Kunstreifen von Musikern sind heutzutage nichts Ungewöhnliches, ja sie sind – nicht bloß bei Virtuosen, sondern auch bei schaffenden Tonkünstlern – so allgemein, daß Seßhaftigkeit als Ausnahme gilt. In früheren Zeiten war es anders; drei der größten Gestirne am Firmament der Tonkunst, Bach, Beethoven, Schubert, haben kaum nennenswerte Reisen unternommen, Mozarts Reisen waren die eines Wunderkindes, nicht aus eigenem Antriebe, sondern in Befolgung der väterlichen Willensmeinung durchgeführt. Und so muß der Entschluß des dem sechzigsten Lebensjahre sich nähernden Haydn, seine ihm liebgewordene Umgebung zu verlassen und sich den Ungewißheiten und Beschwernissen einer Reise nach dem fernen und fremden Albion auszusetzen, als ein immerhin bemerkenswerter bezeichnet werden, bemerkenswert besonders durch das damit zum Ausdruck gebrachte Bewußtsein des eigenen Wertes und Könnens, das ihn, aller Abmahnungen ungeachtet, frohen Mutes diese Reise unternehmen ließ. Es soll allerdings nicht geleugnet werden, daß es wohl in erster Reihe finanzielle Beweggründe waren, die den schon bejahrten Meister zu diesem Entschlusse drängten. Die Aussicht, so viel zu erwerben und zurückzulegen, daß man nicht mehr von der Gnade eines, wenn auch noch so gütigen und freigebigen, Herrn abhängig war, daß man unter allen Umständen ein sorgenfreies Alter erwarten durfte, hatte viel Verlockendes für sich. Dazu kam noch ein zweites Moment; es handelte sich nicht bloß darum, die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erringen, sondern auch die soziale. Nicht mehr sollte Haydn als Untergebener, als Bedienter eines großen Herrn für diesen, über dessen Auftrag und ihm zu Gefallen schreiben, sondern hinaustreten auf den Kunstmarkt der weiten Welt, als freier Mann seine Werke vorführen und nach eigenem Willen schaffen für größere Verhältnisse, als es der fürstliche Haushalt in Esterhaz und Eisenstadt war.[3]
Zu diesen Beweggründen allgemeiner Natur kamen noch einige höchst persönlichster Art, die Haydn dazu bestimmt haben mögen, Salomons Antrag anzunehmen: Vor allem das Fehlen einer wirklichen fixen Stellung, hervorgerufen durch den Entschluß des Fürsten Paul Anton Esterhazy, die Kapelle aufzulösen und nur Haydn als Kapellmeister, Tommasini als Konzertmeister, die, »Feldharmonie« und ein paar Sänger für die Kirchenmusik beizubehalten, ohne – zumindest von den beiden ersten – wirkliche Dienstleistung zu verlangen. So war Haydn ein General ohne Soldaten, ein Kapellmeister in partibus, gebunden, ohne seinem Tätigkeitsdrang ein entsprechendes Betätigungsfeld geben zu können. Dann bekümmerte ihn vielleicht die Trennung von der Luigia Polzelli, die er, wenn auch nicht gerade innig, so doch verlangend liebte, wogegen ihm die nicht gerade verlockende Aussicht winkte, allein mit seiner Frau in Wien zusammenleben zu müssen; die Flucht nach England aus dem ehelichen Inferno kam ihm daher gerade recht. Letztlich kam noch ein Antrieb dazu: Der Ehrgeiz oder, um es brüsker zu sagen, die liebe Eitelkeit. Es gelüstete ihn, den Beifall und die Anerkennung einer großen und mächtigen Weltstadt persönlich entgegenzunehmen. Wien hatte sich, was äußere Zeichen der Wertschätzung betrifft, bisher recht zurückhaltend gezeigt, ja seine Anerkennung war damals in Wien keineswegs eine so allgemeine und unbeschränkte, als man glauben sollte. Bei Hof stand Haydn seit dem Tode der Kaiserin Maria Theresia nicht sehr in Gunst; Joseph II. hat seinem Mißfallen über Haydn und dessen Werke oft und deutlich Ausdruck gegeben1. Das Wiener Publikum, soweit es nicht ganz im Banne der Italiener stand, war vielfach geneigt, Mozart die Palme vor Haydn zu reichen, so daß man füglich sagen kann, die Schätzung Haydns sei – wie das bei Künstlern nicht selten der Fall zu sein pflegt – im Auslande eine größere gewesen als in seiner Heimat, die er aus all diesen Gründen, für den Augenblick wenigstens, leichten Herzens verließ. Welchen Gewinn der englische Aufenthalt Haydns außerdem noch für seine künstlerische Entwicklung bringen würde, von welch tiefgehendem Einfluß er für die Erweiterung seines Kunstbewußtseins und seines Könnens[4] werden, ja, daß er ihn eigentlich zur höchsten Stufe der ihm innewohnenden Schaffensmöglichkeiten führen sollte, hat Haydn wahrscheinlich selbst nicht vorausgeahnt. Er hatte auch sicher keine Ahnung von den künstlerischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der Themsestadt, in die er so mitten hinein platzen sollte. Besonders die Gesellschaftszustände dürften ihm ganz sonderbar vorgekommen sein und passen, wenn man genauer zusieht, keineswegs zu dem Bilde, das man sich über englisches Wesen macht. Damals wenigstens waren Genußsucht, Ausschweifung an der Tagesordnung, und von anglikanischer Würde oder puritanischer Enthaltsamkeit war keine Rede. Das schlechte Beispiel kam von oben: Hof und hoher Adel konnten sich nicht genug tun an Exzessen in Baccho et in Venere, die Maitressenwirtschaft stand in üppigster Blüte, und alle Bande der Zucht und Sitte, besonders aber die ehelichen Bande, waren völlig gelockert. Um dies Lotterleben führen zu können, mußten viele der hohen und höchsten Herren, an ihrer Spitze der Prinz von Wales, der nachmalige König Georg IV., Schulden machen, oft solche der schmutzigsten Art. Alle diese Affären wurden von der großen Menge mit Behagen besprochen, breitgetreten und nachgeahmt. Der Mahnruf, der aus Frankreich gellend herüberklang, verhallte ungehört, und das traurige Schicksal der mit Lebensgefahr und unter den größten Entbehrungen aus Frankreich in großer Zahl herübergeflüchteten Emigranten schien den Engländern noch nicht genug Warnung zu sein. Wie sich diese Zustände im Spiegel der Haydnschen Simplizität reflektierten, darüber geben des Meisters Tagebücher2 von seiner ersten und zweiten Reise beredten Aufschluß. Beispielsweise wenn er notiert: »Milord Chatam Hofkriegs[5] Praesident bruder v. Minister Pitt war 794 3 Tage so besoffen. daß er seinen Nahmen nicht unterschreiben konnte und deswegen verursachte, daß Lord Howe von London nicht abgehen und samt der ganzen Flotte nicht absegeln konnte.« Oder: »Lord Clermont gab einstens ein großes Soupé und da man die Gesundheit des Königs trunk, befahl Er der Harmonie Music den bekannten Gesang Gott segne den König auf der gasse unter den ungestümtesten schneewetter zu blasen, so geschehen den 19. Febry 792. So toll saust man in England.« Noch tieferen Einblick in die Londoner Gesellschaftsmoral als solche die Trunksucht des Engländers dieser Zeit illustrierenden Tagebuchnotizen sind jene, die sich mit der Sexual-Psychologie und-Soziologie des damaligen England befassen. Da stehe vor allem Haydns vernichtendes Urteil über die englische Weiblichkeit: »in Frankreich als Mädchen tugenhaft, Hure als Weib, in Holland Hure als Mädchen, tugenhaft als weib, in England bleibt Sie allzeit Hure.« Dann der Nachsatz bei dem Bericht über die Affäre der Sängerin Billington, an der mit Briefen vertraulichster Art eine Erpressung versucht wurde: »solche Historien sind allgemein in London, der Mann macht selbst dem weib Gelegenheit, um an derselben zu profitieren, und seinen Herrn schwager um 1000 und noch mehr Pfund Sterling zu bringen.«
Über die Maitressen der hohen Herren ist ganz London und mit ihm Haydn natürlich aufs genaueste informiert, und der gewissenhafte Meister notiert sich sogar hie und da die Summen, die diese Seitensprünge der fürstlichen Herrschaften kosten. Daß sich der Kunstdilettantismus dieser Herren auch gerne auf der erotischen Linie bewegte, entnehmen wir aus folgender Eintragung:
»Salomon und David waren große Sünder
hatten schöne Weiber, machten viele Kinder,
Da sie nicht mehr konten und kamen ins alter,
macht der Eine Lieder, und der andere Psalter.
NB. Lord Avington setzte es in Music, aber elendig, ich machte es wenig besser.«
Viel erfreulicher – das muß man gerechterweise feststellen – waren die Musikzustände im damaligen London.
England spielte um diese Zeit in musikalischen Dingen ungefähr dieselbe Rolle wie in unsern Tagen Amerika: gegenüber den andern Ländern herrschte ziemlicher Wohlstand, ja teilweise ungeheurer Reichtum;[6] die politischen Verhältnisse waren infolge der geographischen Lage ruhiger als sonstwo; das Interesse an Kunst, besonders an Musik – wenn auch nicht immer das Verständnis dafür – war ein sehr starkes. Es bestand die Sucht und infolge der geschilderten Verhältnisse die Möglichkeit, was es an bedeutenden Namen gab, nach London kommen zu lassen; und die man nicht holte, kamen freiwillig hin, um von der für Musik so günstigen Konjunktur zu profitieren. Eine Hochflut von Konzerten und Opernaufführungen, wie sie heutzutage in großen Musikzentren kaum stärker zu beobachten wäre, legt Zeugnis ab von dem intensiven Musikbetrieb, der damals in London eingerichtet war, der vielleicht nicht immer einem Musikbedürfnis entsprang, jedenfalls aber das Interesse für Musik gewaltig steigerte.
Das Charakteristische und für Haydn Neuartige war, daß das damalige Konzertleben Londons im großen und ganzen einen Zug ins Demokratische, häufig auch ins Kommerzielle hatte. Der Hof und der hohe Adel veranstalteten freilich in ihren vornehmen Palästen häufig Konzerte, betätigten sich vielleicht auch selbst als Amateure, aber der Zutritt zu diesen Veranstaltungen, die mehr gesellschaftlicher als künstlerischer Natur waren, blieb nur für einen ganz kleinen, exklusiven Kreis offen. Das Schwergewicht des Musiklebens lag teils in rein geschäftlich geführten Unternehmungen, die in den Händen einiger rühriger Männer waren, unter denen sich auch manchmal Künstler, wie z.B. Salomon, befanden, teils in den von Musikfreunden gegründeten und geleiteten Konzertgesellschaften, deren Zahl zur Zeit der Ankunft Haydns in London eine recht ansehnliche war.
Da gab es die »Academy of ancient music«, derenconductor in den 90iger Jahren Dr. Arnold und deren leader Salomon war; die Zahl der Ausführenden betrug ungefähr 65 (Chor und Orchester). Lange Zeit waren zum Besuche dieser Konzerte ausschließlich Herren zugelassen. Dann gab es die »Concerts of ancient Music«, die, mit großen Mitteln und unter Teilnahme hoher Kreise gegründet, daran zugrunde gingen, daß sie nach ihren Statuten nur Kompositionen von Musikern aufführen durften, die bereits 20 Jahre tot waren. Weiter existierten die Professional-Concerts, richtige Sinfoniekonzerte mit ausgezeichneten Solisten, Cramer als leader, die aber wegen schlechter administrativer Führung nur einige Jahre bestanden, und im Jahre 1791 entstanden die Salomon-Konzerte, mit Haydn als conductor[7] und ständigem Komponisten. Daneben betätigte sich eine Reihe von ständigen Chorvereinigungen: Die »Madrigal-Society«, die »Anacreontic-Society«, der »Noblemen and Gentlemen Catch-Club«, der »Glee-Club«. Ziemlich regelmäßige, wenn auch nicht häufige Konzerte wurden veranstaltet von einigen Organisationen zur Unterstützung von Musikern: Royal Society of Musicians of Great Britain, New Musical Fund, Choral Fund und Corporation of the Sons of Clergy. Von all diesen genannten Vereinigungen veranstalteten anfänglich nur die Professional Concerts Orchesterkonzerte für das allgemeine Publikum, Konzerte, wie sie heutigentags von unseren Konzertvereinen überall veranstaltet werden; für sie waren auch die Salomon-Haydn-Konzerte die stärkste und gefürchtetste Konkurrenz. Einen sehr breiten Raum im Musikleben Londons – damals wie heute, dort wie überall – nahmen die Solistenkonzerte ein. Sänger und Sängerinnen, Geiger, Pianisten, Oboisten, Harfenspieler, Wunderkinder und Greise überschwemmten die Konzertsäle mit ihren Produktionen. Viele dieser Konzerte fanden mit Orchesterbegleitung statt, und manche hatten sich der Mitwirkung erster Künstler, darunter auch Haydns, zu erfreuen. Noch zu er wähnen wären die großen Oratorienaufführungen, die ebenso wie verschiedene von Opernkräften bestrittene gemischte Konzertakademien in den Opernhäusern: Pantheon, Covent-Garden, Drury-lane, Haymarket Kings-Theatre stattfanden, und die große Händelfeier »Handel Commemoration«, die einige Jahre hindurch in der Westminster-Abtei vor sich ging.
Die Kunstkräfte, die zur Aufrechterhaltung dieses beinahe hypertrophisch zu nennenden Musikbetriebes notwendig waren, wurden entweder dem Reservoir der heimischen und bereits länger ansässigen Künstler entnommen, oder sie wurden eigens von den einzelnen Institutionen für eine oder mehrere Saisons engagiert; zum Teil waren es auch – wie schon erwähnt – unternehmungslustige Leute, die in der Hoffnung auf ideellen und materiellen Erfolg auf gut Glück in die Hauptstadt Englands gekommen waren. Haydn konnte, da die Internationalität des Künstlertums schon damals bestand, deshalb bei seiner Ankunft in London und bei seiner Wiederkunft im Jahre 1794 eine Reihe von Tonkünstlern begrüßen, die ihm von Wien aus bereits bekannt waren, deren Bekanntschaft er andererseits später in Wien – wohin sie auf ihren Kunstfahrten nachher[8] gleichfalls kamen – erneuern konnte. Vor allem wären da die großen weiblichen Gesangssterne jener Zeitzunennen – Elisabeth Bil lington, Gertrude Elisabeth Mara und Anna Selina Storace, mit denen dann später Brigida Banti wetteiferte. Mit Ausnahme der Billington hatte Haydn sie alle schon in Wien gehört und vielleicht auch persönlich kennen gelernt, begegnete ihnen dort auch später. Er verstand sich mit diesen launenhaften und hemmungslosen Primadonnen3, welche alle die Skandalchronik ebenso beschäftigten wie die Musikkritik, sehr gut, musizierte viel mit ihnen und pflegte auch privaten Verkehr, besonders mit der Mara, dieser, nach allem, was man über sie liest, begnadeten Sängerin, der Goethe zweimal – einmal noch als Demoiselle Schmehling im Jahre 1787 und das zweitemal zu ihrem letzten Geburtstage 1831 – seine dichterische Huldigung darbrachte.
Die männlichen Gesangskräfte waren für Haydn und sind auch für uns weniger von Interesse, dafür aber umso mehr die Komponisten und Instrumentalkünstler: unter den ersteren Adalbert Gyrowetz, der Haydn schon von Wien aus zugetan war und es nicht übelnahm, daß im Auslande seine Werke oft unter Haydns Namen aufgeführt wurden, dann Vincenzo Martini, für dessen »Cosa rara« Haydn in Wien einige Einlagen komponiert hatte, die englischen Tondichter Storace, Linley und Arnold; von den letzteren besonders die Künstlerfamilien Cramer, der Vater Wilhelm ein trefflicher Geiger und Dirigent, seine Frau Harfenistin und Klavierspielerin, seine beiden Söhne Joh. Baptist (der bekannte Klavierkomponist) und Franz; sowie Dussek, Johann Ladislaus4, Klavierspieler und Komponist, samt seiner Frau, als Sängerin Miß[9] Corri geheißen, und seiner Schwester Veronika; außerdem die Geiger Giornovichi, Janiewicz und Viotti, die Wunderkinder Bridgetower, Clement, Field, Hummel, und noch viel andere.
Von noch größerem Interesse dürfte es sein, einiges über die in London zur Verfügung gestandenen Aufführungskörper in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu erfahren, da man hieraus erst Einblick gewinnen kann in die gesteigerten Möglichkeiten, die Haydn in London teilweise selbst verwerten, teils in ihrer Verwendung kennen lernen sollte. War doch das kleine Orchester, das Haydn in Eisenstadt zur Verfügung hatte, von bescheidenem Umfange, und waren doch auch damals in Wien die Orchesterbesetzungen für gewöhnlich noch sehr schwache.
Ein Londoner Brief der Berliner Musikzeitung vom 18. März 1793 gibt die Stärke des Salomonschen Orchesters folgendermaßen an: »12–16 Violinen, 4 Bratschen, 3 Celli, 4 Kontrabässe, Flöte, Oboe, Fagott, Hörner und Trompeten und Pauken, im ganzen etwa 40 Personen.« (Klarinetten sind nicht erwähnt, waren aber, wenn gebraucht, sicher vorhanden.) Es heißt in diesem Bericht noch weiter: »... Der Saal hat eine gewölbte Decke, die Musik nimmt sich darin vortrefflich aus. Das Orchester ist en Amphitheatre geordnet.« Das war aber nur eine dem mittelgroßen Konzertsaal (Hanover square rooms) angepaßte Besetzung. In den Opera-Concerts, die im Jahre 1795 im Konzertsaale von Kings-Theatre abgehalten wurden, war das Orchester bereits 60 Mitglieder stark. Und wenn es darauf ankam, effektvolle Wirkungen auf ein großes Publikum zu erzielen, stiegen die Ziffern ganz gewaltig. So waren bei der ersten Händelfeier in Westminster-Abtei im Jahre 1874 ungefähr 540 Mitwirkende (Orchester und Chor) beschäftigt. Die Zahl der Mitwirkenden bei dieser Veranstaltung stieg dann in den folgenden Jahren, bis sie im Jahre 1791, bei der letzten in Westminster-Abtei abgehaltenen Händelfeier, die Ziffer von 1000 bereits überschritten hatte. Dazu kamen noch die gewaltigen Rieseninstrumente, die eigens gebaut wurden, um die Schallkraft des Orchesters zu vergrößern: ein Mammutkontrabaß, ein 16füßiges Riesen-Kontrafagott, Pauken, die um eine Oktave tiefer klangen, verschiedene Posaunen und Baßtrompeten. Man sieht, daß es nichts Neues unter der Sonne gibt, daß die Massenbesetzungen kein Produkt der neuen Zeit sind, und[10] daß man schon damals versuchte, die Intensität der Wirkung durch das numerische und physische Übermaß zu steigern.
Einen nicht ganz so großen, aber für jene Zeiten ganz respektablen Aufführungskörper stellte der New Musical Fund (ein Musiker-Unterstützungsverein) auf die Beine; Pohl nennt für das Jahr 1791 ein »Orchester« von 300 Personen, worunter aber Chor und Orchester zu verstehen ist, und im Jahre 1794 war die Ziffer bereits auf 400 gestiegen.
Einen Dirigenten im heutigen Sinne, der die ganze Aufführung leitete, gab es damals in der Regel noch nicht. Selbst bei Orchesterkonzerten mit einem für unsere Begriffe kleinen Instrumentalkörper ging gewöhnlich, auch in den Haydn-Salomon-Konzerten, die Leitung von zwei Stellen aus: vom Flügel, vomconductor, als welcher in unserem Falle Haydn fungierte und anscheinend einen Continuo spielte, obzwar das Prinzip des bezifferten Basses schon längst fallen gelassen war und sowohl der Baß wie die Harmoniestimmen vollständig ausgeschrieben und den Instrumenten genau zugeteilt waren; und vom Konzertmeister – dem leader –, der nicht nur die Geigen, sondern das ganze Orchester führte, wobei er natürlich immer in Fühlung mit dem Klavier bleiben mußte5. In den Salomon-Konzerten war dies selbstverständlich Salomon, von dem die Berliner Musikzeitung in ihrem obenzitierten Briefe sagt: »Salomon war immer ein guter Anführer, jetzt kann man sagen, daß er ein vortrefflicher ist.« In den meisten anderen großen Konzerten Londons war damals W. Cramer der leader, später Viotti. Über die Anordnung von Sängern und Orchester bei Oratorien-Aufführungen unterrichtet uns eine andere Korrespondenz des genannten Blattes vom 6. Juli 1793:
»Das Arrangement des Orchesters ist sehr gut. Ganz vorn ist eine Reihe der Solosänger: hinter diesen, erhöht, die der Chorsänger; sodann wieder unmittelbar hinter ihnen und dem Fortepiano, das das Ganze dirigiert, zur Seite die Violoncellen und Contrabässe und auf den Seiten folgen dann wieder in einem Amphietheater die übrigen Instrumente, bis hinten zur Orgel, die nur zur Verstärkung der Chöre gebraucht wird.«[11]
Bei Aufführungen in Kirchen hatte nach altem Usus der Organist die Leitung inne. Daß es bei weltlichen Anlässen, wenn die Kirche bloß als Festraum verwendet wurde, zu Kompetenzkonflikten kam, geht aus der Episode hervor, die Griesinger dem verloren gegangenen Tagebuche Haydns von der zweiten Londoner Reise entnommen hat:
»Den 21sten Jan. speiste ich bey Dr. Parsons, wo der Zank entstand, welcher von drey Doktoren, Parsons, Dupuis oder Arnold, die Antiphonie von Händel bey der Vermälung des Prinzen von Wallis im Orchester dirigieren sollte.
Dr. Parsons ist Kapellmeister von der königl. Kapelle, die andern zwey sind Hoforganisten. Es ist aber in England der Organist das Oberhaupt in allen Kirchen, und die Sänger stehen unter ihm. Jeder von den dreyen wollte den Takt führen. Als ich gezwungen war, meine Meinung zu entdecken, sagte ich: der minderjährige Organist solle die Orgel spielen, der andere solle seinen untergeordneten Singchor und Dr. Parsons die Instrumental-Performers dirigieren; und weil der Sänger immer den Vorzug vor dem Instrumentisten hat, so solle er mit seinem Chor rechts, der andere links stehen. Das wollten sie aber nicht; ich verließ die Gispeln [soll heißen Gimpeln] und ging nach Hause.«
Von Salomon, seinem kecken Erfassen der Situation, in der sich Haydn nach dem Tode des Fürsten Nikolaus Esterhazy befand, dem »Accord« mit Haydn war schon im II. Band (p. 244 ff.) die Rede, ebenso von dem Abschiede Haydns. Begleiten wir also die beiden Reisenden auf ihrer Fahrt nach dem Inselreiche.
Die Reise ging verhältnismäßig rasch von statten, schon auf Antreiben Salomons, der sich seiner Beute wohl nicht eher sicher fühlte, als bis er mit ihr britischen Boden betrat. In Deutschland sind nur zwei Orte zu nennen, in welchen längere Rast gemacht wurde, München und Bonn. In München lernte Haydn den Konzertmeister Christian Cannabich kennen, der mit dem Kurfürsten Karl Theodor und dessen Hof im Jahre 1777 von Mannheim als Leiter der italienischen Oper hierher übersiedelt war. Die Bekanntschaft mit diesem ausgezeichneten Musiker blieb Haydn stets eine angenehme Erinnerung. In Bonn, der Residenzstadt des Kurfürsten Maximilian, trafen die Reisenden am 25. Dezember, dem ersten Weihnachtsfeiertag, ein. Über den Aufenthalt[12] daselbst berichtet uns Albert Christoph Dies in seinen »Biographischen Nachrichten«, was er bei seinem zwölften Besuch bei Haydn aus des Meisters eigenem Munde erfahren hatte:
»Salomon führte Haydn am Sonntage (den 26.) in die Hofkapelle, eine Messe anzuhören; kaum waren Beyde in die Kirche getreten, und hatten sich einen schicklichen Platz gewählt, so nahm das Hochamt seinen Anfang. Die ersten Accorde kündigten ein Werk der haydn'schen Muse an. Unser Haydn hielt es für einen Zufall, der sich so gefällig gegen ihn bezeigte, ihm schmeicheln zu wollen; indessen war es ihm sehr angenehm, sein eigenes Werk mit anzuhören. Gegen das Ende der Messe, näherte sich eine Person und lud ihn ein, sich in das Oratorium zu begeben, woselbst er erwartet würde. Haydn begab sich dahin und war nicht wenig erstaunt, als er sah, daß der Churfürst Maximilian ihn dahin hatte rufen lassen, ihn gleich bey der Hand nahm, und ihn seinen Virtuosen mit den Worten vorstellte: ›da mache ich sie mit ihrem von ihnen so hochgeschätzten Haydn bekannt.‹ Der Churfürst ließ beyden Theilen Zeit, einander kennen zu lernen, und, um Haydn einen überzeugenden Beweis seiner Hochachtung zu geben, lud er ihn an seine Tafel. Haydn kam durch diese unerwartete Einladung in nicht geringe Verlegenheit; denn er und Salomon hatten in ihrer Wohnung ein kleines Diner veranstaltet, es war schon zu spät eine Abänderung zu treffen. Haydn mußte also zu Entschuldigungen die Zuflucht nehmen, die der Churfürst für gültig annahm. Haydn beurlaubte sich darauf, und begab sich nach seiner Wohnung, woselbst er von einem nicht erwarteten Beweise des Wohlwollens des Churfürsten überrascht wurde; sein kleines Diner war nämlich auf des Churfürsten stille Ordre in ein Großes zu 12 Personen verwandelt, und die geschicktesten Musiker dazu eingeladen worden.«
Der weitere Verlauf der Reise ist aus den von Haydn an seine verehrte Freundin Marianne von Genzinger gerichteten Briefen6 zu entnehmen.
In Brüssel hielten sich die Reisenden nur eine Stunde auf und langten bei anhaltend schlechter Witterung und fortwährendem Regen am Abend des 31. Dezember in Calais an. Haydn war infolge der ungewohnten Strapazen, der mangelnden Ordnung und[13] Unregelmäßigkeit in Schlaf und Nahrung sehr ermüdet und, wie ihm selbst vorkam, »etwas mägerer« geworden. Am Neujahrstage 1791, es war ein Samstag, war Haydns erster Gang zum Gottesdienst in die Kirche. Um 1/28 Uhr bestiegen sie das Paketschiff zur Überfahrt nach Dover. Die Windstille brachte sie nur langsam vorwärts. Haydn blieb auf dem Verdeck »um das ungeheuere Tier, das Meer, sattsam zu betrachten«. Endlich erhob sich der vom Kapitän und den Passagieren ersehnte Wind, wurde heftiger und heftiger, und ein Passagier nach dem anderen suchte die unteren Räume des Schiffes auf.
Haydn aber hielt stand; nur überfiel ihn, als er die herandringenden ungestümen hohen Wellen sah, eine kleine Angst und mit dieser eine »kleine Uebligkeit«, die er aber mutig überwand, während die Mehrzahl der Mitfahrenden der See ihr Opfer brachte und, »wie die Geister aussahen«. Dover war endlich erreicht, aber der eingetretenen Ebbe halber konnte das Schiff nicht in den Hafen einlaufen. Zwei kleinere Schiffe wurden vom Ufer entgegengesandt, und wer Lust und Mut hatte, sich dem Sturmwind auszusetzen, langte um fünf Stunden früher an als das Paketschiff, das erst die Flut abwarten mußte. Haydn gesellte sich den Kühneren zu und konnte um fünf Uhr nachmittags in Dover an Land gehen. In London langte Haydn mit Salomon am Sonntag, den 2. Januar an. »The Morning Chronicle«, welches Blatt auch durch eine von Salomon aus Wien gesandte Notiz die Londoner auf Haydns Besuch vorbereitet hatte, war die erste Zeitung, die Haydns Ankunft in London meldete. Er war in der City in Holborne Nr. 45, gegenüber Chancery Lane, bei dem Musikalienhändler Bland abgestiegen, welcher ihn im Jahre 1789 in Esterhaz besucht hatte, während Salomon sich nach seiner Behausung begab, um die für Haydn bestimmten Zimmer herrichten zu lassen. Haydn merkte, wie er versichert, jetzt erst die Folgen der beschwerlichen Reise und brauchte zwei Tage, um sich davon zu erholen. Am Tage nach seiner Ankunft war Haydn von Mr. Bland, über dessen Erbsensuppe er sich sehr bewundernd ausspricht, zu Salomon nach Great Pulteney Street 18, Golden Square (etwas östlich von der jetzigen Regent Street und parallel zu dieser) übersiedelt. Dem Hause schräg gegenüber war das Etablissement der Pianofortefabrik Broadwood, mit deren Inhaber Haydn gute Beziehungen pflegte. Er fand in 18, Pulteney Street, »ein[14] niedliches, bequemes, auch theures Logement«; der Hausherr, ein italienischer Koch, besorgte die Küche. Haydn kam bald mitten in das ziemlich bewegte Londoner Gesellschaftsleben; er hatte Besuche abzustatten und zu empfangen sowie einer Menge Einladungen zu Tisch, zu Abendgesellschaften (Routs), zu Konzerten und Akademien Folge zu leisten. Er gab zunächst ein Empfehlungsschreiben an den österreichischen Gesandten, den Grafen Stadion, das ihm der Fürst Kaunitz mitgegeben hatte, ab. Es hatte folgenden Wortlaut:
»Hochgeborner Reichsgraf!
Der fürstlich Esterhazische Kapellmeister und allgemein berühmte Compositor Herr Josef Haiden hat einen Ruf nach London erhalten, und wird durch einige Zeit daselbst verbleiben. Vor seiner Abreise hat er mich um ein Empfehlungsschreiben an Eure Hochgebohren ersucht, welches ich ihm mit so größerem Vergnügen ertheile, je mehr dieser Mann von ganz besonderen Talenten und den schätzbarsten, persönlichen Eigenschaften der vorzüglichsten Empfehlung würdig ist. Eure Hochgebohren wollen ihm daher bestens an Hand gehen, und alle thunliche wirksame Beförderung angedeihen lassen.
Ich verharre mit vollkommener Hochachtung
Eure Hochgebohren
schuldiger Diener
Kaunitz R.
Wien den 13. Dezember 1796
An Herrn Grafen Stadion«
Weiter überbrachte er dem Gesandten Neapels, dem Fürsten Castelcicala, das ihm vom König von Neapel selbst übergebene Empfehlungsschreiben. Beide Gesandten verfehlten nicht, ihren Gegenbesuch zu machen. Besonders aber drängte es Haydn, den Musikschriftsteller Dr. Charles Burney kennen zu lernen, mit dem er schon seit Jahren in schriftlichem Verkehr stand, und der Haydns Reise nach England literarisch so gut vorbereitet hatte. Burney wohnte in dem nahegelegenen Chelsea, wo er als Organist von Chelsea College angestellt war. Er hatte sofort Haydns Ankunft in England durch ein sehr umfangreiches, begeistertes Gedicht gefeiert. Der Titel lautete: »Verses on the Arrival of the great musician Haydn in England«7.[15]
Über die zahlreichen in der einsetzenden Saison zu erwartenden musikalischen Genüsse informiert die kurze Vorschau, die »Morning Chronicle« in der Nummer vom 30. Dezember 1791 gibt:
»The musical arrangements now making promise a most harmonious winter. Besides two rival opera houses, a Concert is planned under the auspices of Haydn, whose name is a tower of strength, and to whom the amateurs of instrumental music look up as the god of the science. Of this concert Salomon is to be the leader, and Mad. Mara the principal singer.
The professional concert under the able conduct of Cramer, is to be reinforced by Mrs. Billington, assisted occasionally by M. and Mrs. Harrison.
The Ancient concert under the patronage of their Majesties will continue soon after the Queen's Birth-day, with Cramer as their leader and Storace as the principal singer. The Ladies subcription concert is to be continued as usual on the Sunday evenings by permission (we hope) of his Grace the Archbishop of Canterbury.
There will be Oratorios twice a week, at the Theatres of Drury-Lane and Covent-garden during Lent.
These with the Academy of Ancient Music will constitute the principal public musical entertainments of the winter.«
Haydn besuchte schon in den nächsten Tagen eine Reihe von musikalischen Veranstaltungen. Am 6. Januar war er im Konzert der »Academy of ancient music« in »Free Mason's Hall«, welches Dr. Arnold dirigierte, wobei Salomon als Leader fungierte. Am 7. Januar war er nach seinem Tagebuch zu einem Liebhaberkonzert geladen, und am 12. wohnte er einem Meeting der »Anacreontic Society«, welches im »Crown and anchor inn« am Strund stattfand, bei. Hierbei wurde unter Cramers Leitung u.a. auch eine Haydnsche Sinfonie aufgeführt. Auch erschien er am 18. Januar auf dem Hofball, welcher an diesem Tage zu Ehren des Geburtstages der Königin im St. James-Palast veranstaltet wurde, in Begleitung von Sir John Gallini, Mrs. Wills und Salomon und wurde vom Prinzen von Wales durch eine achtungsvolle Verbeugung ausgezeichnet, wodurch er die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog. Das Ereignis wurde umsomehr besprochen, als er damals bei Hof noch nicht vorgestellt war. Am nächstfolgenden Tage wurde er dem[16] Kammerkonzert im Carltonhouse, dem Palais des Prinzen von Wales, zugezogen, um schon als Ausführender mit Salomon, Giornovichi und dem italienischen Tenor David sich zu betätigen, war weiter am 2. Februar dem ersten der »Ancient music concerts« (Their Majestie's concerts), das fast ausschließlich Kompositionen von Händel gewidmet war. In diesem Konzert sangen die Sängerinnen Mara und Storace und die Tenöre Kelly und Nield. Haydns Wunsch, in einem dieser Konzerte, die in ganz vorzüglicher Ausführung und Vorbereitung stattfanden, aufgeführt zu werden, konnte jetzt noch keine Erfüllung finden, da laut den Statuten der Gesellschaft von einem lebenden Komponisten nichts aufgeführt werden durfte.
Haydn war schon darauf vorbereitet worden, daß Salomon in dem Unternehmen der Professional concerts eine starke Konkurrenz gegen sich hatte. Durch die Berufung Haydns hatte er seinen Gegnern einen empfindlichen Stoß versetzt, und sie setzten alles daran, um ihm das Leben so sauer als möglich zu machen. Der Anfang war nicht sehr glückverheißend für Salomon. Er hatte seine 12 Subskriptionskonzerte Mitte Januar angekündigt und das erste Konzert für Freitag, den 11. Februar festgesetzt. Salomon hatte außer Haydn, welcher für jeden Abend eine neue Komposition zu liefern und die Ausführung am Klavier zu leiten verpflichtet war, auch eine Reihe von hervorragenden Sängern und Instrumentalisten engagiert. Unter diesen war auch der Tenor David; da dessen erstes Auftreten die italienische Oper in King's Theatre für sich in Anspruch nahm, war Salomon gezwungen, sein erstes Konzert zweimal zu verschieben. Dies gab den Professionals die Möglichkeit, Salomon den Rang abzulaufen, indem sie ihr erstes Konzert schon Montag, den 7. Februar in Hanover Square rooms abhalten konnten. Sie hatten übrigens Haydn eine Freikarte für alle ihre Konzerte überreicht und waren so taktvoll, in ihrem ersten Konzerte sowohl ein Streichquartett als auch eine Sinfonie von Haydn, beide unter Leitung von Cramer, aufzuführen, wobei sich Haydn äußerte, daß er seine Sinfonien noch nie so ausgezeichnet habe aufführen hören. Es ist auch anzunehmen, daß die hämischen Ausfälle gegen Haydn, die einzelne Zeitungen brachten, und in welchen versucht wurde, Pleyel gegen seinen einstigen Lehrer Haydn auszuspielen, keineswegs von den Professionals inspiriert waren. Am 18. Februar besuchte Haydn eines der Ladies concerts, welches[17] diesmal bei Mrs. Blair in Portland Place abgehalten wurde, wobei Signor Pacchierotti Haydns Kantate »Arianna a Naxos«, von Haydn selbst am Klavier begleitet, mit großem Erfolge sang. Die »Ariadne« war das erste Werk, mit welchem Haydn bei seiner Anwesenheit wirklich großen Erfolg, auch äußerlich, erzielte; sie wurde bald zu einem der beliebtesten Stücke beim Londoner Konzertpublikum. Schon am 24. Februar wurde sie in einem großen Konzerte, das der junge Verein »New musical fund« im Pantheon mit einem 300 Musiker starken Orchester gab, wiederholt; außerdem wurde in diesem Konzerte eine Sinfonie und ein Streichquartett von Haydn unter großem Beifall aufgeführt. Endlich, Freitag, den 11. März, war Salomon imstande, den Zyklus seiner Abonnementkonzerte zu eröffnen. Wie Haydn es sich schon vorher ausbedungen hatte, kam seine neue Sinfonie erst zu Beginn der zweiten Abteilung zur Aufführung. Später wurde manchesmal auch die erste Abteilung mit einer älteren Sinfonie Haydns eröffnet. Das Programm dieses ersten Abends lautete:
»Part First.
Overture................................................ Rosetti
Song, Signor Tajana.
Concerto Oboe, Mr. Harrington.
Song, Signora Storace.
Concerto Violin, Madame Gautherot.
Recitative e Aria, Signor David.
Part Second.
New Grand Overture................................ Haydn
Recitative e Aria, Signora Storace.
Concertante Pedal Harp and Piano Forte, Mad. Krumpholtz and Mr. Dusseck.
Rondo, Signor David.
Full Piece, Kozeluch.
Mr. Haydn will be at the Harpsichord.
Leader of the Band, Mr. Salomon.
Tickets transferable, as usuel, Ladies to Ladies, and Gentlemen to Gentlemen only.
The Ladies' tickets are Green, the Gentlemen's Black.
The Door in the Square is for Chairs only«.[18]
Die Sinfonie, welche Haydn damals aufführte, war die erste der unter dem Titel »Londoner Sinfonien« bekannten 12 Werke und stand in D-dur (Breitkopf & Härtel, Nr. 5, Gesamtausgabe Nr. 93). Dem Publikum schien der langsame Satz (Adagio) am besten zu gefallen, und es verlangte dessen Wiederholung, wie Haydn in seinem Brief an die Polzelli vom 4. März schreibt8.[19]
In den Zeitungskritiken wird dagegen der erste Satz speziell gelobt.
Fassen wir hier gleich die weiteren Konzerte bis zum 3. Juni zusammen. Sie fanden sämtlich an Freitagen, abends 8 Uhr, statt. Das Publikum setzte sich aus den besten Kreisen der Londoner Gesellschaft zusammen. Schon beim zweiten Konzert erschien der Prinz von Wales, »der gerade zur richtigen Zeit kam, am Triumphe Haydns teilzunehmen«. Außer seinen neuen Sinfonien, die in den folgenden Konzerten auf besonderes Verlangen gewöhnlich wieder, und zwar meistens zwei- oder dreimal angesetzt werden mußten, brachte Haydn auch ältere Kompositionen, namentlich die für Paris geschriebenen Divertimenti und Notturni, dann Streichquartette usw. zur Aufführung. Von den Sinfonien mußte meistens einer der Sätze, gewöhnlich der langsame, sofort wiederholt werden. – Das zweite der Konzerte, dem, wie erwähnt, der Prinz von Wales beiwohnte, wurde am 18. März abgehalten. Von Haydn enthielt das Programm ein Streichquartett als Schluß der ersten Abteilung und in der zweiten Abteilung die im ersten Konzert aufgeführte Sinfonie in D-dur, »auf besonderes Verlangen wiederholt«. Eröffnet wurde das Konzert durch eine Sinfonie von Mozart. – Das dritte Konzert fand am 25. März statt und brachte die Uraufführung einer neuen Sinfonie von Haydn; es war die vierte der sogenannten »Londoner Sinfonien« in B-dur (Breitkopf & Härtel Nr. 8, Gesamtausgabe Nr. 98), weiter eine neue von Haydn komponierte Kantate, die von Frau Storace gesungen wurde. Das Programm enthielt auch eine Sinfonie »La chasse« des Komponisten F.A. Hoffmeister in Wien. – Am 7. April sollte das Benefizekonzert Haydns abgehalten werden, mußte aber infolge verschiedener Schwierigkeiten verschoben werden. Im April veranstaltete der rührige Salomon weitere vier Konzerte, deren zweiter Teil immer programmgemäß mit einer Sinfonie von Haydn eröffnet wurde. – In dem fünften Konzert am 8. April wurde außerdem noch ein neues Divertimento von Haydn für zwei Violinen, zwei Violen Oboe, Flöte, zwei Hörner, Violoncello und Kontrabaß aus dem Manuskript gespielt. – Im sechsten Konzert am 15. April wurde ein neues Streichquartett von Haydn aufgeführt und dieD-dur-Sinfonie, die am ersten Abend ihre Uraufführung erlebte, auf besonderes Verlangen abermals wiederholt. Die weiteren Konzerte[20] fanden am 8., 13., 20. und 27. Mai, das zwölfte und letzte am 3. Juni statt. Am 16. Mai fand Haydns Benefizekonzert statt. Das Programm desselben lautete [nach Pohl]:
Abtheilung I.
Neue große Sinfonie Haydn.
Arie, gesungen von Sgra. Storace.
Concertante für zwei Bassethörner, vorgetragen von den Herren Vincent Springer und Dworzack.
Neue Arie, mit obligater Begleitung von
Oboe u. Fagott, vorgetr. v. Sig. David Haydn.
Violinconcert, vorgetr. v. Sig. Giornovichj.
Abtheilung II.
Die neue große Sinfonie, im ersten
Salomon-Concerte aufgeführt (auf besonderes
Verlangen) Haydn.
Cantata, vorgetr. v. Sig. Pacchierotti Haydn.
Concertante für Pianoforte und Pedalharfe,
vorgetragen von Mr. Dussek und Madame
Krumpholz Dussek.
Duetto, vorgetr. v. Sig. David und Sig. Pacchierotti,
Finale Haydn.
Es brachte eine Einnahme von 350 Pfund Sterling, so daß Haydn, dem der Ertrag von 200 Pfund Sterling garantiert worden war, sich über eine stattliche Mehreinnahme freuen konnte. Haydn wußte sich auch energisch auf seinen Vertrag zu berufen, da Salomon den Versuch machte, die Kosten des Orchesters auf Haydn zu überwälzen. – Inzwischen war auch The King's Theatre eröffnet worden, leider nicht, wie alle daran Beteiligten gehofft hatten, mit einer italienischen Oper, sondern mit einer gemischten Akademie unter dem Titel »Abendunterhaltung« mit Musik und Tanz. Der von Gallini trotz der mangelnden obrigkeitlichen Bewillung in Form einer Generalprobe veranstaltete erste Opernabend – es wurde Pyrrhus von Paisiello gegeben – hatte den Zorn der Gegner des neuen Unternehmens erst recht erregt, und sie wußten den König gegen die entstandene Konkurrenz einzunehmen. Gallini half sich daher mit Akademien und hoffte, mit der Zeit doch die königliche Bewilligung zu erlangen. Der ersten Abendunterhaltung folgten wöchentlich zweimal, Dienstag und Samstag, weitere. So war es möglich, das mit großen Kosten an Stelle des am 17. Juni 1789 abgebrannten alten Operntheaters errichtete prächtige neue Haus entsprechend auszunützen, da die Aufführung von Opern durch einen Ukas des Königs, resp. seines Hofmarschalls, untersagt worden war.[21] Vergeblich bemühten sich der Prinz von Wales und die um ihn gescharten jüngeren Angehörigen des Hofes, eine Zurücknahme des Ediktes zu erwirken. Der König hielt seine schützende Hand über das Pantheon, die erbeingesessene italienische Oper, und ließ keine Konkurrenz für dieses Institut aufkommen. Haydn hatte für King's Theatre die kontraktlich zu liefernde Oper »Orfeo« nahezu fertiggestellt, sie sollte aber nie das Licht der Rampe erblicken.
An dem ersten dieser gemischten Abende, deren Programme sehr bunt waren, und durch welche man dem Geschmack der Abonnenten Rechnung tragen wollte, wurde nichts von Haydn aufgeführt, an den folgenden Abenden jedoch war Haydn sehr oft mit Kompositionen vertreten. Bei einer dieser Unterhaltungen am 19. Mai wurden die Musikstücke durch Tanz und lebende Bilder illustriert Von Haydn kam hierbei seine »Jagd-Sinfonie« und eine für Signor David komponierte Kantate mit Haydn am Klavier zur Aufführung. Am 2. Juni, der sogenannten »Manager's night«, dem Benefizekonzert des Direktors Sir John Gallini, wurde von Haydn ein siebenstimmiges Gesangsstück (Italian catch) von den Solisten, mit David an der Spitze, gesungen, das solchen Erfolg hatte, daß es fast an jedem der folgenden Abende wiederholt wurde. Die letzte dieser Veranstaltungen fand am 9. Juli statt.
Haydn war inzwischen nach Lisson Grove übersiedelt, um, fernab von dem geräuschvollen Getriebe der Weltstadt, mehr Ruhe zur Arbeit zu finden. Freilich, ganz weltabgeschieden war er nicht. Abgesehen von den Salomon-Konzerten und den gemischten Abendunterhaltungen gab es noch hie und da Einladungen zu Mitwirkungen, die er füglich nicht abschlagen konnte. Am 30. Mai wurden »auf Verlangen mehrerer hochgestellter Musikfreunde« in einem großen Konzerte unter Haydns Leitung »Die sieben Worte des Erlösers am Kreuze« in der ursprünglichen Fassung als Instrumentalwerk (Passione instrumentale) aufgeführt. Das Konzert, das in Hanover Square rooms stattfand, brachte in der ersten und dritten Abteilung noch je eine Sinfonie von Haydn. In dem Benefizekonzert, das der zehnjährige Violinvirtuose Clement9 am[22] 10. Mai gab, wurden unter Haydns Leitung »Die sieben Worte des Erlösers am Kreuze« widerholt, nachdem ihnen die Uraufführung einer neuen Sinfonie von Haydn vorangegangen war. Am 23., 26., 28. Mai und 1. Juni hatte der Meister Gelegenheit, kennen zu lernen, bis zu welchem Grade die Liebe und Begeisterung für Händel in England gediehen war, und wie man es hier verstand, die Aufführung der Händelschen Werke eindrucksvoll zu gestalten. Es ist oft gesagt worden, daß unter der Nachwirkung des Eindruckes, den die Händelsche Musik, wie er sie in England gehört, auf Haydn geübt hat, seine beiden großen Oratorien »Die Schöpfung« und die »Jahreszeiten« entstanden sind Es waren nicht bloß die Händelschen Tonwerke selbst, die Haydn gewiß schon vorher teilweise aus Aufführungen, teilweise aus Partituren gekannt haben dürfte, die diese nachhaltige Wirkung auf ihn übten. Mehr noch war es die ganze Vorbereitung, die ganze Inszenierung der Aufführungen, die zu Musikfesten gestaltet wurden, an denen hoch und niedrig teilnahm, wodurch Haydn[23] auf das stärkste berührt werden mußte. Die Händelfeier (Handel commemoration) des Jahres 1791, für eine Reihe von Jahren die letzte, war besonders groß angelegt und übertraf weitaus alle vorangegangenen10; der ganze technische Apparat, der aufgeboten wurde, die Zahl und Qualität der Mitwirkenden, die rege Teilnahme des Publikums, mußten sich in Haydns empfängliches Gemüt unauslöschlich eingraben und ihm neben der Bewunderung für seinen Mitregenten im Reiche der Töne den Wunsch eingeben, etwas Ähnliches zu schaffen.
Ein wenig bekannter Zwischenfall während Haydns erstem Aufenthalt in London wird in der »Musical Times« vom 1. Mai 1909 (S. 297, f.) berichtet. Für den 18. Mai 1791 war in Oxford von einem gewissen Hayward ein Konzert angekündigt worden mit folgender Hinzufügung: »The Harpsichord by Mr. Haydn from Vienna, who comes entirely to serve this Concert, and is returning to London the next Morning.« Haydn war jedoch zu diesem Konzerte zur Bestürzung des Veranstalters und des Publikums nicht erschienen. Drei Tage nachher erschien in Jacksons Oxford Journal folgende Erklärung:
»Mr. Hayward ... is exceedingly sorry, for the disappointment occasioned by Mr. Haydn's not attending the Music room that Evening, contrary to a solemn Promise given, as he had actually said, he would be ready to get into the carriage with the singers, and Mr. Burtchart, who was to have come with him at an early hour; but when the carriage went to take him up at Lisson Grove, near Paddington, he begged Mr. Forezani to acquaint Mr. Hayward, that he was obliged to attend a rehearsal of an opera that morning, but that he would follow afterwards in a post-chaise, so as to get to Oxford by seven o'clock. Why he did not come, Mr. Hayward will endeavour to learn, in order to give every satisfaction imaginable to the company present that evening at the Room.«
Am 28. Mai enthielt Jacksons Oxford Journal nachstehende Entschuldigung von Haydn selbst:
»Whereas at the request of Mr. Jung, an acquaintance of mine from Vienna, I faithfully promised to play the harpsichord[24] at Mr. Hayward's Benesit Concert, the 18th instant (which day I had appointed myself), but was prevented from coming on account of rehearsal at the Opera House, which lasted from two until half-past four on that day I take the liberty by this paper to express the greatest sorrow for not having been able to stand by my promise. As the University of Oxford, whose great reputation I heard abroad, is too great an object for me not to see before I leave England, I shall take the earliest opportunity of paying it a visit, and hope at the same time to make a personal apology to those ladies and gentlemen who were lind enough to honour Mr. Hayward with their company.
Joseph Haydn.«
Im Juli hielt Haydn auch tatsächlich sein Versprechen und kam nach Oxford, – um sich den Doktorhut zu holen.
