Nachruf.
83 Mraw, Marteau und Franz, vordem in der Esterházischen Kapelle.
84 Der prachtvolle Saal daselbst wurde 1770 durch einen glänzenden Ball eröffnet bei Gelegenheit eines großen Manövers mit 5 Kürassierregimenter. W. Diarium Nr. 60.
85 Das Verbot wiederholte sich in ähnlicher Weise noch 1774 wo es heißt: »Bedeuten Sie (Wirthschaftsrath v. Rahier) denen Musicis, daß sie sich den letzten dieses wie in verwichenen Jahren und ohne ihren Weibern in Esterház richtig einfinden sollen.«
86 In der Partitur: »Nichts mehr«; in den Auflagstimmen: »geht ab«.
87 Eine mehrfach erzählte Version über die Veranlassung zu dieser Symphonie, nach welcher der Fürst seine Kapelle aus ökonomischen Rücksichten zu verabschieden gedachte, ist nicht nachzuweisen. Eine zweite, daß die Ursache ein Streit der Kapelle mit den Hausoffizieren gewesen sei, würde etwa auf eine Renitenz derselben hinweisen, die aber erst drei Jahre später stattfand. Das betreffende Actenstück lautet: »Nachdem ich denen Musicis verziehen und sie sammentlich wiederum in Dienst behalten habe, so ist ihre Gage wie ehevor zu verabfolgen«. (Eisenstadt, d. 7. Oct. 1775). – Griesinger (S. 28.) und Dies (S. 46.) bestättigen nach Haydn die obige erste Erzählung; Neukomm (Anm. zu Dies) hält trotzdem, und merkwürdigerweise ebenfalls nach Haydn, an der Verabschiedung der Kapelle fest; Carpani (p. 115.) giebt sogar eine dritte Version an, die von Ungereimtheiten strotzt, erzählt aber auch die ersten zwei Varianten und will alle drei von Personen gehört haben die der Aufführung beiwohnten! – Dies und Carponi lassen die Symphonie durch den ersten Violinisten allein schließen, Neukomm läßt diese Ehre dem Contrabassisten; so auch Oswald (Beiträge zu Künstler Biogr. S. 128). Andere dichten der Partitur sogar einen Klarinettisten für diesen Moment hinzu (Neues Wiener Blättchen 1787, S. 145, und Almanach der k.k. National-Schaubühne in Wien auf das Jahr 1788). Endlich noch wird Haydn selbst als abtretender Violinist genannt (Siebigke, S. 11).
88 In Frankreich bekannt als Symphony des Adieux, in England als Farewell-symphony oder candle overture. Die bei André erschienene Partitur ist nur der letzte Satz, obendrein nach E-moll transponirt.
89 Siebigke (Mus. ber. Tonk., S. 11.) Auch Neukomm (Bemerkungen zu Dies »Biogr. Notizen«) erwähnt eines solchen Gegenstückes.
90 Carpani (p. 118, note 1); Dittersdorf (S. 144) spricht selbst davon. – Auch von Rossini erwartete man eine Benutzung dieser Idee. Wir lesen darüber: »Eine neue Operette von ihm (Rossini) ›le dernier Musicien‹ nach der Idee von Haydn's Symphonie, in welcher ein Musiker nach dem andern das Orchester verläßt, Text von Scribe, der sehr witzige Anspielungen auf die heutige Musik enthalten soll, wird erwartet« (Monatbericht der Gesellschaft der Musikfreunde. Wien, 1830, Nr. 3, S. 35.)
91 Allg. Mus. Zeitung, 1799, Nr. 1.
92 Brief an Rebecka Dirichlet in Florenz. Febr. 1838.
93 Schumann's »Gesammelte Schriften«, Bd. III. S. 46.
94 Leipzig, Verlag von Heinrich Matthes 1863.
(Im Anhang folgen »Mozart's Dorfmusikanten«).
95 Maria Anna Louise, geborene Marchesa von Lunati Visconti aus Lothringen, Gemalin des 1762 verstorbenen Fürsten Paul Anton, (vergl. Band I. S. 211, 213). Die Fürstin war aus den Bädern von Spaa zurück gekehrt, wo sie mit Milady Spenser ein Freundschaftsbündniß geschlossen hatte und bei ihrer Rückkunft in deren Auftrag Metastasio ihr enthusiastisches Lob über den Dichter mittheilte, ihn zugleich um einige Zeilen von seiner Hand ersuchend als Zeichen daß sie die Bitte erfüllt habe, worauf Metastasio eine an diese Dame gerichtete Strosetta schrieb. (Opere del Sig. Abbate Pietro Metastasio. Nizza 1783. vol. X. pag. 350).
96 L'Infedeltà Delusa, burletta per musica in due atti da rappresentarsi in Esterház nell' occasione del gloriosissimo nome di S.A. la Principessa vedova Esterházy nata Lunati Visconti, sul teatro di S.A. il Principe Nicolò Esterházy de Galantha al 26 Luglio dell' anno 1773. – Dem entgegen bezeichnet das Wiener Diarium Nr. 61 als Veranlassung des Festes den Namenstag der Erzherzogin Marianne.
97 Seit 1779 Joh. Georg Fuchs, Schloß-Schulmeister, gest. 1810.
98 Sie bestanden in Folgendem: 300 Pfund Rindfleisch, 50 Pfund Salz, 30 Pfund Schmalz, 36 Pfund Kerzen, 4 Metzen Weizen, 3/4 Metzen Grieß, 12 Metzen Korn, je 1/2 Eimer Kraut und Rüben. Dazu kamen die 1771 erwähnten 9 Eimer Offizierwein und 6 Klafter Brennholz.
99 1789 wurde Haydn noch zu seiner bisherigen Convention jährlich »ein Stück Schwein gnädigst resolviret d.h. für sich, nicht als Organist«.
100 Das Wiener Diarium 1742–1766 erwähnt dieser Kaiserl. Besuche regelmäßig.
101 Die Beschreibung der stattgefundenen Festtage sind uns erhalten durch das Wiener Diarium und eine bei v. Ghelen in Wien erschienene Broschüre: »Relation des fêtes données à Sa Majesté l'Imperatrice par S.A. Mgr. le Prince d'Esterhaz dans son château d'Esterhaz le 1r et 2e 7bre 1773.«
102 Die Mitwirkenden waren dieselben wie bei der ersten Aufführung. Das gedruckte Libretto hat auf dem Tittelblatte die entsprechende Abänderung: L'Infedeltà Delusa, burletta per musica in due atti da rappresentarsi in Esterház nell' occasione del gloriosissimo arrivo quivi de Sua Maestà L'Imperatrice Maria Theresia, sul teatro di S.A. il Principe Nicolò Esterhazy de Galantha, nel mese di settembre dell' anno 1773.
103 Derselben wurde dann der Name der Kaiserin beigelegt.
104 Vergl. Band I. S. 70.
105 Philemon und Baucis, oder Jupiters Reise auf die Erde. Bey Gelegenheit der höchsterfreulichen Gegenwart Allerhöchst Ihrer k.k. apostolischen Majestät und Allerhöchst dero allerdurchlauchtigsten Erzhauses. In einer Marionetten Operette zum erstenmale zu Esterház auf der fürstl. Marionetten-Bühne im Jahre 1773 aufgeführt. Wien, mit von Ghelenschen Schriften.
Ein Exemplar dieser selten gewordenen Broschüre, wie auch des Vorspiels besaß Haidinger in Wien. Ein zweites Exemplar (Vorspiel und Singspiel in einem Heft zusammengebunden) besaß Otto Jahn, nun im Besitz von Herrn Dr. Gehring in Wien. Von Haydn's Hand ist auf dem Titelblatt geschrieben: Music von mir Jos. Haydn.
106 Von Dr. Conradi in Preßburg. Wiener Diarium Nr. 75.
107 Skizze aus dem Vorspiel mit den Worten: »Wenn's so ist, muß auch ich mit meiner Glorie kommen«. (Schlußworte des Merkur, 1. Auftritt.)
108 Fétis (Biogr. univ.) nennt noch ein zweites Stabat mater, (différent du précédent) indem er die Ausgabe in Paris und London für 2 verschiedene Werke hält.
109 Über Steffani's Stabat mater siehe Chrysander's »Händel« Bd. I. S 350 ff.
110 Das Tagebuch Zinzendorf's erwähnt darüber (11. Apr. 1772.) De la au concert chez Marchisio, ou on chanta le Stabat mater. Ferner (4. Dec.): »chez Me. de Goes, ou il y avait un concert, elle chanta le Stabat mater de Pergolese«.