Dr. Burney, von glühender Verehrung für Haydn erfüllt und stets darauf bedacht, dem Meister auch äußerliche Zeichen genügender Würdigung zu verschaffen, hatte sich dafür eingesetzt, daß Haydn bei den diesjährigen Promotionen von der Universität zu Oxford zum Doctor honoris causa vorgeschlagen werde. Burneys Anregung fiel auf fruchtbaren Boden, und er konnte anfangs Juli mit seinem berühmten Schützling nach der malerischen Universitätsstadt abreisen, wo vom 6. bis 8. Juli die großen Feierlichkeiten in althergebrachter Weise stattfanden. Als Ort der Aufführungen diente damals wie von jeher das Universitäts- (oder Sheldonian-) Theater; als Mitwirkende hatte man die hervorragendsten Künstler der Londoner Season herbeigerufen, darunter die Sängerinnen Storace, die Sänger David, Kelly, Webb, Bellamy u.a. Der Chor setzte sich aus den besten Sängern der kgl. Kapelle von Windsor und aus den Kirchenchören von Oxford und Worcester, das Orchester aus Mitgliedern der italienischen Oper, der professionals Concerts und Oxforder Musikern zusammen. Konzertmeister war Cramer, Hauptdirigent Dr. Hayer. (Es ist bemerkenswert, daß Salomons Orchester nicht vertreten war und dieser selbst auch fehlte.) Unter den Instrumentalisten, die auftraten, war auch der junge Clement, dessen Spiel großen Beifall fand. Die Programme der drei in den Abendstunden stattgefundenen Konzerte (Pohl, H. in L., S. 146 –147) wiesen als Hauptstücke Werke von Händel (Ouvertüren, Chöre, Arien aus Oratorien) auf, außerdem[25] auch Werke von verschiedenen anderen Komponisten. Von Haydn wurde aufgeführt im 3. Konzert die Kantate »Ariadne auf Naxos«, gesungen von Sigra. Storace, vom Komponisten begleitet, und in jedem Konzerte eine Sinfonie. Haydn hatte als die übliche Gegengabe des Graduierten an die Fakultät eine neue Manuskript-Sinfonie bestimmt; da er aber durch eine Verspätung auf der Reise nicht rechtzeitig genug ankam, um die nötigen Proben abzuhalten, wählte er für das erste Konzert eine dem Orchester schon bekannte Sinfonie, für die er nur eine Verständigungsprobe notwendig hatte. Es war die Sinfonie G-dur, Ges.-Ausgabe Nr. 92, von da ab als Oxford-Sinfonie bekannt. Im Programm des zweiten Konzertes hieß es bei der Haydnschen Sinfonie: »expressly selected for His concert.« Es war höchstwahrscheinlich eine andere als die obenerwähnte, denn wir hören, daß Haydn noch vormittags hierfür eine Probe abhielt. Haydn, der schon beim ersten Konzert, als er vor Beginn der zweiten Abteilung an der Seite Dr. Hayes erschien, um seinen Platz an der Orgel einzunehmen, mit großem Beifall empfangen wurde, war die ganzen Tage über Gegenstand verehrungsvoller Huldigungen. Der eigentliche Festakt, bei welchem die verliehenen Würden verlesen und die üblichen Feierlichkeiten abgehalten wurden, fand Freitag den 8. Juli vormittags im Sheldonian Theatre statt, wobei auch Haydn seinen Doktorgrad (voluntarily and liberally conferred) erhielt. Am Abend erschien unser neugebackener Doktor beim Konzert schon in dem seiner Würde entsprechenden Galakleide: schwarzseidener Mantel und viereckiges Barett mit Quaste, und der Beifall, mit dem er empfangen wurde, schwoll stürmisch an, als er, gewissermaßen zum Zeichen des Dankes für die ihm widerfahrene Ehre, seinen Mantel ergriff, auseinanderbreitete und die Worte sprach: »I thank you«. Haydn hatte die ganzen Oxford-Feierlichkeiten in einem Notizbuch aufgezeichnet, das er aber, als er es später Dies zeigen wollte, nicht mehr fand. Eine Schilderung davon entwarf er auch in einem an Frau Genzinger durch einen in London ansässigen Wiener Musiker namens Josef Diettenhofer11, der damals in seine Vaterstadt reiste, geschickten Brief, der[26] seine Adressatin aber nie erreichte. Haydn erwähnt diese briefliche Schilderung dann in zwei späteren Schreiben an Frau v. Genzinger vom 17. September und 20. Dezember 1791, in deren ersterem er aber das Datum des durch Diettenhofer übersandten Briefes irrtümlich mit 3. Juli bezeichnet, während die Festlichkeiten doch erst am 6. Juli begannen. Haydn war auf die Verleihung der Oxforder Doktorwürde sehr stolz und unterfertigte seinen Namen – speziell in England – sehr gerne »Dr. Joseph Haydn« oder mit dem Zusatz »Doctor zu Oxford« und sprach noch in späteren Jahren voll Freude über die Promotionsfeierlichkeiten und das Doktorkleid. Zu Dies äußert er sich zwar: »Ich kam mir in diesem Mantel recht possierlich vor und was das Schlimmste war, ich mußte mich drei Tage lang auf der Gassen so maskiert sehen lassen.« »Jedoch«, setzte er hinzu »habe ich dieser Doctorwürde in England viel, ja ich möchte sagen, Alles zu verdanken; durch sie trat ich in die Bekanntschaft der ersten Männer, und hatte Zutritt in den größten Häusern.« Haydn hat die Wirkung und den Eindruck, den die Verleihung der Doktorwürde auf die Engländer machte, gewiß überschätzt oder nur aus Bescheidenheit so gesprochen. Schon vorher war sein Name im Munde aller derer, die sich für die Tonkunst interessierten, und zu der Verehrung, die man ihm in England entgegengebracht hat, hat die neue Würde nichts mehr hinzufügen, andrerseits seine Gegner auch nicht zum Schweigen bringen können.
Im Universitäts-Katalog aller Promovierten (Catalogue of all graduates) findet sich die Eintragung:Haydn (Joseph composer to his Serene Highness the Prince of Esterhazy) cr. D. Mus. July 8. 1791. Ein eigentliches Doktor-Diplom erhielt Haydn nicht, da über die Promotionen honoris causa nur ein Protokoll aufgenommen wird, welches im Register als Act of Convocation eingetragen wird. Der Register-Auszug über Haydn lautet (Pohl, l. c., S. 151:)
Die Veneris octavo die mensis Julii anno Dom. 1791 causa Convocationis erat, ut ... grata celebraretur publicorum Benefactorum Commemoratio ... et ut alia negotia academica peragentur ... Proponente ... Domino Vice Cancellario placuit venerabili coetui ut celeberrimus et in re musica peritissimus vir Josephus Haydn ad Gradum Doctoris in Musica honoris causa admitteretur.[27]
Unser Haydn aber, als genauer und sparsamer Mann, notierte in sein Tagebuch: »Ich mußte für das Ausläuten zu Oxford wegen der Doctorwürde anderthalb Guineen und für den Mantel eine halbe Guinee zahlen; die Reise kostete sechs Guineen.«
Als Gegengeschenk für die ihm verliehene Würde sandte Haydn später der Universität zu Oxford einen dreistimmigen Krebskanon (vgl. Pohl, l. c., S. 152); es ist der erste jener Kanons, die Haydn auf die Texte der zehn Gebote setzte, hier aber mit dem Text »Thy voice, o Harmony is divine12.«
Der frischgebackene Doktor wurde sogleich in die nicht lange vorher neugegründete Musical Graduates Society als Mitglied gewählt; dem kurz nachher, am 3. August, stattgehabten sechsten Meeting dieser Gesellschaft beizuwohnen war Haydn infolge anderweitiger Verpflichtungen verhindert, aber das achte Meeting, am 20. Oktober desselben Jahres in Grosvenor Gate, konnte sich seiner Gegenwart rühmen.
Nach London zurückgekehrt verpflichtete sich Haydn aufs neue seinem Freunde Salomon für die nächstjährigen Konzerte, und beide zeigten diese Vereinbarung am 16. August im »Morning Chronicle« an: »Dr. Haydn and Salomon are to continue their concerts on the same plan which gave them so much celebrity last winter.« Die finanziellen Bedingungen wurden zugunsten Haydns ein wenig verändert, indem Salomon sich verpflichtete, für das copyright der nächsten sechs Sinfonien um 100 £ mehr zu bezahlen. Die Bedingungen waren ursprünglich, wie früher erwähnt, 300 £ für die Komposition von sechs Sinfonien, 200 £ für das copyright und 200 £ garantiertes Benefizkonzert. Das letztere brachte, wie erwähnt, sogar 350 £ ein, und als Haydn sich weigerte, die Kosten des Orchesters zu bezahlen, übernahm diese Salomon.
Anfang August machte Haydn zwei kleine Ausflüge, die ihm spezielles Vergnügen bereitet haben dürften, denn er erwähnt ihrer in seinem Tagebuch: »Im Monat August speiste ich zu Mittag in einem ostindischen Kauffartheischiffe mit sechs Canonen, ich wurde herrlich bewirthet.« »Eben in diesem Monath fuhr ich mit Mr. Fraser von der Westminster-Bridge auf der Themse bis Richmond, allwo wir auf einer Insel speisten, wir waren 24 Personen: nebst einer[28] Feldmusic.« (Von einem Mr. Fraser ist dann später einmal in einem Briefe der Mrs. Schroeter die Rede.)
Um diese Zeit erhielt Haydn auch die Nachricht von dem Tode Anton Polzellis. Er beeilt sich, der nichts weniger als untröstlichen Witwe Ausblicke auf eine bessere Zukunft zu eröffnen, und erwähnt auch eine schon vorher überwiesene Geldsendung von 100 Gulden. Er schreibt:
»Londra ai 4tro Agosto 791.
Cara Polzelli!
Spero, che tu avrai ricevuto l'ultima lettera dal conte Fries ed insieme cento fiorini, che ti ho assegnato, vorrei far di piu, ma per adesso non posso. Quel che tocca al tuo povero marito, ti dico che la Providenza ha fatto bene di liberarti, d'un gran peso, mentre è meglio d' esser al altro mondo, che esser inutile a questo. Il povero ha sofferto abbastanza. Cara Polzelli, forse forse arriverà quel tempo, nel quale noi due piu spesso ci siamo augurati di stare chiudendo quatro occhi. Due son serrati, ma gli altri due – Basta tutto questo, che vuol nostro Dio. Fra tanto pensa alla tua salute io ti pregho e scrivimi ben presto perchè io ho da molto tempo giorni di melanconia, senza saper perchè, le tue lettere mi consolano benché son triste. Addio cara Polzelli la posta non vuol più aspettare io baccio la tua famiglia e sono eternamente
tuo sincerissimo
Haydn.«
(Adresse außen:) »Madame Polzelli Virtuosa di
Musica à Vienna en Autriche.«
»abzugeben im Starnbergischen Freyhaus auf der Wieden Nr. 161«
(ist ausgestrichen. Zusatz: »nicht auf der Wieden«)
Im Laufe des Monates August treffen wir dann unseren Meister auf einem Landgute, zwölf Meilen von London, dem Bankier Brassy gehörig, in dessen Londoner Hause, 71 Lombard Street, Haydn schon viel verkehrt hatte, und dessen Tochter eine Schülerin Haydns war. Daß sich Haydn während seines dortigen Aufenthaltes wohl befand, läßt sich aus der Bemerkung in seinem Tagebuche: »ich wurde sehr gut bewirthet«, noch mehr aus einem ausführlichen Briefe an Marianne Genzinger vom 17. September[29] 197113 entnehmen, in welchem er schreibt. daß er »auf den land, in einer der schönsten gegenden bey einem Bankier lebe, dessen Hertz samt der Familie dem v. Gentzingerischen Hause gleichet, und allwo ich wie in einer Clausur lebe ich bin dabey, Gott sei ewig gedankt, bis auf die gewöhnliche Rheomatische zustände gesund, arbeithe fleißig und gedenke jeden früh morgen, wenn ich alleine mit meiner Englischen grammer in den wald spaziere, an meinen schöpfer, an meine Familie und an all meine hinterlassenen Freunde, worunter ich die Ihrigen am Höchsten schätze.«
Über den Bankier Brassy, der ein etwas spleeniger Herr gewesen zu sein scheint, hören wir noch in Haydns Tagebuch und in den Aufzeichnungen von Albert Christoph Dies. Im Tagebuch heißt es nur kurz: »Herr Brassy fluchte einstens, daß es ihm zu gut auf dieser Weld gienge.« Mehr über diese Episode berichtet Dies (S. 121). Nach Haydns Mitteilungen soll Brassy Pistolen verlangt haben, um sich zu erschießen, »weil er nie unglücklich gewesen sey; Kummer, Elend und Noth nicht kenne, davon nicht aus Erfahrung sprechen könne, aber, wie er jetzt bemerke, doch nicht glücklich sey, denn er könne nur Fressen und Sausen; kenne nur den Überfluß, und dafür ekle ihn«. Wir erhalten aber von Dies die tröstliche Versicherung, daß sich der Bankier nicht erschoß.
Mitten in diese ländliche Idylle platzte ein Schreiben des Fürsten Esterhazy hinein, der sich über Haydns langes Ausbleiben beschwert und seine sofortige Rückkehr verlangt, damit er für die in Aussicht stehenden Festlichkeiten zu Esterhaz eine Oper schreibe. Dieses Verlangen konnte Haydn, wie er schrieb »vermög neuen Contracts, so ich hier machte, nicht vollziehen. ich erwarte nun leyder meine entlassung, hofe aber anbey, daß mir gott die gnade geben wird, durch meinen Fleiß diesen schaden in etwas zu ersetzen«. Die Entlassung kam nicht, wenngleich der Fürst über Haydns Weigerung ungehalten war; Haydn konnte ruhigen Herzens in England bleiben und seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen. Ende September war er wieder in London, was eine Eintragung im Geschäftsbuche der Instrumentenfirma Broadwood vom 26. September beweist, die an diesem Tage seinen Besuch[30] empfangen hat, vielleicht ihm auch ein Klavier in seiner Wohnung zur Verfügung gestellt haben dürfte.
Der Herbst war für London und speziell für Konzerte »tote Saison«; diese Jahreszeit war dem Landleben und dem Sport gewidmet14. Erst nach Weihnachten begann das künstlerische und[31] gesellschaftliche Leben. Unser Meister konnte sich also noch eine Weile Muße gönnen, bis er wieder in das Joch der von ihm übernommenen Verpflichtungen schlüpfen mußte. Allerdings war die Ruhe nur eine äußerliche, und in die vielen gesellschaftlichen Vergnügungen, die Haydn während dieser Zeit mitmachte, mag sich manche Stunde bitteren Unmuts und ängstlicher Zweifel geschlichen haben. Die Mißhelligkeiten, die Haydn damals zu überwinden hatte, kamen sowohl aus London, seiner damaligen Wohnstätte, als auch aus seiner Heimat, aus Wien. Die beiden großen Konzertunternehmungen in London, Salomon auf der einen, die Professionals auf der anderen Seite, trafen beide Vorbereitungen für eine möglichst glanzvolle Saison. Obwohl das Wiederengagement Haydns für die Salomon-Konzerte schon im August öffentlich bekanntgegeben worden war, machten die Professionals doch alle möglichen Anstrengungen, um Haydn auf ihre Seite hinüberzuziehen. Zweimal sandten sie ihm Deputationen ins Haus, die ihn unter Anbietung glänzender Honorare (ein um 150, eventuell noch mehr, Guineen höheres Fixum, als Salomon zugestanden hatte) für die Professional-Concerts zu gewinnen trachteten. Haydn hält trotz aller dieser glänzenden Anerbietungen treu zu Salomon und Gallini. Man bemüht sich nun, da alle Anstrengungen der Professionals, Haydn für ihre Konzerte zu gewinnen, vergeblich waren, ihn in London unmöglich zu machen oder doch zum mindesten seine Position zu schwächen. In den Zeitungen wurde verbreitet, daß Haydn zu alt und geschwächt sei, um wirklich interessantes Neues zu schaffen, und daß die Professional-Concerts sich daher seinen Schüler, den berühmten Herrn Pleyel, derzeit in Straßburg[32] tätig, verschrieben hätten, der ausersehen sei, an die Spitze dieser Konzerte zu treten und für diese zu komponieren.
Diese Angriffe machten unserem bei aller Bescheidenheit doch seines Wertes sich wohl bewußten Meister weniger Kummer als die Ausstreuungen, die in Wien über ihn kursierten, und die bis zu ihm nach London gedrungen waren. Seine Frau und auch ein wirklich guter Freund, Herr von Kees, schrieben ihm, daß man in Wien von seinen Londoner Erfolgen, künstlerisch wie finanziell, wenig Vorteilhaftes erzähle, und daß unter denen, die diese Klatschereien weitererzählen, auch Mozart sei. Haydn bemerkte dazu in seinem Briefe an Marianne Genzinger (12. Oktober 1791): »allein ich kan es nicht glauben, daß Mozart mich sehr herabsezen solte, ich verzeihe es Ihm. Daß ich auch in London eine menge Neyder hab, ist ganz gewiß, und ich kenne sie beynahe alle. Die meisten davon sind wellsche, allein sie können mir nicht nahe kommen, weil mein Credit bei dem Volk schon vor viellen Jahren festgesezt war, seynd Euer gnaden versichert, daß wen ich den gehörigen beyfall nicht erhalten hätte, ich schon längst nach Wien zurückgereiset wäre, außer den Professoren bin ich von jederman geschätzt und geliebt, wegen der belohnung soll Mozart zum grasen v. Fries, um sich dessen zu Erkundigen gehen, bei welchem ich 500 Pfd, und bey meinem Fürsten 1000 gulden, zusammen beynahe 6000 fl anlegte.«
Als weitere Beunruhigung kamen noch hinzu die Briefe der Luigia Polzelli, die ihn mit allen möglichen Dingen, vor allem aber mit fortwährenden Geldforderungen quälte. Sie scheint gewünscht zu haben, daß er nach Italien komme, ein Wunsch, den er vorderhand nicht erfüllen konnte, dessen spätere Erfüllung er ihr aber in Aussicht stellt. Seine beiden folgenden Briefe an die Polzelli, der vom 10. Dezember 1791 und der vom 14. Januar 1792, bringen nicht viel Neues über sein Leben in London, dafür um so schwärmerischere Herzensergüsse und Sehnsuchtsbeteuerungen des alternden Mannes, der sich in der fremden Stadt, trotzdem alles sich um ihn drängte und sich Mühe gab, ihm Liebes zu erweisen, so sehr einsam fühlte; und im Gefühl seiner Einsamkeit verstärkte sich seine Neigung zu der dunkeläugigen raffinierten Italienerin, so daß er in London oft zu ihrer Schwester, die gleichfalls nicht sehr glücklich mit ihrem Manne lebt, geht, um über Luigia zu[33] sprechen, und daß er dringendst wünscht, Luigia möge ihm ihren Sohn Pietro nach London schicken.
»Londra, ai 13 10bre 791.
Cara Polzelli!
Tu m'hai fatto gran paura colla prima tua lettera, perchè io credeva che erano perse le mie, ed con quelle ancora il denaro io era tanto inquieto, che non ho potuto dormire tre giorni, finchè ho ricevuto la 2da lettera, io spero, che tu all' avvenire non avrai mai più un sospetto si crudele verso di me, io ti stimo, ed amo, come nel primo giorno, tu mi fai pietà ed io sono sempre mortificato, che non son capace a farti di più. Ma abbi pazienza, forse verra quel giorno a mostrarti quanto ti amo. Scrivimi subito, e se tu sei ben arrivata ai tuoi cari figli, digli al tuo Pietro, sia obbidiente, e che studia sempre, se no, non lo piglierò meco. Mille bacci della tua sorella la quale ancora era mortificata, la povera sta adesso in una casa senza marito, ella é ancora disgraziata col suo marito. ella ti manderà qualchecosa. Cara Polzelli, per oggi non posso scriverti più. Un altra volta il resto.
Sono fra tanto tuo sincerrissimo
Giuseppe Haydn.«
Äußere Adresse:
»Madame Loisa Polzelli, Virtuosa di Musica a Bologne.«
»London ai 14ci di Genajo 792.
Carissima Polzelli mia! in questo momento, che ho ricevuto tua lettera, io ti do la risposta; mi consolo, che tu ti trovi bene di Salute, e che hai trovato un piccolo teatro, non e per il pagamento, ma per havere la pratica, io ti auguro tutta la prosperità; cioe una buona parte, ed un buon Maestro, chi si dara l'istessa pena, come il tuo Haydn. Tu mi scrivi del tuo caro Pietro che tu lo vuoi mandare da me. Mandilo pure, io l'abbracciero con tutto il mio cuore, egli mi sara sempre grato, e tenuto come mio proprio figlio io lo condurro con me a Vienna io staro a Londra fin alla meta di giugno e non più, perche mio principe, e molti altre circonstanze vogliono assolutamente, ch'io vadi a casa mia, io cerchero pero se e possibile, d'andar in Italia per vederti cara Polzelli, ma fra[34] tanto tu puoi mandare tuo Pietro da me a Londra egli stara sempre o da me, o dalla tua sorella, la quale sta adesso sola, ed e gia un pezzo separata dal suo marito da questa bestia, ella é si disgraziata come sei stata tu, ed ella mi fa pieta, io vado rare volte da Lei, perche io ho troppo da fare particularmente adesso, poiche il concerto professionale ha fatto venire mio scolare Pleyel per metterlo in confronto a me, ma io non ho paura, perche io fatto l'anno passato un gran impressione agli Inglesi, spero dunque d'incontrare anche in quest' anno, l'opera mia non e stata fatta perche il Sig. Gallini non ha ricevuto la licenza dal Re, e non avra mai; e per dirti la verita, l'opera Italiana non incontra presentamente niente a fatto, e per maggior disgrazia e abbrucciato giusto oggi alle due hore dopo mezza notte il Theatro di Pantheon. tua sorella era ancora impegnata per l'ultima parte io compatisco tutti. io mi trovo di salute passabilmente ma ho quasi sempre un humore inglese, cioe melanconico, e saro forse mai di questo buon humore, che l'avero, mentre che son stato con te. O cara Polzelli, tu mi stai sempre nel core, mai, mai mi scordero di te, ed io il mio possibile di vederti se non in questo, ma sicuro al'anno venturo col tuo figlio, io spero che tu ti non scorderai di me, ed io ti prego di scrivermi prima, che tu ti rimariti un altra volta, io vorrei conoscerlo del nome, chi sara si felice di possederti, io dovrei pero essere un poco incollera con te perche mi e stato scritto di Vienna da tante persone, che tu ai parlato molto male di me, ma il Dio ti benedica, io ti perdono tutto, sapendo che parlava l'amore. Bada bene al tuo buon carattere io ti pregho, e pensa qualche volta al tuo Haydn, che ti stima, ed ama teneramente, ed chi restera eternamente il tuo fedele. Scrivime per altro, se tu hai veduto ed parlato con qualche soggetto, che stava in servizio del Principe Esterhazy. Addio mia cara, tanto per questa sera: perche e tardi.
Oggi son stato dalla tua cara sorella, per domandarla, se ella puo tenere il Pietro tuo figlio in casa sua. con gran piacere sara ricevuto, ed egli dormira ed avra anche la tavola colla tua sorella, perche io pranzo sempre fuor di casa, e sono tutti giorni invitato, ma il Pietro verra tutti giorni da me per[35] dargli lezzione, io sto di casa poco lontano dalla tua sorella, perche ella mi fa pieta, ella pero non e si povera ma ella bisogna far gran Ecconomia, io vestiro bene tuo figlio, e faro tutto per lui, io non voglio che tu fai delle spese, egli avra tutto il necessario, io andaro sicuro alla meta di giugno a Vienna, ma prendero la Strada per Holanda, Lipsia, Berlin, per veder il Re di Brussia; mio Petruccio sara sempre con me. ma io spero, che Lui sara stato fin adesso un figlio ubbidiente alla sua cara Madre, se no, io non lo voglio, e tu scrivermi la verita, io non vorrei havere un ingrato, perche io sarei capace d'abbandonarlo in un momento, tua sorella s'abbraccia ed io ti baccio mille ed mille volte. Scrivemi più spesso cara Polzelli, pensa che saro sempre tuo fedel
Haydn.
Mio complimento al Signor Negri.
Cara Polzelli, il Maestro di Stalla del Principe Esterhazy il Signor Hauder quel cujon m'ha fatto scrivere, che tu ai venduto il suo Cembalo, io non mi ricordo, che tu ai avuto altro cembalo, che il mio. vedi mi seccano per via di te. mia moglie quella Bestia infernale mi ha scritto tante cose, che ero forzato di dar la risposta, che io non tornero vita mia, Bada bene a questa lettera.«
Adresse: »Madame Aloise Polzelli nee Moreschi. Virtuosa di Musica a Piacenza en Italie al Theatro di Piacenza.«
Während Haydn in den Briefen an die »Loisa« Polzelli ein bißchen den Bemitleidenswerten spielt und seine materiellen Verhältnisse immer als etwas knappe hinstellt – begreiflicherweise, denn sonst wäre ihm die Italienerin noch mehr auf der Tasche gelegen –, erfährt man aus seinen anderen Briefen, namentlich aus dem obenzitierten vom 13. Oktober 1791 an Marianne Genzinger, daß das finanzielle Ergebnis des Londoner Aufenthaltes damals schon ein recht günstiges war; er hatte dem Fürsten Esterhazy die für die Reise entliehenen 450 fl. zurückgezahlt und beim Fürsten noch außerdem 1000 fl. sowie beim Bankhause Frieß 500 Pfd. angelegt, eine ganz ansehnliche Summe.
Die Zeit bis zum Wiederbeginn der Salomon-Konzerte nützte Haydn nun weidlich aus, um Land und Leute kennen zu lernen. Aus seinem Tagebuch ersehen wir, was er alles in dieser Zeit[36] an interessanten Ereignissen mitmachte. Da war vor allem das Fest, welches zu Ehren des neuen Lord-Mayors, des Bürgermeisters der Stadt London, mit althergebrachter Feierlichkeit in verschwenderischer Üppigkeit veranstaltet wurde. Haydn schildert die Festlichkeit, die am 5. November in Guild-Hall15 stattfand, und den Eindruck, den sie auf ihn machte, mit ziemlicher Ausführlichkeit in seinem Tagebuche:
»Den 5ten 9ber (Nov.) war ich Gast zu Mittag bey dem Fest des Lord-Major. An der ersten Tafel Nr. 1 speiste der neue Lord Major samt seiner Frau, dann der Lord Chancellor, die beide Sheriffs Duc of Leeds, Minister Pitt und die übrigen Richtern ersten Ranges. Nr. 2. speißte ich mit Mr. Silvester, der größte Advokat und erste Staatsrath in London. Es waren in diesem Saal (Guild Hall genannt) 16 Tafeln nebst noch andern in Nebenzimmern; es speisten ungefähr in allem gegen 1200 Personen, alles in größter Pracht. Die Speisen waren sehr niedlich und gut gekocht; Wein von vielen Sorten im Überfluß. Man ging um 6 Uhr zu Tafel und um 8 Uhr stund man auf. Man begleitete den Lord-Major sowohl vor als nach der Tafel in der Rangordnung und viel Ceremonien, mit Vortragung des Schwerdtes und einer Art goldenen Krone unter Trompeten begleitet mit einer Harmoniemusik. Nach der Tafel reteriert sich in ein schon bestimmtes Extrazimmer die ganze hohe Gesellschaft von Nr. 1 um allda Caffee und Thee zu trinken; wir anderen Gäste aber werden in ein anderes Nebenzimmer gebracht. Um 9 Uhr erhebt sich Nr. 1 in einen kleinen Saal, allwo der Ball anfängt; in diesem Saal ist für die hohe Nobleß ein à parte erhabener Orth, allwo der Lord-Major mit seiner Frau gleichsam auf einem Throne sitzt. Alsdann fangen sie rangmäßig an zu tanzen, aber nur ein Paar, so wie bei Hof am 6. Januar als am Geburtstag des Königs. In diesem kleinen Saale sind beiderseits erhabene Bänke, allwo meistens das schöne Geschlecht die Oberhand hat. Man tanzt in diesem Saale nichts anderes als Menuets; ich konnte aber hier nicht länger als eine Viertelstunde verbleiben; erstens, weil die Hitze wegen so vielen Menschen in einem so[37] engen Raume zu groß war und zweitens wegen der schlechten Tanzmusik, indem nur zwei Violin- und ein Violoncellospieler das ganze Orchester ausmachten. Die Menuets waren mehr Polnisch als nach unser und der italienischen Arth. Ich ging von da in einen andern Saal, welcher mehr einer unterirdischen Höhle gleichte. Da wurde englisch getanzt; die Musik war da etwas besser, weil eine Trommel mitspielte, welche das Üble von den Geigern deckte. Ich ginge weiter in den großen Saal, allwo wir speiseten, da war die Music zahlreicher und etwas leydendlicher. Man tanzte englisch aber nur an dem erhabenen Orth, allwo der Lord-Major sammt den 4 ersten Nr. speißte. Die übrigen Tafeln waren aber alle neuerdings besetzt mit Mannsbildern, welche wie gewöhnlich die ganze Nacht hindurch wacker zechten. Das wunderbarste aber ist, daß der eine Theil forttanzt ohne einen Ton von der Musik zu hören, weil bald an diesem bald an jenem Tisch theils Lieder gebrüllt, theils Gesundheiten unter den tollsten Aufschreien und Schwenkung der Gläser: ›Hurra, Hurra‹! gesoffen werden. Der Saal und alle die übrigen Zimmer sind mit Lampen beleuchtet, welches einen unangenehmen Geruch von sich giebt, besonders in dem kleinen Tanzsaal. Remarcable ist, daß der Lord-Major an der Tafel kein Messer von Nöthen hat, indem ein Vorschneider, so mitten in der Tafel vor seiner steht, mit einem Extraeinschnitt ihm alles vorschneidet.
Hinter dem Lord-Major ist ein anderer Mann, der alle die Gesundheiten nach der Etiquette aus vollem Halse herausschreit: nach jedem Aufschrei kommt Trompeten und Pauken. Keine Gesundheit wurde mehr applaudirt als des Mr. Pitt seine. Übrigens aber ist keine Ordnung. Dieses Diner hat Tausend 6 hundert Ps. gekostet; die Hälfte davon muß der Lord-Major, die andere Hälfte die zwei Sheriffs zahlen. Der L-Major wird alle Jahre neu erwählt; er hat um seinen Anzug einen großen weiten und langen schwarzen Mantel in Gestalt wie Domino von Atlas an, welcher streifsweise besonders um die Ärmel mit goldnen Spizzen reich besetzt ist. Er hat eine große goldene Kette im Vergleich wie unser Toison-Orden um den Hals: seine Frau desgleichen und sie ist Mylady und bleibt es beständig. Das ganze Ceremoniel ist sehenswürdig, besonders der Zug auf der Themse und der Zug nach Westminister.«[38]
Auch dem Abschiedsmahle (Farewell dinner) des zurücktretenden Lord-Mayors am 9. November imMansion House wohnte Haydn bei. Gleich darauf berichtet er über einen Ausflug auf das Landgut eines Lords, 100 Meilen von London, wo er nicht ganz zwei Wochen blieb. Spätestens am 22. November war er wieder in London und war bei einem der Abschiedsabende von Mad. Mara in King's Theatre anwesend. Am 23. November besuchte unser Meister die Vorstellung eines Marionettentheaters, und am 24. November war er in Oatlands, auf dem Schlosse des Herzogs von York, des Bruders des Prinzen von Wales. Herzog Frederik von York, der zweitälteste Sohn des Königs George III., hatte in Berlin die älteste, damals erst 17jährige Tochter des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen, die Prinzessin Friederike Charlotte Ulrike, geheiratet; doch wurde, da das englische Gesetz nur eine Vermählung auf englischem Boden als rechtswirksam ansieht, die Trauung am 23. November in Buckingham-House wiederholt. Tags darauf war Haydn, wie erwähnt, schon in Oatlands, dem Landsitze des musikliebenden und -ausübenden Prinzenpaares, dessen Gast. Haydn beschreibt die schönen Tage, die er dort verlebte, sowohl in seinem Tagebuche als auch in einem Brief an Marianne Genzinger (vom 20. Dezember 1791): »bey dieser gelegenheit muß ich Euer gnaden melden, daß ich vor 3 wochen durch Printzen v. Wallys zu seinem bruder dem Herzog v. Yorck auf sein Lustschloß geladen wurde, der Printz führte mich bei der Herzogin, die Tochter des Königs von Preußen auf, welche mich sehr gnädig mit vielen schmeichelhaften worten Empfing. Sie ist die liebenswürdigste Dame von der Weld, besitzt sehr viel Verstand, spielt das Clavier und singt sehr artig, ich mußte 2 Tag da bleiben, weil Sie den ersten Tag wegen einer kleinen unbäßlichkeit zur Music nicht komen konte. Sie bliebe aber am 2. Tag von 10 uhr abends, allwo die Music anfinge, bis 2 uhr nach Mitternacht beständig neben mir, es wurde nichts als Haydnsche Music gespielt, ich diregirte die Sinfonien am Clavier. die liebe kleine saß neben meiner an der linken Hand, und Humste alle stücke auswändig mit, weil Sie solche so oft in Berlin hörte, der Printz v. Wallys saß an meiner Seite und spielte das Violoncello so zimlich gut mit, ich muste singen, der Printz von Wallys läst mich nun abmahlen[39] und das Portrait wird in seim Cabinet aufgemacht. Printz von Wallys ist das schönste Mannsbild auf gottes Erdboden, liebt die Music außerordentlich, hat sehr viel gefühl, aber wenig geld. Nota bene unter uns, mich vergnügt aber mehr seine güte als das Interesse. Der Herzog v. yorck ließe mich am dritten Tag, da ich keine Post Pferde haben konnte, durch seinen Zug 2 Posten weit führen.«
Ein anderer Herbstausflug führte unseren Meister wenige Tage nach der Rückkunft von Oatlands nach Langham auf den Besitz des Sir Patrick Blake. Die darauf bezügliche Notiz im Tagebuch lautet:
»Den 30ten (Nov.) war ich drei Tage auf dem Lande, 100 Meilen von London bei Sir Patrik Blak.« Auf die Gattin dieses Herrn bezieht sich wohl die Eintragung im Tagebuch: »Que l'amitie soit aussi solide« NB. »Lady Blake from Langham silb Pock«, wohl die Widmung auf einem erhaltenen Geschenk. (Silber-Pokal?)
Im Herbst 1791 war die berühmte Sängerin Elisabeth Billington wieder in London erschienen und feierte im Covent-Garden. Theater Triumphe. Die Künstlerin rief ebenso durch ihre schöne Stimme und ihre vollendete Gesangskunst, wie durch ihr Privatleben das Interesse des Londoner Publikums in außergewöhnlichem Maße wach16. Haydn wohnte ihrem Auftreten in einer komischen Oper von William Shield »The Woodman« am 10. Dezember bei. Er notiert in seinem Tagebuch: »Sie sang an diesem Abend etwas furchtsam doch sehr gut.« Der Grund für die Furchtsamkeit war die erpresserische Drohung eines Buben, ihren Lebenslauf und gewisse Briefe von ihr zu veröffentlichen, eine Drohung, die bald darauf wahrgemacht wurde, worauf sich die folgende Eintragung in Haydns Tagebuch bezieht: »Heute den 14. Jan. 1792 wurde das Leben der Mad. Billington im Druck herausgegeben; es ist dasselbe bis zur Unverschämtheit an den Tag gelegt. Der Herausgeber soll ihre eigenhändigen Briefe[40] erhalten haben und solche Ihr um 10 Guineen angebothen haben zurückzugeben, widrigenfalls er willens sei, solche öffentlich in Druck herauszugeben. Sie wollte aber nicht die 10 G. abspendiren und forderte ihre Briefe gerichtlich. Sie wurde aber gewiesen, worauf sie neuerdings Appellirte aber vergebens indem ihr Gegner ohnerachtet derselbe Ihr 500 Pfd. anboth, heute ihre Thaten heraus gab, man konnte aber bis 3 Uhr nachmittags keines mehr bekommen. NB. Sie soll alle diese schändliche Briefe, worin Ihre Amoretten enthalten sind, Ihrer Mutter überschrieben haben. Sie soll ein unächtes Kind seyn und man glaubt gar, daß Ihr eigener Vorgeblicher Vatter in dieser sach Verstanden sey.«
Vom 14. Dezember meldet das Tagebuch einen Besuch im Hause eines Mr. Shaw; aus den Aufzeichnungen über diese kleine Episode ersieht man, welcher überaus großen Verehrung sich Haydn in London erfreute. »Den 14ten 10ber speiste ich das erstemal bei Mr. Shaw, die Mistres ist das schönste Weib, so ich jemals gesehen17.
NB. Ihr Gemahl wünschte von mir ein Denkmahl, ich gab Ihm eine Tabackdose, so ich eben ganz neu um 1 Guinée kaufte, er gab mir die Seine; in etwelchen Tagen komme ich zu Ihm, und sehe, daß er über meine Dose einen Sarg von Silber hatte machen lassen, auf den obern Deckel ist sehr schön graviert die Harfe Apollinis und rings um dieselbe folgende Worte: Ex dono celeberrimi Josephi Haydn. NB. Die Mistres gab mir zum Gedächtniß eine Stecknadl.« Nach Dies war es keine Stecknadel, sondern ein Haarband, worauf Haydns Name gestickt war, das ihm die schöne Mistreß als Andenken gegeben, und das er noch in späteren Jahren bewahrte.
Um diese Zeit erhielt Haydn die Nachricht vom Tode Mozarts. Das Tagebuch enthält bloß die lakonische Einzeichnung: »Mozart starb den 5ten 10ber 1791.« Die Trauerbotschaft muß aber auf[41] Haydn tiefen Eindruck gemacht haben. Mozart, der viel jüngere, der ihm noch von der beschwerlichen Reise nach England abgeraten, Mozart, der Lebensbejaher und Lebensgenießer, Mozart, der trotz seiner Jugend schon weiter auf den Gefilden der ewigen Kunst vorzudringen vermocht hatte, als unser schrittweise zur Entwicklung kommender Meister, Mozart, er war nicht mehr!
Aus den wenigen Zeilen, die Haydn an Marianne von Genzinger über Mozarts Tod schreibt, liest man heraus, was ihm dieser Verlust bedeutete: »ich freue mich kindisch nach hause, um meine guten Freunde zu umarmen, nur bedauere ich dieses an dem großen Mozart zu Entbehren, wenn es anders dem also, welches ich nicht wünsche, daß Er gestorben sein solle. Die Nachweld bekommt nicht in 100 Jahren wider ein solch Talent!«
Von ebenderselben Trauer über Mozarts Verlust und von Teilnahme für die Hinterbliebenen seines geliebten Freundes zeugt ein Brief Haydns an seinen Gewährsmann Puchberg in Wien aus den ersten Tagen des Jahres 1792: »... ich war über seinen [Mozarts] Todt eine geraume Zeit ganz außer mir und konnte es nicht glauben, daß die Vorsicht so schnell einen unersetzlichen Mann in die andere Welt fodern sollte nur allein bedaure ich, daß Er nicht zuvor die noch dunklen Engländer darin hat überzeugen können, wo von ich denselben täglich predigte.
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Sie werden bester Freund die Güte haben, mir das Verzeichnis der noch nicht hier bekannten Stücke mit zu schicken ich werde mir alle ordentliche Mühe geben, solche der Wittwe zum besten zn befördern: ich hatte der Armen, vor 3 Wochen selbst geschrieben, mit dem Inhalt daß wenn ihr Herzenssohn die gehörigen Jahre haben wird, ich demselben unentgeltlich die Composition mit allen meinen Kräften lehren will, um die Stelle des Vaters einigermaßen zu ersetzen.«
Haydn mußte nun daran denken, die herannahende Saison vorzubereiten, in welcher ja ein harter Kampf zwischen ihm und dem von den feindlichen »Professionals« herzitierten Pleyel entbrennen sollte. Er läßt sich aus Wien in England noch unbekannte Werke kommen. Während er zwei der in England geschriebenen und schon aufgeführten Sinfonien an H. v. Kees übersendet, urgiert er bei Marianne v. Genzinger[42] die bereits einmal von ihr verlangte Sinfonie in Es-dur 3/4 (Ges. Ausg. Nr. 91) außerdem das Klaviertrio As-dur18 und die Klavierfantasie in C19. Diese Stücke will er nicht bloß künstlerisch, sondern auch materiell ausnützen, »weil solche in London noch nicht gestochen seyn. Alleyn Ihro gnaden müssen die Gewogenheit haben, Herrn Artaria nichts davon zu melden, sonst kommt Er mir mit dem Verkauf zuvor«. Mit allen Kräften arbeitet er aber an neuen Werken, die seine Position in London unerschütterlich machen sollen. Er schreibt darüber an Marianne Genzinger: »ich arbeithe gegenwärtig für Salomons Concert, und bin bemüßigt mir alle ordentliche Mühe zu geben, weil unsere Gegner die Professional Versammlung, meinen Schüler Pleyel von Straßburg haben an hero kommen lassen, um ihre Concerten zu dirigieren, es wird also einen blutigen harmonischen Krieg absetzen zwischen dem Meister und Schüller, man singe gleich an in allen Zeitungen davon zu sprechen, allein mir scheint, es wird bald Allianz werden, weil mein Credit zu fest gebaut ist. Pleyel zeigte sich bey seiner Ankunft gegen mich so bescheiden, daß Er neuerdings meine liebe gewann, wir sind sehr oft beisammen, und das macht Ihm Ehre, und Er weis seinen Vatter zu schätzen, wir werden unsern Ruhm gleich theillen und jeder vergnügt nach hause gehn.«
Pleyel war am 23. Dezember in London angekommen, demonstrativ empfangen von einer Deputation der Professionals, die ihn in sein gegenüber der Wohnung Haydns gelegenes Quartier Nr. 25 Great Pulteney Str. geleiteten. Die Hoffnung der feindlichen Parteien, die beiden Musiker gegeneinander auszuspielen, mißlang von allem Anfang an gründlich. Schon am Tage nach seiner Ankunft, am Weihnachtsabende, lud der Schüler den Meister zu Gaste, und auch an den folgenden Tagen dürften sie viel beisammen gewesen sein. Jedenfalls verbrachten sie den Silvesterabend gemeinsam, wie Haydns Tagebuch beweist: »Den 31ten 10ber war ich mit Pleyel im Pantheon Theater« ........ So saßen die beiden Männer, die man aufeinander hetzen wollte, nicht um künstlerischen Gewinn daraus zu ziehen, sondern um dem Konkurrenzunternehmen eines auszuwischen, an den zwei letzten Festtagen[43] des Jahres treulich beisammen, Erinnerungen tauschend, lächelnd in die Zukunftblickend. Mit Recht schreibt daher »Public advertiser« vom 5. Januar 1792: »Haydn and Pleyel are to be picted against each other this season, and the supporters of each are violent partisans. As both these Composers are men of firstrate talents, it may be hoped that they will not participate in the little feelings of their respective admirers.« Beide Männer waren wirklich zu vernünftig, durch diese Quertreibereien ihre gegenseitigen persönlichen Beziehungen und ihre künstlerische Betätigung irgendwie beeinflussen zu lassen.
Haydn übersah die Beleidigung, die darin lag, daß man seinen Schüler Pleyel kommen ließ, um den, wie geflissentlich verbreitet wurde, schon alternden Meister zu Boden zu ringen; und Pleyel war klug genug, von allem Anfang an die Suprematie Haydns anzuerkennen und keine Geschmacklosigkeiten zu begehen. Haydn übersah auch andere gegen ihn gerichtete Angriffe, in denen versucht wurde, die deutsche Musik gegenüber der italienischen herabzusetzen; er wußte, daß die stärksten Waffen, die er seinen Gegnern entgegenhalten konnte, seine Werke waren. Deswegen arbeitete er unverdrossen darauf los, rang sich ab, soviel er nur konnte: »ich – oder mein Geist ist in der That müde, nur der Beystand des Himmels kan das ersetzen, das meinen Kräften mangelt«, schreibt er an Marianne Genzinger. Aber diese Anspannung aller Kräfte, zu der der Meister gezwungen wurde, trug ihm Früchte: einige seiner reifsten, schönsten Werke entstanden in dieser Zeit, in den ersten Monaten des Jahres 1792. Dem englischem Geschmack sagte so ein richtiger Wettkampf – diesmal nicht auf sportlichem, sondern auf musikalischem Gebiete – ungeheuer zu. Die »Professionals« hatten wieder einen Vorsprung dadurch, daß die Reihe ihrer Konzerte um vier Tage früher als die Salomons begann. Ihr erstes Konzert, Montag, den 13. Februar 1792, in Hanover square rooms brachte wieder die schöne Geste gegen Haydn: es begann mit einer seiner Ouvertüren (Sinfonien). Sonst enthielt das Programm an Instrumentalwerken noch ein Violinkonzert, komponiert und gespielt von Cramer, eine neue Sinfonie von Pleyel, ein Violoncellkonzert, gespielt von Lindberg, ein Konzert für Harfe, gespielt von Mad. Musigny und eine Sinfonie von Mozart. Dazwischen sangen Mrs. Billington, die Negri und Sig.[44] Lazzarini. In den folgenden Konzerten der Professionals war – mit Ausnahme des 3., 7., 9. und 11. – Haydn mit der einleitenden Ouvertüre, im elften mit der Schlußnummer vertreten; das vierte Konzert der Professionals bringt sogar »New Overture by Haydn«, doch wohl kaum eine neu-komponierte?
Es hieß also für Salomon, sich fest ins Zeug zu legen, um dem Gegner den Rang abzulaufen. Sein erstes Konzert fand am Freitag, den17. Februar statt mit folgendem Programm:
OverturePleyel
(eine Gegenhöflichkeit an die Adresse der Professionals gerichtet)
SongNield
Concerto for OboeHarrington
SongSig. Calcagni
(erstes Auftreten)
Concerto for Pedal HarpsMad. Dalowal
[de la Valle]
SongMiss Corri
New Grand OvertureHaydn
SongSig. Calcagni
Concerto for ViolionMr. Yaniewicz
DuettoCorri-Nield
FinaleGyrowetz
Unter dem Titel »New GrandOverture« verbirgt sich, wie schon bekannt, eine Sinfonie, und zwar eine in D-dur; im Tagebuch steht: »in dem 1ten Concert wurde von der neuen Sinfonie in D das Adagio repetiert.« Es ist ziemlich wahrscheinlich, daß es sich um die Sinfonie Ges.-Ausg. Nr. 96 handelt. Die Sinfonie machte solchen Eindruck, daß Salomon sie in das Programm seines zweiten, Freitag, den 24. Februar stattgehabten Konzerts wieder aufnahm; das vollständige Programm dieses zweiten Konzerts lautete:
OvertureClementi
SongMiss Poole
New Quartetto MS. two
Violins, Tenor (Bratsche),
Bass (Cello), (Salomon Damen,
Hindmarsh, Menel)Gyrowetz
Concerto f. German fluteAsh
New grand overture MS. Haydn
as performed last friday[45]
SongMiss Corri
new Concerto Pedalharp,
Mad. Dellavalleby Dussek
SongSig. Calcagni
The Storm, a
quartetto, composedby Haydn
for four voices and a full band sung
by Misses Corri, Poole, Messrs. Nield
and Bellanny; the words by an eminent
English author.
War schon das erste Konzert ein großer Erfolg, so scheint dieses zweite noch erfolgreicher gewesen zu sein. Haydn schreibt in seinem Tagebuch, daß von der aus dem ersten Konzert hinübergenommenen Sinfonie das Allegro und das Adagio repetiert werden mußten und ebenso das Chorstück »Der Sturm«. Es sei übrigens vermerkt, daß Haydn und Salomon an diesem Tage starke Konkurrenzveranstaltungen gegen sich hatten: In Haymarket wurde Händels »Redemption« und im Covent Garden Händels »L'Allegro« aufgeführt. Publikum und Presse hielten aber großenteils zu Haydn; Morning Chronicle schrieb unter dem 27. Februar:
»The second concert was exceedingly spirited and by the overture of the matchless Haydn was distinguished above all common competition. Haydn gave a very wonderful composition from the following words in which he combined the strongest effects of his art, horror and pity:
Hark! the wild uproar of the winds, and hark
Hell's Genius roams the regions of the dark,
And thund' ring swells the horrors of the main.
From cloud to cloud the Moon affrighted flies,
Now darken'd, and now flashing through her skies –
Alas! bless'd calm, return, return again.«
An seine liebe Freundin Marianne Genzinger berichtet unser Meister dann auch über den Erfolg derD-dur-Sinfonie, die er ihr zu widmen beabsichtigt; aber er bedauert, ihr seine Dankbarkeit noch nicht sofort bezeugen zu können, weil – so schreibt er – »ich dermahlen die für Euer Gnaden gewidmete neue Sinfonien aus nachstehenden ursachen nicht übermachen kan. Erstens weil ich willens bin, das letzte Stück an derselben abzuändern, und zu verschönern, da solches in rücksicht der Ersten Stücke zu schwach ist. ich wurde dessen sowohl von mir selbst als auch von dem Publico überzeugt;[46] da ich dieselbe vergangenen Frey tag;[soll richtig heißen: vorvergangenen Freytag] zum erstenmahl producirte; sie machte aber ungeacht dessen den Tiefesten Eindruck auf die Hörer.«
Das kleine Chorwerk »Der Sturm«, das später noch näher betrachtet werden wird, machte besonderes Aufsehen. Es war das erste Gesangsstück mit englischem Text, das Haydn komponiert hatte, die Worte noch dazu von einem damals sehr beliebten Poeten, dem unter dem Pseudonym Peter Pindar schreibenden John Walcot. Das Werkchen wurde in den folgenden Salomon-Konzerten mehrere Male wiederholt, und der Ruf von dem Erfolg, den Haydn damit errungen, drang sogar bis nach Wien, wo er durch eine Zeitungsnotiz bekannt wurde. Marianne Genzinger schickte den betreffenden Zeitungsausschnitt sofort nach London, und Haydn antwortete ihr am 24. April:
»Gestern abends Erhalte ich mit viel vergnügen Dero letztes schreiben vom 5. Aprill mit beygefügten zeitungs Innhalt, so man in betref meines wenigen Talentes den wiennern kund machte, ich muß es gestehen, daß ich mit diesem kleinen Stück Chor, als die Erste Probe in Englischer Sprache, mir vielen Credit in der Sing-Music bey denen Engländern erworben habe.«
Das dritte Salomon-Konzert am 2. März 1792 brachte die Sinfonie in B-dur (Ges.-Ausg. Nr. 98) von Haydn (new grand overture MS.) »im 3ten Concert wurde die neue Sinfonie in b-fa gegeben und wurde das Erste und lezte Allegro encort« heißt es im Tagebuch. Im vierten Konzert am 9. März wurde von Haydn aufgeführt: »New Concertante MS. for Violin, Violoncello, Oboe and Bassoon« (gespielt von Salomon, Menel, Harington und Holmes), außerdem: »by desire the new grand overture MS. by Haydn as performed last friday«. Der Morning Advertiser schrieb am 12. März:
»Salomon gave his. 4. Concert in which Haydn shone with more than his usual lustre. The new Concertante was performed for the first time with admirable effect. The new overture is one of the grandest compositions we ever heard and it was loudly applauded, the first and last movements were encored. It was near 12 o'clock before the concert was over.«
Das fünfte Konzert am 16. März war vorzugsweise Haydn gewidmet. Das Programm enthielt von seiner Komposition:[47] »Overture MS. from last year, Quartetto, Recitativ ed Aria (Sig. Calcagni), Cantata (Miss Corri), by desire, the new Concertante MS. for Violin, Cello, Oboe, Bassoon as performed last friday, The Storm a new Chorus and Quartetto«. Im 6. Salomon-Konzert am 23. März wurde außer einer älteren Sinfonie zum ersten Male die Sinfonie inG-dur (mit dem Paukenschlag) aufgeführt. Der Enthusiasmus des Publikums über den Effekt, den der plötzlich einsetzende Forte-Akkord im Andante machte, war ungeheuer und war der Grund, weshalb die Sinfonie in England den Beinamen »The surprise« erhielt. Bekanntlich kursieren eine Menge Geschichtchen, weswegen Haydn diesen Akkord in dasAndante einfügte; und zwar erst später einfügte, wie das Autograph des Andante beweist, das den Schlag nicht enthält20. Wir müssen gar nicht annehmen, daß Haydn irgendwelche Demonstrationen gegen schläfrige Konzertbesucher oder dgl. anstrebte; es war ihm um einen künstlerischen Effekt zu tun, und den erreichte er wirklich. Vielleicht war eine am 24. März in »The Oracle« erschienene Rezension die Entstehungsursache von der Legende des Aufweckens; in jener Kritik hieß es:
»The second movement was equal to the happiest of this great Master's conceptions. The surprise might not be unaptly likened to the situation of a beautiful Shepardess who lulled to slumber by the murmur of a distant waterfall starts alarmed by the unexpected firing of a fowling-piece. The flute obligato was delicious.«
Jedenfalls eroberte sich die Sinfonie mit ihrem Andante die Welt im Sturm, und Haydn selbst konnte ihre Popularität nicht besser dartun, als dadurch, daß er später in seinen »Jahreszeiten« den Landmann hinter seinem Pfluge das beliebte, zur Volksweise gewordene Thema pfeifen läßt. Die weiteren Salomon-Konzerte erlitten eine kurze Unterbrechung, weil, wie Salomon am 27. März entschuldigend verlautbarte, die als Star-Solistin in Aussicht genommene Madame Mara nicht angekommen war. Erst am 13. April wurde das 7. Konzert abgehalten, welches zwei ältere Sinfonien Haydns, darunter die im 3. und 4. Konzert aufgeführte B-dur-Sinfonie brachte. Die Mara war noch immer nicht da, und auch[48] das 8. Konzert am 20. April mußte sich ohne diese Attraktion behelfen. Das Programm enthielt zwei besonders erfolgreiche Kompositionen Haydns, nämlich »The surprise« und die im 1. und 2. Konzert gespielte Sinfonie, überdies ein neues Trio (new Sonata for Pianoforte with a Violin and Cello obligato), gespielt von Hummel, Salomon und Menel. Im 9. Konzert (27. April) erschien endlich die sehnlichst erwartete Madame Mara. Von Haydn wies das Programm des Konzertes zwei Sinfonien, darunter »by particular desire the favourite overture as performed last season, 1st and 2d nights«, ein Finale und ein Divertimento für Violine, 2 Violen, Oboe, Flöte, 2 Hörner und Cello auf.