111 Vor 17 oder 18 Jahren wurde sein (Haydn's) Stabat mater in Wien zum ersten Mal aufgeführt; viele seiner Gegner waren gegenwärtig, hörten es mit Aufmerksamkeit an und gaben dem Verdienst vollkommen Beifall, das sie so lange bezweifelt hatten. (Almanach der k.k. National-Schaubühne in Wien auf das Jahr 1788, von F.C. Kurz.)
112 »Mons. Le Gros Directeur du concert spirituel« schreibt mir ungemein viel Schönes von meinem Stabat mater so alldort (in Paris) 4 mahl mit größtem Beifall producirt wurde; die Herren batten um die Erlaubniß dasselbe stechen zu lassen. (Haydn an Artaria. 27. Mai 1781.)
113 Siehe Selbstbiographie Band I, Beilage II, S. 382.
114 Besonders Musikalische Realzeitung 1789. Nr. 35.
115 Musikalisches Wochenblatt, Berlin, 1792, No. XIV, S. 108.
116 K.k. priv. Realzeitung der Wissenschaften 1775, 14. Stück, 6. April S. 218.
117 Es heißt dann weiter: »Auch die regelmäßig gute Ausführung der Musik macht den hiesigen und fremden Tonkünstlern viel Ehre, um soviel mehr Ehre, da sie die Einnahme davon zur Versorgung ihrer Wittwen und Waisen verwenden. Gewiß ein beifallswürdiges Unternehmen, das manche Thräne von den Wangen der verwaisten Familie eines Künstlers abtrocknet, weil es gemeiniglich das Schicksal eines geschickten Mannes ist, für sich und die Seinigen kein Vermögen sammeln zu können, sondern nur bei Lebzeiten das bischen Seifenblase – den Ruhm zu haschen«.
O Künstler, dessen Harmonie die Seelen
Der Fühlenden zum Himmel hebt,
Der unsrer Väter Thaten melodisch zu erzählen
Die heil'ge Asche neu belebt;
Dein Geist setzt durch des Nachruhms goldne Ehre
Nächst Händeln Dir ein Monument,
Und hebt Dich in die hohe Sphäre
Wo Gluck und Bach die Bahn nur kennt.
118 Eine Partitur in Neukomm's Handschrift befindet sich im Eisenstädter Musik-Archiv. Am Schluß des 2. Bandes steht: Moskau am 6/18. October 1806 Sigism. Neukomm.
119 Damals erschien auch das Textbuch in italiänischer und deutscher Sprache, gedruckt bei Georg Ueberreuter. Der Phantasie des Zuhörers wird darin häufig nachgeholfen z.B. Sie geht gegen das Feld ab; – Sie kniet nieder und küßt Tobits Hand; – Alle stehen auf und umarmen Tobit; – Zu den Hebräern, die kostbare Geschirre und andere Geräthe bringen.
120 Sohn Franz I. und Maria Theresia, Generalcapitän der Lombardei Herzog von Österreich-Este, vermählt in Mailand 1771, 15. Oct. Mozart, damals 15 Jahre alt, schrieb für diese Gelegenheit die Serenata Ascanio in Alba, am 17. Oct. aufgeführt. Bekannt ist Hasse's Äußerung: »Der Jüngling wird Alle vergessen machen«. Erzherzog Ferdinand ist derselbe, von dem Haydn in 1789 hoffte »eine Schuld von sieben Jahren bezahlbar zu erhalten«. (Brief an Artaria, 5. Juli.)
121 Haydn erwähnt die Oper in seiner autobiographischen Skizze irrthümlich als aufgeführt »in Gegenwart Ihrer k.k. Majestät«. (Vergl. Bd. I. S. 382.)
122 Der Bericht im Wiener Diarium nennt Metastasio als den Verfasser, der aber bekanntlich keinen Operntext dieses Namens geschrieben hat. Die Musik war von Karl von Ordonez, die Partitur befand sich in Haydn's Nachlaß.
123 Wir werden dem Lustspiele bald wieder begegnen.
124 L'Incontro Improvviso, drama giocoso per musica, tradotto dal Francese e rappresentato a Esterhaz, in occasione del felicissimo arrivo delle A.A.L.LR.R. il Serenissimo Archiduca d'Austria Ferdinando et della Serenissima Archiduchessa Beatrice d'Este sul teatro di S.A. il Principe Nicolo Esterhazy de Galanta nel mese d'Agosto dell'anno l775.