Einen Tag vor dem nächsten Salomon-Konzert, Donnerstag, den 3. Mai 1792, war Haydns Benefize-Konzert, sein zweites, »a grand concert of vocal and instrumental music«. Alle hervorragenden Solisten, die Salomon für seine Konzerte verpflichtet hatte, waren aufgeboten worden, die Mara, die Harfenistin Krumpholz, die Sängerin Corri, die Sänger Calcagni und Simoni, der Geiger Janiewicz. Haydns Kompositionen waren die Hauptnummern des Programmes: zwei Sinfonien, die Concertante für Violine, Cello, Oboe, Fagott, eine Kantate (wahrscheinlich Ariadne auf Naxos) und als Finale »the Earthquake« aus den »Sieben Worten«. Nicht viel geringer war die Zahl der Haydnschen Kompositionen im tags darauf stattgehabten 10. Salomon-Konzert, in dem zwei Sinfonien, das Divertimento vom 9. Konzert und ein Finale aus des Meisters unerschöpflicher Mappe aufgeführt wurden. Das 11. Konzert am 11. Mai brachte drei Nummern von Haydn, ein neues Divertimento für zwei Violinen, Oboe, Flöte, zwei Bratschen, zwei Hörner, Cello und Kontrabaß, eine Sinfonie (vom letzten Konzert wiederholt) und das Finale; das 12. und letzte Salomon-Konzert am 18. Mai zwei frühere Sinfonien, auf speziellen Wunsch wiederholt, ein neues Notturno für je zwei Violinen, Flöten, Bratschen, Hörner, sowie Cello und Kontrabaß, weiter das Finale. Damit war die Reihe der angekündigten Aufführungen geschlossen, in denen Haydn der künstlerische Mittelpunkt gewesen, die ihm reiche Erfolge innerer und äußerer Art brachten Das Interesse des Publikums in den letzten Salomon-Konzerten war – nicht sowohl der nicht mehr in der ersten Jugendblüte stehenden Mara, sondern der zahlreich aufgeführten Haydnschen Kompositionen wegen[49] – so stark, daß sich Salomon veranlaßt sah, noch ein außerordentliches Konzert hinzuzufügen, welches am 26. Mai hätte stattfinden sollen; da dieser Tag aber von Seite des Hofes aus irgendeinem Grunde als inopportun bezeichnet wurde, wurde das Konzert auf den 6. Juni verlegt. Haydn war mit zwei früheren Sinfonien und a full piece (Sinfoniesatz) vertreten. Morning Herald schrieb am 8. Juni:
»Solomon finished his season on Wednesday night with the greatest eclat. The instrumental pieces of Haydn were received with an extracy of admiration and Mara, on quitting the room, had equal honours.«
Zwischen diesen letzten Salomon-Konzerten, die Haydns Erfolg, seinen Sieg über Pleyel, zu einem unbestrittenen machten, gab es noch eine Reihe anderer Veranstaltungen, an denen Haydn als Aufführender oder Aufgeführter beteiligt war. Da war das Konzert der drei Schwestern Abrams am 20. März, das Haydn dirigierte; Beginn und Schluß des Konzertes bildete je eine Haydnsche Sinfonie. Da war weiter am 26. März eine Aufführung bei Barthelemon (Pohl sagt [Haydn in London S. 193], es wäre ein Konzert der Miß Corri gewesen) mit einem interessanten Zwischenfall, über den wir Haydns eigene Worte aus seinem Tagebuch hierhersetzen wollen: »Den 26. Mertz im Concert bey Mr. Barthelemon war ein Englischer Pop, der als Er das Andante hörte, in die tiefste Melanconia versunken, weil ihm nachts vorher von diesem Andante träumte – mit dem beysatz das dieses Stück Ihn den dodt ankündige. Er verließ augenblicklich die gesellschaft und gieng zu beth. Heute den 25th Aprill erfuhr ich durch H. Barthelemon, das dieser Evangelische geistlich gestorben sey.« Dann Salomons Benefize-Konzert am 21. Mai, das Konzert von Barthelemon am 28. und von Haeßler am 30. Mai, endlich das Benefize der Madame Mara am 1. Juni, ein mehr gesellschaftliches als künstlerisches Ereignis. (»There was a fine show of elegant and scientific visitors at the Hanover square rooms« heißt es in einer Besprechung.) Haydns Tagebuch sagt über Maras Benefize: »Man machte zwei von meinen Sinfonien und ich accompagnirte ganz allein mit dem Pianoforte eine sehr difficulte englische Aria von Purcell: Die Compagnie war sehr klein.«
Wenden wir uns von diesen mehr statistisches Interesse beanspruchenden Aufzählungen dem Menschen Haydn und seinen Erlebnissen[50] in diesen Monaten zu. Gesundheitlich ging es unserem Meister im großen und ganzen gut. Er jammerte zwar in den Briefen, die er aus London schrieb, speziell an Marianne Genzinger, daß er »übermüdet sey, meine Augen leyden am meisten, und hab viele schlaflose nächte«; auch zur Ader ließ er sich am 17. März, wie eine Tagebuchnotiz bezeugt. Von schweren Krankheiten blieb er jedoch verschont, nur der Nasenpolyp machte ihm zu schaffen. Die Ermüdung kam von der – unserem bisher in der Ruhe eines kleinen Fürstenhauses lebenden und schaffenden Meister ungewohnten – Hast und Energie, mit der Kompositionen und Aufführungen auf den Kunstmarkt einer großen Weltstadt geworfen werden mußten, um der Konkurrenz zu begegnen. Vorbei war's mit der Behäbigkeit und Behaglichkeit von Esterhaz, Eisenstadt und Wien. Hier hieß es schaffen, damit man oben blieb und nicht untergekriegt wurde. Für die Kunst und das Publikum war diese Anspannung aller Kräfte gewiß ein Gewinn. Die Internationalität des Musikbetriebes in London machte es zur Notwendigkeit, alle musikalischen Stilgattungen zu kultivieren und sich dem Fortschritt nicht zu verschließen. Wenn Haydn auch als schon gereifter Künstler auf den Plan trat, so war er doch gezwungen, sein Schaffen den größeren technischen Mitteln, dem an größere Dimensionen gewöhnten Londoner Publikum anzupassen; daher auch sein Bestreben, frühere Werke umzuändern, zu verbessern, den geänderten Verhältnissen anzugleichen. All das machte unserem Meister gewiß viel Mühe, Sorge und Pein, und wir glauben es ihm aufs Wort, daß er – wenn man noch seine vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen dazunimmt – müde und erschöpft war. Eine nicht geringe Inanspruchnahme für Haydn war sein Verhältnis zu den Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, die zu jener Zeit in seinen Lebenskreis getreten waren. Seine Frau nahm ihn am allerwenigsten in Anspruch. Von der Korrespondenz mit ihr ist gar nichts erhalten, aber nach mündlichen und schriftlichen Äußerungen Dritten gegenüber zu schließen sind die beiderseitigen Briefe über das rein Sachliche kaum hinausgegangen. Lebhaft war der Briefwechsel mit Marianne v. Genzinger, für die Haydn eine zärtliche Freundschaft hegte, die er auch vielfach um Besorgungen geschäftlicher Natur in Wien ersuchte, welchen Wünschen sie – wenn auch nicht gerade mit Windeseile – nachkam. Weiter war[51] da die Luise Polzelli, zu der sich der alternde Meister stark sinnlich hingezogen fühlte, ohne daß ein stärkeres seelisches Band zwischen den beiden herrschte. Die schlaue berechnende Italienerin hatte nur das einzige Bestreben, den Johannistrieb ihres stürmischen Verehrers materiell auszunützen, sei es, daß sie ihn um seine Protektion zur Erlangung eines Engagements in London, um Versorgung eines ihrer Söhne oder – und zwar meistens – um Bargeld anging. Haydn hatte – wie aus seinen Briefen an die Polzelli ersichtlich – viel damit zu tun, ihre diesbezüglichen Wünsche teils zu befriedigen, teils abzuwehren. Aber noch eine andere Frau hatte in diesen Londoner Tagen seinen Lebensweg gekreuzt und war bemüht, ihm mehr zu sein als eine alltägliche Bekanntschaft. Wie weit sie mit ihrer Bemühung bei Haydn auf Entgegenkommen stieß, ist weder aus Tagebucheintragungen noch sonst zu entnehmen, da nur die Abschriften ihrer Briefe in Haydns Tagebuch, nicht aber seine Briefe erhalten sind. Dies teilt mit, daß ihm Haydn 14 Jahre später bei Durchsicht dieser Briefe gesagt hätte: »Briefe von einer englischen Witwe in London, die ich liebte; aber sie war, ob sie gleich schon sechzig Jahre zählte, noch eine schöne und liebenswürdige Frau, die ich, wenn ich damals ledig gewesen wäre, sehr leicht geheirathet hätte.« Das ließ sich 14 Jahre später ganz unbesorgt sagen, aber ob's damals ebenso gemeint war, lassen wir dahingestellt. Die Dame, um die es sich handelt, war eine Mrs. Schroeter. Sie war eine Schwägerin jener Sängerin Corona Schroeter, die uns aus Goethes Lebensgeschichte bekannt ist. Der Bruder der Corona, Johann Samuel Schroeter21, gleich seiner Schwester von dem Vater, einem unsteten Wandermusikus, schon in frühester Jugend zum Auftreten auf dem Konzertpodium dressiert, ursprünglich Sängerknabe, dann Pianist, ließ sich bald nach seiner Ankunft in England hier dauernd nieder. Er erwarb sich durch sein Spiel, das mehr auf Zartheit und Delikatesse als auf große Virtuosität Anspruch erhob, sowie durch seine Klavierkompositionen, die seiner Spielweise entsprachen, große Beliebtheit. Durch seine Heirat mit einer seiner Schülerinnen, der Erbin eines nicht unbeträchtlichen Vermögens, von[52] der wir weder Familiennamen noch auch den Vornamen wissen, wäre er in behagliche Verhältnisse gekommen. Aber er hatte sehr unter den Anfeindungen der Familie seiner Gattin zu leiden, man zwang ihn auch dazu, seiner Tätigkeit als Musiker sowie allen Ansprüchen auf das Vermögen seiner Frau zu entsagen, und teils aus Kränkung, teils infolge einer Erkältung, die er sich zugezogen, starb er, verhältnismäßig jung, im Jahre 1788. Seine Witwe war jene Mrs. Schroeter, die zu Papa Haydn, ebenso wie bei ihrem ersten Gatten, auf dem Umwege des Musikunterrichtes in nähere Beziehungen zu treten suchte. Der Unterricht muß schon sehr bald nach Haydns Ankunft im Frühjahr 1791 begonnen haben, denn das erste erhaltene Billett, datiert vom 29. Juni 1791, meldet die Rückkunft der lernbegierigen Dame nach London und erwähnt die Wiederaufnahme der Lektionen. Die von Mrs. Schroeter bis zu seiner Abreise empfangenen Briefe (waren es alle oder nur ein Teil davon?), zweiundzwanzig an der Zahl, hat Haydn sein säuberlich in sein Tagebuch der ersten Londoner Reise abgeschrieben; sie werden im Anhang im englischen Originaltext abgedruckt. Ob die große Neigung, die mehr auf Seite der Dame als unseres Meisters vorhanden gewesen zu sein schien, die Zeit überdauert hat, wissen wir nicht; wir erfahren auch nicht, ob sich das nahe persönliche Verhältnis beim zweiten Aufenthalt Haydns in London fortsetzt. Wir wissen nur, daß Anfang des Jahres 1796, also nach der zweiten englischen Reise, bei Artaria und gleichzeitig bei Traeg und bei Eder in Wien drei Trios für Klavier, Violine und Violoncello (in D-dur,G-dur, und fis-moll) erschienen, welche der Madame Schroeter gewidmet sind22.
Aus der großen Zahl der Damen, zu denen Haydn gesellschaftliche Beziehungen pflegte, sei noch eine genannt, mit der ihn auch künstlerische Interessen verbanden: Mrs. Anne Hunter, die Gattin des John Hunter, über den Haydn in seinem Tagebuch notiert: »Mr. Hunter ist der größte und berühmteste Chirurgus in London. Leicester Square.« Auf Aufforderung der Musikverleger Corri & Dussek schrieb Haydn zwölf englische Canzonetten,[53] deren Text von Anne Hunter23 herrührte; das erste Heft, 1792 erschienen, war der Textdichterin gewidmet, das zweite Heft, wie das erste aus sechs Canzonetten bestehend, erschien 1795 und weist die Widmung an Lady Charlotte Bertie auf. Mit dem Gatten der Mrs. Hunter, dem berühmten Chirurgen, hatte Haydn noch kurz vor seiner Abreise ein weniger harmonisches Erlebnis. Hunter wollte Haydn wiederholt von seinem lästigen Nasenpolypen befreien, doch Haydn war, vielleicht aus Angst, allen Einladungen des Chirurgen zu einer Operation ausgewichen. Da ladet ihn Hunter unter irgendeinem unauffälligen Vorwand zu einem Besuche ein. »Ich ging hin«, erzählt Haydn. »Nach den ersten Complimenten traten einige baumstarke Kerls ins Zimmer, packten mich und wollen mich auf einen Stuhl setzen. Ich schrie, schlug blaue Flecken und trat so lange mit den Füßen, bis ich mich befreite und Herrn Hunter, der schon mit seinen Instrumenten zur Operation in Bereitschaft stand, begreiflich machte, daß ich mich durchaus nicht wolle operiren lassen. Er wunderte sich über meinen Eigensinn und mir schien, er bedaure mich, daß ich nicht so glücklich sein wollte, seine Geschicklichkeit zu experimentiren. Ich entschuldigte mich mit Zeitmangel wegen meiner bevorstehenden Abreise und nahm von ihm Abschied.« Haydn soll sich dann in Wien, nach seiner Rückkunft von London, doch haben operieren lassen, ohne daß eine Heilung seines Übels eingetreten wäre.
Registrieren wir nunmehr kurz einige mehr oder weniger belangreiche Episoden aus der ersten Hälfte des Jahres 1792, bevor wir mit Haydn von der britischen Hauptstadt für einige Zeit Abschied nehmen. Da ist vor allem die Bearbeitung schottischer Lieder, die Haydn damals zuerst versuchte. »Wohltun trägt Zinsen«; dieses Sprichwort bewahrheitete sich in diesem Falle in sinnfälligster Weise. Um einem unverschuldet in Not und schwere Bedrängnis geratenen Musikalienhändler in London, William Napier (vielleicht identisch mit dem Violaspieler Napier), zu helfen, erklärt sich Haydn bereit, schottische Volkslieder neu zu harmonisieren, Vor- und Nachspiele dazu zu komponieren und die Begleitung der Lieder für eine damals in den Londoner Salons sehr beliebte Besetzung: Klavier, Violine und Violoncello, zu setzen.[54] Es ist zu bedauern, daß über die näheren Einzelheiten, wie Haydn dazu bewogen wurde, diese Arbeit zu vollführen, nichts bekannt ist. Jedenfalls haben diese Bearbeitungen schottischer Lieder viel zur Popularität Haydns in England beigetragen und ihm damals sowohl als später ein hübsches Stück Geld eingebracht. Napiers Publikation hatte großen Erfolg; der arme Verleger war flugs aus aller Verlegenheit, konnte seinem Retter ein Honorar von 50 Guineen überreichen und eine zweite Sammlung herausgeben, für deren Bearbeitung er Haydn bereits das stattliche Honorar von 100 Guineen zahlte. Zu dieser zweiten Sammlung schottischer Lieder, herausgegeben von Napier, verfertigte Bartolozzi nach einer Zeichnung von Hamilton ein Titelblatt. Mit dem Kupferstecher Bartolozzi war Haydn sehr befreundet; nicht bloß das im Jahre 1791 erschienene Porträt Haydns, von Bartolozzi nach A.M. Ott gestochen, bezeugt dies, sondern auch die Tatsache, daß er als Trauzeuge bei der Hochzeit von Bartolozzis Sohn fungierte, und daß er für Bartolozzis Gattin eine Klaviersonate schrieb (1793 in London erschienen: A Grand Sonate for Pianoforte, composed expressly for and dedicated to Mrs. Bartolozzi, Op. 79. Ges. Ausg. Sonate Nr. 50). Über die Haydnschen Bearbeitungen schottischer Lieder wird noch später zu sprechen sein.
Erwähnen wir noch den Besuch Haydns bei dem Instrumentenbauer Charles Clagget; wir erhalten davon Kenntnis durch ein im Morning Herald vom 27. April 1792 veröffentlichtes Schreiben Haydns an Clagget, das diesem sehr schmeichelhafte Worte über seine Instrumente und die darin vorhandenen Verbesserungen sagt.
Auch einige Konzertaufführungen, denen Haydn in den Monaten Mai und Juni beiwohnte, seien erwähnt. Am 22. Mai (Haydn schreibt in sein Tagebuch 20. Mai) war Haydn in Ranelagh-Garden, um das Abschiedskonzert des Geigers Giardini zu hören. Giardini hatte sich dem deutschen Meister immer feindlich gegenübergestellt; ein Versuch, die beiden Männer miteinander bekannt zu machen, wurde durch Giardini zunichte gemacht, der sagte: »ich mag den deutschen Hund nicht leiden.« Er gab als Provokation zwei Trios heraus, die die italienische und deutsche Kompositionsweise darstellen sollten, wobei natürlich die deutsche[55] lächerlich gemacht und die welsche verklärt wurde. Haydn verhielt sich all diesen Anrempelungen gegenüber ruhig: in sein Tagebuch aber schrieb er nach dem obenerwähnten Konzert: »Giardini spielte wie ein Schwein«. Haydns Tagebuch, das wir als interessante Quelle benützen können, erzählt weiter: »Den 30ten May 1792 wurde das große wittwen concert so voriges Jahr zum letzten mahl unter 885 persohnen in Westminster kirche producirt wurde, wegen der so großen unkösten in der St. Margaretkirche vorgenohmen, sie hatten bey der Probe 800, und bei der hauptproduction 2000 Persohnen der könig gab jedesmahl 100 guineas.« Die Reduktion des Aufführungskörpers und die Übersiedlung in einen kleineren Aufführungsraum scheint Gegenstand gewisser Bemerkungen gewesen zu sein: »man macht eine Critic darüber«, schreibt Haydn. Am 3. Juni, zwei Tage nach dem Benefize-Konzert der Mara, speist Haydn mit dem Ehepaar Mara, mit Mr. Kelly und der Sängerin Madame Storace bei dem Bruder der Storace, dem Komponisten; die hinzugefügte Sentenz »sapienti pauca« in Haydns Tagebuch läßt auf nicht allzu große Üppigkeit des Mahles schließen. Am Abend dieses Tages, dem Vorabende von Königs Geburtstag, wurden in London eine Stunde lang, von 8 bis 9 Uhr, alle Glocken geläutet, wie das Tagebuch meldet. Am nächsten Tage, am 4. Juni, war Meister Haydn in Vauxhall, »alwo der geburtstag des Königs gefeiert wurde es brandten über 30 tausend lampen waren aber wegen der großen kälte sehr wenig Menschen da. Der Plaz und die abwechslung in demselben ist vielleicht der einzige in der weld, es sind 155 kleine Buttiken zum speisen in verschiedenen Pläzen gar niedlich angebracht, in jeder derselben können comod 6 Persohnen Plaz haben es sind sehr große baum Alleen welche von oben her sehr prächtig zugedeckt und herrlich beleuchtet sind, the, casse, mandlmilch is alles frey die Persohn zahlt 1 haf crown die Music ist so ziemlich gut man sind Handels Statue von stein aufgestellt«: all dies erfahren wir aus Haydns Tagebuch.
Um diese Zeit wohnte Haydn auch dem alljährlichen Gottesdienst der Armen-Kinder (Charity Schools Anniversary) in der St. Pauls-Kathedrale bei. Haydn schreibt: »8 Tage v. Pfingsten«. Da dieser Gottesdienst traditionell immer am ersten Donnerstag im Juni stattfindet, Pfingstsonntag im Jahre 1792 auf den 27.[56] Mai fiel, so dürfte es wohl bedeuten: »8 Tage nach Pfingsten«. Haydn schreibt also: »8 Tage v. Pfingsten hörte ich in St. Pauls kirch 4000 spittalkinder nachstehendes lied singen. ein Performer gab den Tact dazu, keine Music rührte mich zeitlebens so heftig als diese andachtsvolle und unschuldige
NB alle kinder sind neu gekleidet und ziehen processionaliter dahin, der organist spielt ganz artig und einfach, die Melodie vor, alsdan singen alle zugleich an zu singen.« Der Eindruck, den diese Tausende von Kindern (spätere Chronisten geben ihre Zahl mit 6–8000 an) mit ihrer gleichförmigen Tracht – die Mädchen schneeweiß, die Knaben dunkel – und mit dem Klang ihrer kindlichen Stimmen ausübten, muß wirklich ein bezwingender gewesen sein. Haydn äußerte noch viele Jahre später zu Dies24: »ich stand da und weinte wie ein Kind«. Noch andere Gewährsmänner, wie Berlioz, Moscheles und Grillparzer, schilderten die nachhaltige Wirkung, die diese eigenartige Feier auf sie gemacht habe. Die von den Kindern gesungene und von Haydn notierte Melodie rührt von John Jones, dem damaligen Organisten der St. Pauls-Kathedrale her und ist einer Sammlung von Kirchengesängen dieses Tonsetzers, betitelt »Sixty Chants Single and Double«, erschienen 1785, entnommen. Zu bemerken ist, daß in Haydns Notierung einige kleine Abweichungen, veranlaßt durch die verschiedene Auffassung der Vorhalte, vorkommen, und daß Haydn seine Melodie in E-dur aufschreibt, während sie originaliter in D-dur stand, woraus hervorgehen dürfte, daß die Stimmung der Orgel in der St. Paulskirche um einen Ton höher war als die Wiener Stimmung25.
Am 12. Juni war der Benefize-Abend der Mara im Haymarket Theater. Die beliebte Sängerin sang die Titelrolle in der Oper »Dido«, die angeblich von Sarti, in Wahrheit aber aus den Werken[57] von sieben verschiedenen Musikern durch Storace zusammengestellt war. Am 14. Juni fuhr Haydn nach Windsor, »die schloßkirche zu Windsor ist ein sehr altes aber herliches Gebäude, der hoch altar kostete 50000 f. Es ist die Himmelfarth Christi von Emailierten glaß; in den Seiten altar zur rechten ist dieses Jahr 792 ein kleineres die Erscheinung Christi den Hirten verferdigt worden, man schätzt dieses kleine noch höher als das große. Die aussieht auf der Terrace ist göttlich.« Von Windsor fuhr Haydn noch am selben Tage nach Ascot-Heath, der berühmten Rennbahn, und wohnte dort den Pferderennen bei. Haydn gibt von dem Gesehenen eine anschauliche und eingehende Beschreibung, die drei Seiten seines Tagebuches füllt.
Von Ascot ging's wieder zurück nach Windsor und von hier aus am nächsten Tage nach Slough zu dem berühmten Astronomen William Herschel26. Herschel, aus Deutschland, aus Hannover stammend, war, gleich seinem Vater und seinen vier Brüdern, ursprünglich Musiker, und zwar Oboist. Mit einer hannoverschen Regimentsmusik kam er nach England, um von dort nicht mehr nach seiner Heimat zurückzukehren. Er wirkte in England noch geraume Zeit als Musiker, wurde Organist und fand als solcher Zeit, sich seiner Lieblingsbeschäftigung, der Astronomie, zu widmen, die er bald ganz mit der Musik vertauschte, insbesondere als er sich durch eine reiche Heirat eine sorgenfreie Existenz gesichert hatte.
Inzwischen war der Termin für die Abreise Haydns nahegerückt. Er hatte schon Mitte Januar 1792 an die Polzelli geschrieben, daß er in London höchstens bis Mitte Juni bleiben werde. Ebenso schrieb er am 24. April an seine verehrte Freundin Genzinger, die ihm von der Reise nach Paris abrät: »Ich erwarte von meinem Fürsten, dem ich letzthin schrieb, die Ordre, wohin ich mich verfügen soll. Es kann sein, daß er mich nach Frankfurt kommen läßt, wo nicht, so gehe ich (unter uns) über Holland nach Berlin zum König von Preußen, von da nach Leipzig, Dresden, Prag und endlich nach Wien, um alle meine Freunde zu umarmen.« Aus diesem Reiseplan wurde aber nichts, und er mußte nach Frankfurt, um dort seinen Fürsten zu treffen. Ausführlicher[58] über seine Reisevorbereitungen läßt er sich in zwei Briefen an die Polzelli vom 22. Mai und 13. Juni vernehmen.
»Londra ai 22di Maggio 792.
Cara Polzelli
Ho ricevuto la tua lettera, vedendo, che tu ai almeno la tua salute, tu mi scrivi d'impiegarti ad un teatro. Io t'assicuro che qui a Londra non c'e niente a fare presentamente, e non si sa, saranno date le opere al anno venturo, gl'Inglesi non amano troppo le opere Italiane, perche non capiscono la lingua, ma io mi daro la pena, nel mio ritorno a Vienna d'impiegarti in ogni maniera; io ti mandero ben presto il denaro a te per Pietro, che ho promesso e ti scrivero il giorno della mia partenza di Londra; gli Inglesi vorriano che io restassi qua, ma per adesso e impossibile, bisogna assolutamente, che io vadi a casa, per mettere le mie cose in ordine, io ho lasciato tutta la mia roba a Esterhazy, mio principe vuol ch'io venga alla incoronazione a Frankfort. io ci andero, perche devo fare l'istessa strada per andare a casa. Io ti mandero ben presto un Baule con alcune cose per il Pietro, e dalla tua sorella alcuni abiti per te. Vivi fra tanto felice, io son sempre tuo fedele sperando in Dio di vederti ancora ed abbracciarti
Giuseppe Haydn«
[Adresse:] »Madame Loise Polzelli, Virtuose di Musica a Bologna Ferma in Posta. in Italie
»London ai 13to di Giugno 792.
Cara mia Polzelli!
Ho ricevuto tua lettera, con la falsa novita della mia moglie ella non si trova pero tutto affatto bene, ma con queste sue sollte maladie ella si mantiene, e vivra puo essere più lungo di me, questo destino bisogna dunque lasciare alla Providenza. Io partirò di Londra in fine di questo mese, ed io ti scriverò da Frankfort, ho inteso ieri che mio Principe andera là da imbasciatore di Bohemia, ed che egli sarà là ai 25 di questo mese, e prenderà seco la Musica, credo dunque, che saro obligato di restare alcun tempo con lui Basta, io scriverò subito, quando deve partire tuo Pietro.[59] io ho comprato hieri un picolo Baule per mettere dentro le robbe, che abbiamo messo insieme, io ed tua sorella e servirà l'istesso Baule per il Pietruccio, quando egli partirà di Bologna, cara mia Polzelli io spero di vederti l'anno venturo ed raccontarti tutto quello che e arrivato con me mentre che io ti lasciai; e spero in dio d'essere sempre quelloche son stato verso di te. io ti amo e sarò sempre tuo fedele.
Giuseppe Haydn
molti Bacci ai tuoi figli
mio complimento alla tua cara Sorella«
Vor seiner Abreise am 22. Juni gab Haydn noch seinen Kollegen von der Musical Graduates Society ein Dinner bei Parsloes, einem bekannten Kaffeehause an der Westseite von St. James Street. Zu diesem Abschiedsmahle wurde auf ausdrücklichen Wunsch Haydns auch Salomon zugelassen, wie es in den Annalen der Gesellschaft heißt: »partly as the intimate friend of Dr. Haydn, partly as an interpreter, Dr. Haydn having not made sufficient progress in the English tongue.«
Die Rückreise ging also wieder rheinwärts. In Hamburg, wo die Musikfreunde mit Haydns Porträt durch die beim Musikalienhändler J.C. Westphal ausgelegten englischen Kupferstiche bekannt gemacht worden waren, hatte man vergebens gehofft, ihn selbst näher kennen zu lernen27. Statt dessen finden wir ihn, ohne daß wir über seine Reise nähere Angaben zur Verfügung hätten, im Juli in Bonn, von wo aber Kurfürst Maximilian bereits zur Krönung seines Neffen, des Kaisers Franz, abgereist war. Doch gab ihm das kurfürstliche Orchester ein Frühstück zu Godesberg, dem reizenden, unweit von Bonn gelegenen Örtchen. »Dort legte ihm Beethoven eine Cantate vor, welche von Haydn besonders beachtet und ihr Verfasser zu fortdauerndem Studium aufgemuntert wurde«, schreibt Wegeler in seinen biographischen Notizen, und Thayer knüpfte daran den Zusatz: »Es ist nicht unwahrscheinlich, daß damals zum Teil die Verabredungen getroffen wurden, unter welchen der junge Komponist wenige Monate später Schüler des alten Musikers wurde.« Daß Beethoven nicht gleich mitkam, hatte wohl in der Abwesenheit des Kurfürsten seinen[60] Grund, der erst seine Zustimmung geben und die Mittel für die Reise des jungen Stipendiaten bewilligen mußte. Das Sinnen und Trachten des jungen Beethoven war seit seinem ersten, nur kurz währenden Aufenthalte in Wien, wohin er im Jahre 1787 kam, um bei Mozart zu lernen, darauf gerichtet, noch einmal nach diesem Musikzentrum sondergleichen zu kommen, um seine Ausbildung zu vollenden; und da mag die vorübergehende Anwesenheit Haydns diesen Plan zur Reise gebracht und diese für Beethoven wie für die Musikgeschichte gleich bedeutsame Fügung verursacht haben.
Eine Zusammenkunft Haydns mit dem Musikverleger Simrock in Bonn, bei dem sich unser Meister bitter über die fehlerhaften Ausgaben seiner Sinfonien beklagte, war die Veranlassung, daß Simrock später die Ausgabe einer Sammlung von 37 revidierten Sinfonien unternahm, womit er, wie er bei deren Ankündigung im Jahre 1810 erwähnt, »nur ein wichtiges Versprechen löste, welches er in die Hände des Seligen ablegte«. Von Bonn ging die Reise nach Frankfurt, wo unterdessen Fürst Anton Esterhazy samt Gemahlin bereits eingetroffen waren. Am 14 Juli fand die Krönung Franz' II. als römisch-deutscher Kaiser statt. Die verschiedenen Zeitungen waren durch die Besprechung der Krönungsfeierlichkeiten und Aufzählung der anwesenden Fürstlichkeiten so in Anspruch genommen, daß für die Erwähnung von angekommenen Künstlern natürlich kein Raum blieb. Zufällig erhalten wir einen Beweis für Haydns Anwesenheit in Frankfurt durch die Ankündigung eines neu erfundenen Instrumentes, der »Harmonica celestina«, welche »von Haydn gespielet und probiret und guten Lobes werth gefunden worden sey«, wie es im Frankfurter Staats-Ristretto vom 13. Juli heißt; zwei andere Blätter (Altes Frankfurter Intelligenzblatt vom 24. Juli und Kais. Reichs-Ober-Postamtszeitung vom 30. Juli) erwähnen ebenfalls dieses Instrument, »das eine Lücke, die schon mancher große Künstler hat leer lassen müssen, ausfüllt. Selbst der große Herr Capellmeister Haidn und der erste kaiserl. Kapellmeister Herr v. Salieri, welche es gespiellet und genau geprüfet, erkannten es für das erste Stück in seinem Fach«.
Über die weitere Reise Haydns von Frankfurt nach Wien, die er im Gefolge des Fürsten zurückgelegt haben dürfte, erfahren[61] wir nichts. – In Wien kam er am 24. Juli an, aufs freudigste empfangen von seinen Freunden und von seiner Frau, die ihn schon sehnsüchtig erwarteten; die letztere nicht so sehr aus Liebe und Zärtlichkeit, sondern wegen des Hauskaufs, den sie ihm schon brieflich vorgeschlagen hatte. Haydn konnte sich nicht sofort zum Ankauf des von seiner Frau ausfindig gemachten Hauses in Gumpendorf, das ihm recht gut gefiel, das aber seiner Meinung nach kleiner baulicher Änderungen bedurfte, entschließen, und die Verhandlungen zogen sich bis ins nächste Jahr hinüber.
Der Haydn, der jetzt zurückgekommen war, war wohl ein ganz anderer als der, der vor anderthalb Jahren in die weite Welt hinauszog. Vor allem hatte er ein, wenn auch nicht großes, so doch immerhin für seine Verhältnisse ganz nettes Vermögen erworben und daher das Selbstgefühl, das mit Geldbesitz verknüpft ist. Dann hatte er die Wertschätzung, ja Bewunderung vieler hochmögender Menschen erworben, hatte zahlreiche Beweise dafür erfahren, wie sehr man ihn verehrte, und war mit dem höchsten akademischen Grad einer der ersten Universitäten der Welt ausgezeichnet worden. Endlich war er in seiner Kunst noch weiter fortgeschritten und war dem Gipfel seiner Meisterschaft nahe. So sehr dies alles auf ihn selbst, seine Persönlichkeit, seine nächste Umgebung eingewirkt haben mag, die guten Wiener in ihrer Gesamtheit nahmen anscheinend davon wenig Notiz. Weder über seine Ankunft, noch über die ganze Zeit seines Wiener Aufenthaltes zwischen der ersten und der zweiten Londoner Reise sind irgendwie erhebliche Nachrichten erhalten. Ganz vergessen war Haydn in Wien nicht, dafür zeugen die mannigfachen Aufführungen und die vielen – meist unberechtigten – Druckausgaben seiner Werke. Erwähnenswert unter den Aufführungen ist eine am 9. Januar 1792 im K.K. priv. Theater a. d. Wieden stattgefundene Vorstellung, von der es in der Ankündigung hieß:
»Zum Erstenmal (?)
Der Ritter Roland.
Eine heroisch-komische Oper in drey Akten nach dem Italiänischen fürs deutsche Theater bearbeitet von Gierschek. Die Musik hiezu ist von dem berühmten Herrn Joseph Haydn, Kapellmeister;«
weiter die Akademie der Tonkünstler-Sozietät am 15. und 16. April 1792, in der Haydn außer mit einem Chorstück mit[62] einer großen Sinfonie, »welche eines seiner letzten in Paris (?) verfaßten Werke ist, vertreten war.« (Handelte es sich hier um eine Verwechslung zwischen London und Paris, oder war es eine der für Paris geschriebenen Sinfonien?)
Wenn man bedenkt, wie sehr Haydn in London gefeiert wurde, wie sich alles, was mit Musik zusammenhing, um seine Person bemühte, ja, daß Leute ihn auf der Straße ehrfurchtsvoll begrüßten, ihn mit den Worten apostrophierten: »you are a great man«, muß man die Indolenz der Wiener bestaunen und bemängeln. Keine offizielle Stelle, keine Zeitung, keines der erhaltenen Tagebücher beschäftigt sich mit der Rückkunft des Mannes, der nicht nur sich, sondern auch der deutschen Kunst so viel Ruhm und Ehre erworben hatte. In einigen biographischen Werken wird – ohne Belege – von einem ihm zu Ehren veranstalteten Fest im Augarten, in anderen von einer Akademie im Redouten-Saal gesprochen; trotz eifrigsten Forschens ist auch nur der leiseste Anhaltspunkt für das Stattfinden einer dieser behaupteten Ehrungen nicht zu finden gewesen.
Kümmerte sich das offizielle Wien um den vom Auslande mit reichen Ehren heimgekommenen Großmeister nur wenig, so waren seine Freunde um so liebevoller um ihn bemüht; vor allem das Ehepaar Genzinger, Herr und Frau v. Kees, dann Greiner, Tost, Fries, Zmeskall, Fräulein Nanette Peyer u.a. Von zwei Briefen an Frau Genzinger, die Karajan veröffentlichte, meldet der erste:
»Gnädige Frau!
Da Herr v. Kees mich heute zu sich auf Mittag geladen, habe ich gelegenheit Seiner Frau Gemahlin die versprochenen Nähe-Nadeln zu geben. Solten also Euer gnaden ein belieben haben, mir einige davon zu übersenden, wofür ich Euer gnaden die Hände küsse, und bin mit aller Hochachtung
Dero
ganz Ergebenster Diener
Joseph Haydn.
Vom Hauß den 4. Augusti 1792.
(von außen) Madame de Genzinger à Son Logis.«
kurz nach seiner Ankunft geschrieben, die Ausführung der ihm von seinen Freunden für London erteilten Aufträge. Auch seinem[63] Hausherrn Hamberger, in dessen Hause, Wasserkunstbastei Nr. 992, er nach seiner Zurückkunft wohnte, brachte er, wie im Tagebuch vorgemerkt, das »scherl zum Nägl abschneiden« mit. Aus dem zweiten Brief, ebenfalls an Frau Genzinger gerichtet,
»Gnädige Frau!
Nebst anwünschung eines guten Morgen Bitte ich Euer Gnaden, dem überbringer dieses die letzt-größere Aria in F-minor von meiner opera zu übergeben, welche ich für meine Fürstin abschreiben lassen muß. Ich werde solche längstens in 2 Tagen selbst wieder überbringen. Heute nehme ich mir die Freyheit, mich auf Mittag einzuladen, wo ich gelegenheit haben werde, Euer gnaden dafür die Hände zu küssen, unterdessen bin ich wie allzeit
Euer Gnaden
ganz dienstfertigster Diener
Joseph Haydn m. p.
Vom Hauß den 13. November 1792.
(außen) Madame Noble de Genzinger à Son Logis.«
läßt sich entnehmen, daß die Musikpflege am Fürstlich Esterhazyschen Hofe doch noch nicht ganz eingestellt war. Unter der in diesem Briefe erwähnten Arie könnte die Arie des »Orfeo«: »In un mar dacerbe pene«, die zwar in der später bei Breitkopf & Härtel veröffentlichten Partitur des »Orfeo«, nicht aber in der autographen Original-Partitur vorkommt, verstanden sein.
In den adeligen Häusern Wiens, die liebevolle Pflegestätten der Tonkunst waren, wie Lichnowski, Lobkowitz, Schwarzenberg, van Swieten, war Haydn auch häufiger Gast, pflegte dort aber nicht so intensiven Verkehr, wie es später Beethoven getan.
Eine einzige Zeitung erwähnt Haydns mit einer ganz kurzen Notiz. »Der heimliche Botschafter«, ein handschriftlich in den Jahren 1791–1793 erschienenes Blatt, in der Wiener Nationalbibliothek vorhanden, läßt sich am 2. Oktober 1792, also mehr als zwei Monate nach seiner Rückkehr, folgendermaßen vernehmen:
»Der hier angekommene Kapellmeister Haydn arbeitet an dem zweiten Teil der beliebten Oper des verstorbenen Mozarts ›Die Zauberflöte‹. Am 15ten dies aber als am Namensfeste Ihrer Maj. der Kaiserin wird im Hoftheater eine neue Oper von seiner Komposition gegeben werden.«[64]
Der erste Teil dieser Mitteilung bewahrheitete sich ebensowenig wie der zweite. Vielleicht war es der Wunsch Schikaneders oder anderer spekulativer Köpfe, das Werk Mozarts durch seinen Bruder in Apoll fortsetzen zu lassen; Haydn selbst dachte sicher nicht im entferntesten daran. Und aus der geplanten Festaufführung einer seiner Opern wurde gleichfalls nichts; statt dessen wurde in Schönbrunn ein Jahrmarktsfest mit allem möglichen Schnick-Schnack ab gehalten. Auch hier drängt sich die Vermutung auf, daß es sich um den »Orfeo« gehandelt haben könne, der zur Aufführung in Aussicht genommen wurde. Statt aller dieser angeblichen Opernaufträge erhielt Haydn einen auf Lieferung von Tanzmusik.
Im Herbste dieses Jahres, 1792, wurde Haydn nämlich von der Gesellschaft bildender Künstler ersucht, für ihren am 25. November in den kaiserlichen Redoutensälen stattfindenden Maskenball die Tanzmusik zu schreiben. Es war der erste dieser nachmals »Katharina-Redoute« benannten Bälle, die der Künstlergesellschaft zum Besten ihres Witweninstitutes vom Hofe, einstweilen auf drei Jahre, bewilligt worden waren. In der Ankündigung hieß es, »... daß der berühmte Kapellmeister Herr Joseph Haiden zu den Menuetten und deutschen Tänzen aus Liebe zur Kunstverwandtschaft und zum Besten des Institutes eine originelle Musik verfertigt hat«. Ein auf dieses erste Ballfest der bildenden Künstler bezügliches Gedicht: »Die Freude winkt: o komm zu frohen Tänzen« erschien im Wiener Theater-Almanach auf das Jahr 1794. Im Jahre 1793 war die Tanzmusik bei diesem Künstlerballe in den Redoutensälen für den großen Saal »vom Hofkapellmeister und Hofcompositeur L. Kozeluch« und für den kleinen Saal »von den berühmten Lieblings-Kapellmeistern Herrn Joseph Haydn und Wolfgang Mozart«. Die 12 neuen Redoutenmenuette und die 12 neuen deutschen Tänze für volles Orchester erschienen dann »in Auflagstimmen und aufs Clavier übersetzt« bei Artaria, dem sie Haydn mit allen Rechten am 7. Dezember 1792 um 24 Dukaten überließ.
Über das sonstige Leben Haydns in diesem und auch im nächsten Jahre bis zur zweiten Londoner Reise wissen wir nicht viel. Aus dem im folgenden mitgeteilten Briefe von Pietro Polzelli an seine damals in Italien weilende Mutter, mit einer Nachschrift[65] von Haydns Hand, erfahren wir, daß die Pumpversuche der Polzelli und die Geldsendungen Haydns an sie fortgesetzt werden, daß weiter Haydn den jungen Polzelli in sein Haus aufgenommen hatte, wo er von der Madame Anna Haydn sogar sehr gut empfangen wurde, und daß Haydn diesen seinen Liebling durch Erteilung von Musikunterricht und Empfehlung als Musiklehrer aufs beste förderte.
»(Vienna) li 22 Ottobre 1702
Carissima Signora Madre!
La prego di perdonarmi, che non ho potuto risponder subito. la causa e questa, che io sempre sperava di poterle ajutare in qualche cosa. cara madre, ho pregato e parlato molte volte per lei il Sig. Maestro haydn, ma carissima madre non potuto far di piu, di quel che fu fatto adesso. Col occasione che il Sig. Valentino Pertoja da Venezia che lei conoscera bene da Esterhazy, trova presentemente a Vienna per certi affari, a Lei il Sig. Maestro Haydn per il medisimo manda con la lettera presente fiorini venti sei e 30x e dice che lui presentemente non puo mandare di piu, che si trova in uno stato di non poter far di piu in mentre che deve spender per me, e per la sua propria casa assai. Carissima Sig.a madre le avviso ancora che oggi vado via dalla casa della Crestina che gia m' ha condotto il Sig. Maestro Haydn in propria sua casa, per aver miglior tempo di poter insegnarmi del tutto. Le averto che gia per mezzo del Sig. Maestro Haydn ho ricevuto una casa per poter guadagnare qualche cosa mentre io vado in casa della Sig. contessa Weissenwolf per insegnare a suonare il cembalo alla sua propria figlia ove spero di poter ajutarle ancora in qualche cosa che gia non manchero mai di far tutto il mio possibile e mi dico per sempre
ubbidientissimo tuo figlio
Pietro Polzelli.
(Haydns Nachschrift:)
Cara Polzelli!
Tuo figlio e stato ricevuto assai bene dalla mia moglie. Pietro deve insegnare la figlia della contessa Weissenwolf ed egli da se stesso mi ha pregato tutto il denaro che guadagnera di mandare alla sua cara madre. Io Sono mortificato che presentemente non ti posso mandar altro che questi 26 fiorini[66] perche io ho troppe spese. Vivi fra tanto felice, io sono tuo sincerissimo
Giuseppe Haydn.«
Auch den Schlesier Peter Haensel, der seit 1791 Konzertmeister bei der Fürstin Lubomirska war, nahm Haydn um diese Zeit als Schüler an.
Weit interessanter als diese beiden Schützlinge Haydns ist uns ein anderer, den er im Herbste dieses Jahres 1792 unter seine Obhut bekommen hatte: Ludwig van Beethoven28.
Beethoven war im Sinne der Vereinbarungen, die vor einem Vierteljahr in Bonn getroffen worden sein dürften, dem Meister Haydn, den die Gönner Beethovens diesem als Lehrer bestimmt hatten, nach Wien gefolgt. Sicher war Beethoven damals auch noch ganz von der Idee erfüllt, bei Haydn und von ihm zu lernen. Daß es im Laufe der Zeit, ja nach wenigen Monaten schon anders kam, daß Beethoven von dem Unterricht bei Haydn nicht befriedigt war und andere Lehrmeister suchte, darüber ist oft und viel geschrieben und die Tatsache vieler Erörterungen, auch vieler Entschuldigungen, wert befunden worden29. Daß Haydn kein Lehrer im landläufigen Sinne des Wortes gewesen, daß Beethoven einen anderen Unterricht erwartet und gebraucht hat, daß es ihm darauf ankam, sich den strengen Satz ganz zu eigen zu machen, vielleicht nur, um sich von dem Zwange der Regeln befreien zu können, und daß Haydn kein orthodoxer Kontrapunktiker war, der ihm der Regeln Gebot beibringen hätte können, sei zugegeben. Die Ursache der bald nach Beethovens Ankunft aufgetauchten künstlerischen Differenzen war aber eine tiefere: es waren zwei ganz verschiedene Welt- und Kunstanschauungen, die da aufeinander stießen. Was Nietzsche apollinisch und dionysisch nennt, was andere als klassisch und romantisch bezeichnen mögen, ist selten in solcher Reinkultur durch zwei künstlerische Erscheinungen verkörpert worden wie durch Haydn und Beethoven. Dem Beethovenschen Individualismus, der, ebenso wie er sich physisch und sozial von der[67] Umwelt und gegen sie sperrte, sich neue künstlerische Werte schuf, steht der Haydnsche Universalismus, der sich Verhältnissen, Menschen, fremden Kunstformen anzupassen sucht, gegenüber; und doch war die Begegnung beider ein Gewinn für sie selbst und für die Kunst. Für Beethoven war – ganz abgesehen davon, daß seine Frühwerke unverkennbar den Einfluß Haydnscher Kunst zeigen – noch später das, was Haydn auf formalem Gebiete geschaffen, die Grundlage seiner weiterbildenden Tätigkeit; man darf da nicht bloß an die Instrumentalwerke denken, denn gerade Haydnsche Vokalmusik hat den Nährboden abgegeben für Beethovens gewaltigste Schöpfungen, für die »Neunte« und die »Missa solemnis«. Und der alte, aber immer noch aufnahmsfähige Haydn, der von dem jungen Mozart schon soviel gelernt hatte, war bereit, von dem noch jüngeren Beethoven zu lernen; das beweist beispielsweise die Schilderung des »Chaos« in der Schöpfung, ein Stück von einem Subjektivismus, den in früherer Zeit hervorzukehren Haydn sich nicht getraut hätte.
Rein persönlich war das Verhältnis zwischen beiden nicht nur anfänglich, sondern auch später ein sehr gutes. Haydn gewöhnte sich bald an den Eigensinn und die Launen seines Zöglings, der wiederum sicherlich Sorge trug, dem älteren Meister nicht wehezutun. Nur aus Schonung für Haydn hielt Beethoven die Fiktion des Unterrichtes aufrecht, gewiß nicht aus Berechnung. Und wenn Beethoven auch bei Schenk, der übrigens auch gerade kein Pontifex Maximus des Kontrapunktes war, und dann bei Albrechtsberger nebenbei Unterrichtsstunden nahm, so wußte er andererseits ganz gut, was er bei Haydn, der jetzt unendlich viel mehr gesehen und gehört hatte als die beiden genannten Lokalgrößen, lernen konnte, und um wie viel höher dieser – vom Pädagogischen abgesehen – stand als die beiden Genannten. Aus Beethovenschen Tagebuchaufzeichnungen sehen wir, daß das Beisammensein der beiden sich nicht auf die Unterrichtsstunden beschränkte, sondern auch auf den Privatverkehr, und als äußeres Zeichen der Verehrung widmete Beethoven dann, wie bekannt, seine Trios Op. 1 und seine Klaviersonaten Op. 2 Joseph Haydn, dem er sie vorher gezeigt hatte, und der ihm gewiß manche Fingerzeige für die endgültige Fassung gegeben haben mag. Als Haydn dann im Frühjahre des darauffolgenden Jahres nach Eisenstadt ging, nahm er Beethoven mit[68] sich30, wozu sich beide nicht verstanden hätten, wenn sie nicht von der Ersprießlichkeit ihres Beisammenseins überzeugt gewesen wären.
Im Jahre 1792 wurde auch zum erstenmal der Versuch unternommen, durch Anlage eines Kataloges die zerstreuten Früchte der Haydnschen Muse zu sammeln und zu sichten. Ernst Ludwig Gerber, der Herausgeber des »Biographischen Lexikons der Tonkünstler«, war der herzhafte Mann, der sich dieser Aufgabe unterzog. Die »Musicalische Korrespondenz der teutschen filarmonischen Gesellschaft für das Jahr 1792«, erschienen zu Speier, brachte, von Gerber zusammengestellt, ein Verzeichnis der bisher gedruckten Kompositionen, und zwar nach den Musikalienkatalogen von Andre (Offenbach), Artaria (Wien), Bland (London), Boßler (Speier), Breitkopf (Leipzig), Gayl (Frankfurt a.M.), Haneisen (Frankfurt a.M.), Hummel (Amsterdam), Le Duc (Paris), Schott (Mainz), Rellstab (Berlin), Westphal (Hamburg). In der Vorrede sagt Gerber: »Ein dergleichen vollständiges Verzeichnis schien nun freilich Haydn selbst am besten anfertigen zu können. Allein leider haben wir uns von dieser Seite keine Hoffnung darauf zu machen, da er selbst einem meiner Freunde, durch welchen ich vor ein paar Jahren darum ersuchen ließ, zur Antwort gab: ›daß ihm dies unmöglich sei. Und daß überdies viele seiner Werke bei dem Schloßbrande zu Esterhaz ein Raub der Flammen geworden wären.‹« Gerber hoffte, auf sein damals veröffentlichtes, natürlich nicht vollständiges Verzeichnis ein Echo zu finden und andere zu Ergänzungen, Berichtigungen usw. aufzumuntern. »Aber umsonst! Niemand hat bisher dazu die Hand bieten wollen, als der nunmehr † Westphal in Hamburg, der Einzige, der mit seinem Handelsgeist doch soviel Liebe zur Kunst und Literatur verband, daß er mir ein thematisches Verzeichnis von allen den Haydnschen Werken, welche durch seine Hände gegangen waren, mit den nöthigen Angaben der verschiedenen Ausgaben überschickte.«
So schrieb Gerber im Jahre 1812. Und heute nach mehr als hundert Jahren ist es noch nicht möglich geworden, ein vollständiges Verzeichnis der Werke Meister Haydns fertigzustellen![69]
Das Jahr 1793 brachte in seinem Beginn gleich ein trauriges Ereignis: Den Tod der Marianne von Genzinger, geb. v. Kaiser, die am 26. Januar, erst 38 Jahre alt, starb, betrauert von ihrem Gatten, ihren fünf Kindern und nicht minder von ihrem Freunde Haydn. War sie ihm doch stets eine wohlmeinende, edelgesinnte Freundin gewesen, liebevoll und hilfreich, trotz ihrer verhältnismäßigen Jugend ihn bemutternd und für ihn sorgend. Haydn mag dieser Verlust gewiß sehr schwer betroffen haben und ihn in seiner Absicht, wieder wegzufahren, bestärkt haben. Um diese Zeit und noch einige Zeit später stand seine zweite Londoner Reise allerdings noch nicht fest. In dem Brief an die Polzelli, den er ihr im Juni aus Eisenstadt schrieb, sagt er, daß er bis September in Wien bleiben wolle, dann mit Pietro Polzelli eine Reise machen wolle: vielleicht nochmals nach England, falls es die kriegerischen Ereignisse gestatten, oder nach Italien, bis nach Neapel, wohin die Polzelli anscheinend zu gehen beabsichtigte. Haydns Brief an die Polzelli lautete:
»Eisenstadt ai 20. di Giugno 1793
Cara Polzelli!
Spero, che tu avrai ricevuto duo cento fiorini spediti dal Sig. Buchberg, e forse gli altri cento, in tutto 300 fiorini; vorrei ch'io fossi capace a mandarti di più, ma siccome le mie rendite non sono sufficienti, bisogna che tu abbia pazienza, con un uomo, che ha fatto fin adesso più, ch'era capace di farlo, pensa, che io t'ho mandato e dato, non è passato ancora un anno, più che sei cento fiorini, pensa quanto mi costa tua figlio, e quanto mi costera all' avvenire, per ajutargli tanto, finchè sarà capace di guadagnare suo pane. pensa, che io non posso più fattigarmi tanto, quanto t'ho fatto anni passati, perchè comincio d'essere vecchio e mi tradisce a poco a poco la memoria. pensa in fine, che per questa e molte altre raggioni non posso più guadagnar altro, e che non ho altro avanzo, che la pensione del mio (bon anima) Principe Nicolo Esterhazy, la quale appena è sufficiente di mantenermi particularmente in questi tempi critici, tuo figlio ha ricevuto l'orologio dal Sig. Molton, il quale non lo voleva dare in dietro facendo tanti impedimenti, scuse, e bugie; io stesso ero obligato d'andar da lui per averlo, quel uomo è un gran bugiardo, egli m'ha[70] detto in faccia d'aver mandarti li 25 fiorini, che ha ricevuti dalle mie mani quatro mesi fà; ed egli si vantava in presenza mia più spesso d'aver farti tanto bene, e che era sempre disposto, a farti venire a Vienna e sposarti; tu puoi figurarti, come, e cosa io pensava di te, ma esaminando quell' homo, a poco a poco conosco suo carrattere, e lo conosco sempre più: egli partirà domani per Polonia colla sua Principessa, ma non mi scapperà coi questi venti cinque fiorini, io mi trovo presentemente col tuo figlio solo in Eisenstadt, e restero qualche tempo per godere un pò dell' aria, e per avere un pò del riposo; tu riceverai colla mia, anche la lettera del tuo figlio, egli sta bene assai, e ti fa bacciar le mani per l'orologio; io resterò a Vienna fin al' ultimo di Settembre poi son intenzionato di fare un viaggio col tuo figlio, e forse forse d'andare un altra volta in Inghilterra per un anno; ma prima bisogna che si cangia il theatro di guerra, se nò io farò un altro giro, e forse forse a vederti a Napoli; mia moglie sta maggior parte male di salute, ed è sempre di medesimo cattivo umor, ma già io non mi curo di niente, finiranno una volta questi guai. del resto io mi consolo assai, che tu sei da una parte un poco consolata dalla tua cara sorella. Iddio ti benedica, e ti conserva in buona salute, io cercherò sempre a farti quel poco che potrò, ma adesso bisogna che tu abbi pazienza per qualche tempo, perchè io ho ancora altre nojose spese e posso dire, che io godo poco quasi niente della mia fatica, e vivo più per altri che per me stesso, prima della tua partenza per Napoli spero una riposta, io ti baccio, e sono tuo
sincerissimo
Giuseppe Haydn.«
(Adresse:) »Madame Loise Polzelli, Virtuosa di Musica in Bologna en Italie. Ferma in posta.«
Über sonstige beachtenswerte Ereignisse vor der Abreise Haydns nach Eisenstadt, wohin er seine beiden Schüler Beethoven und Polzelli mitnahm, liegen keine Daten vor; eine Notiz in Zinzendorfs Tagebuch31 besagt nur, daß Haydn am 12. März bei Lobkowitz in einem Hauskonzerte spielte. Um diese Zeit war Haydn –[71] sowohl in Wien als in Eisenstadt – mit einigen Instrumentalwerken beschäftigt, die er teils neu komponierte, teils redigierte: der Sinfonie inEs-dur (Ges.-Ausg. Verz. Nr. 99), die er im folgenden Jahre nach London mitgenommen und bei Salomon aufgeführt hat, ferner den 6 Appony-Quartetten, dann den schon früher entstandenen 6 Divertimenti für Blasinstrumente32, anmutige spielfreudige Stücke, unter denen das eine in B-dur mit dem Chorale St. Antoni durch die von Johannes Brahms über den letzteren geschriebenen Orchester-Variationen bekannt geworden ist); ferner ein Andante (f-moll) mit Variationen für Klavier: »un piccolo divertimento scritto e composto per la Stimatissima Signora de Ployer di me Giuseppe Haydn 179333.«
Am 14. August des Jahres 1793 wurde der Kaufvertrag zwischen Haydn und dessen »Frau Ehewirthinn Anna« einerseits und dem bürgerl. Webermeister Herrn Ignaz Weißgram andererseits über das Haus Nr. 71 in der unteren Steingasse34 in der Vorstadt Gumpendorf unterzeichnet. Damit hatten die langen Überlegungen und Unterhandlungen über diesen Hauskauf, den die liebevolle Gattin Haydns betrieben hatte, um sich einen Witwensitz zu sichern, ihren Abschluß gefunden. Daß das Häuschen nicht ihr Witwensitz werden sollte, sondern das Tuskulum, in dem unser Meister seine alten Tage, aller Sorgen und seines Hauskreuzes ledig, verbringen werde, sah damals noch keiner von beiden voraus. Nach dem »Erzbischöflichen Gewährbuche« war das vom Haydnschen Ehepaare um die Summe von 1370 Gulden (1200 Gulden Kaufschilling und 170 Gulden Leihkauf) erstandene Haus zwischen den Häusern des Paul Habsberger und des Georg Bossewins gelegen; es wies damals nur einen ebenerdigen Trakt auf, dem noch ein Stockwerk aufsetzen zu lassen sich Haydn sofort entschloß. Dieser Zubau und die sonst notwendigen Neuherrichtungen und Ausbesserungen verzögerten die Übersiedlung des Ehepaares Haydn in ihren neuerworbenen Besitz, den sie tatsächlich erst im Jahre 1796 in Benutzung nehmen konnten.[72]
Es ist anzunehmen, daß Haydn behufs Unterfertigung des Kaufvertrages nach Wien kam; daß er dann wieder nach Eisenstadt zurückfuhr, ist gleichfalls sehr plausibel. Wir hören hierauf nichts von ihm bis zu Weihnachten, zu welchem Zeitpunkte die Tonkünstler-Sozietät (am 22. und 23. Dezember) in ihrer diesjährigen Winter-Akademie von Haydn drei Sinfonien und zwei Chöre, einen mit deutschem und einen mit italienischem Text, aufführte. Dazu hieß es: »Die Sinfonien sowie der Chor mit dem deutschen Texte sind von Herrn Kapellmeister Haydn in England verfertigt worden, welcher auf Ersuchen der Gesellschaft und aus ergebenster Hochachtung für das verehrungswürdige Publikum die Leitung des Orchesters übernommen hat.« Es kann sich also bei dem Chor mit dem deutschen Text nur um den Chor »Der Sturm« (»Hark the wild uproar«; handeln, der mit dem ins Deutsche übertragenen Text »Hört die Winde« gesungen wurde.
Inzwischen hatte Haydn mit Salomon die zweite Reise vereinbart. Von dem Inhalt der Vereinbarungen wissen wir nur das eine, daß Haydn sich verpflichtete, Salomon sechs neue Sinfonien für seine Konzerte zu liefern; die sonstigen Bedingungen des Kontraktes, insbesondere die finanziellen, sind nicht bekannt geworden. Fürst Anton machte diesmal Schwierigkeiten und wollte anfänglich seine Zustimmung zur abermaligen Reise seines Kapellmeisters nicht geben; schließlich setzte Haydn seinen Willen durch und verabschiedete sich von seinem Fürsten, um ihn nie wieder zu sehen: drei Tage nach Haydns Abreise starb Fürst Anton Esterhazy. Seinen Plan, Ludwig van Beethoven oder Pietro Polzelli, vielleicht beide, mit sich nach London zu nehmen, konnte Haydn aus unbekannten Gründen nicht zur Ausführung bringen. Er hatte aber noch die Freude, vor seinem Abschiede die ersten unter seiner Ägide entstandenen und ihm gewidmeten Kompositionen Beethovens, dessen Trios op. 1, zu hören, die ihm im Hause des Fürsten Lichnowski vorgeführt wurden. Daß er über sie ungünstig dachte, wie Beethoven glaubte, entsprang einem Mißverständnis35; Haydn fühlte darin den Atem einer neuen Zeit und war in Sorge, ob das Publikum sich dieser ungestümen Art – wie er sie zu verspüren glaubte – sofort anschließen werde. Daher riet er Beethoven,[73] das dritte Trio in c-moll vorläufig nicht zu veröffentlichen. Daß seine Befürchtungen sich später als unbegründet erwiesen, hat den von Neid und Scheelsucht nicht angefressenen Meister gewiß selbst am meisten gefreut.
Kurz vor seiner Abreise am 10. Januar besuchte er noch eine Aufführung der Oper »La principessa d'Amalfi« von Weigl, der auch zu der großen Schar seiner Schützlinge gehörte. Ihm schrieb er nach der Vorstellung den bereits im ersten Bande (S. 266) veröffentlichten Brief.
Und wieder ein anderer seiner Jünger, Joseph Eybler, kündigt wenige Tage nachher, allerdings schon nach Haydns Abreise, am 5. Februar in der Wiener Zeitung sein Opus 1, drei Streichquartette an und fügt als Empfehlung hinzu: »sie hatten das Glück, dem so berühmten als allgemein beliebten Kapellmeister Haydn so zu gefallen, daß er die gefällige Einwilligung gab, ihm dies Werk zueignen zu dürfen, und noch ausdrücklich versicherte, dessen Verbreitung bestmöglichst befördern zu wollen.« Dergestalt nach allen Seiten hin Gutes und Fördersames aussäend, konnte Meister Haydn ruhigen Herzens sich zur Abreise entschließen. van Swieten stellte, wie erzählt wird, den Reisewagen bei, und Haydn packte seine Koffer, diesmal nicht mehr voll Aufregung und Erwartung, sondern mit Beruhigung und Befriedigung.
Am Sonntag, den 19. Jänner 1794 trat Haydn seine zweite Reise nach England an und verließ in Begleitung seines treuen Dieners Elßler die alte Kaiserstadt an der Donau. Da Salomon sein erstes Konzert schon für den 3. Februar angekündigt hatte, hieß es die Reise möglichst zu beschleunigen. Bekannt ist die bei Griesinger (S. 47) erwähnte Anekdote, wo nach in dem Städtchen Schärding an der österr.-bayrischen Grenze die Grenzbeamten sich mit der in Haydns Paß enthaltenen Standesangabe »Tonkünstler« nicht zurecht fanden. »Tonkünstler«? was ist darunter verstanden? fragten sich die beiden Leute, deren Betätigung damals wie heute ebenso lästig wie unnötig erscheint. »Na ein Hafner« (Töpfer = Thonkünstler) meinte einer. Und Haydn bekräftigte diese Deutung: »Allerdings, und dieser da (indem er auf Elßler hinwies) ist mein Geselle.« Außer dieser von Griesinger mitgeteilten Episode ist noch eine andere von Dies nach Haydns Mitteilungen aufgezeichnete erhalten: Haydn war in Wiesbaden in einem Gasthofe[74] abgestiegen und wollte sich's eben bequem machen, als er im Nebenzimmer das rasch populär gewordene Andante aus der Paukenschlagsinfonie auf dem Klavier spielen hörte. Er war neugierig, den Interpreten seines Werkes kennen zu lernen, und fand zu seinem Erstaunen eine Gruppe preußischer Offiziere, die alle, als sich Haydn zu erkennen gab, es nicht glauben wollten, daß er, ein schon bejahrter Mann, der Komponist von so jugendfrischer Musik sein könne. Haydn holte als Beweis aus seinem Koffer den im Jahre 1787 empfangenen Brief des Königs von Preußen über die sechs diesem übersandten Quartette (vgl. Bd. II, 224) und verbrachte einen unerwartet angenehmen Abend mit den militärischen Schätzern seiner Muse. Weitere Angaben über die Reise fehlen. Nur soviel steht fest, daß Haydn am 4. Februar in London eintraf, einen Tag nach dem für das erste Konzert festgesetzten Datum. Nicht nur Meister Haydn hatte sich verspätet, sondern noch ein Künstler, den der rührige Salomon dem Londoner Publikum in seinem ersten Konzerte vorführen wollte: Der Bassist Ludwig Fischer, derselbe, für den Mozart den Osmin in der »Entführung« komponierte.
Als Wohnung Haydns bei seinem diesmaligen zweiten Londoner Aufenthalte wird das Haus Nr. 1Bury Street, Ecke Kings-Street (Nr. 12), St. James36 angegeben. Pohlmeint, daß bei Auswahl dieser Wohnung Mrs. Schroeter, die nicht allzuweit davon ihr Heim besaß, die Hand im Spiele hatte; es ist aber hierfür kein Anhaltspunkt vorhanden, wie überhaupt die Beziehungen Haydns zu Mrs. Schroeter bei seinem zweiten Londoner Aufenthalt in Dunkel gehüllt sind. Die Programme der ersten drei Salomonkonzerte, die diesmal an Montagen, den Tagen, die früher die Professionals besetzt hatten, stattfanden, ausfindig zu machen, war weder dem unermüdlichen Pohl noch einem der späteren Forscher beschieden. Das Fehlen von vorhandenem archivalischen Material und die Spärlichkeit der Zeitungsstimmen über den zweiten Londoner Aufenthalt Haydns soll nicht etwa dazu verleiten, anzunehmen, daß Haydn an Ansehen oder Wertschätzung eingebüßt hatte. Aber die[75] große Sensation, die er bei seinem ersten Auftreten in London gewesen, war er nicht mehr; fehlte es ja auch diesmal an dem Wettbewerb mit den »professional concerts«, die 1793 ihre Tätigkeit eingestellt hatten. Salomon hatte mit seinen Konzerten die Oberhand behalten, und das Londoner Publikum nahm es als selbstverständlich hin, daß Haydn, der durch seine Mitwirkung den Aufschwung dieses jungen Unternehmens herbeigeführt hatte, nunmehr sich wieder aktiv daran beteiligte37.
Wie groß die Wertschätzung Haydns auch bei seinem zweiten Aufenthalt in London gewesen, ergibt sich aus einem Briefe vom 25. März 1794 eines Londoner Korrespondenten im Weimarer Journal des Luxus und der Moden, wo es nach Ausbrüchen des Entzückens über Haydns Quartette heißt:
»Aber was würden Sie erst zu seinen neuen Symphonien sagen die er für dies Concert komponirt hat, und hier selbst am Fortepiano dirigirt! Es ist zum Bewundern, was für erhabne und originelle Gedanken dieser große Meister seinen Arbeiten einwebt. Sehr oft kommen Stellen vor, wo es nicht möglich ist sich bloß leidend zu verhalten; man wird zur Bewunderung hingerissen und applaudirt mit Hand und Mund. Vorzüglich ist dies der Fall bey den Franzosen, deren es hier so viele giebt, daß alle öffentliche Plätze davon voll sind. Diese sind wie Sie wissen von großer Sensibilität, und können ihre Transports nicht zurückhalten, so daß sie oft in schönen Stellen des sanften Adagios lauten Beyfall klatschen und dadurch die Wirkung unterbrechen. In jeder Symphonie von Haydn wird gewiß das Adagio oder Andante allemal auf das dringendste Verlangen wiederholt. Der gute Haydn, dessen persönliche Bekanntschaft mir sehr werth ist, verhält sich dabey immer sehr bescheiden. Er ist überhaupt ein herzensguter, offener, biederer Mann und von Allen geschätzt und geliebt.«
Am deutlichsten aber geht die Schätzung Haydns wohl aus der kurzen und bündigen Kritik hervor, dieThe Oracle am 11. Februar 1794, dem Tage nach dem ersten Salomon-Konzert, brachte38:
[76] Salomon's Concert.
Opening-Night.
We must of necessity be brief. And after all it may be best, when the chef d'œuvre of the great Haydn is the subject. »Come then, expressive Silence, muse his praise«.
Viotti gave a concerto, simple and affecting, like his genius. Mara sang, c'est assez dire.
Gehen wir rasch die 12 Salomon-Konzerte des Jahres 1794 durch, und betrachten wir vor allem die Aufführungen Haydnscher Werke darin; im 2. Konzert wurde ein neues Quartett, im 4. eine neue Sinfonie aufgeführt, welche beiden Werke im 5. und 6. wiederholt wurden, das 7. Konzert brachte ein neues Quartett, das im 8. Konzert wiederholt wurde, außerdem wurde zu Beginn der zweiten Abteilung jedesmal eine frühere Haydnsche Sinfonie gespielt. Im 10., 11. und 12. Konzert wird die erste und die zweite Abteilung mit einer Haydnschen Sinfonie eröffnet. Daneben bringt das 10. Konzert ein neues Quintett für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello39, welches im 11. wiederholt wurde; im 12. Konzert, Montag, den 12. Mai, war Haydn mit drei Sinfonien vertreten, unter ihnen die Militär-Sinfonie, die ihre Erstaufführung in dem einige Tage vorher, Freitag, den 2. Mai, stattgefundenen Benefizekonzerte Haydns gefunden hatte. Das vollständige Programm dieses Benefizekonzertes lautete nach Pohl:
Abteilung 1.
Große Sinfonie, M.S. Haydn
Arie, gesungen von Mr. Fischer
Pianeforte-Concert, vorgetragen von
Mr. Dussek Dussek
Scena, gesungen von Miß Parke.
Abteilung 2.
Große Sinfonie, M.S. (Militär-Sinfonie) Haydn
Scena, gesungen von Mr. Fischer
Violinconcert, gespielt von Sig. Viotti Viotti
Arie, vorgetragen von Miß Parke
Finale Haydn.[77]
Den Mitwirkenden in seinem Benefizekonzerte gegenüber mußte sich Haydn natürlich durch Mitwirkung in ihren Veranstaltungen erkenntlich zeigen, und so sehen wir ihn in den Konzerten der Miß Parke, die Sängerin und Pianistin war, Viottis und des Bassisten Fischer als Komponisten wie als Ausübenden vertreten. Auch das Konzert, das die Schwestern Abrams im April gaben, hatte sich der Mitwirkung Haydns zu erfreuen. In all diesen Konzerten waren seine Sinfonien selbstverständlich Glanznummern des Programmes, Haydn war aber auch aktiv daran beteiligt, indem er, nicht bloß bei seinen eigenen Werken, am Flügel saß und die Aufführung leitete, während, wie schon erwähnt, an der Spitze des Orchesters ein zweiter Dirigent stand: der leader (Konzertmeister), als welcher in den meisten Fällen Salomon, einmal bei Miß Parke auch W. Cramer, der Rivale Salomons, fungierte.
Die Salomon-Konzerte waren nun vorüber – und zwar für immer, da ihr Begründer sie nicht mehr weiter fortführte, wie wir noch hören werden. Die Absicht, die Salomon-Konzerte aufzulassen, scheint damals noch nicht bestanden zu haben, sonst wäre Haydn schon im Sommer 1794 wieder nach Hause gereist; denn um diese Zeit erreichte ihn die Aufforderung des in Neapel als kaiserlicher Gesandter weilenden Fürsten Nikolaus (II.) Esterhazy, an den fürstlichen Hof zurückzukehren und sein Kapellmeisteramt wieder de facto auszuüben. Fürst Nikolaus II. geriet nach seinem gleichnamigen Großvater, war für Pracht und Prunk sehr eingenommen und wollte den ganzen fürstlichen Hofstaat, darunter auch die Kapelle, wieder so herstellen, wie er einstens zum Ruhm der Esterhazys bestanden hatte. Haydn sagte bereitwilligst zu, wiederzukommen; waren doch viele der Gründe, die ihn zu seinen Londoner Reisen bewogen hatten, inzwischen weggefallen. Nur bat er sich, unter Berufung auf seine Salomon gegenüber noch bestehenden Verpflichtungen, ein weiteres Jahr Urlaub aus. Für die soeben (Sommer 1794) zu Ende gegangene Saison bestanden allerdings keine künstlerischen Verpflichtungen Haydns mehr; um so mehr konnte er wieder sich und seinem Vergnügen leben und die Zeit bis zum Wiederbeginn der neuen Saison abermals zum Studium von Land und Leuten benützen. Die Freiheit, die Haydn jetzt wieder eine Zeitlang genießen konnte, äußert sich auch in häufigeren und ausführlicheren Tagebucheintragungen, die Zeugnis ablegen über Besichtigungen[78] und Exkursionen, die der wißbegierige und für alles von Interesse erfüllte Meister unternahm40. So schreibt Haydn: »den 9ten Juli ging ich früh um 5 Uhr nach Portsmouth 72 meilen von London und kam an abends um 8 Uhr.« Jetzt folgt eine sehr informierte kurze Beschreibung der Befestigungen in Portsmouth, eines erbeuteten französischen und eines großen englischen Linienschiffes. Auf der Reise nach Portsmouth hielt sich Haydn in Hampton Court auf und besichtigte das königliche Schloß, »welches sehr groß ist, und einen garten, gleich jenem in Estoras mit 3 Haupt-Alleen«. Voll freudigen Mitgefühls erfahren wir aus dem Tagebuch, daß es »in der Retour zu Faernham gut Diner gab«. Am 15. Juli besuchte Haydn die Bank of England, ließ sich die Geldbestände zeigen und erklären, ebenso wie die papiernen Banknoten. Am 23. Juli beobachtete er ein großes Feuer auf einer Schiffsreede oberhalb der Londoner Brücke, und am 28. Juli besuchte er das Haymarket-Theater, wo er zwei englische (eigentlich schottische) Singspiele von Arnold: »The Mountaineers« und »Auld Robin Grey« hört. Er berichtet darüber:
»Spectas et tu Spectabere, eine Inschrift ober der Cortin im Haymarket-Theater, ich war den 29. July 794 allda, man machte eine National opera, NB. eine Piece in schottländischer Kleidung. die Männer waren in fleischfarbenen Beinkleidern, um die strümpfe weiß und rothe Bänder geflochten, ein kurzer, buntfarbiger, gestreifter Maurerschurz, Einen braunen Rock und Weste, über den Rock eine breite, große Fendrichs Sharp von eben der Gattung, wie der Schurz, eine schwarze mit bändern eingefaßte, schuhartige Kape, die weiber alle weiß v. Muselin, unterm Har mit buntfarbigen Bändern, um den Leib sehr breite, von eben der Gattung und so der Hut. Man macht allda eben so elends gezeug als in Sadlers Wally41. Ein kerl schrie eine Aria so firchterlich und mit so Extremen Grimassen, daß ich am ganzen Leib zu schwitzen anfieng,NB. er mußte die Aria wiederhollen. O che bestia?«
Aus dem Tagebuch erfahren wir auch die genauen Daten von Haydns Reise nach Bath, der entzückenden, ganz eigenartig gebauten[79] Badestadt in Somerset, unweit von Bristol. Bath, dessen Heilquellen schon den Römern bekannt waren, pflegte nebst kultiviertester Geselligkeit auch schon seit langem vorzugsweise die Musik. Zu jener Zeit war im Musikleben zu Bath Signor Rauzzini »the great man of the place«42. Venanzio Rauzzini43, emeritierter Opernsänger (Kastrat!), hatte sich in Bath niedergelassen, wo er als Gesangslehrer, und zwar mit ausgezeichnetem Erfolge wirkte, außerdem sich als Komponist und als Konzertmanager betätigte. Die in London wirkenden Künstler machten gerne einen kurzen Abstecher nach Bath, um zu konzertieren. Das Publikum war dort musikbegeistert, und Rauzzini, von dem man auch manches lernen konnte, ließ sich das Wohlergehen der Besucher aus London angelegen sein. Er besaß in Bath zwei Häuser, eins mitten in der Stadt und das andere, als Sommersitz, am südöstlichen Ende der Stadt auf einer Anhöhe gelegen. In diesem letzteren – angeblich das heutige Woodbine Cottage – war Haydn Gast von Rauzzini. Haydn läßt sich in seinem Tagebuch über die Reise nach Bath und die anschließende nach Bristol folgendermaßen vernehmen:
»den 2ten August 794 gieng ich frueh um 5 uhr nach Bath mit Mr. Asher und Mr. Cimador, langte abends um 8 uhr hin. es sind von london 107 Meilen. Die Mail Coach macht diesen Weg zurück in 12 Stunden. ich wohnte bey H. Rauzzini, ein Musicus, so sehr berühmt ist, und zu seiner zeit einer der größten Sänger war, er lebt allda schon 19 Jahr, erhält sich durch die Subscriptions Concerte so im Winter gegeben werden – und giebt zugleich lectionen, er ist ein sehr guter Hospitaler Mann, sein Somer Hauß, allwo ich war, liegt in einer Anhöhe in einer sehr schönen Gegend, von welcher man die ganze Stadt übersehen kan. Bath ist eine der schönsten Städte in Europa, alle Häuser v. Stein gebaut, diese Steine werden aus den herumliegenden Bergen gebrochen, Sie sind sehr weich, so zwar, daß man Sie sehr leichter Mühe in alle Form schneiden kan, Sie sind sehr weiß und wie länger Sie aus der Erde seyen, desto härter werden Sie, die ganze Stadt liegt in einer anhöh, es sind derohalb sehr wenige kutschen, stat dessen sind eine Menge Tragsesseln, mit welchen man[80] sich eine gute Strecke um 6 Pence kan bedienen lassen nur schade, daß sehr wenig in gerader linie gezogene gassen sind; es sind eine menge schöner Pläze, worin die vortrefflichsten Häuser stehen, wohin man aber mit keinem wagen ko ien ka : man macht nun eine ganz neue, breite gasse.
Heute den 3ten besah ich die Stadt und fand an der Hälfte des bergs ein gebau in form eines halben Mondes, so prächtig, was ich nie in London gesehen, diese Runde beläuft sich auf 100 Klafter, und nach jeder Klafter ist eine korinthische Säule. Das Gebäude hat 3 Stockwerk. Rings umher ist das Pflaster an den häusern 10 fuß breit für die Bewohner So zu fuß gehen und a proportione ist der fahrtweg mit einem Eisernen Gatter umgeben, an welchen alsdan eine Teraß bey 50 klafter tief hinab successive in der schönsten grüne hinab geht, beiderseits sind kleine wege um sehr comod hinab zu komen. Alle Montag und Freytag abends werden alle Glocken Exerciert. Dan außer diesen wird sehr wenig geklingelt. Die Stadt ist nicht volkreich und man sieht im So ier sehr wenige Menschen de die Baadgäste ko ien erst anfangs Oktober und bleiben bis halben Februaro. Sie komen aber in sehr großer Menge, so daß A o 1791 25000 Personen allda waren. Alle Inhaber leben durch diesen zulauf, außer welchen die Stadt sehr arm seyn würde: es sind sehr wenige kaufleute und fast gar kein Handl und ist alles sehr theuer das Baad ist von Natur sehr warm, man badet und man trinkt das wasser, allgemein ist das letzte und man zahlt sehr wenig, um sich zu baaden kostet es allezeit 3 schilling. ich machte allda beka tschaft mit Miß Brown, eine liebenswürdige Persohn und bester Conduit, gute Clavier spielerin, die Mutter ein sehr schönes Weib, die Stadt bauet nun einen sehr herlichen Saal für die baadgäste
den 6ten gieng ich von Bath nach Pristol 11 Meilen zu Mr. Hamilton. die stadt ist sehr groß und auch die Helfte derselben in die anhöhe gebaut Mitten durch die stadt läuft der Fluß, in welchem viele hundert Kauffahrthey schiffe liegen der Handel ist sehr groß, weil man in etwelchen Stunden in der offenen See seyn ka , die stadt ist auch sehr volkreich, sonst aber etwas schmutzig, sehr enge gassen, es wird sehr viel gebauet, besonders in der anhöhe, allwo man die schönsten Aussichten übersehen kan, die gotteshäuser, deren sehr viele sind, sind alle in alt gottischen[81] geschmack, so auch zu Bath. ich sahe in Bath einen wagen in form zweyer Soffa für 4 Persohnen, NB beiderseits 2 Persohnen so mit dem Rücken gegen einan der sitzen, das drink und badewasser ist besonders für Lahme und Rheomatische zustände und zu Pristol für Hectic und lungensüchtige, das wasser in Pristol, so getrunken wird, ist sehr angenehm und süß, im So ier sind die gäste in Bristol, im winter zu Bath.
die Reise dahin und zurück kostete mich 75 wiener gulden.«
Dazu wäre noch folgendes zu bemerken: Pohl nennt als Begleiter Haydns nach Bath den Dr. Charles Burney. Aber weder in Haydns Tagebuch, noch in »The Bath Herald and Register« ist damals Dr. Burney erwähnt. Letzteres Blatt nennt in seiner Nummer vom 9. August 1794 unter den tags zuvor angekommenen zwar Mr. Haydn, Burneys Name fehlt jedoch. Nach der Nennung von Haydns Namen bricht das Blatt in folgenden Panegyrikus aus:
»O had I Jubal's Lyre says a correspondent, I would sweep the strings, Till Echo Tired with repeating – Haydn treads upon Bathonian ground! And had this place, previous to his arrival, been the seat of discord, it must now be lulled into Peace by the God Harmony – while every Individual who hath Music in his Soul must exclaim with enthusiasm
›Erit mihi magnus Apollo‹.«
In Bath, bei Rauzzini, war es auch, wo Haydn den Kanon »Turk was a faithful dog and not a man« für vier Stimmen schrieb; er galt dem toten Lieblingshunde Rauzzinis, den dieser schmerzlichst betrauerte, und zu dessen Gedenken er in seinem Garten ein steinernes Denkmal hatte setzen lassen. Nach der Abreise Haydns veröffentlichte »The Bath Herald and Register« ein französisches Huldigungsgedicht eines französischen Emigranten, deren viele sich in Bath und Umgebung niedergelassen hatten, das folgendermaßen lautete:
De l'immortalité Haydn, reçois la couronne,
Tu ravis tous les coeurs, et le mien te je donne;
Il devoit cet hommage a tes divins talents,
Que l'univers entier te rend depuis longtems.
O toi dont l'amitié a mon coeur nécessaire,
Me devient Rauzzini, si douce et salutaire!
Apollon des nos jours, comme lui Dieu de Chant[82]
Reçois ici le prix de ton goût ravissant;
Ta voix et tes talents, de ce siècle la gloire,
Sont à jamais gravés au temple de memoire.
Par leur Admirateur.
Von Bath zurückgekehrt, besuchte er einige Zeit nachher, am 26. August, Sir Charles Rich, einen Violoncell spielenden Dilettanten in Waverley, Grafschaft Surrey, und nahm die Ruinen der einstens dort bestandenen Abtei in Augenschein. Als guter Katholik schreibt er in sein Tagebuch: »Ich muß gestehn, daß, so oft ich diese schöne Wildniß betrachtete, mein Herz beklemmt wurde, wenn ich daran dachte, daß alles dies einst unter meiner Religion stand.« Erwähnen wir noch Ausflüge nach Cowes, nach Southampton, nach Winchester, ferner nach der Insel Wight, welche Ausflüge Haydn kurz in seinem Tagebuche festhält; weiter eine Exkursion, die Haydn mit dem Komponisten William Shield nach Taplow unternimmt, über welche Reise sich Shield ganz entzückt äußerte44, endlich einen Ausflug, den Haydn mit Lord Abingdon nach Preston zu Lord Aston machte. Lord Aston – »Er und seine Gemahlin lieben die Musik«, sagt Haydns Tagebuch – wohnte nicht in Preston, der großen Stadt in Lancashire, wie in Groves Dictionary steht, sondern in Preston bei Hitchin, in Hertfordshire45. Von Shield rührte die Vertonung eines Trauergesanges, der im fünften Akt von Shackespeares »Hamlet« im Covent-Garden-Theater gesungen wurde, her; Haydn wohnte einer Aufführung dieses Werkes am 13. Oktober bei, wobei nach »Hamlet« noch die Pantomime »Harlequin and Faustus« vorgeführt wurde. Die Zeitung »The Oracle« nennt Haydn unter den Besuchern und konstatiert seine Anwesenheit in einer Proszeniumloge. Shield hatte auch zum Teil die Musik einer Spektakel-Panto mime »Herkules und Omphale« komponiert, die im Laufe des Monates November im Covent-Garden-Theater aufgeführt wurde; die nicht von Shield herrührenden Teile waren aus Haydnschen Werken zusammengesetzt. Lord Abingdon, der, nach Haydns Tagebuch zu schließen, damals viel mit ihm verkehrte und ihn auch zu mancherlei Kompositionen anregte, suchte Haydn dazu zu bewegen, ein Oratorium zu schreiben,[83] ein Wunsch, den auch Salomon wiederholt geäußert hatte; Abingdon lenkte die Aufmerksamkeit Haydns auf die Übersetzung von Seldons »Mare Clausum«, die Nedham angefertigt hatte. Dieser Text war unter dem Titel »Invocation of Neptun« von drei anderen Komponisten schon vorher zur Grundlage von Chorkompositionen gemacht worden: von F.H. Graef aus Augsburg, der sein Stück 1785 in London komponierte und aufführte, dann von J.C. Fischer und von Pleyel. Diese Vorgängerschaft und die geringe Vertrautheit mit dem Englischen ließen keine besondere Begeisterung für die ihm zugemutete Aufgabe bei Haydn aufkommen, und er brachte es nur zu einer Arie für Baß (Nor can I think my suit is vain) mit anschließendem Chor (Thy great endeavours).
Die Schilderung der Ereignisse des Jahres 1794 soll mit einer Anekdote geschlossen werden, die Dies nach den Mitteilungen Haydns wiedergibt, und die auch Pohl in den Schluß des Jahres verlegt. »Haydn hatte mir schon bey frühern Besuchen einen Vorfall erzählt, der hier einen schicklichen Platz findet. Er stand in London in genauer Bekanntschaft mit einem deutschen Musikliebhaber, der sich auf der Geige eine an Virtuosität gränzende Fertigkeit erworben, aber die übliche Gewohnheit hatte, sich immer in den höchsten Tönen, in der Nähe des Steges zu versteigen. Haydn nahm sich vor, einen Versuch zu machen, ob es nicht möglich wäre, dem Dilettanten seine Gewohnheit zu verleiden und ihm Gefühl für ein solides Spiel beyzubringen.
Der Dilettant besuchte oft eine Demoiselle J.....46, die mit großer Fertigkeit das Pianoforte spielte, wozu er gewöhnlich akkompagnierte. Haydn schrieb ganz in der Stille eine Sonate für das Pianoforte mit Begleitung einer Violine, betitelte die Sonate Jakobs Traum, und ließ sie versiegelt, ohne Nahmensunterschrift durch sichere Hände der Demoiselle J..... überliefern, die auch nicht weilte, die, dem Anschein nach leichte Sonate, in Gesellschaft des Dilettanten zu probieren. Was Haydn vorhergesehen hatte, traf richtig ein; der Dilettant blieb immer in den höchsten Tönen, wo die Passagen überhäuft waren, stecken, und sobald Demoiselle J..... dem Gedanken auf die Spur kam, daß der unbekannte Verfasser die Himmelsleiter, die Jakob im Traum sah, habe vorstellen wollen, und sie dann bemerkte, wie der Dilettant auf dieser[84] Leiter bald schwerfällig, unsicher, stolpernd, bald taumelnd, hüpfend auf und abstieg; so schien ihr die Sache so kurzweilig, daß sie das Lachen nicht verbergen konnte, während der Dilettant auf den unbekannten Compositor schimpfte, und dreist behauptete, derselbe wisse nicht für die Violine zu setzen.
Nach fünf oder sechs Monaten entdeckte es sich erst, daß die Sonate Haydn zum Author habe, der nun dafür von der Demoiselle J..... ein Geschenk erhielt.«
Die ständige Verbindung Haydns mit Salomon, künstlerischer wie geschäftlicher Art, wurde um die Wende dieses Jahres gelockert, ja eigentlich ganz gelöst. Salomon kündigte in den ersten Januartagen des Jahres 1795 an, daß er seine Konzerte nicht mehr fortsetzen werde, und gibt als Grund an, daß er bei den unruhigen Zeiten, von denen der Kontinent gegenwärtig heimgesucht werde, nicht in der Lage gewesen sei, sich hervorragende Sänger zu verschaffen. Das ist natürlich nur eine Ausrede gewesen: wenn auch bei dem Neuigkeitshunger des Londoner Publikums sich die Zugkraft der vorzüglichsten Künstler bald abschwächte, gab es doch noch immer genug Attraktionen in London, und das Engagement von neuen Kräften wäre auch möglich gewesen, denn es waren noch hinlänglich Reisewege frei. Vielleicht aber fürchtete Salomon, der ein ganz tüchtiger Geschäftsmann war, daß ihm der ursprüngliche Erfolg nicht treu bleiben und er einen finanziellen Mißerfolg erleiden werde; kannte er doch das sensationslüsterne Londoner Publikum, das immer etwas Neues haben wollte. Er überließ daher alle seine Ansprüche auf die Mitarbeit Haydns, die nur mehr moralischer Natur waren, dem neuen Unternehmen der Opera concerts, ließ sich selbst dort als Solisten engagieren und gründete außerdem eine Unterrichtsanstalt, die National School of music, jedoch ohne die Mitwirkung Haydns, dem er aber für seine bisherige Tätigkeit öffentlich dankte. Die erwähnten Opera concerts, die im großen neuen Konzertsaal von Kings Theatre alle 14 Tage stattfanden, waren wirklich das, was wir heutzutage amerikanisch nennen würden. Der Eigentümer des Theaters hatte Viotti als künstlerischen Leiter der Konzerte gewonnen; an der Spitze eines 60 Mann starken Orchesters, als ständiges Orchester für damalige Begriffe enorm groß zu nennen, standen Haydn und Federici als conductors, Cramer als [85] leader. Haydn, Martini, Bianchi, Clementi waren als Komponisten, eine Reihe hervorragender Sänger und Sängerinnen und ebenso ausgezeichneter Instrumentalkünstler als ständige Solisten verpflichtet. Die glänzende Liste der Ausführenden, dazu noch der Umstand, daß die Professional concerts und die Salomon-Konzerte in Wegfall gekommen waren, verhalfen den Opernkonzerten zu einem durchschlagenden Erfolg, und aus den ursprünglich beabsichtigten neun Konzerten wurden elf. Auch diesem Konzertunternehmen, das im folgenden Jahre unter der Bezeichnung »Academy of music« fortgeführt wurde, war kein langes Dasein beschieden; zwei Jahre darauf hörten die so erfolgreich begonnenen Konzerte wieder auf. Haydn war in den meisten dieser Konzerte mit irgendeiner Komposition vertreten; in einigen brachte er ganz neue Sinfonien zum Vortrag. Genaueres über die Programme dieser Konzerte, speziell des fünften bis elften ist nicht zu erfahren gewesen; aber jedenfalls sind die drei letzten seiner englischen Sinfonien, die in B-dur (Ges.-Ausg. Nr. 102), die in Es-dur (mit dem Paukenwirbel) und die in D-dur (Ges.-Ausg. Nr. 104), »the 12th which I have composed in England«, wie es auf dem Autograph heißt, für diese Opera concerts komponiert worden.
Diese D-dur-Sinfonie, seine letzte englische, führt Haydn in seinem am 4. November 1795 stattgehabten letzten Benefiz-Konzert in London auf. Er schreibt über das Konzert in sein Tagebuch: »Der Saal war voll auserlesener Gesellschaft. Die ganze Gesellschaft war äußerst vergnügt und auch ich. Ich nahm diesen Abend eintausend Gulden ein. So etwas kann man nur in England machen!« (Wie vorschnell dieses Urteil Haydns war, ersieht man daraus, daß bei der Erstaufführung der »Schöpfung« in Wien die Einnahmen über viertausend Gulden ausmachten.) Das Konzert wurde mit dem ersten Satz der Militär-Sinfonie eröffnet, dem ein Gesangsvortrag des Sig. Rovedino folgt; ferner spielte der Oboist Ferlendis, der hierbei sein Debut in London feierte, ein Oboe-Konzert eigener Komposition, dann sangen Madame Merichelli und Sig. Morelli ein Duett von Haydn, und den Schluß der ersten Abteilung bildete die Erstaufführung der Sinfonie in D-dur von Haydn, der letzten der in England komponierten. Die zweite Abteilung wurde mit dem 2. 3. und 4. Satz der Militärsinfonie eröffnet, dann sang Mad. Morichelli,[86] Viotti spielte ein eigenes Violinkonzert, hierauf sang Mad. Banti eine »Scena nuova« (es war die Arie »Non partir bell' idol mio« mit vorangehendem Rezitativ »Berenice che fai«). Ein »Finale« beschloß das erfolgreiche Konzert. Von den Mitwirkenden war Haydn nicht durchweg begeistert; über die Banti schrieb er in sein Tagebuch: »she sang very scanty«, über Ferlendis, für den seinerzeit Mozart ein Oboekonzert geschrieben hatte: »blast mittelmäßig.«
Die nur alle 14 Tage stattfindenden Opera concerts füllten begreiflicherweise Haydns Zeit nicht aus, und es gab dazwischen eine Menge von Veranstaltungen, an denen Haydn als Ausführender oder Aufgeführter beteiligt war. Auch einige Veranstaltungen, denen Haydn nur als Zuhörer beiwohnte, mögen hier nach den Tagebuchnotizen des Meisters registriert werden, weil es von Interesse sein mag, sein kurzes, aber treffsicheres Urteil über die Begebenheiten zu lesen. Er schreibt unter anderem: »Esse quam vedere. Den 24ten Mertz 1795 gab Mara da Sie aus Bath zurück kam – ein Benefice Melod in Ha overs Room. Sie hatte aber nicht mehr de 60 persohnen, man sagte, daß Sie niemals besser sang, als damahls. Janiowich dirigirte. Mr. Clementi saß am Klavier, machte seine große neue Sinfonie ohne beyfall, nach geendigtem Concert gab Madam Mara im nebenzimmer ein Soupe, nach 12 Uhr kommt der Mr. Mara ganz dreist zur thüre trat vor, und begehrte ein glas wein. Da Madam Mara die Raserey Ihres Ma es wohl einsah, welche da entstehen ko te, wendete sie sich an Ihren Advocaten, so eben am Tische war und welcher sagte zu Mr. Mara: Sie wissen unsere Gesetze. Sie werden die Güte haben, augenblicklich dieß zimmer zu quittieren ansonst Sie morgen 200 Pfund zu bezahlen haben., der arme verließ die Gesellschaft. Madam Mara, sein weib, fuhr den andern tag mit Ihrem Cicisbeo nach Bath, allein Ihr Eigensi , denke ich, macht Sie verächtlich bey der ganzen Nation: Mr. Florio. Weiters den 28ten Merz 795 sah ich die opera Acis und Galathea von Bianchi. Die Music ist sehr reich an Blaß Instrumenten und ich däucht, daß we es weniger wäre, man die Haupt Melodie besser verstehen würde. die Oper ist zu lang. besonders da Banti allein dieselbe souteniren muß: der Brida ein guter jung mit einer schönen Sti ie, aber sehr[87] wenig Musicalisch, und Rovedino und der gute Draghetti – und die Elende 2da Do a Aradini und hatten auch nicht den mindesten Beyfall, das Orchester ist dieses Jahr reicher an Personal, aber eben so Mechanisch und schlecht plassiri als es vorher war, indiscret im Accompagnament, kurtz, es war das 3te mahl, da diese Opera aufgeführt wurde und alles war unzufrieden.«
Dann heißt es: »den 10ten war ich in Coventgarden-Theater – eines der großen Spectacul zu sehen: Windsor Castle, die Music von Salomon ganz passable, – die Decoration – Kleidung, – Veränderungen – manche der Strophen sind übertrieben, alle die Götter von Hi iel und der Hölle und alles was lebt auf der Erde, findet sich dabey ein.« Hinzu mögen noch ein paar Bemerkungen eingestreut werden. Die Ouvertüre zu diesem Ausstattungsstück war von Haydn, der in seinem Tagebuch aber nicht darüber spricht. Haydn hat sie dann später seiner Oper »L'anima del filosofo« (»Orfeo«) vorangesetzt. Am selben Abend, 10. April, war Haydn auch beim Prinzen von Wales geladen, um Musik zu machen, wie er in seinem Tagebuch ebenfalls notiert, vielleicht ist eines der beiden Daten irrig angegeben.
Am 30. April war Konzert des »New Musical Fund«, und von Haydn wurde eine neue Sinfonie, von ihm selbst am Klavier dirigiert, aufgeführt. Am nächsten Tage gab Cramer im Opernsaal ein Konzert, in welchem eine Manuskript-Sinfonie von Haydn aufgeführt wurde. Wenn alle in diesen Konzerten als Manuskript-Sinfonien oder neu angekündigten Sinfonien wirklich neukomponiert gewesen wären, müßte Haydn nicht 12, sondern dreimal so viel Sinfonien in London komponiert haben; es waren eben nur alles frühere, in London vielleicht noch nicht aufgeführte Werke. Am 29. Mai wirkt Haydn im Konzert der Madame Dussek, der Sängerin und Harfenspielerin, mit; es wurden zwei seiner Sinfonien unter seiner Leitung aufgeführt.
Bemerkenswert ist vor allem das ganz besondere Interesse, das der Hof an ihm nahm; sowohl der König und die Königin, wie die königlichen Prinzen, der Prinz von Wales und der Herzog von York, luden Haydn wiederholt zu ihren Privatkonzerten, um sich an seiner Musik zu erfreuen. So hören wir, daß Herzog und Herzogin von York am 1. Februar einen großen Empfang in ihrem Palais York House, Piccadilly, veranstalteten, bei welchem nur Kompositionen[88] Haydns aufgeführt wurden. Zwei Tage darauf veranstaltete wieder der Prinz von Wales in seinem Palais, dem Carlton House, eine Soiree, bei welcher mit Ausnahme eines Viottischen Violinkonzertes abermals nur Haydnsche Kompositionen gespielt wurden.
Der Prinz von Wales, der nicht bloß Interesse, sondern auch Begabung für Musik hatte, zog Haydn von nun an sehr häufig für seine Hausmusiken heran. Und da der Prinz trotz seiner zügellosen Lebensweise ein einnehmender Mensch gewesen zu sein scheint, verstand sich Haydn mit ihm sehr gut. Er notiert sich in seinem Tagebuch das Punschrezept des Prinzen, das hier zu Nutz und Frommen anderer Punschliebhaber abgedruckt sein möge: »1 Butl Champagne, 1 Butl Borgogne, 1 Butl Rum, 10 Citronen, 2 Pomeranzen, 11/2 Zucker.« Weiter registriert er: »Madame Fizherbert wurde im Monath Juli 794 von Pr. Wallis geschieden. Sie erhielt jährlich 6000 .« Dann ein damals kursierendes Witzwort: »Die Einfahrt zur Jersey oder: die Ehescheidung nach der Mode: Trip to Jersey, or – divorce a la mode. Jersey ist der nahme der neuen Maitresse of Prince of Wallis so sagt man relata refero.« Und dann: »den 8. April 795 war die Vermählung des Prince of wallis mit der Princess of Braunswik.« Die Ehe des Prinzen v. Wales, des nachmaligen Königs Georg IV., war von seiten des Prinzen nichts weniger als eine Neigungsheirat. Er löste seine unterschiedlichen, wie man sieht, ganz öffentlichen Liaisons nur gegen die Zusage, daß seine enormen Schulden, welche bereits den Betrag von 600000 Pfd. Sterling erheblich überschritten, nach der Heirat gezahlt werden würden, und gab auch dann noch nicht sehr bereitwillig sein Jawort. Die Vermählung des Prinzen mit der Prinzessin Caroline Amalia Elisabeth von Braunschweig fand also am 8. April, und zwar in der Kapelle von St. James Palace mit reichem Gepränge und unter großer musikalischer Assistenz statt. Die Frage der musikalischen Leitung, die, wie wir oben erfuhren, schon Monate vorher die Gemüter der Beteiligten erhitzte, wurde im Sinne des Haydnschen Vorschlages gelöst. Am 11. April war in Carlton House schon eine Musical Party, bei welcher die Prinzessin sich selbst als Pianistin betätigte; Haydn vermerkt in seinem Tagebuch: »Es wurde eine alte Sinfonie von mir gegeben, welche ich[89] am Clavier accompagnierte, nachher ein Quartett; hierauf mußte ich deutsche und englische Lieder singen. Die Prinzessin sang auch mit mir; sie spielte ein Concert auf dem Pianoforte ziemlich gut.« Auch in den folgenden Wochen mußte Haydn oft beim Prinzen musizieren und die Konzerte dirigieren, die nach dem prinzlichen Mahle stattfanden; im ganzen sollen es 26 gewesen sein. Die Vergeßlichkeit des Prinzen ging so weit, daß er nicht bloß häufig des manchmal stundenlang harrenden Orchesters vergaß, sondern auch der Bezahlung des Honorars. Haydn schickte auf Anraten seiner Freunde von Wien aus eine Rechnung über 100 Guineen ein, die mit den übrigen Schulden des Prinzen bezahlt wurden. Das Königspaar war zwar nicht viel freigebiger, kargte dagegen nicht mit der Anerkennung und Schätzung für den Künstler und Menschen. Lassen wir hierüber Griesinger sprechen: »Er mußte sich einigemal bey der Königin hören lassen, die ihn mit dem Manuscripte eines deutschen Oratoriums von Händel, der Erlöser am Kreuze betitelt47, beschenkte, das einzige, welches er in dieser Sprache komponiert hatte. Eines Abends, als Haydn der Königin lange auf dem Fortepiano vorgespielt hatte, sagte der König, der immer deutsch redete, er wisse, daß Haydn sonst ein guter Sänger gewesen sey, und er möchte doch einige deutsche Lieder von ihm hören. Haydn zeigte auf ein Gelenk seines kleinen Fingers, und sagte: ›Ew. Majestät, meine Stimme ist jetzt nur noch so groß.‹ Der König lachte, und nun sang Haydn sein Lied: ›ich bin der verliebteste.‹
Der König und die Königin wünschten ihn an England zu fesseln. ›Ich räume Ihnen des Sommers eine Wohnung in Windsor ein‹, sagte die Königin ›und dann‹, setzte sie schalkhaft gegen den König schielend hinzu ›machen wir zuweilen tête a tête Musik.‹ ›O! auf Haydn eifre ich nicht‹, versetzte der König ›der ist ein guter ehrlicher deutscher Mann.‹ ›Diesen Ruf zu behaupten‹, antwortete Haydn ›ist mein größter Stolz.‹ Auf wiederholtes Zureden, in England zu bleiben, führte Haydn an, daß er aus Dankbarkeit an das Haus seines Fürsten gebunden sey, und daß er sich auch nicht auf immer von seinem Vaterlande,[90] noch von seiner Frau trennen könne. Der König erbot sich, letztere kommen zu lassen. ›Die fährt nicht über die Donau, noch weniger über das Meer‹, versetzte Haydn. Er blieb unbeweglich, und er glaubte, daß er deswegen nie vom König beschenkt worden sey. In sein Benefizkonzert kam von der königlichen Familie nur die Herzogin von York, und sie schickte ihm 50 Guineen. Er wurde einigemale sehr gütig von Ihr aufgenommen, denn sie wußte, daß ihr Vater, der König von Preußen, auf Haydn viel halte.«
Bei der festen Absicht Haydns, nach Wien, und zwar bald, zurückzukehren, blieb es. Wir wissen zwar nicht, wie und warum er die Monate Juni und Juli noch in London zubrachte, denn die Saison war vorüber, und bestimmte Konzertverpflichtungen lagen nicht vor; Mitteilungen irgendwelcher Art über diesen Zeitraum fehlen. Daß das plötzliche Versiegen aller Nachrichten über ihn auf die Verstimmung des Hofeszurückzuführen ist, wäre immerhin möglich. Jedenfalls war der zweite Abschied von London stiller als der erste.