125 Bekanntlich wurde dasselbe Sujet (nach Dancourt) auch von Gluck bearbeitet und im Jan. 1764 auf der Hofbühne aufgeführt unter dem Titel: La rencontre imprévûe; später (Juni 1776) in deutscher Bearbeitung: »Die unvermuthete Zusammenkunft, oder: die Pilgrimme von Mekka«. (Siehe Schmid, Gluck S. 107.)
126 Über Baryton siehe Bd. I. S. 249–257.
127 Die in dem Briefe genannte Mademoiselle Leonore, an die der Brief gerichtet ist, vermählte sich später mit dem fürstl. Esterhazyschen Wirthschaftsrath oder Güterdirector Lechner.
128 Das Lustspiel wurde zuerst 1697 gegeben, fand aber nur geringen Beifall, um so größeren 34 Jahre später. (Lessing, Hamburg. Dramaturgie, 28. Stück.) Erste Aufführungen in Deutschland waren in Hamburg (1767), Lübeck (1770, mit Eckhof als Leander), Wien (1772, Theater nächst der Burg).
129 Sie ist die einzige Quelle, aus der das Repertoire der beiden Hoftheater aus jenen Monaten zu ersehen ist.
130 Auch auf kleinen Bühnen wurde »der Zerstreute« gegeben, so 1787 in der Hütte auf dem Neuen Markt, 1791 im Theater »zum weißen Fasan«.
131 Werthlose Sache, Schartecke. So nannte auch Schiller (der Werth des Gegenstandes ist freilich ein himmelweiter) seine »Theilung der Erde« eine Schnurre. (Vergl. David Fr. Strauß, »der alte und der neue Glaube«, S. 331.)
132 Genau dasselbe war im J. 1767 dem damals elfjährigen Mozart mit seiner ersten, sogar auf Wunsch des Kaisers geschriebenen Oper La finta semplice widerfahren (Jahn Bd. I. S. 71).
133 Zinzendorf hörte die Oper am 25. Jan. 1777 und schreibt: »On joua le nouvel opéra ›La vera constanza‹ ou ›la pescatrice fedele‹«. Unter letzterem Titel nennt Clément's dict. lyrique die Oper als von Anfossi componirt und 1776 zu Rom aufgeführt. Das Textbuch unter ersterem Titel nennt den Namen des Componisten nicht. – Die Partitur befindet sich im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde zu Wien.
134 Als Leitfaden zu diesem Besuche dient uns einzig nur das Wiener Diarium 1777 Nr. 55, 56, 57.
135 Wiener Diarium Nr. 56. Es stimmt dies allerdings nicht mit der oft versicherten Angabe, der Besuch der Kaiserin im Theater im Jan. 1771 (man gab Diderot's »Hausvater«) sei der einzige und letzte nach dem Tode ihres Gemals gewesen. Abgesehen von ihrem Besuche in Esterház erschien sie noch, stets mit Jubel begrüßt, im Theater nächst der Burg in den Jahren 1775, 9. Sept., an welchem Abend die Oper La finta scema von Salieri und das Ballet »Die Horazier und Curazier« von Noverre gegeben wurden (W.D. Nr. 62); in 1776, 1. Sept. in »Minna von Barnhelm« (Realzeitung, S. 589); 1779, 5. Juni, in einem deutschen Singspiel (W.D. Nr. 45).
136 Goth. Theater-Kalender auf das Jahr 1778. S. 235.
137 Geb. 1741, 10. Mai, gest. 1809, 21. Dec. in Ödenburg.
138 Geb. 1747, 2. Febr., gest. 1822, 26. Juni in Linz.
139 Il Mondo della Luna, drama giocoso in tre atti, rappresentato sul teatro d'Esterház all' occasione degli felici sponsali de Signore Nicolò, conte Esterhazy di Galantha, figlio di S.A.S. e la Signora Contessa Maria Anna Weissenwolf, L'estate dell' anno 1777.
140 Avondano (Neapel 1732), Galuppi, (Italien 1750), Piccini (Neapel 1762), Gaßmann (Venedig 1765), Paisiello (Neapel 1773), Astaritta (Venedig 1775).