Griesinger hatte sich aus Haydns Tagebuch das Verzeichnis der Werke abgeschrieben, die Haydn für England komponiert hatte, mit der hinzugefügten Blattzahl der Manuskripte, nämlich:
Opera seria l'Orpheo 110 Blätter
Sechs Symphonieen 124 Blätter
Eine concertante Symphonie 30 Blätter
Chor: der Sturm 20 Blätter
Drey Symphonieen 72 Blätter
Eine Arie für Davide 12 Blätter
Gesänge für Gallini 6 Blätter
Sechs Quatuor 48 Blätter
Drey Sonaten für Broderiep 18 Blätter
Drey Sonaten für Preston 18 Blätter
Zwey Sonaten für Miß Janson 10 Blätter
Eine Sonate in F minor 3 Blätter
Eine in g 5 Blätter
Der Traum 3 Blätter
Dr. Harringtons Compliment 2 Blätter
Sechs Englische Lieder 8 Blätter
Hundert Schottische Lieder 50 Blätter
Funfzig dergleichen (für Nepire) 25 Blätter
Zwey Divertimenti für die Flöte 10 Blätter[91]
Drey Symphonieen 72 Blätter
Vier Gesänge für Thallersal 6 Blätter
Zwey Märsche 2 Blätter
Eine Arie für Miß Poole 5 Blätter
God save the King 2 Blätter
Eine Arie mit vollem Orchester 3 Blätter
Aufruf an Neptun 3 Blätter
Die zehn Gebote Gottes 6 Blätter
Marsch für den Prinzen von Wallis 2 Blätter
Zwey Divertimenti mit
verschiedenen Stimmen 12 Blätter
Vier und zwanzig Menuets und Deutsche 12 Blätter
Zwölf Balladen für Lord Avingdon 12 Blätter
Verschiedene Gesänge 29 Blätter
Canons 2 Blätter
Ein Lied mit vollem Orchester 2 Blätter
Für Lord Avingdon 2 Blätter
Vier Contratänze 2 Blätter
Sechs Lieder 2 Blätter
Ouvertüre für Coventgarden 6 Blätter
Arie für die Banti 11 Blätter
Vier Schottische Lieder 2 Blätter
Zwey Lieder 1 Blätter
Zwey Contratänze 1 Blätter
––––––––
Summa 768 Blätter
Dieses Verzeichnis erfordert einige Erklärungen: »Der Traum« bedeutet entweder die Sonate für Klavier und Violine, betitelt »Jacobs dream« (siehe früher S. 84), oder vielleicht das Lied »The Spirits song«: von den zwei Märschen ist einer für die Royal Society of Musicians geschrieben und noch dort im Autograph befindlich, der einzeln genannte für die Bläserkapelle des Prinzen von Wales; die zwölf Balladen für Lord Abingdon hatten eigentlich den Titel: »Twelve Sentimental Catches and Glees for Three Voices Melodized by the Right Honble The Earl of Abingdon, The Accompaniments for the Harp or Piano-Forte by the Celebrated Dr. Haydn Being a Gift of his Lordship to Mr. Monzani For his Benefit« (Monzani war Flötist). Die Ouvertüre für Coventgarden war die zu Salomons »Windsor Castle«, die Haydn[92] dann für seine Oper »L'anima del filosofo« verwendete. Zu den vier Gesängen für Tattersall (nicht Tallersall) ist folgendes zu erzählen: Ein englischer Geistlicher, Rev. William Dechair Tattersall, gab im Jahre 1794 eine Sammlung dreistimmiger Psalmenkompositionen unter dem Titel »Improved Psalmody« heraus. Darunter waren sechs von Haydn komponierte, und zwar zwei sehr ausgedehnte, vier etwas kürzere; die Texte waren aus Merricks metrischer Übertragung der Psalmen genommen. Im Vorwort zu dieser »Improved Psalmody« äußert sich Tattersall über seine Mitarbeiter folgendermaßen: »Dr. Haydn (who may be looked upon as naturalized in this country, from having taken his degree at one of our Universities, and who may be justly esteemed the most celebrated composer of the present day); Dr. Arnold, Mr. John Stafford Smith, and Mr. Atterbury, having allowed me the honour of reckoning them in the number of my respectable coadjutors etc.« Haydn wurde später von Tattersall mit einem silbernen Becher beschenkt, auf dem eingraviert stand: Dr. Haydn, Dr. Arnold, Mr. John Stafford Smith, and Mr. Atterbury declared their readiness to co-operate with Dr. Cooke, Dr. Hayes, Dr. Dupuis, Dr. Parsons, Mr. Callcott, the Rev. Osborne Wright, Mr. Webbe. Mr. Shield and Mr. Stevens in their exertions towards perfecting a work for the improvement of Parochial Psalmody; as a small token of esteem, for his abilites and of gratitude for his services, this piece of plate is presented to Dr. Haydn by W.D. Tattersall.
Er erhielt außer diesem Ehrengeschenk noch zahlreiche andere, darunter von Clementi einen Becher aus Kokosnußschale mit reicher Silberarbeit und von irgend jemand anderem einen Papagei aus dem Geschlechte der gelehrigen Fakos. Dieser Papagei soll später in Wien die Worte »Komm Haydn Papa« sprechen gelernt und auch den Anfang des »Gott erhalte« gesungen haben.
Die Summe, die Haydn bei seinen beiden Londoner Aufenthalten vereinnahmt hatte, wird mit 24000 Gulden angegeben, wovon die Kosten seiner Reisen und seiner beiden Aufenthalte im Betrage von 9000 Gulden abzuziehen wären, so daß ihm noch ein ansehnlicher Betrag verblieb.
Haydn hatte London zum zweitenmal am 15. August 1795 verlassen. Die Reise ging diesmal – wohl wegen der Franzosennot[93] – nicht den Rhein entlang, sondern zunächst nach Hamburg. Haydn hatte die Absicht, Carl Philipp Emanuel Bach, den von ihm so sehr verehrten Meister, dem so vieles zu verdanken er zugestand, persönlich kennen zu lernen. Er hatte keine Ahnung davon, daß C. Ph. E. Bach schon mehrere Jahre vorher, am 14. September 1788, gestorben war. Auch dessen Witwe, Johanna Marie geb. Dannemann, war kurz vor Haydns Ankunft, am 20. Juli 1795, aus dem Leben geschieden, und nur die Tochter, Anna Caroline Philippine, fand Haydn in dem Hause vor; sie mag dem Besucher wohl bereitwilligst Einsicht in die nachgelassenen Werke ihres Vaters gewährt haben. In den »Hamburger Wöchentlichen Nachrichten« vom 22. August ist unter den angekommenen Fremden am 19. August auch »der Herr Kapellmeister Joseph Haydn« genannt, »tritt ab bey Herrn Herold am Berge«. (Herold war der Inhaber einer großen, noch heute existierenden Buchhandlung.)
Daß die weite Reise unseren Meister über Berlin geführt habe, ist nicht anzunehmen, obzwar sowohl König Friedrich Wilhelm II. von Preußen wie Haydn selbst beide den Wunsch hegten, sich kennen zu lernen. Als nächsten Aufenthalt nannte Haydn Dies gegenüber Dresden, wo er seinen Kunstgenossen Joh. Gottlieb Naumann aufsuchte, der damals aber gerade von Dresden abwesend war. Haydn ließ sich ein Bild Naumanns zeigen, um diesen wenigstens im Bilde kennen zu lernen. Als Tag der Ankunft in Wien gibt Wurzbach den 20. (?) August an, was aber nach dem oben Erzählten nicht stimmen kann. Jedenfalls war Haydn Ende August wieder in Wien.
Der Empfang Haydns in seiner Heimat dürfte diesmal ein ebenso herzlicher gewesen sein wie das erstemal, wozu aber noch die freundliche Bewillkommnung zu rechnen ist, die ihm Fürst Nikolaus (II.) Esterhazy zuteil werden ließ, dem doch darum zu tun war, seine Kapelle wieder im einstigen Glanze erstehen zu lassen und an deren Spitze einen so hochberühmten Kapellmeister zu haben, wie es Haydn jetzt war. An Gehalt bezog Haydn wie bisher 1000 Gulden Pension, noch als Vermächtnis des Fürsten Nikolaus I., und 400 Gulden Gehaltszulage, die vom Fürsten Anton bewilligt worden war. Fürst Nikolaus aber gab seiner erhöhten Wertschätzung für den jetzt nicht mehr als Bedienten zu betrachtenden Kapellmeister dadurch Ausdruck, daß er an seinen[94] Ober-Weinaufseher eine »Assignation« erließ, »vermög welcher dem Kapellmeister Josef Haydn vom 1. Oktober d.J. (1795) angefangen alltäglich eine Maaß Officier-Wein in Eisenstadt oder Wien passiert wird«. Haydn scheint sich sofort erkenntlich bezeigt zu haben, denn es existieren aus dieser Zeit einige Märsche für Harmoniemusik, die wahrscheinlich für die fürstl. Feldharmonie bestimmt waren. Im übrigen dürfte der Fürst bei der Reorganisation der Kapelle sich der Mithilfe Haydns gewiß gerne bedient haben, denn wenn auch numerisch die Kapelle nach ihrer Wiederaufrichtung nicht mehr ihren einstigen Stand erreichte, so scheint sie doch der Qualität der Musiker nach auch strengeren Ansprüchen gerecht geworden zu sein. Der Fürst bereitete auch schon für den Winter eine große Aufführung in seinem Wiener Palais vor, bei welcher er den Glanz des fürstlich Esterhazyschen Hauses wieder so recht vor Augen führen wollte; die Wahl des Fürsten fiel auf die Oper »Penelope« von Draghi.
Inzwischen hatte die Anerkennung und Wertschätzung Haydns auch in Wien etwas sichtbarere Formen bekommen. Die Wiener Verleger beeilten sich, Haydns Werke sowohl aus neuerer als auch aus älterer Zeit zu veröffentlichen, sei es mit, sei es ohne rechtmäßig erlangte Zustimmung des Komponisten. Auf den Konzertprogrammen erscheint Haydns Name nunmehr sehr häufig, speziell mit der wie überall so auch in Wien zum Zugstück gewordenen Pauken schlag-Sinfonie.
Aus den damaligen Konzertanzeigen entnehmen wir beispielsweise, daß die »Made Josepha Auerhamer in ihrem Konzert am 25. März 1795 im Burgtheater die große Sinfonie von Herrn Hayden, mit dem beliebten Andante« in ihr Programm aufgenommen hatte. Am 12. und 13. April brachte die Tonkünstler-Sozietät die »Große Sinfonie mit dem so beliebten Andante von Joseph Haydn«, ebenso wie die Made Plomer, Sängerin aus England, in ihrer am 20. Juni 1795 im Burgtheater stattgefundenen Akademie die »beliebte Simphonie des Herrn Joseph Haydn« zur Aufführung bringen ließ. Schon ganz kurze Zeit nach seiner zweiten Rückkunft wurden bereits die Werke der zweiten Londoner Stagione in Wien heimisch. So wurde die Sinfonie mit dem Paukenwirbel (Es-dur) einige Wochen nach seiner Ankunft aufgeführt, wie aus einer Tagebuchnotiz bei Zinzendorf zu entnehmen[95] ist, der unterm 21. September schreibt »Au spectacle ›Der Jurist und Bauer‹ Symphonie de Haiden de Londres avec les Tambours«. Und am 18. Dezember führte Haydn schon drei seiner letzten für London komponierten Sinfonien dem Wiener Publikum in einer Akademie vor, in welcher auch Beethoven mitwirkte und sein Klavierkonzert in B-dur spielte. Die Voranzeige des Konzertes in der Wiener Zeitung vom 16. Dezember lautete: »Am künftigen Freitage, als dem 18. dieses, wird der Herr Kapellmeister Haydn eine große musikalische Akademie in dem kleinen Redoutensaale geben, worin Mad. Tomeoni und Herr Mombelli singen werden, Herr van Beethoven ein Concert von seiner Composition auf dem Forte-Piano spielen wird; und drei, hier noch nicht gehörte große Symphonien, welche der Herr Kapellmeister während seines letzten Aufenthaltes in London verfertigt hat, aufgeführt werden sollen. – Die Eintrittszettel sind bei dem Herrn Kapellmeister Haydn in seiner Wohnung am Neuen Markt in dem Hoföbstlerischen Hause im dritten Stock in allen Stunden zu haben.«
Zinzendorf notierte in sein Tagebuch: »Le soir à la petite Salle de redoute au concert de Haydn. L'Adagio de la première Symphonie, l'air chanté par Mombelli et la Symphonie militaire me plurent.« (Über Beethoven kein Wort!)
Diese Tagebuchnotiz Zinzendorfs macht die Annahme Riemanns48, daß das Konzert nicht stattgefunden habe, sondern mit dem späteren der Mme. Bolla identisch sei, hinfällig.
Einige Zeit vorher hatte Beethoven beim Fürsten Lichnowski in einem der jeden Freitag morgens stattfindenden Konzerte seine drei Klaviersonaten op. 2 Haydn vorgespielt und ließ sie bald darauf mit der Widmung an Haydn erscheinen. Ein schlagender Beweis dafür, daß die Beziehungen der beiden Männer zueinander die denkbar besten waren, und Beethoven dem älteren Meister noch immer große Verehrung entgegenbrachte!
Aus der oben zitierten Ankündigung des Konzertes vom 18. Dezember entnehmen wir auch die damalige Wohnung Haydns. Da der Umbau seines Hauses in Gumpendorf noch immer nicht vollendet war, wohnte er in der inneren Stadt, am Neuen Markt (auch Mehlmarkt genannt), in dem Hause des Hof-Früchtehändlers[96] (Öbstlers) Pichler, das an der Stelle stand, wo sich jetzt das Haus Nr. 2 befindet.
Im Herbst dieses Jahres fuhr Haydn in Begleitung der Grafen Franz, Karl und Ludwig Harrach sowie einiger anderer Musikfreunde nach Rohrau, um das Monument in Augenschein zu nehmen, das ihm Graf Carl Leonhard Harrach in seinem Park zwei Jahre zuvor hatte setzen lassen.
Es mag Haydn wohl gedrängt haben, bei dieser Gelegenheit auch sein Geburtshäuschen am Ende des Ortes zu besuchen, und so fuhr man denn zuerst daselbst vor. Wie der zum weltberühmten Mann Gewordene nach einer langen Reihe von Jahren, beim Eintritt in die väterliche Wohnung, vom Moment ergriffen, niederkniend die Schwelle küßte, über die er einst als armseliger Knabe hinaus in die Welt wanderte, dann voll Selbstbewußtsein auf die Ofenbank hin wies, wo der Hainburger Schulmann in ihm den künftigen Musiker entdeckte und über sein Schicksal entschied, haben wir beim Eingang in die Lebensgeschichte Haydns bereits erfahren49.
Die Gesellschaft fuhr nun in den Park, das Monument zu besehen. Wie es kam, daß der Graf dasselbe setzen ließ, ließ er selbst dem Maler Dies auf dessen Ansuchen mitteilen. Wir folgen hier getreulich der Darstellung des Malers Dies:
»Die Veranlassung (schreibt der Herr Graf), warum ich dem Haydn in meinem Garten einen Denkstein setzen ließ, war keine andere, als daß ich bey meiner erlangten Großjährigkeit, die nächst meinem Schlosse liegenden Zier-Küchen-Obst- und Fasangärten, die beyläufig 40 Joch Gründe enthalten, ich darf nicht sagen, zu einem englischen Park, aber doch zu einer ordentlichen Promenade, bey welcher die ökonomischen Gegenstände nicht ausgeschlossen werden mußten, umschaffen wollte.
Ich hielt es für angemessen und zweckmäßig, wohl auch für meinen Park beehrend, dem so rühmlich bekannten Josef Haydn in dem burgfriedlichen Umkreis seines Geburtsortes einen Denkstein zu errichten. Ich benützte eine ziemlich dicht mit Laubholzgattungen bewachsene Gegend meines Gartens, und einen Ort, wo die dort ziemlich breite und tiefe Leitha einen jähen Winkel[97] macht; rückwärts ließ ich einen schiffbaren Canal graben, und schuff mir dergestalt eine Insel, die nahe bey einem Vierteljoch enthalten mag. Diese Insel ließ ich dann von Gesträuchen reinigen, und ganz mit lombardischen Pappeln besetzen; daß diesseitige Ufer aber mit Trauerweiden, Platanen, Tulpenbäumen u. dergl. ausländischen Holzgattungen bepflanzen.
An einem der Ufer steht nun das Monument auf drey steinernen Stufen, und besteht aus einem etwa zehn Fuß hohen Postament, auf welchem musikalische Tropheen angebracht sind. Zwey Seiten50 des Monuments sind mit Inschriften versehen, weil sie in das Gesicht fallen.
Den Text dazu auf den beiden größeren Tafeln, hatte der bekannte Abbe Denis geliefert, und der Inhalt ist auf der ersten Tafel folgender51:
Dem Andenken
Joseph Haydn's
des unsterblichen Meisters
der Tonkunst,
dem Ohr und Herz
wetteifernd huldigen,
gewidmet,
von
Karl Leonhardt Graf von Harrach.
Im Jahre 1793.
Die zweyte Tafel enthält die kurze Aufschrift:
Rohrau
gab ihm das Leben
Im Jahre 1732 den 1. April52[98]
Europa
ungetheilten Beyfall,
der 31. Mai 1809
den Zutritt zu den ewigen Harmonien.
Nun sind auch oberhalb bey den musikalischen Insignien, Musikalien angebracht, welche einige Motive von Haydn's Composition enthalten. Zu diesen hat das bekannte Fräulein Gabriela von Baumberg einige Verschen geliefert, und zwar auf der einen Seite:
Ihr holden Philomelen
belebet diesen Hayn,
und laßt durch tausend Kehlen
dieß Lied verewigt sein.
Auf der anderen Seite:
Ein Denkmahlstein für Haydn's Ruhm
weiht diesen Platz zum Heiligthum,
und Harmonie klagt wehmuthsvoll,
daß dessen Hand einst modern soll.«
Soweit Dies. Die beiden in das Denkmal Haydns eingesetzten musikalischen Motive aus Haydns Werken, zu denen die obigen Verse gesetzt sind, waren folgende:
Adagio aus dem Streichquartett B-Dur Op. 50 Nr. 1
Die das Denkmal ursprünglich krönende Lyra wurde später durch eine Gipsbüste Haydns und, nachdem diese bald der Witterung erlag, durch eine solche aus Sandstein ersetzt. Letztere verfertigte der Bildhauer Procop in Wien in den 40iger Jahren, genau nach einer im Harrachschen Schlosse befindlichen metallenen Büste, die Haydn testamentarisch dem Grafen Harrach vermacht[99] hatte, und die er selbst als die sprechend ähnlichste bezeichnet haben soll53.
Haydn, der die seltene Auszeichnung eines noch bei Lebzeiten errichteten Denkmals wohl zu würdigen wußte, wollte sich hiefür dankbar erweisen und hatte schon in seinem ersten Testament seine künftigen Erben zur immerwährenden Erhaltung des Denkmals verpflichtet. Als er dem Grafen Harrach hievon Mitteilung machte, wollte dieser nichts davon wissen, und es entstand zwischen den beiden Männern ein edler Wettstreit, wer für die Erhaltung des Denkmales Vorsorge treffen solle. Schließlich setzten beide Männer Stiftungs-Akte, durch welche die Erhaltung des Denkmals sichergestellt werden sollte. Harrach ließ seinen Stiftungsakt sogar in die Landtafel einrücken, und Haydn hielt die betreffende Testamentsklausel aufrecht, derart, daß von den 150 fl. jährlich, die er für die Luigia Polzelli auf Lebensdauer bestimmte, nach ihrem Tode die eine Hälfte für zwei der ärmsten Waisenkinder in Rohrau, die andere Hälfte der Herrschaft Rohrau verbleiben solle, um sein eigenes Denkmal und das Grabmal seines Vaters auf dem Friedhofe in gutem Zustande zu erhalten.
Am 22. und 23. Dezember 1795 hatte dann die Tonkünstler-Sozietät ihre alljährliche Akademie, in welcher unter anderem Chöre von Händel, Sacchini und Haydn (vom letzteren wohl »Der Sturm«) aufgeführt wurden.
Gleich zu Beginn des Jahres 1796, am 4. Januar, fand im fürstlichen Palais in der Wallnerstraße die schon erwähnte Aufführung der »Penelope« von Draghi statt. Die Kosten dieser Veranstaltung waren, wie aus den Rechnungen hervorgeht, nicht unbedeutende. Schon zu Ende des vorhergegangenen Jahres hatte der Maler Peter Travaglia einen Vorschuß von 300 fl. à conto seines »einzulegenden Feuerwerks, Beleuchtung und Theater Rechnung« erhalten. Die mitwirkenden Sänger und Sängerinnen vom Nationaltheater, weiter die beiden Kopisten und das Orchester erhielten zusammen 1100 fl 51 x, welche an Haydn behufs Auszahlung ausgefolgt wurden. Daß Haydn selbst die Aufführung[100] dirigierte, ist so viel wie gewiß, wenn auch nirgends ausdrücklich erwähnt.
Ein paar Tage nachher, am 8. Januar, fand das Konzert der Sängerin Maria Bolla statt, bei welchem sowohl Haydn als Beethoven mitwirkten. Der Konzertzettel54 in italienischer Sprache mag hier als Kuriosum Platz finden:
»Oggi Venerdi 8. Del correnti Gennajo la Sigra. Maria Bolla, virtuosa di Musica darà una Academia nella piccola Sala del Ridotto. La Musica sarà di nuova composizione del Sgre. Haydn, il quale ne sarà alla direzione.
Vi canterrano la Sigra. Bolla, la Sigra. Tomeoni, e il Sigre. Mombelli.
Il Sigre. Bethofen suonerà un Concerto sul Piano forte.
Il prezzo dei biglietti d'ingresso sara di uno zecchino. Questi potranno aversi o alla Cassa del Teatro Nazionale, o in casa della Sigra. Bolla, nella Parisergasse No. 444 al seconda piano.
Il principio sarà alle ore sei e mezza.«
Über den Verlauf des Abends informiert eine Tagebuchnotiz bei Zinzendorf, welche lautet: »8. Janvier. Le soir au concert à la petite Salle de Redoute. Haydn nous interessa avec ses sinfonies, entr'autres celle du coup de tonnerre, destiné à reveiller les dormeurs au concert anglais. Mombelli nous toucha par son chant. La belle Mē de Bolla chanta d'une manière très insignificante et la Wittmann fit des tours de force.« (Beethoven wird nicht erwähnt!?) Das Beiwort »La belle« zu Mē de Bolla gibt vielleicht die Erklärung dafür, warum die zwei Meister sich bereit fanden, einer im übrigen so unbedeutenden Sängerin als musikalische Beistände zur Seite zu stehen.
In nächster Zeit hören wir nichts von einem öffentlichen Auftreten Haydns. Er war sicherlich mit schöpferischer Arbeit stark beschäftigt, leitete daneben die privaten Aufführungen beim Fürsten. Auch öffentliche Aufführungen seiner Werke durch andere Künstler sind um diese Zeit nicht angekündigt. Erst am 22. März fand ein Konzert statt, bei welchem wir ein Haydnsches Werk auf dem Programm finden. Gaetano Pugnani, ein hervorragender Geiger,[101] Schüler Corellis, führte an diesem Tage seine Musik zu Goethes Werther, also eine sinfonische Dichtung auf; das Konzert wurde durch eine Sinfonie von Haydn eingeleitet. Am 27. März wurden, wie Graf Zinzendorf in seinem Tagebuch notiert, die »Sieben Worte« aufgeführt.
Über die Umarbeitung dieses ursprünglich als Instrumentalwerk gedachten und komponierten Stückes in eine Vokalkomposition gibt Pohl (II S. 216 ff.), namentlich aber Adolf Sandberger in seinem ausgezeichneten Aufsatze »Zur Entstehungsgeschichte von Haydn's Sieben Worten des Erlösers am Kreuze« (Peters-Jahrbuch 1903) ziemlich erschöpfenden Aufschluß. Darnach hätte Haydn auf der zweiten Reise nach London, wahrscheinlich am 21. Januar, in Passau eine Aufführung seiner »Sieben Worte« in einer Bearbeitung gehört, die den einzelnen Instrumentalsätzen Vokalstimmen, Soli und Chor, beigefügt hatte. Diese Bearbeitung war von dem erzbischöflichen Kapellmeister und Hofkammerrat Joseph Frieberth verfertigt worden. (Die Ähnlichkeit des Namens war die Ursache, daß der erzbischöfliche Hofrat in Salzburg, Friedberg, als der Verfasser des Textes bezeichnet wurde, und die Tatsache, daß Joseph Haydns Bruder Michael selbst eine Abschrift der Partitur angefertigt hatte, war der Grund, diesen fälschlich als den musikalischen Bearbeiter anzunehmen.) Haydn soll die Bearbeitung, als er sie in Passau hörte, damals ganz gut gefallen haben, er dachte aber bei sich: »die Singstimmen, glaube ich, hätte ich besser gemacht.« Diese kleine Bemerkung zeigt, daß sich Haydn sofort mit der ihm hierdurch gegebenen Anregung beschäftigte, und tatsächlich ging er auch gleich bei seiner Rückkunft nach Wien daran, die Bearbeitung der »Sieben Worte« selbst vorzunehmen. Woher sich Haydn die Frieberthsche Bearbeitung verschafft hat, ist nicht bekannt; sie muß ihm aber zur Verfügung gestanden sein, denn er hat sie, wie Sandberger nachweist, textlich und musikalisch benützt. Wann die »Sieben Worte« in ihrer neuen Gestalt zum ersten Male aufgeführt wurden, ist nicht zu konstatieren. Ein in Wien bei Matthias Andreas Schmidt erschienenes Textbuch mit der Jahreszahl 1796 würde vermuten lassen, daß die erste Aufführung in dieses Jahr fällt. Der Wortlaut der Eintragungen Zinzendorfs gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, ob es sich bei der Aufführung am 27. März um[102] die vokale oder instrumentale Version handelt, und ob im ersteren Falle dies die Erstaufführung gewesen sei. Er schreibt: »De nouveau au concert. Toujours la 7me parole.« »Vater, ich befehle« – »me plait le plus et d'avantage que« »Es ist vollbracht ...« Da er aber in früheren Jahren sich ähnlich über den Eindruck der damals bloß als Instrumentalwerk vorhandenen Komposition äußerte, ist es schwer, eine Feststellung zu treffen.
Am 30. März fand beim Fürsten Windischgrätz nach dem Diner ein privates Konzert statt, in welchem laut Aufzeichnung bei Zinzendorf abermals die Paukenschlag-Sinfonie (la symfonie du coup de Canon) aufgeführt wurde.
Haydn schrieb und veröffentlichte um diese Zeit Kompositionen aller Art. Anfangs des Jahres 1796 erschienen (fast gleichzeitig bei Artaria, Eder und Träg) »3 ganz neue Sonaten für Clav., Viol. und Cello Op. 82 dediés à Madame Schrötter«. Es sind die Klaviertrios in D-dur, G-dur und fis-moll, die er in London komponierte und der seinem Herzen so nahestehenden Madame Schroeter widmete. Im April erschien dann das zweite Heft der Appony-Quartette, enthaltend die Quartette in C-dur, F-dur sowie g-moll. Weiter schrieb er in diesem Jahre die Musik zu einem Trauerspiel »Alfred oder der patriotische König«. Es war ein »neues, hier noch nie gesehenes Trauerspiel in 5 Aufzügen nach dem englischen frei bearbeitet von Professor Cowmeadow«, das der betriebsame Schikaneder im vorhergegangenen Jahre im k.k. priv. Theater auf der Wieden mit großem Erfolge aufgeführt hatte. Die Handlung des Stückes, dessen Verfasser J. Bichnell war, spielte teils in England, im Lager der Dänen und in einer gegenüberliegenden Waldgegend, teils in Norwegen. Der Text erschien zuerst 1795 bei Maurer in Berlin, dann 1796 in Graz55. Haydn komponierte zu diesem Schauspiel drei Nummern: Den Eingangschor der Dänen »Triumph dir, Haldane! die Schlacht ist gekämpft«, die Arie des Schutzgeistes »Ausgesandt vom Strahlenthrone« (Akt I, Szene 4) und das Duett zwischen König Alfred und Odun, Grafen von Devon »Horch, horch, schon[103] hör' ich Hahnenruf« (bei Haydn lautet der Text »Der Morgen graut, es ruft der Hahn«). Das Trauerspiel wurde nicht weiter gegeben, die Musik, die in Haydns Handschrift noch erhalten ist, blieb mit Ausnahme des Dänenchores unbenutzt liegen. Dieser letztere erschien erst im Jahre 1814 als »Kriegerischer Chor« im 16. Bande der von Breitkopf & Härtel herausgegebenen »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« im Klavierauszuge mit etwas geändertem Text. Auch einige Aufführungen erlebte dieser Chor, u.a. in Wien in den Concerts spirituels im Jahre 1825 und dann im Jahre 1847, diesmal unter Otto Nicolais Leitung.
Ein musikalischer Scherz dürfte seiner Entstehung nach auch in diese Zeit fallen, die Kantate »Die Erwählung eines Kapellmeisters«. Haydns Stadtwohnung befand sich, wie schon erwähnt, auf dem Neuen Markt. Auf demselben Platze, schräg gegenüber dem Schwarzenbergschen Palais, angrenzend an die Mehlgrube, befand sich ein großes Gast- und Einkehrwirtshaus »Zum weißen Schwannen«, kurz »Der Schwan« genannt. In seinem Gastzimmer verkehrte die Musikerwelt häufig. Beethoven aß später dort oft zu Mittag, er ladet seinen Trabanten Zmeskall dorthin wiederholt ein, und dort war es auch, wo er in der Erregung einem Kellner eine Schüssel mit Lungenbraten-Sauce an den Kopf warf. Für den Kreis heiterer Genossen, die sich mit Haydn dort oft zu versammeln pflegten, komponierte dieser die Scherzkantate »Die Erwählung eines Kapellmeisters« für drei Solostimmen, Chor und kleines Orchester.
Im Sommer ging Haydn nach Eisenstadt. Seine dienstlichen Obliegenheiten waren dort nicht sehr bedeutende, und die Kapelle war damals numerisch sehr schwach. Nach dem Fürstlichen Konventionale bestand die Kapelle, d.h. die »Kammer- und Chor-Musik«, im Jahre 1796 aus:
»Joseph Haydn; (er erhielt (nebst seiner Pension von 1000 fl., die ihm testamentarisch vom Fürsten Nikolaus vermacht war) 400 Gulden jährlich und die ›Uniform nach herrschaftlichem Belieben‹, außerdem verschiedene Naturalien],
Alois Tommasini, Konzertmeister,
Johann Georg Fuchs, Organist und Schloßschulmeister,
Barbara Pilhoferin, Diskantistin,
Anna Rumfeld (1. Chorsängerin), Diskantistin,[104]
Josefa Grießlerin, Altistin,
Josefa Hammer, Kontra-Altistin,
Johann Haydn, Tenorist,
Christian Specht, Bassist
Franz Pauer, Violinist,
Luigi Tommasini (der Sohn), Violinist,
Anton Tommasini, Violinist und Bratschist,
Ernst Michael, Violinist
Josef Dietzl, Violinist,
Ignaz Manker, Violoncellist,
Leopold Dichtler, Violonist,
Casper Peczival, Fagottist.«
Wie man sieht, besaß die Kapelle mit Ausnahme des einzigen Fagottisten keine Bläser. Haydn sagt daher auch im Jahre 1802 zu Griesinger, »er habe in der Messe [gemeint ist die Heiligmesse] die Blasinstrumente eigentlich auf die Orgel gesetzt, weil damals der Fürst Esterhazy die Spieler der blasenden Instrumente verabschiedet hatte«. Das Conventionale vom Jahre 1796 erwähnt allerdings noch eine »Feldharmonie bei der Hochfürstl. Grenadier-Compagnie, die aus 2 Oboisten, 2 Klarinettisten, 2 Fagottisten und 2 Waldhornisten bestand«. Die Mitglieder dieser Bläserharmonie scheinen zeitweilig für den musikalischen Dienst im Schlosse herangezogen worden zu sein, denn in einem Reskript aus dem Jahre 1800 heißt es, daß die »supplirenden Harmonie-Individuen Jac. Hyrtl und Jos. Elsler Hautboisten, Joh. Michl Fagottist, Georg Warlan Clarinettist, Anton und Mich. Prinster Waldhornisten« jeder mit 300 fl. vom 1. November 1800 an als Kapellmitglieder angestellt werden. Hyrtl, Elsler, Michl und der eine Prinster waren aber im Jahre 1796 als Mitglieder der Feld-Harmonie angeführt.
Da die Genealogie des Hauses Esterhazy kaum allen geläufig sein dürfte, wird es vielleicht erwünscht sein, wenn die Familiendaten der vier Fürsten, unter denen Haydn als Kapellmeister wirkte, hier nochmals genau angegeben werden:
Paul Anton, geb. 22. April 1711, gest. 18. März 1762, war unter Maria Theresia Feldmarschall, später Oberstkämmerer und von 1750 an Gesandter am neapolitanischen Hofe. Vermählt mit Maria Anna Louise Marchesa von Lunati-Visconti. Starb kinderlos.[105]
Ihm folgte sein Bruder
Nikolaus (I.), Joseph, genannt der Prächtige, geb. 18. Dezember 1714, gest. 28. September 1790. 4. März 1737 vermählt mit der Gräfin Maria Elisabetha v. Weißenwolf; war 1764 bei der Erwählung und Krönung des Erzherzogs Josef zum römischen König in Frankfurt am Main. Kinder: Paul Anton, Maria Anna (später vermählt mit dem Fürsten v. Grassalkovich) und Nikolaus.
(Paul) Anton, geb. 11. April 1738, gest. 22. Januar 1794, Feldmarschall, seit 1760 Oberstkämmerer, vermählt in erster Ehe mit Maria Therese Gräfin Hohenfeld. Hatte von seiner ersten Gemahlin (gest. 1782) vier Kinder: Maria Therese, Nikolaus, Anton (1767–1790) und Leopold.
Nikolaus (II.), geb. 12. Dezember 1765, gest. 25. November 1833. 15. September 1783 vermählt mit Maria Hermenegildis, Prinzessin v. Liechtenstein. Hatte drei Kinder: Paul (geb. 11. März 1786), Marie Leopoldine (später vermählt mit Fürsten Moritz v. Liechtenstein) und Nikolaus Karl.
Fürst Nikolaus II. war es also, dem Haydn jetzt seine Dienste zur Verfügung zu stellen hatte, und es mag hier am Platze sein, einige Worte über diesen Fürsten, als den damaligen Herrn Haydns, und das Verhältnis beider zueinander zu sagen. Fürst Nikolaus II. wird von Zeitgenossen und späteren Chronisten verschieden beurteilt. Viele spenden ihm reichliches Lob, vergleichen ihn mit Lorenzo de Medici, Alfons v. Ferrara, und heben seine Großmut und Leutseligkeit gegenüber Haydn hervor, wobei ihnen allerdings meist die Verwechslung mit Nikolaus I., »dem Prächtigen«, unterläuft, der ja wirklich innerhalb der Grenzen, die ihm seine hohe Stellung einem armen Musikus gegenüber zu ziehen gebot, Haydn sehr zugetan war und von diesem immer als väterlicher Freund verehrt wurde; andere aber schildern Nikolaus II als einen hochmütigen Feudalherrn ohne tieferes Verständnis für Musik und speziell den Werken und der Person seines ersten Kapellmeisters Joseph Haydn, den weiter in Diensten zu behalten von Seite des Fürsten nur als ein Akt der Pietät und Repräsentation betrachtet wurde, gänzlich abhold. Aus mündlichen Berichten einiger damaliger Kapellmitglieder, die durch deren Nachkommen und Schüler schriftlich festgehalten wurden, und deren Niederschlag[106] sich teilweise in Dr. Lorenz' Buch über Haydns, Mozarts und Beethovens Kirchenmusik findet, läßt sich im Zusammenhalt mit anderen Mitteilungen ein ungefähres Bild von des Fürsten Wesen sowie seinem Benehmen gegenüber der fürstlichen Kapelle und deren Leiter zusammenfügen. Danach war er ein hochfahrender, etwas eitler Herr, ganz erfüllt von dem Bewußtsein, der mächtigste Magnat Ungarns und – wenigstens zu Beginn seines Regimes – einer der reichsten Männer der Welt zu sein; später allerdings schmolz durch große Verschwendung und schlechte Wirtschaft das Vermögen beträchtlich zusammen, so daß der Fürst zum Schlusse gezwungen war, seine Kapelle ganz aufzulösen. Er war aufbrausend und jähzornig – besonders bei Gehorsamsvergehen – auch unversöhnlich bis zur Rachsucht.
Trotz aller dieser persönlichen Schwächen muß man doch die großzügige Art seiner Lebens- und Hofhaltung rühmend hervorheben. Er war ein Grandseigneur, der Pracht und Prunk liebte, war aber auch ein Freund und Förderer der Künste und Wissenschaften. Er legte den Grund56 zu der reichhaltigen Schloßbibliothek in Eisenstadt57, sammelte die in seinen Schlössern zerstreuten Gemälde und Kupferstiche, vermehrte sie durch Ankäufe und begründete derart eine schöne Gemälde- und Kupferstichsammlung. Ebenso legte er eine Mineralien- und Konchiliensammlung, weiter eine Sammlung von Münzen und Altertümern an; als Bibliothekar und Konservator seiner Sammlungen stellte er den Dichter und Gelehrten Georg v. Gaal an. Zeitgenössischen Künstlern gegenüber benahm er sich freigebig und gastfreundlich; oft waren berühmte Meister Gäste in Eisenstadt, wurden beschenkt und mit Aufträgen bedacht, unter ihnen beispielsweise der Bildhauer Canova58 und der Maler Roesler59. Auch junge Künstler wurden durch Aufträge und Geschenke aufgemuntert und gefördert. Für das Theater hatte der Fürst eine besondere Vorliebe; wandernde Schauspielertruppen wurden jedes Jahr im Sommer und Herbst nach Eisenstadt ins Schloß geladen, und oft wurde dort unter Mitwirkung adeliger Freunde und Verwandten Liebhabertheater[107] gespielt. Der Fürst Nikolaus Esterhazy war es auch, der an die Spitze jener aus adeligen Kunstfreunden bestehenden »Theater-Unternehmungsgesellschaft« trat, die dem Baron Braun sein Pachtrecht auf die Hoftheater abkaufte, um diese auf eigene Rechnung weiterzuführen. Wenig paßt zu diesen Charakterzügen und Neigungen die übereinstimmend von allen Chronisten gemeldete spezielle Vorliebe des Fürsten für Kirchenmusik: für Konzertmusik habe er weniger Interesse gezeigt, wird gesagt. Aus dieser besonderen Vorliebe des Fürsten für geistliche Musik wird auch das geringe Interesse an seines berühmten Kapellmeisters Joseph Haydn sonstigen Kompositionen und sein etwas gespanntes persönliches Verhältnis zu diesem erklärt. Es mag sein, daß die Interesselosigkeit des Fürsten für Haydns Schaffen diesen verstimmte; Kirchenmusik war nie Joseph Haydns bevorzugtes Tätigkeitsgebiet, und er selbst schätzte auf diesem Gebiete seinen Bruder Michael weit höher ein als sich. Es dürfte aber nebenbei auch persönliche Differenzen gegeben haben, die es mit sich brachten, daß es zwischen den beiden Männern nie zu einem verständnisvollen, geschweige denn zu einem herzlichen Verhältnisse kam. Haydn war bei seinem zweimaligen Aufenthalte in London dort mit allgemeiner Liebe und Verehrung behandelt worden, und bis in die aller höchsten Kreise hinauf hatte man ihm Beweise dafür gegeben, wie hoch man ihn als Künstler, aber auch als Menschen schätze. Er war zurückgekehrt mit dem sicheren Gefühle unschwer erlangter großer künstlerischer Erfolge, mit dem Bewußtsein erhöhter Schaffenskraft und – mit einer netten Summe Geldes. Ihm brauchte für seine weitere Zukunft nicht bange zu sein. In seinem gesteigerten Selbstgefühl betrachtete er sich daher damals gar nicht mehr als Bedienten eines großen Herrn, als welchen ihn so viele unorientierte Beurteiler, darunter auch Richard Wagner, hinstellen möchten. Er faßte seine Stellung beim Fürsten Esterhazy jetzt ganz anders auf, als sie der Fürst aufgefaßt wissen wollte, daher auch der, wenn auch nicht offen zutage getretene, so doch latente Gegensatz zwischen beiden. Einen Zwischenfall, bei welchem dieser Gegensatz merkbar wurde, hat Pohl schon im I. Bande (S. 225) erzählt.
Das Verhalten des Fürsten Haydn gegenüber besserte sich aber von Jahr zu Jahr, wobei insbesondere die Fürstin Marie[108] Hermenegild, ein Engel an Sanftmut und Güte60, die – ebenso wie ihre Kinder – Haydn aufrichtig verehrte, vermittelnd und versöhnend gewirkt haben dürfte. Über ihre Intervention wurde Haydn nicht mehr mit »Er« tituliert, was ihn nach seiner Rückkunft von London, von wo er neben anderen Zeichen großer Verehrung auch den Doktorhut mitbrachte, besonders verletzte; in amtlichen Akten wird er nach kurzer Zeit schon als der »Herr Kapellmeister Haydn« bezeichnet, und Briefe an ihn tragen die Anrede: »Wohledelgeborner Lieber Kapellmeister v. Haydn«. Auch wird Haydn von der Offizierstafel, wo er zusammen mit den höheren fürstlichen Beamten speist, oft weg zur Familientafel eingeladen. Daneben zeigen gelegentliche Zuwendungen, Gehaltserhöhungen und Aufbesserung der Naturalbezüge durch den Fürsten, wie auch ansehnliche Geschenke der Fürstin, die für ihn, namentlich bei letzterer, vorhandene gute Gesinnung.
Künstlerisch ist Fürst Nikolaus II. seinem Kapellmeister Joseph Haydn nie nahegekommen; seine Lieblingskomponisten waren Michael Haydn, ferner Reutter, Bonno und Preindl. Wie weit sein Musikverständnis reichte, entnimmt man aus der Aufnahme, die er Beethovens C-dur Messe, die für der Fürstin Namenstag komponiert war, bei ihrer ersten Aufführung bereitete61.
Joseph Haydn wußte sich mit diesen Eigenschaften und Neigungen des Fürsten abzufinden. Er hielt sich abseits von dem ganzen Getriebe des fürstlichen Hofhaltes, ließ sich in dieses Netz von Intrigen, Liebesaffären, Speichelleckereien usf. nicht verstrikken und warnte auch seinen Bruder Michael davor, ein Engagement nach Eisenstadt anzunehmen, da Michael in seiner kandiden Natur all dem nicht gewachsen gewesen wäre. Meister Joseph Haydn selbst war aber gar nicht schüchtern, und Übergriffen der fürstlichen Beamten, die vielleicht hie und da dem Musikus gegenüber die Amtsmiene aufsetzen wollten, wußte er zu begegnen. Ein launiger Brief, ohne Datum, aber sicher aus dem Jahre 1796 oder 1797 stammend, zeigt, wie Haydn solche Angriffe abzuwehren weiß:[109]
»Wohl Edelgebohrner
Hoch geehrtester Herr Verwalter!
Aus den an mich Erlassenen und der Beylage Einer Löbl. Hochfürstl. Esterhazyschen Geheimen Wirtschafts Kanzeley ersahe ich, daß ich wegen Unvermögenheit des Luegmayers zur Bezahlung seiner Schuld geradezu condemnirt wurde, warum? Darum, weil man mir das Vermögen zumuthet, wollte Gott, es wäre so. Aber ich schwöre zu dem Kyrie eleison, so ich just für meinen vierten Fürsten zu componiren habe, daß ich seit dem Tod meines Zweyten Seeligen Angedenkens eben so, wie Luegmayer in die nembliche Unvermögenheit verfallen bin, nur mit dem Unterschied, daß Ersterer vom Pferd auf den Esel, ich aber zu Pferd ohne Sattel und Zeug bin sitzen geblieben.
Ich ersuche demnach Eine Löbl. Hochfürstl. Geheime Wirthschafts-Kanzley nur so lang in Geduld zu stehen, bis ich das Dona nobis pacem vollendet habe, und bis der Fürstl. Hausmeister Luegmayer aus der bisherigen Besoldung des klein besoldeten 36 Jahr lang in Dienst stehenden Capellmeisters Haydn in die wirkliche Besoldung seines rechtmäßigen allergnädigsten Fürsten übersetzt wird. Den nichts ist trauriger und unharmonischer – als wan der Diener den Diener, das ist der Capellmeister den Hausmeister besolden muß. Sollte ich etwa heute oder morgen durch meine Verdienste (den schmeicheln und betteln kan ich nicht) oder aus eigenem Antrieb meines gnädigsten Fürstens in einen besseren Stand versetzt werden, so werd auch ich nicht ermanglen der anverlangten Forderung Genüge zu leisten.
Bin in aller Hochachtung
Euer Wohl gebohren Ergebenster Dr.
Franz J. Haydn
Doctor zu Oxfort und Fürstl. Esterhazyscher
Capellmeister.«
Haydn betrachtete die Stellung beim Fürsten als den Erwerb, der ihn der Sorgen um den täglichen Lebensunterhalt überhob und ihm die Möglichkeit gab, im übrigen zu schaffen, was und für wen es ihm beliebte. Seine in den nächsten Jahren entstandenen weltlichen Kompositionen, die gewiß mit die hervorragendsten sind, die er geschrieben, sind daher nicht für den Fürsten[110] und nicht zur Aufführung in Eisenstadt geschaffen, sondern verdanken ihre Entstehung der Anregung anderer Kunstfreunde, oft auch dem spontanen Schöpfungswillen des Meisters.
Für Eisenstadt bestimmt war allerdings das erste große Werk, das Haydn seit seiner Rückkunft von London schrieb, die im Sommer 1796 entstandene Messe in B-dur. Sie wird fälschlich manchmal als »Missa Sti Josephi« bezeichnet, das Autograph62 führt aber die Bezeichnung »Missa Sti. Bernardi v. Offida di me Giuseppe Haydn 1796«. Gewöhnlich wird sie die »Heiligmesse« genannt, weil im Sanctus der Alt und Tenor das alte Kirchenlied »Heilig, Heilig« intonieren. Bernhard von Offida war ein Kapuzinermönch, der im vorangegangenen Jahre, am 19. Mai 1795, selig gesprochen war. Diese Tatsache mag, wie Schnerich63 vermutet, bei den nachbarlichen Beziehungen, die zwischen Haydn und dem in nächster Nähe von Haydns Wohnung am Mehlmarkt befindlichen Kapuzinerkloster herrschten, die Veranlassung zur Entstehung oder vielmehr der Widmung dieser Messe gewesen sein, ebenso wie der Umstand, daß das Fest des heiligen Bernhards auf den 11. September fällt, also ganz nahe am Fest Mariä Geburt (8. September), dem Namenstag der Fürstin Maria Josefa Hermenegild Esterhazy. Die festliche Begehung dieses Namenstages wurde immer auf den darauffolgenden Sonntag, damals den 13. September, verlegt, und da war diesmal wohl Gelegenheit, durch die Aufführung der neuen Messe eine zweifache Huldigung darzubringen.
Im Herbst dieses Jahres hatte der Fürst die Truppe des Direktors Carl Städler auf sechs Wochen für ein Gastspiel am Schloß-Theater in Eisenstadt engagiert; im Repertoire dieser Truppe standen unter anderem die Haydnschen Opern »La fedeltà premiata«, »Orlando Paladino« und »Armida«.
Als Haydn im Herbst des Jahres 1796 von Eisenstadt nach Wien zurückkehrte, ballten sich die Wolken am politischen Horizonte düster zusammen. Napoleon rückte siegreich in Steiermark vor. In Wien machte man sich auf einen Einfall der Franzosen gefaßt, und allenthalben wurden militärische Vorbereitungen getroffen. Das Wiener Freiwilligen-Korps wurde mobilisiert, und zu seiner Unterstützung wurde auch die Tonkunst aufgerufen. Am 19. September[111] wurde eine Kantate »Der Retter in Gefahr« von Süßmayer, Text von Rautenstrauch, in einer Akademie im großen Redoutensaal zum Besten des Korps gegeben. Voraus ging die beliebte »Sinfonie mit dem Paukenschlag von dem berühmten Herrn Kapellmeister Hayden«. Das ganze Konzert wurde dann am 21. September, am 4. Oktober, am 15. November und mit teilweise geändertem Programm von der Tonkünstler- Sozietät am 22. und 23. Dezember im Burgtheater wiederholt64. Das Konzert mit dem gleichen Programm wurde auch am 15. Oktober in Wiener Neustadt, der kleinen Stadt im Süden Niederösterreichs, aufgeführt. Diese Art, durch die Kunst den Patriotismus zu entfachen und Geldmittel für militärische Zwecke zu erwerben, wurde auf Wunsch der Regierung sehr fleißig geübt. Im Kärntnertor-Theater wurde ein »Gemälde der Zeit« mit Gesang in einem Aufzuge von Stephani d.j., betitelt »Die Freiwilligen«, aufgeführt. Die Musik war ebenfalls von Süßmayer. Der Text des Schlußchores wurde verteilt, »damit«, wie es in der Voranzeige hieß, »man in die für das Volk bestimmten Verse mit einstimmen könne«. Voraus ging, wie üblich, eine Sinfonie von Haydn. Auch Beethoven wurde in diesen patriotischen Kunstbetrieb mit hineingezogen und komponierte den von Friedelberg gedichteten »Abschiedsgesang an Wiens Bürger«, der beim Auszug der Fahnendivision des Korps der Freiwilligen gesungen wurde.
Aus dieser Stimmung heraus wurde die »Missa in tempore bello«, die sogenannte »Paukenmesse«, geschrieben, die zweite, die Haydn in diesem Jahre komponierte. Sie ist die einzige der letzten großen Messen, die nicht ihre Erstaufführung in Eisenstadt erfuhr, sondern in Wien, und zwar in der Piaristenkirche in der Vorstadt Josephstadt. Veranlassung hierzu war die feierliche Primiz des Joseph Hofmann, dessen Vater, Johann Franz Hofmann, kaiserl. königl. Kriegszahlmeister, die Bewilligung erwirkt hatte, daß sein Sohn noch vor Vollendung seiner theologischen Studien die Priesterweihe erhalte, die ihm auch am 18. Dezember zuteil wurde. Die Familie, mit Haydn befreundet, hatte sich an diesen mit der Bitte gewendet, die für den zweiten Weihnachtsfeiertag (26. Dezember) festgesetzte feierliche Primiz durch Aufführung und Leitung seines neuesten Werkes zu verherrlichen. Haydn hatte dieser Bitte willfahrt[112] und dirigierte die neue Messe »unter Zusammenströmen einer ungeheuren Volksmenge, auch der vornehmeren Stände«, wie es in den Annalen der österreichischen Piaristenkongregation heißt. Der Eipeldauer schreibt (1797, 4. Brief, 32. Heft, S. 39) darüber: »... da hat der berühmte Haidn d'Musik dazu g'macht und da hab ich aus besonderer Gnad ein Antrebilliet aufn Chor kriegt; denn sonst hätten's mich in der Kirchen erdruckt. Herr Vetter, in keiner Predig ists noch so voll g'wesen, aber es ist auch der Müh werth g'wesen, Herr Vetter; denn so eine schöne Musik hab' ich noch in kein Theater g'hört.«
Die Messe, nach der Datierung auf dem Autograph der Partitur in Eisenstadt begonnen, vielleicht aber in Wien beendet, hat zwei berühmte Stellen, die an die damals herrschende Kriegsstimmung gemahnen, beide im »Agnus dei«. Die eine Stelle ist jene, wo die Pauke erst leise, dann stärker auftretend, gewissermaßen das Klopfen des geängstigten Herzens andeutet, und die andere die, wo beim »Dona nobis« das Anrücken der Feinde durch eine Trompeten-Fanfare geschildert wird. Über den Parallelismus mit Beethovens »Missa solemnis« wird noch später zu sprechen sein.
Im Herbst dieses Jahres empfing Haydn noch den Besuch der beiden Rombergs. Andreas Romberg, der Geiger, und sein Vetter Bernhard Romberg, der Violoncellist, kamen aus Italien, wo sie den Sommer über gewesen waren, mit ihrem Freunde Karl Kügelgen nach Wien und taten sich hier musikalisch sehr hervor. In einem ihrer Konzerte wirkte auch Beethoven mit. Rochlitz65 schildert sehr anschaulich ihren Verkehr mit Haydn.
»Haydn empfing sie, seinem einfachen, liebevollen Charakter gemäß, aufs allerfreundlichste und half ihnen die günstigste Aufnahme in den ersten Häusern bereiten; nannte auch Andreas, besonders nachdem er sein Quartett gehört, gern seinen Sohn, der er, als Componist, denn auch damals war. Vater Haydn, der bei aller Einfachheit seines Wesens, nicht ohne Kenntnis der Welt und der Mittel, sie zu behandeln, war, verfuhr dabei wie er auch sonst that – für Andere nämlich, weniger für sich – seinen und der Welt Eigenheiten gemäß. Zum Beispiel: In einem der ersten musikliebenden Häuser Wiens, wo er die jungen Männer als treffliche[113] Spieler einführte, legte er selbst die Stimmen zu einem Quartett auf. Vater Haydn hat 'was neues! lief das freudige Gezischel durch die Versammelten. Das Quartett wurde in schönster Vollendung ausgeführt, mit größter Aufmerksamkeit angehört, und als es nun beendigt, eilte alles zu Haydn, ihm Beifall und Dank zu bezeigen. Er stand schweigend inmitten, mit dem freundlichen Nicken des Hauptes und dem eigenen, einnehmenden, unschuldig schalkhaften Blick, wie man an ihm gewohnt war und wie wohl alle, die ihn jemals beobachtet, ihn noch vor sich sehen. Hat es Ihnen wirklich gefallen? sagte er endlich. Das ist ja sehr lieb; denn es ist von dem jungen Manne da! – von unserm Andreas nämlich.«
Sicher war dies eines der drei Quartette von Andreas Romberg, die als »Oeuvre II« zu Paris erschienen und Haydn gewidmet sind.
Einen schmerzlichen, ihn tief berührenden Verlust erlitt Haydn durch den Tod seines Lieblings, des jungen Pietro Polzelli, seines »Pietruccio«, der am 14. Dezember 1796 im Ringelschmidschen Hause in der Schleifmühlgasse, 19 Jahre alt, »am Lungenbrand« starb. Wie sehr Haydn an diesem zarten, schwächlichen, vielleicht hochbegabten Jüngling hing, ist schon früher66 gesagt worden.
In das Jahr 1796 fällt laut den Datierungen der Autographen die Komposition einiger kleinerer Stücke, so zweier Kammerduette mit Klavierbegleitung (bei Simrock als oeuvre 107 erschienen), dann einiger deutscher Lieder (»Als einst mit Weibes Schönheit«, »Antwort auf die Frage eines Mädchens«, »Ein kleines Haus«, »Beim Schmerz, der dieses Herz«, »Auch die schönste der Schönen«) und ein kleines Stück für eine Spieluhr67.
Von den Werken, die Haydn in diesem Jahre komponierte, wäre außerdem noch das Konzert für Trompete zu nennen, das Haydn für den Hoftrompeter Anton Weidinger komponierte. Das Bestreben, auf den Blasinstrumenten alle chromatischen Töne herauszubringen, führte dazu, zuerst das Waldhorn und dann auch die Trompete mit Tonlöchern zu versehen. Die Fortbildung dieses Prinzips brachte dann nach dem Vorbilde des von Kölbel erfundenen Klappenhornes die Erfindung der Klappentrompete, deren Vaterschaft sich eben Weidinger, der im Jahre 1801 mit dem ersten derartigen Instrument herauskam, zuschreiben darf.[114]
In die ersten Tage des nun folgenden Jahres 1797 fällt die Entstehung des Liedes »Gott erhalte«, des Kaiserliedes68, wie es bald benannt wurde. Die Anregung zur Komposition des Kaiserliedes soll von Haydn selbst ausgegangen sein, der schon in England, als er die Nationalhymne »God save the King« hörte, den Plan gefaßt habe, für sein Vaterland ein ähnliches Lied zu schreiben, und der jetzt, als sein Vaterland in Bedrängnis war, das seinige zur Hebung der bedrückten Gemüter tun wollte. Haydn habe sich dann an seinen Freund und Gönner van Swieten gewendet, der wieder die Anregung dem Präsidenten der niederösterreichischen Landesregierung, Franz Grafen Saurau, dem Gründer des Wiener freiwilligen Aufgebotes, überbracht habe; Saurau habe diesen Vorschlag, der geeignet schien, die Gefühle der Anhänglichkeit an das Herrscherhaus zu stärken und die Kampfbegeisterung der Österreicher zu entfachen, aufgegriffen und dem »Dichter« Lorenz Leopold Haschka die Verfassung des Textes aufgetragen, bei Haydn die Vertonung bestellt. In einem Schreiben aus späterer Zeit (1820) an den Grafen Moritz v. Dietrichstein stellt Saurau allerdings sich selbst als den Vater der Idee hin, der sich die Künstler aussuchte, denen er die künstlerische Ausarbeitung übertrug. Was man über Lorenz Leopold Haschka hört, vermag für ihn als Menschen keine große Sympathie zu erwecken. Geboren zu Wien, 1. September 1749, hatte er sich ursprünglich dem geistlichen Berufe zugewandt und war in den Jesuitenorden eingetreten. Unter der Regierung Josephs II., als es modern wurde, für freigeistige Ideen zu schwärmen, glaubte er auch mit der Aufklärung marschieren zu müssen, trat aus dem Orden aus, wurde Freimaurer und schrieb Gedichte gegen den Papst, die Kirche, die Geistlichkeit und die Herrscher. Als nach dem Tode Josephs II. Leopold den Thron bestieg und die Reaktion wieder ans Ruder kam, wurde Haschka flugs ein Ultramontaner und war sogar geheimer Spion der[115] Polizei. Mit dem gleichbleibenden Regierungskurs behielt er dann auch die zuletzt eingeschlagene politische Richtung bei und wurde als Professor für Ästhetik an der Theresianischen Akademie sowie als Kustos der Universitätsbibliothek angestellt, in welchen Stellungen er bis zu seinem Tode (1827) blieb. Seine dichterischen Qualitäten hielten mit seinen menschlichen gleichen Schritt. Seine poetischen Ergüsse bestanden hauptsächlich aus Oden, mit denen er sich an einzelne Persönlichkeiten heranbiederte, so eine Ode auf Gluck, eine an die »edle Greinerin« (die Frau eines einflußreichen Hofrates) etc. Wie ihn seine Zeitgenossen einschätzten, dafür gibt eine Xenie Goethes den Maßstab, die lautet:
»Aber jetzt rat' ich euch, geht! sonst kommt noch gar der Gorgona
Fratze oder ein Band Oden von Haschka hervor.«
Es tut einem weh, Haydn in Gesellschaft dieses Mannes zu sehen, mit dem ihn allerdings weder vorher noch nachher irgendwelche Bande künstlerischer oder freundschaftlicher Art verknüpften, und mit dem er sich nur in höherem Auftrage zusammenfand.
Text und Musik des Liedes waren bald fertig, und am 28. Januar erteilte Graf Saurau das Imprimatur. Saurau hatte auch für eine sehr geschickte Inszenierung gesorgt, durch welche das Lied mit einem Schlage populär werden sollte. Vor der ersten Aufführung, für welche er den 12. Februar, den Geburtstag des Kaisers, in Aussicht nahm, ließ er es in den Musikhandlungen Wiens verkaufen und sorgte auch dafür, daß es in die Provinz kam. Als Ort der ersten Aufführung wählte Saurau das Burgtheater; er kannte die Vorliebe seines kaiserlichen Herrn und der Wiener für das Theater. Im Burgtheater war eine Aufführung der Dittersdorfschen Oper »Der Doktor und der Apotheker« anläßlich des kaiserlichen Geburtstages angesetzt, und vor der Oper sollte das Lied beim Erscheinen des Monarchen vom ganzen Publikum abgesungen werden. Zu diesem Zwecke wurde Text und Musik unter die Besucher des Theaters verteilt. Wie sich die erste Absingung gestaltete, darüber gibt uns die Schilderung Aufschluß, die in der anscheinend satirischen, in Wirklichkeit offiziösen Zeitschrift »Der wiederaufgelebte Eipeldauer« erschien:
»Jetzt Herr Vetter möcht ich halt schon wieder eine geschicktere Feder haben, um dem Herrn Vettern die schönen Handlungen[116] z'beschreiben, die sich seit einigen Tagen bei uns zugetragen haben.
Da hat ein braver Herr ein Lied auf'n Geburtstag von unserem gnädigen Kaiser gmacht, und das hat ein andrer braver Herr, der d'Kirchenmusik zu der Primiz beyn Piaristen gmacht hat in d'Musik gesetzt und das Lied ist dann in allen Theatern gsungen worden; und da hat man wieder augenscheinlich gsehn, wie lieb die treuen Österreicher ihren Landesfürsten haben.
'S Theater ist noch nie so gsteckt voll gwesen, und weil einige zum Singen nicht recht gsehn haben, so haben's sogar Lichtl anzunden, wie bei der Johannesandacht und habn dadurch zeign wollen, daß unser Kaiser Franz wirklich unser Schutzpatron ist. Das Lied wird jetzt auch in allen Gesellschaften und öffentlichen Örtern gesungen und von allen Fräulen aufn Klavier gespielt. Wenn's aber nur übers Singen 's Zahln nicht vergessen: den mit'n bloßen Singen ist uns jetzt nicht geholfen.
Weil unser bester Kaiser kein Freund von Komplimenten und Schmeicheleyen ist, so ist er mit Fleiß später ins Theater kommen. Aber da sind d'Wiener auch sein gwesen und habn mitn Lied aufn Monarchen gwart und da hat ers halt mit Gwalt anhörn müssen; da hat er aber gezeigt, wie gerührt er von der Lieb seiner Unterthanen ist.«
Aus dem Tagebuch des Grafen Zinzendorf erfahren wir, daß der Kaiser sich bei der Absingung gerührt im Hintergrunde hielt und erst, als die Ovationen kein Ende nehmen wollten, an der Logenbrüstung erschien, um sich zu bedanken. Auch in anderen Städten hatte man dafür gesorgt, daß das Lied dem Publikum in richtiger Weise zu Gehör gebracht werde; es wurde gleichzeitig am selben Abend in den Schauspielhäusern in Graz, Prag, Leoben, Innsbruck und auch in dem damals schon vom Feinde bedrohten Triest unter großem Jubel abgesungen. So war mit einem Schlage das Lied tatsächlich zu einer Volkshymne geworden, die jedermann auf den Lippen hatte. Wir lesen, daß schon in den nächsten Tagen das Lied überall gespielt wurde; so ist uns eine Beschreibung von einer zwei Tage nach dieser Erstaufführung in Wien stattgefundenen Festlichkeit erhalten, bei welcher 24 arme Brautpaare, die durch einen reichen Engländer ausgestattet wurden, nach ihrer in der Stephanskirche erfolgten Trauung mit allen Hochzeitsgästen[117] und zahlreichem anderen Publikum sich bei dem Hoftraiteur Jahn zum Schmause einfanden, wobei die bürgerliche Regimentskapelle auf stürmisches Verlangen der Anwesenden das neue Lied »Gott erhalte« dreimal spielen mußte.
Haydn wurde vom Kaiser Franz durch die Übersendung einer goldenen, mit dem Porträt des Kaisers geschmückten Dose sowie durch ein ansehnliches Geldgeschenk belohnt, ein Lohn, der freilich wenig ist für den Sänger jenes Liedes, das den Kaiser im Volke populärer gemacht hat als seine Regierungsmaßnahmen69.
Im März d.J. und zwar am 25., wurde eine Oper Haydns, seine »Armida«, im k.k. priv. Wiedener Theater zugunsten des Orchesters aufgeführt70. Die »Armida« ist übrigens die letzte Oper Haydns, von welcher noch zu seinen Lebzeiten eine Aufführung veranstaltet wurde (1805 zu Turin).
Wien und Österreich machten damals schwere Tage durch; am 16. März erzwang sich Bonaparte den Übergang über den Tagliamento und rückte über den Isonzo im Süden des Reiches vor. Österreich wußte dem siegreichen Abenteurer keine schlagkräftige Armee entgegenzustellen; Kunst und Musik waren die Kräfte, mit denen man das Waffenglück Österreichs herbeizuführen hoffte. Haydn mit seinem Kaiserlied, Beethoven mit seinem »Kriegslied der Österreicher« und Musiker kleineren Kalibers wurden aufgeboten, die Kriegsbegeisterung zu entfachen, mit wenig Erfolg. Man war froh, daß sich Napoleon dazu verstand, einem Präliminarfrieden zuzustimmen, der am 18. April in Leoben unterzeichnet wurde; am 17. Oktober wurde erst der eigentliche Friede zu Campo-Formio geschlossen, durch welchen die Feindseligkeiten – allerdings nur vorläufig und für kurze Zeit – ihr Ende fanden.[118]
Haydn war während der ersten Hälfte des Sommers in Wien und führte zu dieser Zeit seine Übersiedlung in das ihm gehörige, nunmehr umgebaute und vergrößerte Haus durch. Die Vorstadt Gumpendorf, in der Haydns Haus steht, lag damals an der äußersten westlichen Peripherie Wiens und galt schon eigentlich mehr als Sommerfrische. Um in die innere Stadt zu gelangen, mußte, wer nicht zu Fuß wandern wollte, eine Sänfte oder einen Wagen mieten. Haydn übernachtete daher oft, wenn es zu spät wurde, um den langen Weg nach Hause zu machen, bei Freunden in der Stadt, mietete auch später über den Winter ein Absteigquartier drinnen. Als ein solches müssen wir wohl die Wohnung Haydns, die uns der Schwede Silverstolpe71 in seinen Erinnerungen bei einem Besuche im Jahre 1798 nennt, in der Krugerstraße Nr. 1075 im Haus »Zum blauen Säbel« ansehen.
Im Herbst war Haydn dann in Eisenstadt.
Erzherzog Josef, 1796 zum Palatin von Ungarn ernannt, war vom Fürsten Esterhazy eingeladen worden, ihn auf Schloß Eisenstadt zu besuchen. Der Palatin kam Ende September und war von der Gastfreundschaft des Fürsten so entzückt, daß er seinen Besuch bald wiederholte. Kein Wunder, denn der Fürst Esterhazy bemühte sich, die ganze Größe seines Reichtums und seiner Macht zu zeigen. Am 27. September zog der Erzherzog in Eisenstadt ein, und sein Aufenthalt bestand aus einer ununterbrochenen Kette von Festen und Lustbarkeiten aller Art, von Jagden, Paraden, Feuerwerken, Bällen, Festmählern und auch künstlerischen Darbietungen. Am 28. September fand ein Hofkonzert statt, wobei auf Wunsch des Erzherzogs ein von Haydn neu komponiertes Streichquartett gespielt wurde, und zwar, wie Rosenbaum sagt: »nach dem Lied Gott erhalte«. Es ist das dritte der Graf Erdödy gewidmeten sechs Quartette (Op. 75), das bekannte Quartett mit den Variationen über die österreichische Volkshymne, das demnach damals bereits komponiert war und wohl hier zum ersten Male vor einem größeren Kreise gespielt wurde; dem Quartett folgte noch ein von dem jungen Virtuosen Luigi Tomasini, Sohn des fürstl.[119] Konzertmeisters, vorgetragenes Violinsolo (Variationen seines Vaters)72.
Noch glänzender gestaltete sich der zweite kurz darauf erfolgte Besuch des Palatins, bei welchem auch der kurz vorher (17. Oktober) erfolgte Friedensschluß zu Campo-Formio gefeiert wurde. Dienstag, den 26. Oktober wurde vom Fürsten Esterhazy eine Jagd bei Zillingsdorf angeordnet, zu welcher der Erzherzog-Palatin von Budapest aus eingetroffen war. Der Jagd folgte eine Tafel zu 200 Gedecken im großen Saale des Schlosses zu Eisenstadt, abends im fürstlichen Theater ein Lustspiel, aufgeführt durch die aus Wien eigens verschriebene Schauspielergesellschaft vom Leopoldstädter Theater, dann das von Vigano verfaßte Ballett »Pygmalion« (Musik von Raphael), in dem Vigano, der vielbewunderte Solotänzer vom Burgtheater, Solo tanzte, und zum Schlusse ein großer Maskenball und Illumination des ganzen Schlosses. Am 27. Oktober war abermals Jagd, um 1/25 Uhr nachmittags Tafel im großen Saale, abends Konzert, wobei, als der Palatin eintrat, das nun schon populär und bereits zur offiziellen Kaiserhymne gewordene Volkslied »Gott erhalte« und hierauf die vokale Bearbeitung der »Sieben Worte« aufgeführt und das Ballett »Pygmalion« wiederholt wurde. Am 28. früh erfolgte die Abreise des Palatins.
Der Bericht der Wiener Zeitung (1797, Nr. 88) stimmt im allgemeinen überein mit den Tagebuchaufzeichnungen Rosenbaums, der selbst beim Arrangement, soweit es die künstlerischen Veranstaltungen betraf, beschäftigt war; er erzählt, daß er 1000 Texte zu den »Sieben Worten« und 1500 Texte der Volkshymne, die in Ödenburg gedruckt wurden, verteilt habe. Das Sopransolo in den »Sieben Worten« sang Therese Gaßmann, die jüngere Tochter Florian Gaßmanns, Schülerin Salieris und Sängerin am Hoftheater zu Wien; sie erhielt für ihre Mitwirkung vom Fürsten ein Honorar von 50 Dukaten. Rosenbaum lernte bei dieser Gelegenheit die junge anmutige Sängerin kennen und lieben. Bald entspann sich aus der flüchtigen Bekanntschaft ein ernstes Herzensbündnis, und ungeachtet aller Hindernisse, die sich der Verbindung[120] beider in den Weg stellten (bei deren Wegräumung Meister Haydn hilfreiche Hand bot), führte Rosenbaum seine Therese am 11. Juni 1800 zum Altar, um mit ihr Jahre lang in glücklichster Ehe verbunden zu sein.
Zwischen die beiden erzherzoglichen Besuche fällt, am 29. September, eine Aufführung der neuen Messe in C, also der Paukenmesse. In dieser Aufführung debütierten zwei neue Sängerinnen, die aus Preßburg gekommen waren, eine Diskantistin Anna Rhumfeld und eine Altistin Josefa Hammer. Beide Sängerinnen gefielen sehr und wurden in die fürstliche Kapelle engagiert; die letztere ist, aus einer späteren Tagebucheintragung Rosenbaums zu schließen, Haydn vielleicht später etwas näher gestanden. Daß man in dem kleinen fürstlichen Städtchen manchmal feuchtfröhlichen Unterhaltungen nicht abhold war, dafür zeugt eine Tagebucheintragung von Rosenbaum unterm 8. Oktober: »Ging zum Engl soupieren, da war die Mlle. Grießler, der Lichtscheindl, Specht, Haydn, Grundmann und ich, wir waren zusammen sehr froh und trollten uns erst um 10 nach Hause.« Es kann sich hier aber auch um Haydns Bruder Johann handeln. Mit 1. Oktober 1797 wurden die Bezüge Haydns erhöht. Er erhielt außer der Pension von 1000 Gulden, die ihm Fürst Nikolaus I. testamentarisch vermacht hatte, und dem Gehalt von 400 Gulden, den ihm Fürst Nikolaus II. bei Wiederaktivierung der Kapelle dazugelegt hatte, jetzt noch eine Zulage von 300 Gulden (also insgesamt 1700 Gulden jährlich) und außerdem »die Uniform nach herrschaftlichem Belieben«: grüner Frack mit rotem Aufschlag (während er in Esterhaz blauen Frack mit Goldstickerei trug). Der oben (S. 112) erwähnte ironische Brief an die fürstliche Vermögensverwaltung mag zu der Entschließung des Fürsten, den Gehalt seines Kapellmeisters zu erhöhen, gewiß beigetragen haben.
Die Tonkünstler-Sozietät, welche sich seinerzeit73 so taktlos Haydn gegenüber benommen, daß er seine Bewerbung um Aufnahme zurückzog, hatte schon längst eingesehen, welchen Fehler sie begangen hatte, und war von dem Wunsche beseelt, das Haydn angetane Unrecht gutzumachen. Paul Wranitzky, ehemaliger Schüler Haydns, jetzt Sekretär oder, wie der offizielle Titel lautete,[121] »Aktuar« der Sozietät, war besonders bestrebt, die seinerzeitige Affäre vergessen zu machen und dem nunmehr dem Zenit seines Ruhmes zustrebenden Meister eine gebührende Genugtuung zu geben; die Sozietät hatte ihr Wiedergutmachungsverfahren nicht zu bereuen, denn die ihr von Haydn zur Aufführung überlassenen Werke brachten für die wohltätigen Zwecke der Gesellschaft gewaltige Summen ein. Schon im Januar des Jahres 1797 war in einer Sitzung beschlossen worden, Haydn und einigen anderen Komponisten Ehren-Freikarten, für die Akademien der Tonkünstler-Sozietät giltig, zu senden. Das Schreiben, mit welchem Wranitzky die Freikarte an Haydn sandte, war besonders warm und schmeichelhaft gehalten74; wünschte er doch, wie er in der Sitzung sagte, »das Versehen der Sozietät gegen Haydn aus seinem und, wenn es möglich wäre, aus Haydns Gedächtnis auf ewig zu verdrängen«. Wranitzky ließ nicht locker und beantragte endlich gegen Ende des Jahres, Haydn unentgeltlich in die Sozietät aufzunehmen. »Wohl sei damit gegen die Regeln der Statuten gehandelt, doch die Sozietät müsse hier eine Ausnahme machen und sich geehrt fühlen, einen so außerordentlichen Mann, der in der Tonkunst so unerreichbare Vorschritte gemacht und der Sozietät schon so viel Nutzen durch seine Kompositionen verschafft, als ihr Mitglied betrachten zu können.«
Man muß sich, um die Ungewöhnlichkeit des Antrages und des hierüber gefaßten zustimmenden Beschlusses zu verstehen, vergegenwärtigen, daß die Tonkünstler-Sozietät in erster Linie nicht künstlerische, sondern wirtschaftliche Zwecke verfolgte, und daß den Sozietäts-Mitgliedern sowie deren Familien durch die erfolgte Aufnahme nach Art der modernen Pensionskassen für die damalige Zeit recht erhebliche materielle Vorteile winkten, die durch die Aufnahmegelder und durch persönliche Leistungen, zum Teil wenigstens, erworben werden mußten. Der nun gefaßte Beschluß wurde unserem Meister von dem damaligen Präsidenten der Sozietät, dem Grafen von Kuefstein, in dessen Palais in Gegenwart des Vizepräsidenten Salieri und der Ausschußmitglieder Friberth, Orsler, Pable, Wranitzky mitgeteilt und er gleichzeitig eingeladen, zur nächsten Plenarsitzung zu erscheinen, um den eigentlichen Akt der feierlichen Aufnahme[122] als perpetuierlicher Assessor senior mitzumachen. Diese Sitzung fand am 11. Dezember statt. Rosenbaum, unser Gewährsmann, schreibt darüber am 17. Dezember: »In der Wiener Hofzeitung am 16ten war die Feierlichkeit beschrieben, daß Jos. Haydn mein verehrungswürdiger Freund am 11. Dec. in die Ges. d. Inst. d. Musiker mit Nachlaß aller Einlagen aufgenommen u. wegen der außerordentl. Verd. als der Vater u. Reformator d. edlen Tonkunst zum assessor soc. einstimmig unter d. Vorsitz d. Gf. Kuffstein als Musikgrafen ernannt worden. Gf. Johann Esterhazy führte ihn in d. Sall, welcher das große Theezimmer beim Redouten Sall ist, beim Eingang empfingen ihn d. Tonkünstler mit Vivat Rufen u. Händeklatschen u. Paul Wranitzky als Actuar hielt an ihn eine Rede.«
Schon bald nach seiner Ernennung zum Assessor konnte Haydn in seiner neuen Eigenschaft einer Veranstaltung der Sozietät beiwohnen; am 22. und 23. Dezember 1797 fand im Burgtheater die nächste Doppelakademie der Tonkünstler-Sozietät statt, bei welcher unter anderem ein »Terzett mit Variationen aus der Oper ›Don Juan‹ auf zwei Hautboen und dem englischen Horn, von der Komposition des Herrn van Bethofen« aufgeführt wurde. Es ist als sicher anzunehmen, daß Haydn pünktlich bei beiden Aufführungen anwesend war, sonst hätte er nicht in der Sitzung vom 10. März 1798, der ersten, an welcher er teilnahm, ersucht, »solche Anstalten zu treffen, daß zu den bevorstehenden Akademien alle Glieder ohne Ausnahme selbst in person erscheinen und beide Tage bis aus Ende ausharren und nicht wie es leider die traurige Erfahrung lehrt, später kommen, früher abgehen oder den zweiten Tag gar nicht erscheinen«. Noch bei einigen weiteren Sitzungen der Sozietät wird Haydn als Anwesender erwähnt: am 4. und 18. November 1799, am 9. Dezember 1799 und das letztemal am 14. November 1800, bei welcher Sitzung er sich darüber beklagt, »daß der Zug bei der Vorstellung der Akademie so stark ist, daß er noch jedesmal krank wurde«.
Der Dank Haydns für seine Ernennung zum Mitgliede der Tonkünstler-Sozietät ließ nicht lange auf sich warten. Im Sessions-Protokoll der Sozietät vom 19. Januar 1798 heißt es: »Herr Jos. Haydn läßt sich entschuldigen, daß er zur heutigen Session nicht erscheinen könne, weil er mit seinem Fürsten nach[123] Eisenstadt gehet, indessen offeriert er der Societät zur künftigen Fasten-Academie die 7 Worte in der Vocal Musik. Die Societät nimmt die Offerte mit größter Dankbarkeit und innigsten Vergnügen an.«
Der Aufenthalt Haydns in Eisenstadt war übrigens von ganz kurzer Dauer, denn schon am 5. Februar notiert Rosenbaum, daß Haydn in Wien bei ihm über Nacht geblieben sei. Mit Rosenbaum und Therese Gaßmann war er damals viel zusammen; hatten die beiden doch allen Grund, sich seiner Freundschaft und Wohlgesinntheit zu versichern. Rosenbaums Stellung beim Fürsten stand auf schwankendem Grunde, und Therese brauchte das Wohlwollen und die Förderung durch den weltberühmten Meister. Und ihre gemeinsame Herzensangelegenheit brauchte erst recht eifrige Förderer und Beschützer von Einfluß, wie es Haydn eben war. Einen Einblick in diese Beziehungen gibt die Eintragung Rosenbaums vom 17. März: »Therese war bei Haydn, selber sprach viel und Gutes von mir. Auch ich besuchte Haydn, unterhielt mich anfangs mit der Frau, dann kam auch er zu Hause. Ich erzählte sehr offenherzig mein Lieben und mein Bündnis mit Theresen und bat ihn dringend uns da zu nützen, wo er im Stande ist, welches er auch treulich versprach.« Trotz Haydns und anderer hochmögender Freunde des liebenden Paares Bemühungen konnte dieses erst nach zwei Jahren die Schwierigkeiten überwinden, die sich seiner Verbindung entgegenstellten und die hauptsächlich in der mangelnden Einwilligung der beiderseitigen Vorgesetzten bestanden.
Die Akademie der Tonkünstler-Sozietät, welcher Haydn die Wiener Erstaufführung der von ihm als Vokalwerk umgearbeiteten »Sieben Worte« überließ, fand am 1. April (Palmsonntag) 1798 und am darauffolgenden Tage im Burgtheater statt. Die Tonkünstler-Sozietät hatte es, wie schon erwähnt, nicht zu bereuen, Haydn aufgenommen und die Aufführungen seiner Werke in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Tätigkeit gestellt zu haben. Gleich über diese erste Aufführung eines großen Haydnschen Werkes meldet ein späteres Sessionsprotokoll: »Diese Akademie, welche wir bloß dem Haydn zu verdanken haben, hat 2768 fl und einige Kreuzer getragen. Ein Beweis, daß Haydn's unentgeltliche Aufnahme in die Societät ein großer Gewinn für dieselbe ist.« Diese beiden Aufführungen der zu einem Oratorium umgewandelten »Sieben[124] Worte«, welche unter des Meisters eigener Leitung stattfanden, waren aber nicht bloß für die Sozietät ein großer materieller, sondern für Haydn selbst ein abermaliger bedeutender künstlerischer Erfolg. Haydn hatte mit der Bearbeitung der »Sieben Worte« einen Weg betreten, der ihn in seiner weiteren Entwicklung auf die Höhe seiner beiden großen Meisterwerke, der »Schöpfung« und der »Jahreszeiten«, brachte, und das Publikum folgte ihm dabei willig und dankbar. –
Rosenbaum meldet: »Haydn wurde mit dreimaligem Klatschen empfangen und so auch am Ende begleitet.« Unter den Anwesenden war Kaiser Franz und die kaiserliche Familie. Das erste Konzert am 1. April brachte außer Haydns Stück eine Sinfonie von Eybler und ein Klarinettekonzert von Beer, die Wiederholung am 2. April brachte das Bläserquintett von Beethoven, welches dieser zusammen mit Triebensee (Oboe), Beer (Klarinette), Matouschek (Fagott) und Nickl (Waldhorn) spielte. Die Soli in den »Sieben Worten« sangen Therese Gaßmann, Antonie Flamm, Karl Weinmann (am 2. Abend Ignaz Saal) und Sigismund Hüller. Der Chor war 150 Personen stark.
Bald nach Ostern gab es in Wien wieder unruhige Tage. Am 13. April wurde eine vom französischen Gesandten Bernadotte an seinem Hause in der Wallnerstraße ausgesteckte französische Trikolore von der erregten Menge heruntergerissen, auf die Hauptwache am Hof gebracht und dort verbrannt. (Bernadotte protestierte, zog aber vorerst den kürzeren und reiste am 15. April mit dem Personal der Gesandtschaft ab.) Am Abend desselben 13. fand im Saale des Hostraiteurs Jahns ein Konzert statt, das von der Sängerin Luisa Caldarini veranstaltet wurde, und bei welchem zu Beginn eine Sinfonie von »dem berühmten Herrn Kapellmeister Hayden« und am Schlusse ein »Allegro« von ihm aufgeführt wurden.
Haydn selbst mag in diesen Tagen wohl viel beschäftigt gewesen sein; rückte doch immer näher und näher der Tag, an dem seine, »Schöpfung« ihre erste Aufführung erleben sollte.
Wieso Haydn dazu gekommen, dieses Werk zu schreiben und gerade diesen Text zu wählen, lag an verschiedenen äußeren und inneren Veranlassungen. hierüber soll noch später gesprochen werden. Die unmittelbare und letzte Anregung zur Komposition dürfte Haydn tatsächlich von van Swieten erhalten haben. Swieten[125] suchte für die Konzerte der adeligen Liebhabergesellschaft interessante Werke, dazu kam seine Verehrung für Haydn, endlich die Eitelkeit und der Wunsch, als Dichter zu glänzen. Swieten wußte die Mitglieder der adeligen Gesellschaft dazu zu bestimmen, daß sie sich bereit erklärten, je 50 Dukaten auszuwerfen, damit Haydn 500 Dukaten als Honorar erhielte und die Kosten der ersten Aufführung gedeckt werden sollten. Es waren dies die Fürsten Esterhazy, Kinsky, Lichnowski, Liechtenstein, Lobkowitz, Schwarzenberg, Trautmannsdorff, die Grafen Harrach, Fries, Marschall, die Freiherrn v. Spielmann und van Swieten.
Haydn war sich vielleicht der Bedeutung bewußt, welche dieses Werk in seinem Schaffen einnehmen sollte, er sah die Blicke der ganzen Welt, als sie von seiner Arbeit erfuhr, auf sich gerichtet; er wußte, es ging um das Letzte, Höchste. Er äußerte sich später: »Erst als ich zur Hälfte in meiner Komposition vorgerückt war, merkte ich, daß sie gerathen wäre; ich war auch nie so fromm, als während der Zeit, da ich an der Schöpfung arbeitete. Täglich fiel ich auf meine Knie nieder und bat Gott, daß er mir Kraft zur glücklichen Ausführung dieses Werkes verleihen möchte.«
Am 6. April 1798 wird dem Fürsten Joseph zu Schwarzenberg die Fertigstellung des Haydnschen Werkes gemeldet75, dessen Aufführung im fürstlichen Palais »sobald es die Umstände der Fürstin zulassen« statthaben soll. Fürstin Pauline Schwarzenberg hatte erst am 20. März einer Tochter das Leben geschenkt und lag noch im Wochenbett. Es dauerte daher noch drei Wochen, bis das fürstlich Schwarzenbergische Palais dem Rummel einer großen Premiere ausgesetzt werden konnte. Für den 29. und 30. April wurden die ersten, mit Spannung erwarteten Aufführungen des Haydnschen Werkes angesetzt76: Die Aufführung am 29. (einem Sonntag) hatte mehr den Charakter einer öffentlichen Generalprobe, am 30. April war der eigentliche Konzerttag, an dem alles, was in Wien zur kunstliebenden Gesellschaft zählte, sich im großen Saale des Schwarzenbergschen Palais am Neuen Markte einfand. Das Interesse des Publikums war ein ungeheures, auch desjenigen,[126] welches nicht das Glück hatte, dem Konzerte im Saale beiwohnen zu können, sondern sich mit dem Anstaunen der zu Fuß, in Wagen und in Sänften herbeiströmenden Besucher begnügen mußte. Sicherheitswache in der Stärke von 18 Berittenen und 12 Polizisten zu Fuß mußte die Zufahrt freihalten. Die »Mehlstandsetzer« am Neuen Markt mußten ihre Marktstände und ihre Säcke mit Mehl und Hülsenfrüchten wegräumen, um Platz zu machen, wofür sie aus der Schwarzenbergschen Hauptkasse einen Betrag von 10 fl. 20 Kr. als Vergütung erhielten.
In dem schönen, für heutige Begriffe allerdings kleinen Saale drängte sich das vornehme Wien und lauschte mit Aufmerksamkeit, ja mit Ergriffenheit, dem neuen Werke des allgemein verehrten Meisters, das ihn von einer neuen Seite zeigen sollte. Haydn selbst dirigierte, Salieri saß am Flügel, die Soli sangen Frl. Christine Gerardi, Mathias Rathmayer und Ignaz Saal.
Christine Gerardi, auch Gerhardi geschrieben, war trotz ihrer Jugend (sie war damals erst 21 Jahre alt) eine sehr beliebte, ja fast gefeierte Sängerin. In ihrem Trauschein wird sie als Tochter des »Christian Gerhardi, Kattunfabriksdirektor in Mähren« und seiner Gattin Sofie geb. Monti bezeichnet. Nach anderen nicht sehr zuverlässigen Berichten soll ihr Vater kaiserlicher Bediensteter gewesen sein, der mit Leopold II. von Toskana nach Wien kam. In einem Konzert französischer Emigranten in London 1794 erscheint auch eine Mlle. Gerardi; sollte es dieselbe sein, so würde die Familie aus Frankreich stammen. Fürstin Eleonore Liechtenstein spricht in den Briefen an ihre Tochter Gräfin Harrach zweimal von ihr; einmal bezeichnet sie sie als »emigrée allemande«, das anderemal sagt sie: »cette jeune fille d'un négociant qui a fait banqueroute.« Wiederholt wird ihr Name bei den großen Qpern- und Oratorienaufführungen im Palais Schwarzenberg und Palais Lobkowitz genannt, wo sie die Hauptpartien in »Axur« von Salieri, »Alceste« von Gluck, »Acis und Galathea« von Händel sang und die Zuhörer sowohl durch ihre Gesangskunst als durch ihr Spiel entzückte. Der »neue teutsche Merkur« (herausgegeben von Wieland in Weimar) läßt sich von seinem Wiener Korrespondenten unterm 3. Mai 1798 berichten: »In der Gesellschaft der Musikliebhaber steht Frl. Christine Gerardi unter allen Sängerinnen am ersten Platze; ein vortreffliches Organ, Biegsamkeit[127] und Wohlklang der Stimme, eine schöne Gestalt, sprechende Züge und vor allem ein feuriges Auge, geben jedem Worte Kraft, jedem Ton, der ihrer Brust entsteigt, Anmuth.« Ihre schöne Stimme und liebliche Erscheinung werden auch von vielen anderen gerühmt. Wenige Monate nach der Erstaufführung der »Schöpfung« am 20. August 1798 vermählte sich Christine Gerardi mit Dr. Josef Frank, Sohn des Hofrats Peter Frank, berühmten Arztes und Direktors des Wiener allgemeinen Krankenhauses. Der junge Frank hatte auch Medizin studiert und war in Pavia zum Doktor promoviert worden, übte aber die Heilkunde nicht aus, sondern betrieb, da der Vater sehr vermögend war, alle möglichen Liebhaberkünste, insbesondere die Musik. Beethoven, der ein Patient des alten Frank war, verkehrte viel im Hause, »korrigierte die nicht korrigierbaren Compositionen, spielte etwas, und half dem Sohn bey der Anordnung der Musik« (Schönauer an Sonnleithner). Christine Frank-Gerardi kam auf diese Weise auch in Berührung mit Beethoven, den sie schon vor der persönlichen Bekanntschaft sehr verehrt und mit schwungvollen Huldigungsversen bedacht hatte, wofür ihr der sonst schwer zugängliche Meister in sehr respektvollem Tone gedankt hatte. Vater, Sohn und Schwiegertochter übersiedelten 1804 nach Wilna, wo die beiden Franks Stellungen als Professoren annahmen. Es litt sie jedoch dort nicht lange, und sie kehrten einer nach dem anderen nach Wien zurück. Christine hatte in Wilna Gelegenheit gehabt, deutsche Kultur und Kunst nach dem Osten zu tragen, und sang auch 1809 in einer von Steibelt dirigierten Aufführung der »Schöpfung« in polnischer Sprache.
Ohne Zweifel hatte Haydn sie schon öfters singen gehört. Ob er aus freien Stücken oder auf Wunsch der Kavaliere ihr die Sopranpartie in der »Schöpfung« übertrug, steht dahin; jedenfalls stand es schon geraume Zeit vorher fest, daß sie die Partie kreieren werde, und Haydn nahm sicher darauf Bedacht. Anderwärts, außer bei Schwarzenberg, sang Christine Frank-Gerardi die Sopranpartie in Haydns Werk nicht; bei den öffentlichen Aufführungen übernahm ihren Part Therese Saal, die Tochter des Bassisten Ignaz Saal, Rivalin der Therese Gaßmann am Hoftheater. Saal selbst war der erste Interpret der Baßpartie in der »Schöpfung«. Keine sehr interessante Persönlichkeit, ein nützlicher,[128] vielseitiger Sänger, der gelegentlich sogar im Schauspiel mittat, alles mögliche sang, Ernstes und Komisches, und dessen Stärke weniger im Gesanglichen als in der Charakterisierung lag. Vom Vertreter der Tenorpartie in der Erstaufführung ist nicht mehr bekannt, als daß er Doktor der Rechte und Professor am Theresianum war, eine hübsche Stimme besaß und als ein sehr geschmackvoller Dilettant, der sich im Konzertsaale sehr bewährte, galt.
Das Werk machte bei der Uraufführung sofort tiefen Eindruck auf die Zuhörer. Im »neuen teutschen Merkur« schreibt der Wiener Korrespondent: »Schon sind drei Tage seit dem glücklichen Abende verflossen, und noch klingt es in meinen Ohren, in meinem Herzen, noch engt der Empfindungen Menge selbst bey der Erinnerung die Brust mir.«
Ebenso enthusiastisch äußert sich Ignaz Edler von Mosel in seinem Memoirenwerke »Die Tonkunst in Wien während der letzten fünf Dezennien« (Wien 1840): »Der Abend, an welchem die ›Schöpfung‹ im Palast des kunstliebenden Fürsten Josef v. Schwarzenberg unter des Tonsetzers eigener Leitung vor einer glänzenden Versammlung zum ersten Mal aufgeführt wurde, wird Jedem unvergeßlich bleiben, dem es, wie mir, gegönnt war, daran Theil zu nehmen.«
Sehr interessant sind einige Stellen aus Briefen der Prinzessin Eleonore Liechtenstein (geb. Prinzessin Oettingen-Spielberg), die sie an ihre Tochter, die Gräfin Josefine Harrach schreibt77:
1.
»Samedi ce 28 Avril 1798.
Maurice qui vous embrasse, vous et votre mari, prie, mais très fort à sa manière ce dernier, de ne pas oublier de lui donner un billet pour le concert de Schwartzenberg qui sera mardi, il dit, que ce sera la plus belle chose du monde, il prétend que la Lorel (Sorel?) en voudrait bien aussi en avoir un.«
2.
»Le dimanche 29 Avril 1798.
Cette musique de Heiden de la création du monde fait grand bruit, on dit, que jamais on n'a rien entendu de semblable;[129] l'auteur convient que l'est son chef-d'oeuvre, le poëme est fait dit-on par le Baron, il n'y a que 3 voix, Melle Gerard émigrée allemande qui a une voix superbe, Sale et un autre, je ne sais qui, ces sont tous des anges Raphaël, Gabriel et Uriel; on dit qu'on ne fait que pleurer d'attendrissement sur la grandeur, la majesté, la bonté de Dieu, l'âme s'élève, on ne peut se défendre d'aimer, d'admirer ce grand et admirable ouvrier. Il y a eu 2 répétitions hier et avant-hier et hier la Pesse. Clary y a été à l'invitation de Mme Chotek qui l'en a conjure;« etc.
3.
»Ce mardi 1. Mai 1798 à 10 h. et un 1/4.
A 11 h. part l'occasion et je loge à une lieu de chez vous ma chère Pepie, je n'ai donc pas beaucoup de temps, pour vous dire qu'en effet ce concert est, une chose superbe, admirable et qui mérite très certainement; si votre santé le permet et que ce soit votre bon plaisir à l'un et à l'autre de revenir un peu de Brug pour l'entendre; je vouderais que quelqu'un de plus habillé que moi puisse vous en parler dignement de ma vie, je n'ai vu un tel enthousiasme, je me trouvais à coté du Cte. Marchal et tout près d'Op ... qui surtout le premier était absolument hors de lui. Tout ce qui est outré, affaibli chez moi le sentiment, mais en me mettant tout seule et uniquement livrée à moi, mème, je puis vous assurer que je n'ai guère entendu quelque chose de plus beau qui enlève, qui tire des larmes qui entre dans le sujet tout grande et relevé, qu'il n'y a pas d'athée(?), comme je l'ai dit au Mr. Marchal, car si une voix l'était élevée dans l'assemblée qui eut dit Ad ... tout ce D. créateur cet être si grand, dont les œuvres sont si admirables, joignons nos voix pour le louer, je crois que tout le monde se serait levé pour le faire et que chaqu'un l'a fait souvent dans son cœur. C'est le Baron qui a fait paroles, toutes tirées de la génèse et des psaumes et il a communiqué ses idées à Haydn pour la musique, il est sur que cela leur fuit honneur à l'un et à l'autre. Marchal m'a dit que Haydn est venu d'Angleterre avec le projet de composer sur ce sujet, qu'on lui avait donné là avec un poëme anglais[130] et c'est la ...... que le Baron a travaillé et sans lui rien oter je crois à-peu-près traduit. La musique a été parfaitement executée, dirigée par Hayden qui donait la mesure des 2 mains. Gabriel est cette jeune fille d'un négociant qui a fait banqaeroute, elle a une belle voix, jeune et facile. Raphael était Sale (?) et Uriel un Mr. qui est professeur an Theresien, belle voix de tenor qui m'a beaucoup plu. Le chaud a été terrible; j'y ai vu mais de loin votre cher Guerin (?); il y avait beaucoup de monde, nous 4 vieilles figures, la Françoise, Clary Kinsky et moi, du reste toutes les élégantes Polonaises, Anglaises et Viennaises. Adieu ma très chère Pepie, je vous envois les livres, 2 sermons de Schneller et le reste de ces graines rouges, dont nous ne pouvons pas faire usage manquant des serres. Adieu je vous embrasse, Nani a bien pleurée surtout à ce duo d'Adam et d'Éve; on ne sait pas, à quand la seconde representation, cela dépend de Mr. Braun qui ne se montre pas facile, il y en aura une troisième, voilà tout ce que j'ai pu apprendre.«
Schon bei der ersten Aufführung bei Schwarzenberg wurde ein bei Math. Andr. Schmidt gedrucktes Textbuch78 sowie ein zwölf Strophen langes Huldigungsgedicht des Orientalisten Hammer-Purgstall (»Wen lüstet die Triumphe noch zu schauen«) verteilt. Neben dem großen moralischen Erfolge war auch der materielle nicht zu unterschätzen. Außer dem von den Adeligen gestifteten Honorar von 500 Dukaten ließ Fürst Schwarzenberg dem Meister noch ein Extrahonorar von 100 Dukaten auszahlen: außerdem erhielt Haydn die ganzen Eintrittsgelder aus den Schwarzenbergschen »Schöpfungs«aufführungen, die sich auf 4088 fl 30 x beliefen. Am 7. und 10. Mai fanden Wiederholungen der »Schöpfung« im Palais Schwarzenberg statt. Notiz bei Rosenbaum: »Sonntag 6. Mai. Nach 11 Uhr fuhren wir in die Stadt, ich gieng zu Haydn, welchen ich nicht mehr in sein Quartier sondern in Guntramsdorf (soll wohl heißen Gumpendorf) fand .... Frau? gieng mit mir zum Haydn nach G .... wir unterhielten uns angenehm fanden aber Haydn nicht; ich sagte der Frau wegen des Billets zur Musik auf morgen den 7. beym Schwarzenberg.«[131]
»Donnerstag 10. Mai ... da aber die Mutter Billets zur Musik ›Die Schöpfung‹ von Haydn erhielt, so wird der schöne Plan (nach Hütteldorf zu fahren) vereitelt.« Zinzendorf schreibt unterm 7. März: »je me trouvais ... vis-à-vis la Chanteuse Mlle Gebhard (sic!) qui est jolie« und zählt dann die einzelnen Stücke auf, die ihm besonders gefielen.
Am 20. Mai wurde bei den Michaelern eine Haydnsche Messe aufgeführt (Rosenbaum), unbekannt welche. Im übrigen aber kam nach der großen Sensation der, »Schöpfungs« aufführung eine Entspannung, ja Haydn mußte sogar krankheitshalber eine Zeitlang das Zimmer hüten. In den Sommer dieses Jahres fällt die Entstehung der großen Messe in D-moll, der sogenannten Nelson-Messe. Diese Bezeichnung, die auf Authentizität keinen Anspruch machen kann, soll davon herrühren, daß während der Arbeit, deren Beginn (10. July 798) und Beendigung (31. August) genau auf der Partitur vermerkt sind, sich die Nachricht von Nelsons Sieg bei Abukir (1.–3. August 1798) verbreitete. Haydn, dessen Interesse für Nelson durch das später erfolgte persönliche Zusammentreffen mit diesem gewiß gesteigert wurde, und in dessen Nachlaß sich ein Plan der Schlacht bei Abukir fand, soll das festliche, im vollen Glanz der Trompeten einherschreitende »Benedictus qui venit« auf Nelson bezogen haben, gleichsam den Einzug des siegreichen Helden damit feiernd. Die Messe wurde am 23. September in Eisenstadt zum ersten Male aufgeführt (Rosenbaum). Daß sie damals schon unter der Bezeichnung »Nelson-Messe« bekannt gewesen wäre, darüber ist nirgends eine Andeutung zu finden; allerdings ist sie zwei Jahre später in Gegenwart Nelsons aufgeführt worden, als dieser von Italien aus Eisenstadt besuchte. In Frankreich wurde sie unter dem Namen »Messe impériale«, in England als »Imperial Mass« oder auch »Coronation Mass« herausgegeben, wofür wohl der besonders festliche Charakter des Werkes maßgebend ist79. Das fürstlich Esterhazysche Handbuch bemerkt zu dieser Messe: »... ist dankbar für den Sopran und[132] Baß.« Erste Sopranistin in der Eisenstädter Kapelle war damals Barbara Pillhofer, die bei Haydn sehr beliebte »Babette«, die er in seinem Testament mit einem Legat von 50 Gulden bedachte; jedoch wurde, wie erwähnt, im Oktober 1797 Anna Rhumfeld nach erfolgreichem Probesingen noch dazu engagiert. Welche der beiden Sängerinnen er im Auge hatte, als er die ziemlich wirkungsvolle, sehr konzertante Sopranpartie schrieb, ist nicht festzustellen; den Baß, der auch aufmerksam behandelt ist, sang Christian Specht.