141 A general History of music, vol. IV. p. 599 ff.
142 Wiener Diarium 1768 (Nr. 63) und 1776; Gedenkbuch der Pfarre und Stadtkirche.
143 Biogr. Notizen S. 24.
144 Allg. Mus.-Ztg. Bd. XIII. S. 150.
145 Notice historique sur la vie et les ouvrages de J. Haydn. p. 25. Le Breton, ebenfalls den Verlust der Manuscripte bedauernd, sagt weiter: »Nur einen Verlust konnte er (Haydn) nicht verschmerzen, die Partitur seiner Armida, die er all' seinen Opern vorzog. Pleyel aber entschädigte ihn dadurch, daß er ohne sein Wissen alle werthvollen. Partituren copirt hatte«. Le Breton klagt hier ohne Noth: Die Armida fällt erst ins Jahr 1784 und auch das Autograph der Oper liegt wohlerhalten in der Bibliothek der Sacred Harmonique Society in London.
146 Eine Abschrift des noch vorhandenen Hauskauf-Contract verdanke ich der zuvorkommenden Bereitwilligkeit des im J. 1875 verstorbenen Bezirksrichters, Herrn L. Pregardt.
147 Haydn's Brief wurde zuerst von Dr. Ed. Hanslick in den »Signalen s.d. musical. Welt«, 1865. Nr. 47 veröffentlicht.
148 Daß Kaiser Joseph zugegen war, wie Dies (S. 57) und Andere behaupten, ist nirgends erwiesen; er scheint überhaupt nie Esterház besucht zu haben, was um so mehr auffallen muß, da er in Wien sehr häufig den Abend bei der verwittweten Fürstin zubrachte. Zinzendorf erwähnt dessen wiederholt, z.B. 1772, 13. Dec. »De la chez la Pesse Eszterhasy ou il y avait beaucoup de monde; l'empereur y resta jusqu'a minuit.«
149 La vera costanza, dramma giocoso per musica da rappresentarsi al teatro d'Esterhaz la primavera 1779.
150 Was es mit der in 1879 in Paris aufgefundenen autographen Partitur für eine Bewandtniß hat, vermag ich nicht zu erklären. Haydn stand in lebhaftem Verkehr mit Paris und mag seine Oper dahin geschickt haben. Die Partitur soll am Schlusse die Jahreszahl 1785 tragen, ein bei Haydn, soviel mir bis jetzt bekannt ist, nur ein einziges Mal (1790) vorkommender Fall. Daß die Oper schon 1776 fertig war, sahen wir früher. Nach Otto Jahn befände sich das Autograph in der Privat-Bibliothek des Großherzogs von Weimar.
151 Gothaer Theater-Kalender 1787, S. 201; 1788, S. 195.
152 »Gefiel weniger als wir der schönen Musik wegen erwarteten; doch mochte es wohl auch nur an der Vorstellung liegen« (14. Jan.). »Mißfiel« (13. Nov.). (Journal d. Luxus u. d. Moden 1792. S. 128.)
153 Ihrer wurde vorübergehend schon Bd. I. S. 197 gedacht.
154 Signalement eines ital. Passes.
155 Sie bezog jährl. 110 ord. ⌗ (= 465 Gulden 40 Xr.); ebensoviel ihr Mann.
156 Ein Vorschuß von 55 Gulden war ihnen kurz nach ihrer Anstellung nachgesehen worden.
157 Un buon Maestro chi si darà l'istessa pena, come il tuo Haydn.
158 Ein ähnlicher Fall aus Haydn's Leben, zur Zeit seines Londoner Aufenthaltes wird obige Herzenssache erst ins richtigere Licht stellen.
159 Die Correspondenz wurde italienisch geführt.
160 O cara Polzelli, tu mi stai sempre nel core, mai, mai mi scorderò di te.
161 Document:
Ich, der hier Unterfertigte verspreche der Signora Loisa Polzelli (im Fall ich gesonnen sein sollte) mich wieder zu verheirathen, keine andere zur Frau zu nehmen als genannte Loisa Polzelli, und wenn ich Witwer bleibe, verspreche ich genannter Polzelli, ihr nach meinem Tode eine lebenslängliche Pension von drei hundert Gulden, d.i. 300 fl. in Wiener Münze zu hinterlassen. Rechtsgültig vor jedem Richter unterfertige ich mich
Joseph Haydn
Kapellmeister s. Hoheit des
Fürsten Esterhazy.