Haydn verherrlichte übrigens den Sieg Nelsons bei Abukir in einer selbständigen Komposition, in einer Tenor-Arie »Lines from the battle of the Nile«, zu welcher ihm Mrs. Knight den Text aus England gesandt hatte.
Den ganzen September war Haydn, wie wir aus den Rosenbaumschen Aufzeichnungen ersehen, in Eisenstadt. Hier oder nach seiner Rückkehr in die Kaiserstadt erreichte ihn die Nachricht von seiner Ernennung zum Mitglied der kgl. schwedischen musikalischen Akademie. Die Ehrung widerfuhr gleichzeitig Haydns Freund Albrechtsberger; die beiden Diplome, datiert Stockholm 5. September 1798, brachte der Präsident v. Fredenheim persönlich nach Wien.
Im Herbste 1798 war Michael Haydn in Wien und verlebte hier mit seinem Bruder Joseph und dessen Wiener Freunden schöne Tage. Ein autographes Blatt, ein achtstimmiger Kanon, signiert »Michael Haydn Wien 16. Oct. 179880« gibt uns das ungefähre Datum seines Wiener Aufenthaltes ebenso wie ein Brief Michaels an seinen Vetter Eybler vom 17. November 1798, in dem er gesteht, noch voll von den Eindrücken des Besuches in Wien zu sein. Noch ein Jahr später, 5. November 1799, schreibt er an Vetter Eybler aus Salzburg: »Vernehmen Sie nun, wie herrlich ich mich diese Zeit hindurch unterhalten habe! Sie wissen, daß ich auf meiner letzten Wienerreise alle Abend einzuschreiben pflegte, wo und wie ich denselben Tag zugebracht habe. Da nun diese Jahrtage heranrückten, war mir nichts angelegentlicher, als alle Tage in meine Brieftasche hinein zu sehen, um mir Alles aufs Neue zu vergegenwärtigen.« In die Zeit der Anwesenheit Michael Haydns in Wien fallen zwei musikalische Akademien im[133] Theater auf der Wieden am 27. Oktober und 5. November, durch die der rührige Schikaneder einige Abwechslung in seinen Spielplan zu bringen versuchte. Mittelpunkt dieser beiden Konzerte war der Bassist Fischer, der jedesmal zwei italienische Arien und »In diesen heiligen Hallen« sang; im ersten Konzert spielte Schuppanzigh ein »Adagio von Hr. v. Böthoven«, im zweiten dieser selbst »ein Concert auf dem Fortepiano«. Den Beschluß beider Konzerte machte »die beliebte Simphonie von Herrn Hayden«. Welche? wahrscheinlich wieder die mit dem Paukenschlag.
In diesem Jahre, wahrscheinlich schon zu dessen Beginn, hatte Haydn zwei junge Musiker als Schüler angenommen, die beide mit hingebungsvoller Liebe und Verehrung an ihm hingen, und die er beide liebgewann wie ein Vater seine Kinder. Der eine war Siegmund (später Ritter von) Neukomm, der andere Franz Lessel. Bei beiden stand die musikalische Begabung hinter den allgemein-menschlichen Eigenschaften zurück, Haydn aber, der seine Menschenkenner und Menschenschätzer, wußte die Lauterkeit ihrer Gesinnung, die Vornehmheit ihres Charakters und die Feinfühligkeit ihres Betragens wohl zu schätzen. Siegmund Neukomm, aus Salzburg stammend, durch seine Mutter mit Michael Haydn verwandt, kam zirka 18 Jahre alt nach Wien, wo ihn Joseph Haydn sofort freundlich empfing und sich seiner herzlich annahm. Nach nahezu siebenjähriger Tätigkeit bei und um Haydn ging Neukomm, der inzwischen sich rasch zum Weltmann entwickelt hatte, als Kapellmeister zur deutschen Oper nach Petersburg. Sein weiteres Verhältnis zu Haydn wird uns noch später beschäftigen. Franz Lessel war ungefähr ebenso alt als Neukomm. Er wurde auf dem fürstlich Czartoryskischen Schlosse bei Pulawy in Polen, angeblich als Sohn des fürstlichen Musikdirektors Lessel, geboren, doch schwebt über seiner Abkunft der Schleier des Geheimnisses. 1797 wird er nach Wien geschickt, um Medizin zu studieren, sein Herz zieht ihn aber zur Musik, und Meister Haydn willigt ein, ihn als Schüler anzunehmen. Er bleibt dann bis zu Haydns Tode ununterbrochen in Wien, veröffentlicht hier eine Reihe von Kompositionen, von denen einige aufgeführt wurden und Beifall fanden. 1810 kehrt er nach Polen zurück. Sein wechselvolles Schicksal führt ihn dann nicht, wie Neukomm, immer höher und höher, sondern ließ ihn viele Enttäuschungen und Bitterkeiten durchkosten, bis[134] er 1839 zu Petrikau (mehr an gebrochenem Herzen als an einer Krankheit) starb.
Aus dem Jahre 1798 stammt, nach der Datierung des Autographs81, eine Sopran-Arie mit Begleitung des Orchesters »Solo e pensoso«, deren Text einen russischen Großfürsten zum Verfasser hat, welchen, ist nicht bekannt.
Am 22. und 23. Dezember veranstaltete die Tonkünstler-Sozietät oder »musikalische Witwen- und Waisen-Gesellschaft«, wie sie sich jetzt nannte, eine Akademie im Burgtheater. Das Programm enthielt nebst einer Ouvertüre von Eybler, einem Konzert für Pianoforte, Mandoline, Trompete und Kontrabaß von Kozeluch und einer Kantate von Romagnoli, eine Arie »von der Erfindung des Herrn J. Haydn«, gesungen »aus Achtung für Wittwen und Waisen« von Antonie Flamm, und eine »neue große Sinfonie, die Militär-Sinfonie betitelt von der Erfindung vorstehenden Herrn Kapellmeisters Hayden, welche selber während seiner letzten Anwesenheit in London verfertigt und selbst dirigieren wird«. Ob die von Fräulein Flamm gesungene Arie die oben erwähnte Arie »Solo e pensoso« war, ist nicht ganz sicher, da die Flamm Altistin war und die Arie für Mezzo-Sopran geschrieben ist. Übrigens verrät das Protokoll der nächsten Sitzung in der Sozietät vom 12. Februar 1899: »Mlle Flamm hat dem Publico äußerst mißfallen.«
Vom Jahre 1799 an datiert die ständige Verbindung Haydns mit Breitkopf & Härtel und – was für uns noch wichtiger ist – mit deren Mittelsmann Georg August Griesinger. Die Firma Breitkopf & Härtel war schon vorher, wenn auch nur vorübergehend, in Beziehungen zu Haydn getreten82. Im Jahre 1798 wandte sich die Firma Breitkopf & Härtel an Haydn mit der Bitte um einen Beitrag für die von ihnen neugegründete Allgemeine Musikalische Zeitung, auf welche Aufforderung Haydn aber nicht reagierte. Im Jahre 1799 war das Interesse der verschiedensten Verleger an Haydn und seinen Werken sehr stark geworden. Der Firma Artaria in Wien, mit der zu verkehren schon aus örtlichen und persönlichen Gründen für Haydn am[135] bequemsten war, gelang es, mit Haydn verschiedene Verlagsgeschäfte abzuschließen, insbesondere den Kommissionsverlag der Schöpfungspartitur zugestanden zu erhalten. Der Verleger L.F. Lehmann war der erste, der – allerdings veranlaßt durch Breitkopf & Härtels Ausgabe der Mozartschen Klavierwerke – die Idee der Herausgabe der Haydnschen Klavierwerke faßte und sofort ankündigte. In der »Wiener Zeitung« erfolgte diese Ankündigung merkwürdigerweise in französischer Sprache, worüber sich der »Eipeldauer« lustig machte. Unmittelbar darauf kündigte Pleyel in Paris im Journal générale de la Littérature de France vom April 1799 p. 94 gleichfalls eine Herausgabe der »Oeuvres complettes« (?) von Haydn an. Als dritter Verleger erschien die Firma Breitkopf & Härtel auf dem Plan, welche sich aber loyalerweise an Haydn selbst wandte, seine Zustimmung zu ihrer Ausgabe erbat und erhielt, auch die Authentizität aller veröffentlichten Werke durch Haydn prüfen ließ. Von diesen drei Ausgaben der sämtlichen Klavierwerke Haydns war die Breitkopfsche auch die einzige, die den ursprünglichen Verlagsplan zu Ende führte und es zu einer – freilich nur relativen – Vollständigkeit brachte. Für die Inhaber der Firma Breitkopf & Härtel war es von wesentlicher Bedeutung, jemanden zu haben, der mit Haydn persönlich verhandelte und verkehrte, da sie schon Gelegenheit gehabt hatten, die Unzulänglichkeit des brieflichen Verkehrs wahrzunehmen. Sie suchten und fanden diese Mittelsperson in Georg August Griesinger, der – ursprünglich Theologe – Erzieher im Hause des kursächsischen Gesandten Grafen von Schönfeld war und mit diesem zu Beginn des Jahres 1799 nach Wien kam. Schon kurz nach seiner Ankunft in Wien erhielt Griesinger von Gottfried Härtel einen Brief, worin ihn dieser ersuchte, Haydn zu besuchen und von ihm einen Beitrag für die »Allgemeine Musikalische Zeitung« zu erlangen. Griesinger, der ein prompter und pünktlicher Mann war, antwortete sofort nach Erhalt dieser Aufforderung am 18. Mai:
»Theuerster Freund,
Ihren Brief vom 4ten May erhalte ich so eben, und ich beeile mich, Sie durch die umgehende Post zu versichern, daß ich mir alle Mühe geben werde, Ihren Auftrag zu Ihrer Zufriedenheit[136] zu besorgen. Sie verschaffen mir dadurch eine angenehme Gelegenheit, die Bekanntschaft eines der größten Tonkünstler zu machen und Ihnen einen geringen und mir gar nicht beschwerlichen Dienst zu erweisen. Ich will H. Haydn morgen aufsuchen und Ihnen alsdann das Resultat unserer Unterredung aufs getreueste berichten.«
Wenn Hase83 über Griesinger sagt: »er hat seine Bemühungen auch nie, weder in pekuniärer noch ideeller Richtung zu bedauern gehabt«, so können auch wir sagen, daß wir diese Mittlertätigkeit Griesingers nicht bedauern, denn seine Briefe an die Firma sind voll interessanter Details über Haydn und seine Lebensumstände; aber auch über das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben Wiens zu jener Zeit. Aus seinen Briefen an Breitkopf & Härtel und seinen Berichten an die »Allgemeine Musikalische Zeitung«, ergänzt durch Notizen, die sich Griesinger während seines zehnjährigen Verkehrs mit dem Meister gemacht hatte, formte er dann ein kleines biographisches Werkchen, das zusammen mit dem Büchlein von Dies die Grundlage aller späteren Biographien geblieben ist. Nach dem Gesetz von der Duplizität der Fälle wandte sich im selben Jahre noch ein anderer Verleger an Haydn mit der Bitte um Mitarbeit und bediente sich gleichfalls eines Angehörigen seiner Gesandtschaft als Vermittlers. Es war der englische, genauer gesagt schottische, Verleger Thomson, der – eigentlich kein richtiger Verleger, sondern Handelskammersekretär in Edinburgh – aus nationaler und künstlerischer Begeisterung eine großangelegte Sammlung schottischer Volkslieder herausgab84. Er wandte sich an Mr. A. Straton, bei der englischen Gesandtschaft in Wien, mit dem Ersuchen, bei Haydn zu intervenieren und den geschäftlichen Verkehr zwischen dem Meister und Thomson zu besorgen; als Straton von Wien abberufen wurde, bezeichnete er einen Mr. Stuart bei der Wiener englischen Gesandtschaft als diejenige Persönlichkeit, die die Wünsche Thomsons erfüllen werde. Während aber die Bekanntschaft Griesingers mit Haydn eine Errungenschaft war, aus der Griesinger für sich und die[137] Mitwelt geistiges Kapital zu schlagen wußte, haben sich die beiden Engländer auf die kühle, sachliche Erledigung der ihnen übergebenen geschäftlichen Angelegenheiten beschränkt, und nur Straton macht einmal eine kurze humoristische Bemerkung über den Meister, die ein wenig über das Geschäftliche hinausgeht. Griesinger also, selbst voll Begier, die Bekanntschaft Haydns zu machen, trifft endlich mit diesem zusammen und berichtet über diese erste Besprechung folgendermaßen:
»Wien, d. 25. May 1799.
Theuerster Freund,
Nachdem ich Hr. Haydn mehreremal in den äußersten Vorstädten vergebens aufgesucht hatte, fand ich ihn endlich diesen Morgen. Ich trug ihm Ihr Anliegen vor, und las ihm zu mehrerer Bekräftigung den größten Theil Ihres Briefes. Er schäme sich, sagte er mir, daß er Ihnen noch nicht geantwortet habe: er hoffe indessen, Sie würden es ihm als einen Manne von 67 Jahren, dem jeder Augenblick kostbar ist, verzeihen. Die von Ihnen projektierte Ausgabe seiner Claviercompositionen hat seinen ganzen Beyfall, und ich habe den bestimmtesten Auftrag, Sie seiner vollkommensten Genehmigung zu versichern. Da schon vieles unter seinem Namen herausgekommen ist, wovon er nicht Verfasser ist, so wünschte er von ihnen das Verzeichnis der Compositionen zu erhalten, welche gedruckt werden sollen. Er selbst besize die Originale nicht mehr, in seiner Jugend habe er seine meisten Partituren verschenkt. Unmöglich sey es ihm, drey neue Sonaten zu versprechen, da er von Geschäften überhäuft sey, und noch alte Bestellungen für die Kaiserin, den Prinzen Esterhasy und viele andere reiche Wiener zu besorgen habe. Seit fünf Jahren habe er auch einen Vertrag mit Englischen Verlegern, die ihm für drey Sonaten fünf und siebenzig Pfund Sterling bezahlen; den Engländern verdanke er überhaupt sehr viel, denn erst seitdem er aus England zurückgekommen sey, habe man angefangen, in Deutschland etwas auf ihn zu halten. Vielleicht willigen einige Privatpersonen, denen er neue Arbeiten versprochen habe, ein, daß er dieselben Ihnen zum Druck mittheile: er wolle einen Versuch machen und es werde ihm sehr angenehm seyn, wenn er Ihnen damit einen Dienst erweisen könne. Ihre Ausgabe[138] von Mozarts Werken habe ihm sehr gefallen, und ich solle Ihnen seine Danksagung für die ihm überschikten Hefte machen. Kürzlich sey ein gewisser Sonnleitner (oder Sonnleiter) von hier abgereist, der ohne Zweifel nächstens nach Leipzig kommen werde und Pränumeration auf eine Geschichte der Musik fordre, worin auch seine Werke (näml. Haydns) erscheinen sollen. Er halte dieses Unternehmen für eine Beutelschneiderey und sey versichert, daß es nicht zu Stande komme: aus Gefälligkeit gegen einige gute Freunde habe er sich nicht widersezen wollen. Sie sollen sich durch diese Concurrenz nicht abschrecken lassen.
Dieses ist, verehrtester Freund, der Innhalt meiner Unterredung mit Haydn; er ist ein heiterer, noch wohl constituirter Mann, und für alle seine Collegen ein Muster von Bescheidenheit und Simplizität. – Sollten Sie noch einige Punkte mit ihm in Richtigkeit zu bringen haben, so schreiben Sie mir.« – – – – – – – – – –
Nun die Verbindung hergestellt, ließ es die Firma Breitkopf & Härtel an Aufträgen für Griesinger nicht fehlen. Sie sandten durch ihn die von ihnen schon vorher veröffentlichte Ankündigung von der Gesamtausgabe der Klavierwerke, die einen Hieb auf den Konkurrenten Lehmann enthielt, und wünschten nun natürlich auch ungedruckte Sachen zu erhalten. Infolge der Intervention Griesingers erklärte Haydn, daß er dem Herrn Lehmann, der ihm geschrieben hatte, gar nicht antworten werde. Im übrigen meldet Griesinger am 12. Juni:
»Werthester Freund,
Eben komme ich von H. Haydn, und ich beeile mich, Ihnen von meinem Besuche Rechenschaft abzulegen. Er ist mit der Ankündigung, wovon ich ihm das schriftliche Exemplar gab, vollkommen zufrieden ....
Sein Verleger in England ist ein Mr. Bay, ein ziemlich unbedeutender Mann, wie Haydn sagt, der aber mit Clementi und Broderip assoziert ist. Sein Accord sey auf 5 Jahre eingerichtet, wovon jetzt 3 vorüber seyen, und Bay habe sich engagiert, alles was aus seiner Feder komme, anzunehmen, auch den Preis für jeden Psalmen, Sonate u. dgl. m. zum voraus festgesetzt. Wegen überhäufter Arbeiten habe er aber in den drei Jahren nur einige Quartette und zwar ganz kürzlich nach England geschickt. Bay[139] dringe besonders auch auf Claviersonaten, er habe seinen Wunsch bis jetzt noch nicht erfüllen können ....
Haydn ist mit den Portraits, welche man im Publicum verkauft, nicht zufrieden; dreymal sey er in England gestochen worden, Eines habe Bartolozzi selbst corrigiert, es sey aber keines recht getroffen. Besser sey ein Gemählde von Gutenbronn, welches er einem seiner Bekannten zum Abzeichnen gegeben habe. Das beste sey in Profil von einem Engländer Danz (so sprach wenigstens Haydn aus), einem sehr guten Kopfe, welches er alle Tage aus England erwarte und zum Nachstechen vor Ihre Ausgabe seiner Clavierkompositionen gerne geben wolle.
Sie möchten ja seine Lebensbeschreibung nicht drucken, ehe er sie durchgesehen habe; es sey ihm manches in seinem Leben begegnet, wovon nur wenige wissen. Übrigens schien ihm das Unternehmen nicht zu mißfallen. Haydn wird ein Gegenstück zu seiner Schöpfung, die vier Jahreszeiten componieren; v. Swieten macht den Text dazu. Dem Graf Fries hat er Quintette versprochen« ....
Die Absicht Josef v. Sonnleithners, eine Geschichte der Musik durch Herausgabe repräsentativer Meisterwerke der Tonkunst zu bieten, deren Griesinger in seinem Briefe vom 25. Mai Erwähnung tut, ist wirklich nie über die ersten Anfänge gekommen. obzwar man der Idee als solcher eine gewisse Großzügigkeit nicht absprechen kann und darin das Prinzip der später ins Leben gerufenen »Denkmäler der Tonkunst« schon vorgebaut findet. Haydn erkannte aber mit scharfem Blick, daß zur Ausführung einer solchen Idee die Kräfte und Mittel eines einzelnen nicht ausreichen, und daher seine abfällige Äußerung zu Griesinger, die vielleicht nicht so gemeint als ausgedrückt war. Hatte Haydn doch dem Sonnleithner auf dessen und verschiedener Freunde Bitten einige Empfehlungsschreiben mitgegeben, darunter eines, vom 18. Mai datiert, an Salomon in London:
»Lieber Freund!
Überbringer dieses ist Herr v. Sonleithner, ein junger verdienstvoller witziger Mann, dessen Carractere Sie aus Ihrer tiefen Einsicht bey seiner Erklärung weit besser u. genauer als ich es beurteilen kann, bestimmen werden: sein Musicalisches Unternehmen ist eines der Interessantesten, nur beförchte ich, daß er ohne allgemeine[140] Hülfe u. beystand es auszuführen nicht im stande seyn wird. Er ersuchte mich, Ihm an jemand Redlichen Kenntnisvollen Mann in London anzuempfehlen, ich nahm mir daherdie Freyheit Ihme an Sie liebster Freund anzu Recommandieren! Sollten Sie Ihme in sein Unternehmen dienenkönnen, so werden Sie sich bey der welt große Verdienste machen. Übrigens bin ich in aller Hochachtung
Liebster Freund
Ihr aufrichtiger und Dr.
Jos. Haydn.«
(von außen:) »Mr. Salomon, Nr. 34, Clipstone Street, Fitzroy square, London.«
Das Verhältnis Haydns zu seinen Verlegern wird uns im Nachfolgenden noch oft beschäftigen. Gehen wir jetzt zu den Ereignissen dieses Jahres, soweit sie für des Meisters Leben von Bedeutung sind, über.
Das Sitzungsprotokoll der Tonkünstler-Sozietät vom 12. Februar 1799 besagt: »Herr J. Haydn, Assessor Senior läßt sich durch H. Secretär bei der Session entschuldigen, daß er persönlich nicht erscheinen könne und macht der Session den Antrag, bei der künftigen Akademie die 7 Worte aufzuführen, die er selbst dirigieren wird.
Mit innigstem Wonnegefühl und mit größtem Dank nimmt die Societät den großmüthigen Antrag des Herrn Haydn an.«
Diese Akademie fand am 17. und 18. März im Burgtheater statt. Die Soli sangen Therese Gaßmann, Antonie Flamm, Sigismund Hüller und Carl Weinmüller.
Ganz kurz darauf sollte die »Schöpfung«, nachdem sie bisher nur in der Kavaliersgesellschaft bei Schwarzenberg aufgeführt worden war, ihre öffentliche Aufführung vor dem großen Publikum erleben. In einer Notiz der »Allgemeinen Musik. Zeitung« (20. Februar 1799, S. 334) hieß es, daß man geglaubt habe, Haydn dürfe das Werk in Wien nicht öffentlich aufführen, da er es für England geschrieben habe, und sei verpflichtet, wenigstens vorderhand das Werk den Engländern zu überlassen. Die Ankündigung der ersten öffentlichen Aufführung, welche für den 19. März im Burgtheater angesetzt wurde, machte diesem Gerede[141] ein Ende. Allerdings gab es noch andere kleine Zwischenträgereien, die unserem Vater Haydn das Leben gewiß sauer gemacht haben. Da war z.B. Haydns Freund und Schützling Rosenbaum, der es als eine Zurücksetzung empfand, daß die Sopranpartie in der öffentlichen Aufführung, in welcher Frau Frank-Gerardi nicht singen wollte, von Fräulein Therese Saal und nicht von der Therese Gaßmann gesungen wurde. Er notiert in sein Tagebuch: »Donnerstag, d. 21. Hornung. Nach Tisch fuhr ich zu Haydn, sprach mit ihm wegen der Schöpfung und erfuhr, daß die Saal anstatt der Gerardi singe, welches die Therese sehr kränken wird, welches ich ihm mit den trockensten Worten sagte, er entschuldigte sich, daß es ohne seinen Willen die Cavaliere bestellten, weil sie alle Auslagen zahlten.« Ob die Abwälzung auf die Kavaliere nur eine Ausrede war, die der Papa Haydn in seiner Bedrängnis gebrauchte, ist nicht ganz sicher; vielleicht war es aber aufrichtig gemeint, denn später einmal (14. März 1801) schreibt Rosenbaum in seinem Tagebuch, Haydn habe sich über die Saal folgendermaßen geäußert: »Sie hat viererley Stimme, bald ist sie oben, bald unten im Baß, wie eine Klosterfrau, sie ist lauter Grimasse und Koquette mit dem Parterre, voll Smorpheus, sie weiß recht gut, daß ich sie nicht mag, denn sie wird nie eine große Künstlerin.« Vielleicht hat Haydn da dem Rosenbaumschen Paare zuliebe ein wenig übertrieben oder Rosenbaum bei der Wiedergabe der Bemerkungen Haydns ein bißchen dick aufgetragen. Was wir an Urteilen der Zeitgenossen über Therese Saal besitzen, ist durchaus günstig, wenngleich überall später betont wird, daß sie sich nicht weiter entwickelt, sondern speziell an Stärke der Stimme zurückgegangen sei. Man darf aber nicht vergessen, daß Therese Saal bei der Aufführung der »Schöpfung« im Jahre 1799 erst 17 Jahre alt, also fast noch ein Kind war! Ihre Künstlerlaufbahn war keine sehr lange, denn schon 1805 heiratete sie den Großhändler Gawet und sagte der Bühne wie dem Konzertsaal Ade. Zu ihrem Abschied schrieb die Leipziger Allgemeine Musik. Zeitung (Juni 1805, S. 593) in einem Briefe aus Wien (15. Mai) über ihr letztes Auftreten als Pauline in Weigls »Uniform«: »Bei ihrem ersten Erscheinen war ihre Stimme, wenngleich nicht sehr stark oder von einem ausgezeichneten Umfang, doch rein, biegsam und ausdrucksvoll, und die Eva in Haydns ›Schöpfung‹ wird schwerlich noch[142] einmal mit dieser Innigkeit, Zartheit und heiligen Unbefangenheit vorgetragen werden.« Ebenso beifällig lauten andere Urteile über sie, beispielsweise in der Berliner Musik. Zeitung vom Jahre 1805, Nr. 43 oder im »Neuesten Sittengemälde von Wien« 1801, II, S. 131. Und Josef Sonnleithner schreibt über sie in seinen Collectaneen (Bd. 23, S. 55): »Dlle. Saal, welche Sopran sang, wurde bald nachher eine Lieblingssängerin des Hoftheaters. Ihr Talent, ihre Jugend, ihr reizendes Gesicht85 rissen unwiderstehlich hin, jedermann war in sie verliebt, ich auch. Leider dauerte die Blütezeit der schönen Blondine nicht lange; sie war schon halb verblüht, als ein reicher Kürschner oder Rauhwarenhändler, Herr Gawet, um sie warb und sie heyratete. Seit ihrer Trauung sang sie nie mehr öffentlich oder in Privatconcerten.«
Rosenbaum also schmollte, daß seine Therese übergangen wurde, machte seinen Gefühlen aber nur durch Notizen in seinem Tagebuch Luft. So trägt er am Palmsonntag, den 17. März, in wenig liebenswürdiger Weise ein: »Den Fürsten und Gönnern [wahrscheinlich ist die van Swietensche Liebhabergesellschaft gemeint] las ich Haydns Ankündigung von der ›Schöpfung‹ vor, beyden mißfiel sie und legten es für Betteley.«
Am darauffolgenden Tag, als er um 12 Uhr die Probe zur »Schöpfung« mit anhörte, notiert er: »Tief im Herzen kränkt es mich, an dem Platz der Saal nicht meine edle Therese zu wissen und zu hören.« Mit Ausnahme der Sopranpartie war übrigens alles so besetzt wie bei den Schwarzenbergschen Aufführungen. Unser guter Meister war in diesen Tagen wohl ein vielgeplagter Mann. Am 2. und 4. März veranstaltete Schwarzenberg, wie aus Zinzendorfs Tagebüchern zu entnehmen ist, noch rasch zwei Aufführungen der »Schöpfung« in seinem Palais. Am 8. März war ein Konzert beim Fürsten Lobkowitz, bei welchem u.a. Haydns Chor »Der Sturm« aufgeführt wurde. Am 17. und 18. März waren die vorerwähnten Aufführungen der »Sieben Worte« und dazwischen die Proben zur »Schöpfung«. Nun kam der Tag der Aufführung. Rosenbaum notiert: »Joseph. [es war Haydns und auch Rosenbaums Namenstag, der 19. März]. Um 4 Uhr gingen Agnes, Tonerl und ich ins Burgtheater zu Haydns Concert. Noch nie[143] seit Erbauung des Theaters gabs ein so fürchterlich es und gefährliches Gedränge.« Die Wiener schienen wirklich ganz aus dem Häuschen über diese Aufführung, so daß ein anderes aufsehenerregendes Ereignis desselben Tages an ihnen spurlos vorüberging: der Durchmarsch der Russen unter Suwarow, die als Bundesgenossen gegen Napoleon angerückt kamen. Von größtem Interesse und dabei unterhaltend ist die Schilderung, die der wiederaufgelebte Eipeldauer von den Nebenumständen dieser Erstaufführung macht, und als sittengeschichtliches Dokument möge sein Bericht hier Platz finden:
»Die Täg, Herr Vetter, habn wir z'Wien ein anders Spektakel ghabt, und über das Spektakl hat unsre schöne Welt sogar den Durchmarsch der Russen vergessen. Da hat der berühmte Hayden die Erschaffung der Welt in der Musik aufgeführt, und da kann ich den Herrn Vettern die Völln gar nicht beschreibn. So lang 's Theater steht: ists nicht so voll gewesen. Ich bin schon um 1 Uhr an der Tür angstanden, und hab doch nur mit Lebensgefahr auf der letzten Bank86 in 4ten Stock ein Platzl kriegt. Mein Frau Gemahlin hat sich 2 Plätz aufhebn lassen, weil s' aber die Comodität selber ist, so ists erst gegen 6 Uhr ins Theater gfahrn, und da ist nicht möglich gwesen, mehr zu ihrn Platz zkommen, und da hats der Billieteinnehmer aus Gnaden auf sein Sessel bey der Tür sitzen lassen, sonst hätt s' mit ihrn vornehmen Füßen gar stehn müssen ....
Der Lieferant hätt sichs was kosten lassen, um ein Loschi oder ein Paar gsperrte Sitz z'kriegen; aber die sind schon längst alle vergeben gwesen. Weil d' Einnahm den brühmten Tonkünstler ghört hat, und weil ihn alles so gern hat, so habn d' gnädigen Herrn und Fraun selber die Loschen und gsperrten Sitz einander gslagert wie die Tandler bei einer Licitation.
Damit 's alle Leut verstehn, was d' Musik hat sagn wolln, so habn sies Büchl von der Cantate gratis austheilt, und das ist wunderschön z' lesen: und was mir gar gut gfalln hat, es ist hoch gschriebn, und doch verständlich dabei.
Weil unsre Hauptpoeten ausgstorben sind, so hat sich dafür eine Poetin hören lassen, und hat ein recht ein schönes Lied gratis austheilt; und da hat s' die schöne Musik mitn grechten Wein verglichen, und da hab ichs schon aus'n Vergleich schließen können, daß s' eine wirkliche Poetin ist; denn das ist ein schlechter Poet, Herr Vetter, der aufn Wein nichts halt.
Bevor d' Cantati angangen ist, ist ein G'schrei und ein Lärm gwesen, daß man sein eigns Wort nicht ghört hat. Da hat das eine gschrien: au weh! mein Arm! mein Fuß! mein Haubn! und da habn d' gnädign Fraun nach'n Menschern g'schrien, die s' zum Platz aufhebn hinein geschickt habn, und d'Menscher wieder um ihre gnädige Fraun, und da sind s' einander fast über die Köpf weg gstiegn, und da habn d'Fürtücher und d'Schall und die Röck krik krak gmacht. Ein kleines Kind wär bald erdruckt worden, wenn's nicht ein vornehmer geistlicher Herr in sein Loschi hinauf zogn hätt ......
Endlich ist d'Musik angangen, und da ists auf einmal so still worden, daß der Herr Vetter ein Mäuserl hätt können laufen hörn, und wenn s' nicht öfters[144] klatscht hätten, so hätt man glaubt, daß gar keine Leut im Theater wärn. Aber Herr Vetter, ich werd auch in mein Lebn kein so schöne Musik mehr hörn; und wenn ich noch ein drey Stund länger hätt sitzen solln, und wenn der Gstank und 's Schwitzbad noch größer gwesen wär so hätts mich nicht greut.
Ich hätts mein Leben nicht glaubt, daß der menschliche Blasbalg und d'Schafdarm, und 's Kalbfell solche Wunder machen könnten. Da hat bloße Musik den Donner und den Blitz ausdruckt, und da hat der Herr Vetter den Regenguß und 's Wasser rauschen ghört, und da habn d'Vögel wirklich gsungen, und der Löw hat brüllt, und da hat man sogar hörn können, wie d'Würmer auf der Erden fortkriechen. Kurz, Herr Vetter, ich bin noch nie so vergnügt aus Theater fortgegangen, und hab auch die ganze Nacht von der Erschaffung der Welt tramt.«
Auf dem Konzertzettel bat Haydn in etwas umständlicher Weise, keine Wiederholungen zu verlangen:
»Heute Dienstag d. 19. März 1799 wird in dem k.k. Hoftheater nächst der Burg aufgeführt:
Die Schöpfung
Ein Oratorium in Musik gesetzt von Herrn Joseph Haydn, Doctor der Tonkunst, und hochfürstlich Esterhazyscher Kapellmeister.
Nichts kann für Haydn schmeichelhafter seyn, als der Beyfall des Publikums. Den zu verdienen hat er sich stäts eifrigst bestrebt, und ihn bereits oft, und mehr, als er es sich versprechen durfte, zu erwerben das Glück gehabt. Nun hoffet er zwar für das hier angekündigte Werk diejenige Gesinnung, die er zu seinem innigen Troste und Danke bis jetzt erfahren hat, ebenfalls zu finden: doch wünscht er noch, daß auf den Fall, wo zur Äußerung des Beyfalls sich etwann die Gelegenheit ergäbe, ihm gestattet seyn möge, denselben wohl als ein höchst schätzbares Merkmahl der Zufriedenheit, nicht aber als einen Befehl zur Wiederhohlung irgend eines Stückes anzusehen, weil sonst die genaue Verbindung der einzelnen Theile, aus deren ununterbrochenen Folge die Wirkung des Ganzen entspringen soll, nothwendig zerstöret, und dadurch das Vergnügen, dessen Erwartung ein vielleicht zu günstiger Ruf bey dem Publikum erwecket hat, merklich vermindert werden müßte.
Der Anfang ist um 7 Uhr. Die Eintrittspreise sind wie gewöhnlich. Die Worte werden bey der Kasse gratis ausgegeben.«
Das Werk wurde mit größter Aufmerksamkeit angehört und nur am Ende der einzelnen Stücke und der einzelnen Abteilungen brach der Jubel los. Rosenbaum schreibt, wieder ein wenig hämisch: »groß war der Beyfall, den Haydn erhielt, aber lange nicht so groß, als ich ihn erwartete. Nach dem Concert wurde Haydn, und lange[145] nachher erst die 3 Singstimmen, Saal samt Tochter und Rathmayer vorgerufen.« Der Sitznachbar Rosenbaums war – Casanova. Zinzendorf schreibt kurz: »On entendit plus commodement et il faisoit plus d'effet que chez Schwarzenberg.«
Enthusiastisch waren die Rezensionen über die Aufführung, so besonders in der Allg. Mus. Zeitung (vom 10. April 1799). Eine empfindsame Seele, Gabriele von Baumberg, brachte den Überschwang ihrer Gefühle in Verse und veröffentlichte ein Gedicht, das dann zum Teil als Inschrift auf dem Sockel des in Rohrau aufgestellten Haydn-Denkmals verwendet wurde. (Nicht ganz richtig wiedergegeben bei Dies, S. 173, und Leipziger Mus. Zeitung, 1799, S. 416).
Auch das materielle Erträgnis war für Haydn ganz erklecklich. Die Kosten der Aufführung wurden auch diesmal von der van Swietenschen Adelsgesellschaft bestritten, und die gesamte Einnahme von 4088 fl 30x fiel Haydn zu. Die Allg. Mus. Zeitung fügt hinzu, daß eine solche Summe noch nie in einem Wiener Theater vereinnahmt wurde. »Selbst Marchese Crescentini und Mad. Vigano, die in Wien bishero die stärksten Einnahmen hatten, hatten diese Einnahme nicht!« Was ein solcher Konzerterfolg bedeutet, und wie schwierig es schon damals war, ihn zu erringen, welche Hindernisse einem – wie heutzutage – in den Weg gelegt wurden, das möge eine Stelle aus einem Griesingerschen Briefe (6. November 1799) bezeugen:
»6. Nov. 1799
Hier hält es schwer, ein einträgliches Concert zu Stande zu bringen. Das Hof- und Kärntnerthor-Theater sind an einen Baron Braun verpachtet, welcher bey Hofe viele gute Freunde hat. Dieser tritt sein Orchester nicht leicht zum accompagnieren ab, oder er läßt an dem Tage, wo das Concert gegeben werden sollte, ein neues oder sehr beliebtes Stück und Ballet ankündigen, und bringt dadurch den armen Musiker um sein zahlreiches Publicum. Sollten Sie glauben, daß selbst Haydn, als er seine Schöpfung zum Erstenmal gab, der besonderen Fürsprache der Kaiserin bedurfte, um einen günstigen Tag zur Aufführung seines Meisterwerkes zu erhalten.«[146]
Als Haydn seine »Schöpfung« zum ersten Male dem großen Publikum öffentlich vorführte, arbeitete er bereits an dem anderen jener beiden Werke, die den Höhepunkt seines Schaffens bedeuten sollten, an den »Jahreszeiten«.
Nach einer Zuschrift des Korrespondenten der Allg. Mus. Zeitung, datiert Wien 24. März 1799, hatte er damals schon die erste Abteilung, den Frühling, fertig. Wieder war es van Swieten, von dem, wenn auch nicht das Original, so doch die Bearbeitung des Textes und der Impuls für die Fertigstellung des Werkes herrührte. Haydns Schaffenstätigkeit war aber nicht darauf allein beschränkt. Eine ganze Reihe von Werken entstand im Frühjahre und Sommer dieses Jahres 1799. Schreibt doch Griesinger in seinem Briefe vom 25. Mai d.J., daß Haydn »mit Geschäften überhäuft sey«. Unter den Bestellungen, die Haydn auszuführen hatte, waren vor allem die dem Grafen Josef Erdödy gewidmeten Quartette. Er schrieb und veröffentlichte sie in zwei Heften zu je drei Quartetten; das erste op. 75 enthaltend die Quartette in G-dur, D-moll und C-dur, das zweite op. 76 mit den Quartetten in B-dur, D-dur, Es-dur. Das dritte Stück des ersten Heftes enthält die bekannten Variationen über das »Kaiserlied«. Haydn hatte die Herausgabe der sechs Quartette sowohl einem englischen Verleger (wahrscheinlich dem obengenannten Bay) als auch der Firma Artaria überlassen. Das erste Heft der Quartette hatte er schon im März fertig, da er sie am 27. März bereits nach England abgeschickt hatte, das zweite Heft schickte er am 15. Juni ab. Da von England keine Bestätigung des Empfanges eintraf, hatte er wegen der Herausgabe in Wien Bedenken und ließ Artaria ein wenig warten87; erst im Dezember konnte Artaria das Erscheinen der zweiten Folge ankündigen. Indessen äußerte Haydn, als er das erste Heft von Artaria erhielt, seine besondere Freude und Dankbarkeit über die Ausgabe der Quartette, »welche sowohl mir als auch Ihnen wegen den so lesbaren und deutlichen Stich und schönen Titelblatt viel Ehre machen werden«. Das Titelblatt brachte ein Porträt Haydns; da aber kein Exemplar der Originalausgabe dieser Quartette mehr vorhanden ist, ist unbekannt, welches Porträt in Frage kommt; es dürfte dasselbe sein, über das Griesinger in seinem Briefe vom 3. Juli schreibt.[147]
Das umfangreichste Werk, das Haydn damals schuf, ist die große Messe in B-dur, die sogenannte, »Theresienmesse«. Der Titel rührt nicht von Haydn selbst her; die autographe Partitur88 trägt keine Bezeichnung und auch keine nähere Datierung, sondern nur die Überschrift »di me Giuseppe Haydn 1799«. Aus der allgemein üblichen Benennung »Theresienmesse« läßt sich entnehmen, daß die Messe für die Kaiserin Maria Therese, die zweite Gemahlin Franz' I., bestimmt war; darauf läßt auch die Stelle in Griesingers Brief vom 25. Mai schließen, Haydn habe noch »alte Bestellungen für die Kaiserin«.
Die Allg. Musikalische Zeitung läßt sich im April von zwei großen Messen berichten, die Haydn jetzt schreibe. Die eine davon war unzweifelhaft die Theresienmesse; die zweite wird wohl keine neukomponierte, sondern nur eine jetzt zum Verlag an Breitkopf & Härtel angebotene gewesen sein. Ebenso sind die zwei »ganz neuen Sinfonien«, von deren Aufführung beim Grafen Fries die Allg. Musikalische Zeitung im Mai 1799 berichtet, keine neukomponierten, sondern wurden bloß in Wien zum ersten Male aufgeführt. Die Aufführung fand (nach Zinzendorf) am 5. April statt. Die Allgemeine Musikalische Zeitung schreibt über die dabei aufgeführten Sinfonien: »Sie gehören zu sei nen vorzüglichsten, sind sich aber so wenig ähnlich, daß man über die außerordentliche Erfindungskraft des Verfassers ganz in Staunen hingerissen wird. Ein besonderer Geniezug ist folgender: Das Rondothema der einen fängt in B-dur an, moduliert auf das Natürlichste in As-dur nach wenig Takten und schließt gleich darauf wieder ebenso natürlich in B.« Nach diesem Hinweis zu schließen, handelt es sich um die 6. Londoner Sinfonie, Breitkopf & Härtel Nr. 8, Gesamt-Ausgabe Nr. 98. Über die Identität der zweiten existiert kein Anhaltspunkt. Vielleicht sind diese zwei bei Fries aufgeführten Sinfonien dieselben, die am 16. Juni im Augarten bei einer Wohltätigkeitsakademie aufgeführt wurden, wie es in der Ankündigung hieß: »zwei ganz neue von dem verdienstvollen Herrn Haydn, Doktor der Tonkunst, zu London erst kürzlich verfertigte, allda mit großem Beifall aufgenommene und hier in Wien noch nie gehörte«. Auch einer Aufführung der Salierischen Kantate »Der Tyroler Landsturm« am 23. Mai im[148] Redoutensaal (wiederholt am 15. November) ging eine Haydnsche Sinfonie voran, natürlich auch keine neugeschriebene. Dagegen ist von anderen Kompositionen, deren Entstehung in diese Zeit fällt, wiederholt die Rede. Griesinger berichtet von Quintetten, die für den Grafen Fries bestimmt seien: zur Komposition dieser Quintette ist es allerdings nie gekommen. Weiter stammen die zwei dem Fürsten Lobkowitz gewidmeten Quartette, die als Opus 77 erst 1802 erschienen sind, nach der Datierung des Autographs gleichfalls aus dem Jahre 1799. Dann beschäftigte sich Haydn mit der Komposition von Gesangsquartetten, deren er während des Sommers 13 fertiggestellt hatte, und für deren Fortsetzung er nach Texten Umschau hielt. Weiter dürfte ein Offertorium »per ogni tempore«89 »Non nobis Domine«, das auch als Einlage für das Oratorium »Die Rückkehr des Tobias« mit dem unterlegten Text »Preis Dir, Allmächtiger« benutzt wurde, in dieses Jahr zu verlegen sein. Man darf aber nicht glauben, daß Haydn das Schaffen leicht fiel, daß er die Sachen nur so aus dem Ärmel schüttelte; er mußte, besonders da die Last der Jahre anfing, ihn zu drücken, sich all das schon schwer abringen. Eine bezeichnende Stelle aus einem Brief an Griesinger vom 12. Juni 179990 möge hier nochmals Platz finden: »Die Welt macht mir zwar täglich viele Complimente über d. Feuer meiner letztern arbeithen, aber niemand wil mir glauben, mit welcher mühe und anstrengung ich dasselbe hervorsuchen muß, indem mich manchen Tag die schwache gedächtnuß und Nachlassung der Nerven dermaßen zu Boden drückt, daß ich in die traurigste Laage verfalle; und hiedurch viele Täge nachhero außer stand bin nur eine einzige Idee zu finden, bis ich endlich durch die Vorsicht aufgemuntert mich wieder an d. Clavier setzen, und dan zu kratzen anfangen kan. Da findet sichs dann wieder, Gott sey gelobt!«
Ende Juni treffen wir unseren Meister schon in Eisenstadt. Am 29. Juni war der Namenstag des Fürsten (er hieß Nikolaus Paul), der durch ein feierliches Hochamt in der Bergkirche und türkische Musik abends vor dem Schlosse gefeiert wurde. Da war der fürstliche Kapellmeister natürlich schon in Funktion. Aber sonst hören wir nichts von besonders aufreibender Tätigkeit. Am 8. September[149] wurde das Namensfest der Fürstin festlich begangen. Abends war eine Tafel im großen Saale des fürstlichen Schlosses für 54 Personen. »Es wurde viel Gesundheit getrunken, welche stets auf der Gallerie Trompeten und Pauken und vor dem Schlosse der Donner der Kanonen ankündigte. Der Fürst trank auch auf Haydns Wohlseyn, welchem allgemein beygestimmt wurde.« (Rosenbaum.) Man sieht, der Fürst Nikolaus Esterhazy benahm sich Haydn gegenüber schon freundlicher und erwies ihm auch gebührende Aufmerksamkeiten. Seinen diesmaligen Aufenthalt in Eisenstadt benützte Haydn hauptsächlich dazu, um seine geschäftlichen Angelegenheiten zu besorgen, insbesondere die Herausgabe der Schöpfungspartitur. Die Herausgabe und der Verkauf der Partitur eines Werkes war die einzige Möglichkeit, wodurch ein Komponist seine Arbeit fruktifizieren konnte, denn einen Schutz vor unbefugten Aufführungen gab es damals überhaupt nicht, einen Schutz vor unberechtigten Nachdrucken auch nur in sehr beschränktem Maße und praktisch kaum durchführbar. Haydn schlug die Anerbietungen, die ihm von Artaria und von Breitkopf & Härtel wegen Verlages der Schöpfungspartitur gemacht wurden, aus und hatte bereits am 19. Juni in der »Wiener Zeitung« angekündigt, daß er das Werk selbst herausgeben werde und Subskriptionen darauf entgegennehme. Sein Aufenthalt in Eisenstadt und seine bei allem praktischen Sinn doch geringe Vertrautheit mit Verlagsgeschäften veranlaßten ihn später, die weitere Subskription, namentlich für das Inland, und die ganze Auslieferung an Artaria zu übertragen. Wahrscheinlich nahm ihn auch die viele Briefschreiberei zu sehr in Anspruch, da er doch den Subskribenten, die sich persönlich an ihn wandten, immer in umständlicher Weise danken zu müssen glaubte. Zwei solcher Antwortschreiben seien im Nachstehenden mitgeteilt:
»An den Wohlgebohrn Herrn Franz Xaver Glöggl Stadt und Dom Capell Meister in Linz in Oberoesterreich.
Wohlgebohrner Insonders Hoch zu Ehrender Herr!
Die Ehre, So mir Euer Wohlgebohrn durch die Abnahme meiner Schöpfung, und durch Dero werthen beygedruckten Namen, noch mehr aber durch die wichtige Anempfehlung meines alten kunstvollen Freundes Herrn Abbé v Sladler erweisen, ist für mich höchst schätzbar, und beseelt meinen alten Kopf zum ferneren Fleiß; ich[150] werde demnach nicht ermangeln, sobald d. Werck die Preß verläßt es Euer Wohlgebohren durch die Diligence zu übermachen. Unterdessen bin ich mit aller Hochachtung nebst gehorsamster Empfehlung an H. Abbé
Euer Wohlgebohrn dienstfertigster
Wienn den 24ten July 799.«Dr. Joseph Haydn.
»Hochwürdig-Geistlicher Herr!
Die Ehre, so mir Ihr würdigster Herr Abt durch die Abnahme meiner Schöpfung erweiset, ist für mich unschätzbar, werde darnach trachten, sobald als es die Presse verläßt Euer Hochwürden durch die Diligence einzusenden.
Nachdem ich in meinen alten Tagen aus billiger Anordnung meines dermahligen Jungen Fürstens seit 4 Jahren all Jährlich eine neue Meß zu componiren habe, so mache ich mir ein wahres Vergnügen Ihnen mit Einer derselben bedienen zu Können, nur schreiben Sie mir, ob Sie nebst Trompeten und Pauken auch 2 Oboen oder Clarinette besizen, damit ich mich darnach richten könne, wenn Ihnen anderst der Copiatur-betrag von 12 fl. nicht zu theuer ist.
Die Sieben Worte Christi haben Euer Hochwürden bishero nur halb genossen, indem ich schon vor 3 Jahren eine neue 4stimmige Vocal Music durchgehendß (ohne d. Instrumentale zu verändern) dazu unterlegte. Den Text dazu verfertigte ein sehr geübter Musicalischer Domherr aus Passau, und unser großer Baron von Swieten verbesserte denselben; der Effect dieses Werks ist über alle Erwartung, solte ich vor meinem Ende eine Reise nach dieser Gegend machn, so würde ich so frey sein es Ihren Herrn Abten hören zu machen, dermahlen aber besitzt es außer meiner Monarchie noch niemand.
Schreiben Sie mir (unter uns) anwelchen Monath und tag der Geburths- und Namens-Tag des Hrn. Abten eintrift in Hofnung einer andworth bin ich mit vorzüglichster Hochachtung
Euer Hochwürden tienstfertigster Diener
Wien, den 10. August 1799.Joseph Haydn.
An den Hochwürdig-Geistlichen Herrn Cornelius Knoblich Music Director und Mitglied des Cistercienser-Stifts im Kloster Grissau bey Landeshutt in Schlesien.«[151]
Dieses Schreiben91 ist besonders deshalb bemerkenswert, weil darin die alljährliche Komposition einer Messe nicht als vertragliche Verpflichtung, sondern als Auftrag des Fürsten Esterhazy bezeichnet ist, dann aber auch wegen der auf die »Sieben Worte« bezughabenden Stellen.