Wien, am 23. Mai 1800.
162 Ein Brief an ihren Sohn ist aus dem ungarischen Flecken Somos, Comitat Saros datirt.
163 Fétis (Biogr. univ. des Musiciens) setzt den Tod der »Boselli« ins J. 1790 und nimmt denselben als den eigentlichen Beweggrund an, der Haydn's Reise nach London veranlaßte. Carpani(p. 222) geht noch weiter, indem er sagt, daß Haydn zur Zeit des Todes der »Boselli« eine Einladung aus Paris erhielt, daselbst die Concerts spirituels zu dirigiren etc (also etwa in 1782). – Gegen Griesinger und Dies scheint Haydn seines Verhältnisses zur Polzelli nie erwähnt zu haben. (Bei Dies steht der Name »Pulcelli« nur einmal bei Erwähnung des Testamentes.) Auch die Söhne führt nur Dies einmal an unter dem Verz. der Schüler Haydn's als »zwey Gebrüder Pulcelli«.
164 Wo und in welchem Lebensjahre Polzelli gestorben, war trotz aller Nachfrage in Wien, Eisenstadt, Forchtenau etc. nicht zu ergründen.
165 Eine Tochter, Antonie, war im Juli 1782, 2 Jahre alt, in Esterház gestorben.
166 Joh. B. Nawratil, Musiklehrer, vordem in der fürstl. Kapelle, gest. 1872 in Wien. und Michael Prinster, ausgezeichneter Waldhornist der fürstl. Esterhazy'schen Kapelle (Oheim der gefeierten Tänzerin Fanny Elßler) gest. 1869 in Eisenstadt.
167 Seine theoretischen Werke, darunter Daube, Mattheson, Marpurg etc. mit der zierlichen Vignette »De la collection de Musique de Monsieur Antoine Polzelli« schenkte er damals der Bibliothek der kurz zuvor gegründeten Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
168 Er hinterließ zwei, in ärmlichen Verhältnissen in Pest lebende Töchter, Antonie und Emilie (vereh. v. Wölföl).
169 Der Brief Goethe's lautet, »Auf die an mich, mein werthester Herr Musik Director gerichtete Frage, verfehle nicht zu erwiedern, daß indem ich den Dialog von Claudine rhythmisch behandelte, allerdings meine Absicht gewesen, dem Componisten Gelegenheit zu geben nach italiänischer Weise recitativisch zu verfahren. Vielleicht möchte jedoch, wenn dieses Ihre Absicht ist, der Dialog hie und da zu verkürzen und nur das beizubehalten seyn was zum Verständniß der Handlung nöthig ist und zugleich der Musik Vortheile bietet; welches ein einsichtiger Componist am besten beurtheilen kann. Ich wünsche Glück zu Ihrem Unternehmen und hoffe mich in der Folge selbst daran zu vergnügen.
Mich zu freundlichem Andenken empfehlend
ergebenst
Goethe
(nur die Unterschrift ist von Goethe's
eigener Hand)
Berka an der Ilm
den 24 May 1814«
170 Viele Anzeichen sprechen dafür. Nur ein Beispiel sei hier angeführt: In einem Briefe an ihn (1802) lesen wir .... »Lessel schrieb mir gestern, daß du dich wohl befindest und öfters zu Ihm gehst, dies freut mich herzlich. Vermelde ihm mein Compliment« – womit Haydn seine Befriedigung ausdrückt, ihn in guter Gesellschaft zu wissen, denn Lessel, einer der interessantesten Schüler Haydn's, dem wir einst noch begegnen werden, war ein sehr gebildeter, solider junger Mann.
171 § 54: »Meinem Schüller, dem Anton Polzelli – 100 fl« (diese Summe ist dann durchstrichen). Vorher, § 51 und 52 heißt es: »Nach ihrem Todt (der Mutter Polzelli's) soll ihr Sohn Anton Polzelli noch auf Ein Jahr diese 150 fl erhalten, weil er jederzeit ein guter Sohn gegen seine Mutter und mein dankbarer Schüller war.«
172 Haydn's Brief beginnt: »Mein lieber Sohn! Deine wahrhaft kindlichen Äußerungen so wie jene sämmtlicher Glieder der hochfürstlich Esterhazy'schen Kapelle zu meinem Namensfeste haben mir die heißesten Thränen ausgepreßt.«
173 Naenie, den Manen des verewigten Joseph Haydn als Pfand heiliger und dankbarer Erinnerung geweiht von seinem Zöglinge Anton Polzelli.
174 Un baccio al tuo figlio, se tu sei contenta di Lei, se no, venti cinque sul c –
175 Wer sollte sich dabei nicht an Beethoven's rührende Sorgfalt für seinen Neffen erinnern!
176 Nach dem Wiener Diarium 1779, No. 94
177 Musikalische Korrespondenz der teutschen filh. Gesellschaft für das Jahr 1792, Nr. 17.
178 Haydn's Bezeichnung »Operette« (Brief an Artaria, 27. Mai 1781) ist natürlich nicht ernsthaft zu nehmen. Metastasio's Dichtung, 1752 für den spanischen Hof geschrieben, wurde daselbst mit der Musik von Bonno. und unter der Leitung des berühmten Castraten Broschi (Farinelli) aufgeführt. Zunächst dann bei Gelegenheit eines kaiserl. Besuches (1754) in Schloßhof, einem nahe der ungarischen Grenze gelegenen Lustschlosse des Prinzen Eugen von Savoyen. (Vergl. Bd. I. S. 115). Das Libretto der gleichnamigen Oper von I. Scarlatti, zuerst aufgeführt 1757 in Wien, ist nicht von Metastasio, wie Clément und Larousse(Dict. lyrique) angeben, sondern von Goldoni.
179 L' Isola disabitata, azione teatrale in due porti per musica del' celebre Signor Abbate Pietro Metastasio, poeta cesareo, da rappresentarsi in occasione del gloriosissimo nome di S.A. il Principe Nicolò Esterhazi di Galantha L'anno 1779.
180 Vergl. Dlabacz, Hist. Künstlerlex. s. Böhmen, Bd. II. S. 390.
181 Wahrscheinlich in der Nähe Wien's, da sein Name im Wiener Todtenprotokoll nicht erscheint.
182 Mit obigem Distler ist nicht zu verwechseln Jos. Zistler, »ein wahrhaft seelenvoller Violinspieler, dessen schmelzreichen Ton und eindringenden Vortrag Haydn über alle Maßen liebte«. (Gaßner, Universal-Lex., wo er unrichtig als Franz Zisler angegeben ist.) Zistler, in Diensten des Grafen Erdödy, spielte 1772 in einer Akademie im Theater nächst der Burg (Realz. S. 313); ferner in den Akademien der Tonkünstler Societät 3 mal (1778 – 86) als Concertmeister des Fürsten Batthyány zu Preßburg, dann als Musikdirektor bei Fürst Grassalkovics genannt. Auch in einem Concert der beiden Sängerinnen Elisabeth und Franziska Distler (1788) wirkte er mit. Schönfeld's Jahrb. d. Tonk. (1796, S. 13 u. 16) nennt Demuth und Eppinger als vorzügliche Schüler des vortrefflichen verstorbenen Zißler. Nach dem Wiener Todtenprotokoll starb Zistler am 18. März 1794, 50 Jahre alt.
183 Wenzel Krumpholtz, der jüngere Bruder, 1796 im Orchester der Wiener Hofoper als Geiger angestellt, war einer der ersten, der Beethoven's Größe erkannte. Durch seine Veranlassung wurde Karl Czerny Beethoven's Schüler. Als Krumpholtz am 2. Mai 1817 plötzlich starb, schrieb Beethoven Tags darauf Schiller's »Gesang der Mönche« (aus Tell) für 3 Männerstimmen »Zur Erinnerung an den schnellen und unverhofften Tod unseres Krumpholz«.
184 Sei quartetti composti e dedicati al celeberrimo e stimatissimo fu suo Maestro il Signor Gius. Haydn in segno di perpetuo gratitudine.
185 Auf seiner Fahrt zum Opernhause entging der Consul Bonaparte nur zufällig dem Tode bei der Explosion einer Höllenmaschine.
186 Nach den Acten der Tonkünstler-Societät wurde Kraft zu Rokitzan, Bezirk Pilsen in Böhmen, am 30. Dec. 1752 geboren (nicht 1751 oder 1749, wie vielfach angegeben).
187 Über eine diesbezügliche Anekdote siehe Band I. S. 252
188 Musikalische Charakterköpfe, 1853. S. 217 ff.
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