Den brieflichen Verkehr mit seinen englischen Freunden über die Subskription auf Schöpfungspartituren führte Haydn aber auch nachher persönlich durch und erzielte damit Erfolge, obzwar Burney, an den er sich um Unterstützung wandte, ihm – wie schon früher erwähnt – unterm 19. August92 schrieb, daß der Zeitpunkt ungünstig gewählt sei, da vor Oktober kein sport- und musikliebender Engländer nach London komme und die eigentliche Saison erst nach Neujahr beginne. Es war daher für die Subskription in England eher ein Vorteil, daß sich die Fertigstellung der Exemplare verzögerte und die Ausgabe erst im Februar des darauffolgenden Jahres erfolgte. Im Frühjahre 1799 hatte Haydn übrigens Gelegenheit gehabt, zwei in London gemachte Bekanntschaften in Wien zu erneuern: mit dem Pianisten J.B. Cramer und dem Kontrabassisten Dragonetti, die sich beide auf der Durchreise einige Zeit in Wien aufhielten. Bis in den Oktober hinein blieb Haydn in Eisenstadt. Mitte September kommt der Maler Roesler nach Eisenstadt und bleibt dort ungefähr einen Monat lang. Rosenbaum, der in seinen Aufzeichnungen den Maler Roesler öfters erwähnt, berichtet zwar nichts darüber, daß Haydn damals porträtiert wurde, aber es ist anzunehmen, daß das nachher oft von Kupferstechern als Vorbild benutzte, aber leider verschollene Oelbild Roeslers damals entstand93; Rosenbaum notiert nur ausdrücklich, daß Roesler den jüngeren Tomasini malte. Über das Zusammensein Haydns mit Roesler macht er bloß kurze Notizen, das einzige Mal etwas länger am 16. Oktober: »Abends 5 Uhr kam Therese Fröhlich, wir gingen zum Probst um die Academie zu hören. Man gab einige Stücke vom unterbrochenen Opferfest, die Pölt schlug eine Sonate von Haydn, Tomasini geigte Variationen von seinem Vater und Haydn machte auf vieles Bitten 7 neue deutsche Lieder, die ungemein schön sind. Die junge[152] Herrschaft nebst einigen von der Hofstaat und einigen Geistlichen waren da. Mich freute es nur, weil Roesler eine Musik hier hörte«
Am 23. Oktober war die fürstliche Hofhaltung, mit ihr Kapellmeister Haydn, in Wien. In den letzten Oktobertagen wohnte Haydn schon einer Aufführung der Seyfriedschen Oper »Der Wundermann am Rheinfalle«, deren Erstaufführung am 22. Oktober im Schikanedertheater stattgefunden hatte, bei. Wie Sey fried erzählt94, schrieb Haydn gleich am folgenden Tage nach seinem Theaterbesuche ein Briefchen, worin er »für das Vergnügen dankte, das ihm meine Arbeit gewährt habe und zu dem Gelingen in seiner liebenswürdigen Gutmütigkeit herzlich Glück wünschte«. Haydn wohnte damals, wie wir aus den Griesingerschen Briefen wissen, nicht in seinem Gumpendorfer Hause. Seine Frau hatte er nach Baden geschickt, »wo sie den Winter um der Bäder willen zuzubringen gedenkt«, und er selbst wohnte, seines Hausdrachens ledig, »in zwey äußerst bescheidenen Stübchen in der Stadt«, vermutlich im Hause »zum blauen Säbel« in der Krugerstraße. Aus den Griesingerschen Briefen dieser Zeit erhalten wir auch wertvolle Aufschlüsse über damals entstandene Porträts Haydns. Breitkopf & Härtel waren sehr begierig, für ihre Gesamtausgabe der Klavierwerke und für die »Allgemeine Musikalische Zeitung« Konterfeie des Meisters zu erhalten, und ließen eine Zeichnung des Gutenbrunnschen Bildes durch Vincenz Georg Kinninger anfertigen. Diese Zeichnung fiel aber zu niemandes Zufriedenheit aus, und Kinninger sollte daher das Gutenbrunnsche Porträt nochmals abzeichnen. Das Bild aber hatte Haydns Frau nach Baden genommen und wollte es nicht nochmals herausgeben, denn »Gutenbrunn war ehemals, sagte Haydn, ihr Liebhaber, und daher trennt sie sich so selten als möglich von dem Porträt«. Griesinger schlug daher vor, die vor kurzem modellierte Porträtbüste Haydns, die Grassi (Griesinger schreibt »Grasset«), der beste Modelleur und künstlerische Leiter der kaiserlichen Wiener Porzellanfabrik, nach der Natur angefertigt hatte, von Kinninger abzeichnen zu lassen. Von dieser Büste existierte nur ein Abguß, und Grassi zögerte, weitere in Porzellan machen zu lassen, da ihm der allmächtige Graf Saurau versprochen hatte, den Kaiser[153] oder die Kaiserin dazu zu bewegen, daß sie die Büste in Metall gießen lassen werden. Grassi hatte aber nach dieser Büste eine kleine Anzahl von Medaillons machen lassen, von denen Griesinger eines an Breitkopf & Härtel schickte mit folgender Hinzufügung: »Was nun die Ähnlichkeit betrifft, so ist sie in diesem Abdrucke gewis getroffen, besonders ist die untere fleischige und massive Lippe charakteristisch. Die gutmütigen Züge, welche sich in Haydns Gesicht entfalten, so bald er spricht, seine braune und blatternarbige Haut, das volle Aug, die Perrücke – ließen sich freilich auf diesem antiken Kopf nicht darstellen, aber auch nur das fehlt um ihn gleich zu erkennen.« Diese Büste in antikisierender Form muß uns, die wir gewohnt sind, den Papa Haydn uns stets mit der Perücke und Zopf, dem breiten Rockkragen und zierlichen Jabot vorzustellen, ganz fremd erscheinen. Unseren eingewurzelten Vorstellungen von der äußeren Persönlichkeit Haydns entspricht besser die von Grassi kurze Zeit darauf modellierte etwas kleinere, in Biskuitporzellan ausgeführte Büste, von der dann eine noch verkleinerte Miniaturwiedergabe, gleichfalls in Biskuit, allgemeine Verbreitung gefunden hat. Über die Bemühungen Griesingers, der Firma Breitkopf & Härtel ein gutes Porträt Haydns zu verschaffen, erhält man aus seinen Briefen, dem oben zitierten vom 12. Juni und den zwei nachstehend abgedruckten, Aufschluß:
»Wien, d. 3. Jul. 1799.
Wehrtester Freund,
H. Kinninger ist bereit, das Portrait, so wie Sie es verlangen, abzuzeichnen. Mit H. Kohl habe ich noch nicht gesprochen; er ist auf dem Lande.
H. Haydn will mir in drey Tägen das Gutenbrunnsche Portrait zustellen; er befürchtet, daß es als Kupferstich einen üblen Effekt machen möchte, indem er in einer Stellung abgemahlt sey, wo er eben an einer Composition studiere. Hierüber müßten nun, wie mich dünkt, die HH. Kinninger und Kohl entscheiden. Auf den Fall, daß sie das Gutenbrunnsche Portrait nicht passend finden, und daß das Danzische nicht bald aus England komme, räth Haydn das von Artaria besorgte urgieren zu lassen, weil viele seiner Bekannten es nicht unähnlich finden. Ich werde über diesen Punkt das Urtheil der HH. Kinninger und Kohl einziehen, und Ihnen davon Nachricht geben.«[154]
»Wien, d. 20. Jul. 1799.
Werthester Freund,
Es wird Ihnen befremdend seyn, daß ich Ihnen noch keine Nachricht wegen des Haydnschen Portraits mitgeteilt habe. Dieser Aufschub ist nicht durch meine Schuld veranlaßt worden. H. Haydn ist zu dem Fürsten Esterhazy nach Eisenstadt in Ungarn gereist, und seine Frau, eine gute alte Matrone, hielt mich einige Zeit hin, bis sie das Gutenbrunnsche Portrait von einem ihrer Bekannten abholen, und mir zustellen ließ. Es scheint mir sehr ähnlich, Haydns Frau hält es für das beste, und H. Kinninger, dem ich es sogleich übergab, ist auch damit zufrieden. Er wird höchstens in vierzehn Tagen mit der Zeichnung fertig seyn und sie dem H. John zum Stechen übergeben, weil er glaubt, daß John's Manier eleganter und netter als die Kohl'sche ist. Da Sie in Ihren Briefen keinem der beyden Künstler einen Vorzug geben, und H. Kinningers Urtheil alle Rücksicht verdient, so habe ich über seine Wahl nicht die mindeste Einwendung gemacht. Sie kennen ohne Zweifel Alxinger's Portrait in der Göschen'schen Ausgabe. Auf diese Art soll das Haydn'sche gemacht werden. H. Kinninger wird Ihnen selbst den Preis, welchen John verlangt schreiben und die Zeichnung zu dem Mozart'schen Requiem schicken.«
In der Weihnachtszeit des Jahres 1799, am 22. und 23. Dezember, fanden abermals Aufführungen der »Schöpfung« im Burgtheater statt, und zwar zugunsten der Tonkünstler-Sozietät, welcher Haydn das Werk zur Aufführung überlassen und hiefür seine Direktion zugesagt hatte, um ihr aus der finanziellen Verlegenheit, in die sie damals geraten war, herauszuhelfen. Er bedang sich dabei erstens, daß Wranitzky die ersten Violinen anführe, zweitens, daß Chor und Orchester an beiden Tagen genau so besetzt und aufgestellt seien, als sie es am 19. März waren, und drittens, daß Textbücher gedruckt und bei der Kasse unentgeltlich ausgegeben werden. Natürlich wurden alle diese Bedingungen akzeptiert, und das Protokoll der Tonkünstler-Sozietät enthält noch den Zusatz: »Tausend Dank dem Wohltäter!«
Im Jahre 1799 soll es gewesen sein, daß Anna Milder, die nochmals so berühmt gewordene Sängerin, die erste und vielleicht beste Darstellerin von Beethovens »Leonore«, zu Haydn[155] kam. Anna Milder war 1785 geboren, wäre zu jener Zeit also 14 Jahre alt gewesen. Haydn soll ihr gesagt haben: »Sie haben eine Stimme wie ein Haus«, und sie seinem Schüler Neukomm übergeben haben, der sie in drei Jahren so weit brachte, daß sie am 9. April 1803 als Juno in Süßmayers Oper »Der Spiegel von Arkadien« mit ungeheurem Erfolge auftreten konnte95. Ob die Entdeckung Anna Milders wirklich durch Haydn tatsächlich' zu jener Zeit und auf die Art erfolgte, wie aus dem um ihre Jugend gewobenen Legendenkranz zu entnehmen ist, ist von geringer Bedeutung. Sicher ist, daß sich die Lebenswege des großen Meisters und der jungen schönen Gesangskünstlerin gekreuzt haben. Dafür spricht auch ihr Studium bei Neukomm, dem treuen Adepten Haydns, von dessen klar leuchtender Kunst Strahlen zu ihr hinüberdrangen. So schreibt Griesinger im Jahre 1803 über sie: »ihre Stimme tönt, was so selten der Fall ist, wie das reinste Metall und sie gibt, da ihr Lehrer Neukomm aus der Haydn'schen Schule ist, lange kräftige Noten ohne Schnörkel und überladene Verzierungen.«
Die großen Erfolge der »Schöpfung« in Wien begannen nun nach auswärts auszuwirken. Eine der ersten Städte, vielleicht die erste außerhalb Wiens, in der die »Schöpfung« aufgeführt wurde, war Budapest. Zu Beginn des Jahres 1800 war an Haydn von der jugendlichen Erzherzogin Alexandra, Gemahlin des Erzherzog-Palatins von Ungarn, Joseph, die Einladung gelangt, die »Schöpfung« im Ofener Schlosse aufzuführen, mit welcher Aufführung die Erzherzogin ihren Gemahl zu überraschen gedachte. Alexandra Paulowna, älteste Tochter des Zaren Paul und der Zarin Marie Feodorowna96, war am 30. Oktober 1799, also kurz vorher, in Gatschina bei Petersburg dem Erzherzog-Palatin vermählt worden und erst am 2. Dezember nach Budapest gekommen. Die Einladung an Haydn beweist, daß die Verehrung für unseren Meister von der Mutter auf die Tochter übergegangen war. Die ungarische Zeitung »Magyar hirmondo« brachte am 4. März die Nachricht, daß Haydn am 17. Februar aus Padua (!) abgereist sei, um sich nach Ofen zu begeben. Diese[156] Notiz war aber gewiß nur zu Reklamezwecken gebracht, denn Haydn war damals nicht in Padua, sondern in Wien, wie aus den Briefen Stratons an Thomson hervorgeht, und er besuchte am 16. Februar Straton in dessen Wohnung. Jedenfalls war Haydn schon in den ersten Märztagen in Ofen, denn das Konzert fand am 8. März, am Vorabende des erzherzoglichen Geburtstages, statt. Die Aufführung war vorher sorgfältig vorbereitet worden und gelang nach Berichten ungarischer Zeitungen, des »Magyar Hirmondo« und der »Preßburger Zeitung«, vorzüglich. Auch die »Wiener Zeitung« berichtet am 19. März ausführlich über das Konzert und seinen großen Erfolg. In Budapest blieb Haydn nicht lange, denn schon am 19. März begegnen wir ihm im Hause des befreundeten Dr. Karl v. Schenk, der Haydn anläßlich seines Namenstages mit einer wortreichen, bombastischen Anrede apostrophierte, die, durch den Druck festgehalten, auf uns gekommen ist97. Einen Tag nachher starb Haydns Frau in Baden, im Hause des Chorregenten Anton Stoll, 70 Jahre alt, »an der Arthritis«, wie es im Totenprotokoll heißt, und wurde am 22. März nachmittags beerdigt. Auf Haydn mochte dieser Todesfall jetzt nicht mehr die Wirkung geübt haben, die er zehn Jahre früher gehabt hätte. Seitdem er seine weniger angenehme Ehehälfte nach Baden geschickt hatte, lebte er anscheinend recht fröhlich allein und trug kein Verlangen, sich je wieder neue Fesseln anlegen zu lassen. Auch die Luigia Polzelli, die sofort nach dem Tode von Haydns Frau auf die durch Versprechungen erworbenen Rechte gepocht haben dürfte, bemühte sich vergeblich, den großen Meister nochmals in das Joch der Ehe zu spannen. Sie setzte aber wenigstens die bekannte schriftliche Erklärung Haydns durch, laut welcher er sich verpflichtete, falls er überhaupt heiraten würde, keine andere zum Weibe zu nehmen außer sie oder ihr für den Fall seines bleibenden Witwerstandes testamentarisch eine lebenslängliche Rente von 300 fl. nach seinem Tode anzusetzen. Das Dokument98 lautet:
»Io qui in fine Sottoscritto prometto alla Signora Loisa Polzelli (in caso ch'io pensasse di rimaritarmi) io nissuna[157] altra prenderei per mia moglie, che Suddetta Loisa Polzelli; e se io resto vedovo, prometto alla Suddetta Polzelli di lasciar dopo la mia morte ogni anno una pensione di tre cento florini, cioè 300 f: in monetta di Vienna durante Sua vita. in valore da Ciaschedun Giudiceiomi Sottoscrivo
Joseph Haydn
Maestro di Capella di S. Alt. il Principe
Esterhazy
Vienna ai 23. di Maggio 1800.«
Solange unser Meister lebte, hat es die gute Luise an gelegentlichem Aderlaß wohl nicht fehlen lassen, und in ihrer Korrespondenz spielten Geldangelegenheiten immer die wichtigste Rolle. Haydn schreibt ihr von Eisenstadt am 2. August 1800, nachdem er Mitteilung von seinem leidenden Zustand, der sich erst an diesem Tage gebessert habe, gemacht hat und ihr verspricht, ihren ersten Brief in wenigen Tagen zu beantworten, daß er ihr inzwischen 15 fl für die Miete schicke. Unterschrieben ist der im ganzen recht kühle Brief »tuo sincero e fedele amico«; die Liebe hatte sich also in Freundschaft verwandelt!
Geerbt hat Haydn wahrscheinlich von seiner verstorbenen Ehefrau so viel wie nichts. Einmal, weil sie selbst nicht viel besaß, und dann, weil nach österreichischem Rechte der Ehegatte ein sehr restringiertes Erbrecht hatte. Haydn scheint im Gegenteil durch den Tod seiner Frau viele Ausgaben gehabt zu haben. In einem am 7. Juli an Stoll in Baden gerichteten Brief schreibt Haydn:
»Anbey bitte ich die beyliegende Quittung per 59 f. 6 x so ich an das Nie. ö. Ständische Ober Einnehmer-Amt bezahlte, nicht minder die 9 anverlangten Gulden für das der Stadt Baden gehörigen Mortuario dem Herrn Stadt Syndicus nebst meiner gehorst. Empfehlung an Hochdenselben einzuhändigen; ich werde anbey nicht ermangeln all die übrigen Quittungen deren Erben, sobald als solche vollends bezahlt seyn werden noch zu schücken.«
Dieser Brief ist ein weiterer Beweis dafür, mit welcher Pünktlichkeit und Genauigkeit Haydn alle Angelegenheiten zu behandeln pflegte.
Während des ganzen Frühjahres war Haydn, wie stets, eifrig an der Arbeit und sowohl durch kompositorische Tätigkeit wie[158] auch als Dirigent stark in Anspruch genommen. Vor allem waren es die »Jahreszeiten«, mit denen er intensiv beschäftigt war. Griesinger schreibt unterm 5. Februar: »Haydn ist mit den 4 Jahreszeiten schon ziemlich vorgerückt.« Daneben scheinen ihn andere Pläne zu okkupieren. Griesinger schreibt unter demselben Datum: »Kürzlich schickte ihm ein Graf Nostiz aus Schlesien den Text eines Vater Unsers, der ihm so wohl gefiel, daß er nach Jahresfrist die Composition davon zu unternehmen entschlossen ist.« Außerdem ließ Thomson mit seinen Schottischen Liedern nicht locker. Sein Mittelsmann Alexander Straton berichtet am 9. Februar, daß er Thomsons Brief sowie die übersandten Lieder an Haydn weitergesendet und diesem mitgeteilt habe, er sei bereit, mündlich oder schriftlich über die Angelegenheit zu verkehren, je nach Wunsch Haydns. Dieser habe bisher sich noch nicht geäußert. Am 16. Februar schreibt Straton an Thomson einen Brief, den wegen des Schlußpassus wörtlich hier anzuführen gestattet sei:
»Dear Sir,
Haydn called here yesterday and mentioned that he had already written to you and also begun the composition of the accompanyments to the scotch airs (15 in number) that you had sent him through me. He seemed desirous of having rather more than two Ducats for each air, but did not precisely insist upon this point, which I therefore lett undecided exhorting him to proceed with his composition as speedily as its nature as well as that of his other occupations will admit of. This he solemnly promised but said that he could not possibly determine a period for finishing the airs in question. Upon the whole he appears to be a rational animal, whereas all that can be said of the other, I mean Koz [eluch] is, that he is a Bipede without feathers.«
In den ersten Frühlingstagen gab es einige musikalische Veranstaltungen, in denen wir dem Namen Haydn als Komponisten begegnen. Am 28. März fand im Burgtheater eine musikalische Akademie des Anton Weidinger, »Hof- u. Theater Trompeter mit Produzirung seiner organisirten Trompete« statt, bei welcher als erste Nummer eine »ganz neue Sinfonie v. Haydn Dr. d. Tonkunst« und als Nr. 7 eine »Sinfonie v. Haydn« angekündigt war. Zweifellos handelt es sich bei Nr. 1 nicht wirklich um eine neue Sinfonie, sondern um eine in Wien noch nicht aufgeführte, die der Meister seiner Schublade entnahm. Am 2. April fand im Burgtheater die Akademie statt, in welcher Beethoven nebst einem Klavierkonzert und dem Septett seine C-dur-Sinfonie,[159] die erste, zur ersten Aufführung brachte. Die Nummern 2 und 5 des Programmes waren eine Arie aus der »Schöpfung«, gesungen von Mlle Saal, und ein Duett aus demselben Werk, gesungen von Herrn und Mlle Saal. Am 4. April gibt ein Oboist namens Gromann im Saale des Hof-Traiteurs Jahn ein Konzert, bei welchem wieder eine Sinfonie Haydns aufgeführt wurde. Nach dem großen Erfolge der »Schöpfung« war Haydn schon unbestrittener Regent im Reiche der Töne, und auf keinem Konzertprogramm durfte sein Name fehlen. Damals gab es fünf »Schöpfungs«- aufführungen knapp hintereinander. Am 4. April eine private Aufführung beim Grafen Fries, am 6. und 7. April zwei Aufführungen im Burgtheater zugunsten der Tonkünstler-Sozietät und am 12. und 13. April private Aufführungen bei Schwarzenberg. Die Aufführung beim Grafen Fries brachte das Werk in einer Bearbeitung für Streichquartett und Klavier. Graf Zinzendorf geht aus seiner gewöhnlichen kühlen Reserve heraus, wenn er über diese Aufführung berichtet: »Jamais la musique de la Création ne m'a plû autant, quoiqu'il n'y avoit que neuf instrumens et surtout point d'instrumens à vent.« Und bei den Aufzeichnungen über die »Schöpfung« am 7. April im Burgtheater, aus der er einzelne Stellen als besonders wirkungsvoll hervorhebt, sagt er zum Schluß: »Cependant l'impression du 1er et second acte fut pour moi tout aussi vive chez Fries qu'ici avec les 200 musiciens.«
Die Aufführungen im Burgtheater am 6. und 7. April standen ebenso wie diejenige beim Grafen Fries unter Haydns Leitung.
In der Sitzung der Tonkünstler-Sozietät vom 15. März war beschlossen worden, »nachdem die letzte Akademie so gut und brillant ausgefallen ist, wieder dasselbe Oratorium (Die Schöpfung) und zwar abermals mit doppelten Preisen aufzuführen«. Die Preise scheinen sich jedoch als zu hoch erwiesen zu haben, denn in dem Sitzungsprotokoll vom 12. Mai heißt es: »In der letzten Session sind zur Aufführung der Schöpfung doppelte Preise festgesetzt worden. Allein auf ausdrückliches Verlangen des H. Haydn und auf Anrathen unseres Obristen Direktors H. Graf v. Kueffstein sind nur einfache Preise gemacht worden. Auch der Anschlagzettel besagte: ›Eintrittspreise wie gewöhnlich im Nationaltheater.[160] Diejenigen, welche sonst einen geringeren Eintrittspreis zahlen, erhalten ein Billet für 30 x.‹ Es ist daher verwunderlich, daß sich der wiederaufgelebte Eipeldauer (1800, 13. Heft p. 10) über die hohen Preise in seiner Art lustig macht: ›Im Theater haben s' desmal zum Besten für die Wittibe der Musikkünstler die berühmte Schöpfung aufgeführt, und da ists Leggeld doppelt gwesen; es war aber nicht so voll, als ich glaubt hätt: es muß also doch noch viele Leut gebn, die keine Liebhaber von Doppelkaffee99 sind.‹ Der Eipeldauer äußert sich dann im selben Jahre (16. Heft 4. Brief p. 25) nochmals in derbkomischer Weise über diese ›Schöpfungs‹-aufführung:
Am letzten Palmsonntag hat s' mich (d. Frau Gemalin) in d'Schöpfung mit gno ien, und da hat s' mir wirklich ein großn Gfalln than; denn die schöne Musik könnt ich noch zwanzgmal hören. Da hab ich aber auf d'Nacht in ein Wirthshaus ein Paar Verwalter mit ihren gestrengen Fraun von Land antroffen; den muß aber d'schöne Cantati nicht so gut gfalln haben wie mir. ›Jetzt laßts mich aus mit Eurer Schöpfung‹, hat der eine gesagt. ›Wenn ich das gewußt hätt, so wär ich daham blieben, und hätt brandelt dafür.‹ [Kartenspiel] ›Ey, mich Kriegn s'auch ni ier‹, hat der andere gesagt. ›Mir steckt der Uriel noch in Magen. He! Kellner ein Maßl Erlauer! damit ich den heraus bring.‹
Über den Einfall habn die gstrengen Fraun z'lachen angfangen, daß ihnen d'Wampen gwackelt hat. Endlich hat die eine gfragt, wie denn der Herr heißt, der die Cantati gmacht hat. ›Ich weiß's nicht recht‹, hat d'andre gsagt; ›aber so viel ich mich besinn, so hat er so was von ein Türken oder Haiden in sein Nahm.‹«
Die Aufführungen am 12. und 13. April beim Fürsten Schwarzenberg konnte Haydn aber nicht selbst leiten. Er litt an einem »rheumatischen Kopffieber«, lag krank im Bett, und an seiner Statt dirigierte Weigl. Der Beifall war noch immer außerordentlich: »ich hörte sie zum fünftenmal, und könnte sie noch zehnmal mit Vergnügen hören«, schreibt Griesinger. Ebenso konnte Haydn infolge seiner Erkrankung einer musikalischen Akademie, die der berühmte Waldhornist Punto unter Mitwirkung Beethovens sowie einiger anderer Künstler am 18. April im Kärntnerthortheater[161] veranstaltete (eingeleitet durch eine »Große neue Sinfonie von Hr. Haydn, Dr. der Tonkunst«) nicht beiwohnen. Doch hatte Haydns kräftige Natur die Krankheit, die ernsterer Natur war, als es ursprünglich den Anschein hatte, bald überwunden. Am 26. April schon, so erfahren wir von Griesinger, war er von seinem hitzigen Fieber gerettet und konnte wieder ausfahren. Immerhin hatte sein Zustand Anlaß zu den ernstesten Befürchtungen gegeben, so daß Straton an Thomson schreibt: »we were not altogether devoid of alarm in regard to his recovery.«
Die Rekonvaleszenz nach diesem Anfall dauerte noch geraume Zeit, den ganzen Sommer hindurch, den Haydn von Mitte Juli an wieder in Eisenstadt verbrachte. Er fühlte sich während seines ganzen Sommeraufenthaltes nicht sehr wohl. Am 2. August schreibt er an die Polzelli: »Fin adesso sono stato sempre male, oggi è il primo giorno che sta meglio, ma spero che in poco tempo sarò guaritto tutt' affatto.« Aber noch im November berichtet Griesinger: »Nach 4 Monaten sah ich gestern Vater Haydn wieder. Er ist mit seinem Aufenthalt in Ungarn nicht zufrieden, die scharfe Luft hat ihm Unpäßlichkeiten zugezogen und übler Humor benahm ihm die Lust zur Arbeit.« Ganz müßig war aber Haydn während des Sommers nicht gewesen. Vor allem arbeitete er an den »Jahreszeiten« beständig weiter, freilich nicht so rasch, wie er an der »Schöpfung« gearbeitet hatte. Auch mit kleinen Kompositionen beschäftigte er sich. Zwei kleine italienische Gesangsduette entstanden in diesem Sommer, die er an Härtel als Dank für einen ihm von diesem übersandten Brillantring am 1. Juli geschickt hatte: es waren die zwei Duette für Sopran und Tenor mit Klavierbegleitung »Guarda chi« und »Saper vorrei se m'ami«. Härtel wollte ursprünglich der Frau Haydn, da sie noch am Leben war, eine Aufmerksamkeit erweisen. Auf eine diesbezügliche Anfrage wehrte aber Haydn sehr energisch ab: »Dawider protestiere ich förmlich, ich liebe mein Weib[?], es fehlt ihr an nichts, aber sie hat keine Verdienste, die Belohnung verdienen.« Als sie ihm selbst aber den Brillantring überreichen ließen, war er sehr erfreut und geschmeichelt, erklärte, man habe seine schwache Seite getroffen, denn Geschenke seien ihm angenehmer als große Geldsummen. Nehmen wir diese kleinen menschlichen Schwächen eines großen Mannes nicht zu[162] tragisch. Auch seine Äußerungen zu Verlegern und über dieselben dürfen nicht allzu ernst genommen werden, sowohl die liebenswürdigen als die zornigen; Differenzen und Auseinandersetzungen hatte und hat jeder Komponist mit seinen Verlegern.
Ein Tedeum in C-dur, das sogenannte große, das er vor ein, zwei Jahren für die Kaiserin geschrieben hatte, holte er hervor und ließ es um diese Zeit in Eisenstadt aufführen; denn wir finden in den Rechnungen des fürstlichen Archivs unter den Spezifikationen über Kopien eine von Haydn ausgestellte über die »Copiatur von meinem Tedeum 6f 24, empfangen 28. October 1800.«
Im Jahre 1800 spielte sich die oft erwähnte, meist falsch datierte und geschilderte Begegnung Haydns mit Admiral Nelson und dessen Freundin, der durch ihr abenteuerliches Leben berühmten Lady Hamilton, ab. Nelson, dem man nach seinem Siege bei Aboukir überall große Huldigungen darbrachte, da man ihn als Retter aus der Franzosennot ansah, war im Frühjahr über Wien nach Triest gefahren. Schon auf dieser Reise war er Gegenstand besonderer Aufmerksamkeiten, die Leute standen stundenlang auf dem Graben vor dem Biedermannschen Gasthof, um einen Blick des großen Seehelden zu erhaschen, und alle Damen trugen ein Kleidungsstück, das den Namen »Nelson« führte (vgl. Eipeldauer 1800, 19. Heft, 5. Brief p. 47 (April) und 20. Heft 1. Brief (Mai). Im Spätsommer kam Nelson wieder mit dem Ehepaar Hamilton, dem Lord William und der Lady Emma, deren nahezu unzertrennlicher Begleiter er war, über Laibach nach Wien zurück. Lady Emma war am Hofe zu Neapel, der mit dem Wiener Hofe verwandt und gleichfalls von der Angst vor dem immer unheimlicher aufsteigenden Kometen Napoleon befallen war, sehr gut empfangen worden, hatte dort sogar intime Freundschaft mit der Königin Maria Carolina geschlossen und war bestens nach Wien weiterempfohlen worden. Die Aufnahme des Trisotiums in Wien war die denkbar glänzendste. Schon auf der Reise wurde am 14. August in Laibach ihnen zu Ehren von der dortigen Philharmonischen Gesellschaft eine musikalische Akademie veranstaltet100, die in passender Wahl mit Haydns in[163] England so beliebter Militär-Sinfonie eröffnet wurde. Am 17. August übernachteten die Reisenden in Wiener Neustadt und kamen am 18. nach Wien, wo man sich beeilte, ihnen den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Schon am 19. wohnten sie einer Vorstellung im Burgtheater bei; rauschende Feste in den großen Adelshäusern schlossen sich an. Über eines beim Herzog Albert am 4. September berichtet Zinzendorf. Über ein anderes gibt ein Landsmann der drei Fremden, Lord Fitzharris, in seinen Erinnerungen Nachricht. Wir lesen hierüber in Sichels101 Biographie der Lady Emma folgendes:
»One of their fellow-guests at St. Veit, a castle of the Esterhazys', has recorded his hostile impressions. He was Lord Fitzharris, naturally annoyed to see her with Nelson, and he may have lost his money in this encounter, and, possibly, his temper:
›Sunday, grand fireworks. Monday (the joar de fête), a very good ball. And yesterday, the chasse. Nelson and the Hamiltons were there. We never sat down to supper or dinner less than sixty or seventy persons, in a tine hall superbly illuminated, in short, the whole in a most princely style. Nelson's health was drunk with flourish of trumpets and firing of cannon. Lady Hamilton is, without exeption, the most coarse, ill-mannered, disagreeable woman we met with. The Princess with great kindness had got a number of musicians, and the famous Haydn, who is in their service, to play, knowing Lady H. was fond of music. Instead of attending to them, she sat down to the taro table, played Nelson's cards for him, an won between £ 300 and £ 400 ...‹ Haydn, it must be thoaght, was hardly a suitable accompaniment to cards.«
Die Angaben des erzürnten Lords oder Sichels stimmen aber nicht ganz. Es ist möglich, daß die Hamiltons und Nelson auch Gäste der Esterhazys in St. Veit (einem kleinen Lustschlosse in der Nähe Wiens) waren, aber nicht zu der Zeit, als Lord Fitzharris nach Sichel angibt und nicht gleichzeitig mit Haydn. Der 8. September, das Fest Maria Geburt und Namenstag der Fürstin Esterhazy[164] fiel auf einen Montag; dies würde also mit der Angabe Fitzharris stimmen. Am 7. und 8. September waren aber Haydn und die fürstliche Familie in Eisenstadt, und die Engländer waren dort bei ihnen zu Gaste. Wir erfahren dies aus dem Briefe Haydns an Artaria vom 3. September, wo er in der Nachschrift schreibt: »Noch etwas. Meine Fürstin, so eben von Wienn kam, sagt mir, daß die Mylady Hammelton den 66ten dieses nach Eisenstadt kommen wird, allwo Sie wünschte meine Cantate Ariadne a Naxos zu singen, welche ich aber nicht besitze, bitte dannenhero mir dieselbe sobald möglich zu procuriren und anhero zu schicken.«
Auch was Fitzharris über Lady Emmas Benehmen gegenüber Haydn sagt, mag vielleicht für den einen Abend, da sie von der Leidenschaft des Kartenspiels besessen war, Gültigkeit haben, aber nicht im allgemeinen. Denn ganz im Gegensatz dazu meldet Griesinger an Breitkopf & Härtel später (21. Januar 1801): »An Milady Hamilton fand Haydn einen großen Verehrer. Sie machte einen Besuch auf Esterhazy's Gütern in Ungarn, bekümmerte sich aber wenig um seine Herrlichkeiten, und wich zwey Tage hindurch nie von Haydns Seite. Haydn komponierte damals ein englisches Loblied auf Nelson und seinen Sieg; Milady Knight, Begleiterinn der Hamilton, hatte den Text gemacht.«
Die oft erzählte Episode, wonach sich Nelson Haydns Schreibfeder erbeten und ihm dafür seine kostbare Uhr verehrt habe, muß sich also, wenn überhaupt, in Eisenstadt zugetragen haben.
In demselben Sommer 1800 erging an Haydn eine Einladung, nach Paris zu kommen und seine »Schöpfung« zu dirigieren. Man muß diese Tatsache vom politischen Standpunkte aus als sehr bedeutungsvoll einschätzen; befand sich doch Frankreich mit dem Kaisertum Österreich mehr oder weniger eigentlich im Kriegszustande, der durch lahme Friedensschlüsse immer nur ein wenig überkleistert wurde. Um so bemerkenswerter ist es, daß die Mitglieder der Großen Pariser Oper den Entschluß faßten, die »Schöpfung« aufzuführen, und den Meister auffordern ließen, diese Aufführung selbst zu dirigieren. Haydns Schüler Pleyel, der in Paris lebte und dort schon das Bürgerrecht erworben hatte, wurde dazu ausersehen, dem verehrten Meister die Einladung der Pariser Tonkünstler zu überbringen. Pleyel reiste nach Deutschland und versuchte von dort aus einen Paß zur Weiterreise nach Österreich[165] zu erlangen. Aber trotz aller Bemühungen Haydns und der Firma Artaria, ihm bei der Staatskanzlei die Einreiseerlaubnis zu erwirken, wurde sie dem nunmehrigen französischen Bürger nicht erteilt, und Pleyel mußte unverrichteter Dinge wieder von Dresden nach Paris zurückkehren. Jedenfalls wurde durch diese dringende Einladung Haydns Reiselust wieder sehr geweckt, denn Griesinger schreibt am 15. November:
»Er erklärte mir, daß er im Sinne habe, künftiges Jahr nach Dresden, Berlin, Hamburg, und wenn Friede ist, ins Reich zu reisen; und um etwas aufführen lassen zu können, das nicht überal bekannt sey, wolle er die 7 Worte mit Gesang und vielleicht die 4 Jahreszeiten mit sich nehmen.«
Im selben Briefe berichtet Griesinger, daß diesen Abend im Leopoldstädter Theater (»dem Casperle«) die Schöpfung zum Besten des daselbst angestellten Musikpersonals gegeben werde. »Haydn war mit der Probe nur mittelmäßig zufrieden« fügt er hinzu.
Endlich erwähnt Griesinger in diesem Briefe, daß der Fürst Esterhazy seine Kapelle um acht Mitglieder vermehrt habe, so daß jetzt wieder eine vollständige Harmonie sey. »Eine verdienstvolle Aufopferung in einem Zeitpunkte, wo der Krieg so starke Beyträge erheischt.« Es handelt sich hier um die schon früher erwähnte Aufnahme der acht Bläser aus der Feldharmonie in die fürstliche Kapelle, die Haydn die Möglichkeit gab, über ein vollständiges Orchester zu verfügen. Die Vermehrung des Orchesterstandes blieb aber nicht bloß auf diese acht Bläser beschränkt; der Fürst war anscheinend jetzt öfter geneigt, einer stärkeren Besetzung der Kapelle zuzustimmen und die hiefür auflaufenden Kosten zu bewilligen. Schon aus dem Sommer liegt ein Rechnungsbeleg vor, wonach 5 Musikern, die aus Wien zur Verstärkung für das Hochamt am Feste Christi Himmelfahrt berufen wurden, die Kost-Diät und Reisegelder im Betrage von 117 fl 30 X ausbezahlt wurden; es waren zwei Waldhornisten, ein Flötist, ein Fagottist und ein Violonist (Kontrabaßspieler), die auf dem Schloßchor mitwirkten. Ein anderes Mal am 28. Oktober 1800 wurden an Haydn 12 fl vergütet, die er dem Türmermeister von der Stadt am Marientag »für 2 Dienste bestehend in 4 Trompeten und einem Paukenschläger« bezahlt hat. Auch empfiehlt Haydn,[166] »den Gabriel Lendway [war Geiger] bei gegenwärtiger Verstärkung des Orchesters als ein sehr brauchbares Individuum in Hoch Dero Dienste aufzunehmen und zwar vermöge der 2 maligen an mich mündlich erlassenen Hohen Resolution vom 1. Oct. 1800 mit jährl. 200 fl nebst gelegentlicher Zusage eines Quartiers und etwas Brennholz«.
Die Auswirkung dieses stärkeren Orchesterstandes zeigt sich vor allem in Haydns Messen, bei deren Instrumentation er stets auf die Eisenstädter Verhältnisse Bedacht nahm und nehmen mußte.
Ein Streiflicht auf Haydns damalige Lebensweise in Wien gibt folgender Passus in Griesingers Brief vom 19. November 1880: »Haydn wird diesen Winter nicht wie sonst in die Stadt ziehen, sondern in seinem Hause in einer der äußersten Vorstädte wohnen. Er lebt hier ungestörter, jeder Besuch zu ihm ist aber eine kleine Reise. ›Wenn ich auch alle Tage 1 fl für Fiakers ausgebe, sagte er mir, so kommt es mich doch nicht so hoch als ein Logis in der Stadt.‹ Beurtheilen Sie den häuslichen Mann nach dieser Rede.« Haydn bezog von da an überhaupt kein Winterquartier mehr in der Stadt, sondern lebte in den folgenden Jahren, wenn er in Wien war, nur mehr in seinem Gumpendorfer Hause.
In der ersten Dezemberhälfte mußte Haydn nach Eisenstadt; das Kaiserpaar mit großem Gefolge war nach Eisenstadt gefahren, um das Aufgebot des ungarischen Landsturmes, die sogenannte Insurrektion, zu inspizieren. Am 11. Dezember kam der Hof in Eisenstadt an, am 12. war vormittags Truppenschau, abends ein Konzert, bei welchem hauptsächlich Werke von Haydn aufgeführt wurden. Am 13. fuhr der Hof wieder nach Wien zurück; Haydn erhielt vom Kaiser eine emaillierte goldene Tabatière »mit dem Compliment, daß der Kaiser und die Kaiserinn an dem Beyfall, den ihm ganz Europa weihe, aufrichtig theilnehmen«. Das Orchester erhielt 100 Dukaten, deren Verteilung Haydn übertragen wurde.
Am 22. und 23. Dezember führte die Tonkünstler-Sozietät im Burgtheater abermals »Die Schöpfung« auf mit den Solisten der Erstaufführung; über ausdrücklichen Wunsch Haydns dirigierte Wranitzky diese Aufführung, worüber der ständige Dirigent der Sozietät, ein Herr Josef Scheidl, so verstimmt war, daß er es ablehnte, die übrigen Konzerte der Tonkünstlersozietät zu dirigieren.[167] Denkwürdiger als diese war die Aufführung der »Schöpfung«, die am 24. Dezember d.J. in Paris stattfand. Es wurde schon erwähnt, daß Pleyel den mißglückten Versuch gemacht hatte, nach Wien zu kommen und Haydn zu überreden, eine Aufführung der »Schöpfung« in Paris zu dirigieren. In Paris hatte man sich schon sehr auf die Ankunft des Meisters gefreut. In einer Korrespondenz aus Paris in der Allg. Mus. Zeitung Ende August 1800 heißt es: »Der Patriarch der neueren Musik, der berühmte Haydn, wird in unserer Hauptstadt erwartet. Herr Pleyel wird ihn, wie man sagt und hofft, bei seiner Zurückkunft aus Deutschland in unsere Mitte bringen. Die Erwartung der Liebhaber ist besonders darauf gespannt, Haydn seine ›Schöpfung‹ selbst bei uns aufführen zu hören. Der Klavierspieler Steibelt hat von seiner Reise durch Deutschland das erste Exemplar mitgebracht und es zur Aufführung im großen Operntheater bearbeitet.« Die Enttäuschuug war groß, als man erfuhr, daß Haydn nicht komme und man übertrug Steibelt die Leitung der Aufführung, die am 24. Dezember 1800 im großen Operntheater stattfand. Den Text hatte M. de Ségur nach einer schlechten Prosaübersetzung Steibelts in »jämmerliche und oft lächerliche« französische Verse gebracht. Steibelt hatte für die Aufführung einiges geändert und einiges gestrichen, darunter das schöne Duett zwischen Adam und Eva im dritten Teil. Für die Aufführung war eine kolossale, zum Teil recht geschmacklose Reklame gemacht worden. Steibelt erhoffte sich von dem Erfolg des Konzertes sowohl eine moralische Rehabilitierung (denn er war verschiedener privater Abenteuer wegen beim Publikum nicht gerade beliebt), als auch für sich und die Direktion des Opernhauses einen großen materiellen Gewinn. Leider wurden diese Hoffnungen nicht erfüllt. Der Verkauf des von Steibelt durch die Demoiselles Erard herausgegebenen Klavierauszuges wurde durch die Spekulation einiger Verleger, die schon vorher ausgewählte Stücke und Bearbeitungen des Werkes verbreiteten, stark beeinträchtigt. Das finanzielle Ergebnis der ersten Aufführung blieb hinter den Erwartungen zurück. Es waren zwar 1417 Zuhörer anwesend mit einer Einnahme von 23975 Franks, aber infolge der hohen Kosten verblieb noch ein sehr großes Defizit. Das sehr elegante Publikum, welches die Ränge des Theaters füllte, konnte die Stimmung zur aufmerksamen Erfassung[168] des Werkes nicht aufbringen. Verbreitete sich doch im Hause sehr rasch das Gerücht, daß der erste Konsul Bonaparte, der wenige Minuten nach Beginn eintraf, auf dem Wege nur mit knapper Not in der Rue Nicaise einem durch Explosion einer Höllenmaschine gegen ihn geplanten Attentat entgangen war102. Die Besprechungen der Aufführung in den Pariser Zeitungen waren nicht sehr ermutigend, und die zweite Aufführung am 12. Nivose fand nur mehr vor 700 Zuhörern statt. Jedenfalls beschäftigte das Werk die Pariser, das beweisen die mehr oder weniger witzigen Parodien, welche die kleinen Pariser Theater kurz nach der ersten Aufführung der »Schöpfung« herausbrachten: das Vaudeville gab am 8. Nivose »La Récréation du monde«, Melodram in sechs Szenen, Musik teils von Haydn, teils von den Hauskomponisten Barré, Rodet und Desfontaines, das Théâtre Favart gab am 9. Nivose »Le premier homme ou la Création du sommeil« und dasThéâtre des Troubadours am 12. Nivose »Les consequences de la création.«
Nach der ersten Aufführung fand in den Räumen des Opernhauses ein intimes Souper statt, das die prominentesten der ausführenden Künstler mit der Theaterleitung bis in die frühen Morgenstunden vereinte. Dieses Abendessen kostete den Direktor der Oper, Devismes, wegen Nichtbeachtung der polizeilichen Beleuchtungs- und Sperrvorschriften, seine Stellung. Der Eindruck, den Haydns Werk auf die Ausführenden machte, muß – auch ohne die Wirkung dieses Soupers – doch ein tiefgehender gewesen sein, sonst hätte er nicht den Entschluß gezeitigt, zur Erinnerung an dieses denkwürdige Konzert jene Medaille prägen zu lassen, die dann im nächsten Jahre mit einem Begleitschreiben an Haydn geschickt wurde. Diese und viele andere folgende Ehrungen Haydns in Paris beweisen auch die Unrichtigkeit der Behauptung Malherbes103: Haydns Reise nach Paris sei wegen des Mißerfolges der Schöpfungsaufführung aufgeschoben worden.[169]
Die näheren Einzelheiten der Erstaufführung der »Schöpfung« in London im Frühjahr 1800 hat Pohl im Anhang zu seinem »Haydn in London« mitgeteilt, weswegen sie hier übergangen werden mögen.
Das Jahr 1801 brachte die mit Spannung erwartete Uraufführung der »Jahreszeiten«; am 24. April wurden sie zuerst in kleinem Kreise bei Schwarzenberg aufgeführt, um ihre offizielle Erstaufführung am 29. Mai im großen Redoutensaale zu erleben. Die vorhergehenden Wochen und Monate konnte Haydn jedoch keineswegs ausschließlich dazu benützen, sich ganz der Fertigstellun des Werkes und den Vorbereitungen der ersten Aufführung hinzugeben. Mannigfache Anforderungen traten an Haydn. den bald Siebzigjährigen, heran; Betätigung als Komponist, als Bearbeiter verschiedenartigster Werke sowie als Dirigent seiner eigenen Tonschöpfungen. Die Arbeitskraft und die Elastizität des Meisters war eine erstaunliche. Die Konzerte zu Beginn des Jahres 1801 standen im Zeichen der Kriegsfürsorge. Am 3. Dezember 1800 war die unglückliche Schlacht bei Hohenlinden geschlagen worden, und es galt jetzt, Mittel zur Pflege und Unterstützung der Verwundeten herbeizuschaffen. Zuerst mußte natürlich Haydns »Schöpfung« diesem Zwecke dienen. Am 16. Jänner im großen Redoutensaale unter Haydns Leitung aufgeführt, ergab sie, wie Rosenbaum berichtet, eine Einnahme von 7183 fl. Griesinger schreibt darüber: »Diese Musik scheint bestimmt zu seyn, alle Sammlungen zu guten Werken zu befördern, und verfehlte auch diesesmals den Zweck keineswegs. Haydn dirigierte selbst mit jugendlichem Feuer.« Künstlerisch interessanter ist eine andere Veranstaltung, die Madame Christine Frank geb. Gerardi, die ausgezeichnete Sängerin, am 30. Jänner im großen Redoutensaale gab. Sie wollte sich zuerst Haydns Mitwirkung sichern und wendet sich dieserhalb brieflich an den Fürsten Esterhazy, der diesen »größten Kapellmeister Europas« in seinen Diensten hat; Haydn, vom Fürsten dazu ermächtigt, verspricht ihr, »2 noch weniger aufgeführte Symphonien vorzutragen und selbst die Direktion zu übernehmen104«. Auch Beethoven sagte ihr gerne zu als Komponist wie als Pianist in diesem Konzerte aufzutreten und mit Wenzel Punto[170] die für diesen geschriebene Waldhorn-Sonate in F op. 17 zu spielen. Die Konzertgeberin wußte ihrem eigenen Programm dadurch erhöhten Reiz zu geben, daß sie Werke des erst kurz vorher (11. Januar 1801) in Venedig gestorbenen, in Wien sehr beliebten Komponisten Cimarosa sang. Rosenbaum schreibt in sein Tagebuch am 30. Januar 1801: »Red. Saal Concert Probe der Franck ich wurde d. Franck aufgeführt, ein munteres liebes Weibchen. Th. erhielt Billett von Franck selbst. Abds. Concert zum Drucken voll Franck gebohrene Gerardi, Wittmann u. Simoni sangen a.d. Oper Merope von Nasolini u. Horazier von Cimarosa. Beethoven spielte eine Sonate, Punto accompagnierte auf dem Waldhorn. Haydn dirigierte 2 seiner eigenen Symphonien. Die Einlage belief sich über 9400 fl., wozu der Hof mächtige Beiträge machte. Franck sang mit vieler Kunst und Ausdruck ganz nach Crescentini. Etwas lang währte es.« Der »wiederaufgelebte Eipeldauer« schrieb über das Konzert105: »'s erstemal bin ich gegangen um d'musikalische Akademi z'hörn, die ein brave gnädige Frau zum Besten der verwundeten Soldaten gebn hat, und weil desmal ein schöne Frauenzimmerstimm z'hörn gwesen ist, so ist der Zulauf von der galanten Welt viel größer gwesen, u. es sind über 9000 f. eingegangen. Noch nie habn mich meine 2 f. weniger greut, als desmal. Der berühmte Musikkünstler, der d' Schöpfung gmacht hat, hat auch wieder ein neue Simphoni erschaffen und die ist wunderschön ausgfalln.«
Nicht bloß Haydn selbst und seine nähere Umgebung sah der Fertigstellung der »Jahreszeiten« erwartungsvoll entgegen; in der ganzen musikalischen Welt knüpfte man hochgespannte Erwartungen an dieses Werk. So erschien in der Allg. Mus. Zeitung vom 4. Februar 1801 (S. 336) folgende Notiz: »Haydn gedenkt nächsten Sommer in das nördliche Deutschland zu reisen und seine, der Vollendung sich nähernden Jahreszeiten an den bedeutendsten Orten selbst aufzuführen. Möge er bei diesem Vorsatz bleiben und ein gütiges Schicksal ihm dessen Ausführung erleichtern! Die ehrenvollste huldigendste Aufnahme erwartet ihn überall.« Die Arbeiten, die Haydn um diese Zeit neben den »Jahreszeiten« ausführte, konnten naturgemäß nur geringfügiger Art sein. War doch seine[171] Arbeitskraft ganz von dem großen Werke in Anspruch genommen, so daß er sich nicht bloß geistig, sondern auch körperlich fast erschöpfte. Fünf Jahre später äußerte er sich, ganz mutlos über seine Schwäche: »Noch vor acht Jahren war es anders, aber die vier Jahreszeiten haben mir die Übel zugezogen. Ich hätte sie nie schreiben sollen. Ich habe mich dabei übernommen.« Wie Griesinger berichtet, richtete die Direktion der Wiener Hoftheater an Haydn die Einladung, ein Kantate auf den Frieden in Musik zu setzen. Er schlug es aus, »weil er mit den vier Jahreszeiten schon genug zu tun habe«. Auch die Vertonung eines ihm von Breitkopf übersandten Kantatentextes lehnte er ab. Dagegen bearbeitete er ganz gerne die ihm von Thomson übersandten Schottischen Lieder, da diese Arbeit leicht vonstatten ging und verhältnismäßig gut bezahlt wurde. Thomson schrieb hierüber am 10. Januar an seinen Gewährsmann Straton:
»Edinburgh 10th January 1801.
I shall be very happy to hear that Haydn has done the Ritornelles and Accompaniments to the 25 Songs now in his possession and you will oblige me much by putting him in mind of them as you propose. I must further intreat you taking the trouble to send the other 5 to the Doctor, which are here inclosed with a request that he will be so good as to do them immediately, at least that he will let me have the first three within a fortnight or three weeks. The 5 Airs which were inclosed in the Original of this letter, are: There cam a young man to my daddie's door – in C for the Song of the Gaberl. man Mary' dream; The weary pund of Tow: Mcpherson's farewell; The deil's awa wi' th' Exciseman.«
Und Straton antwortet hierauf:
»Vienna Feb. 3d 1801.
Haydn has promised to send me his Composition in eight or ten days and it shall be forwarded to you by the first safe opportunity.«
Inzwischen hatte sich Griesinger wegen der Herausgabe der »Sieben Worte« durch Breitkopf & Härtel bei Haydn angesetzt und dessen Zustimmung erlangt. Er schreibt darüber:[172]
»Wien, 11. Februar 1801.
Um dem Unternehmen [Verlag der 7 Worte] mehr Authentität zu geben, schlug ich H. vor, ob es nicht zweckmäßig wäre, dem Werke einen ganz kurzen Vorbericht und seines Namens Unterschrift vorzudrucken. Weil er sich zum Buchstabenschreiben schwer entschließt, so trug er mir das auf, und ich werde es Ihnen mit einer der nächsten Posten überschicken; er soll nur H.s ipsissima verba enthalten.« Am 21. Februar berichtet er über ein Unwohlsein Haydns: »Vater Haydn konnte Ihnen nicht schreiben; er liegt wieder an einem Kopffieber krank, das er sich durch zu starke Anstrengung zuzog. Jetzt geht es wieder besser. Er sagt, er müsse Ihnen, sobald er gesund werde, wegen eines Zwischenstückes schreiben, welches Sie in den 7 Worten finden werden. Wenn es mit der Ausführung dieses Entschlusses, wie gewöhnlich, zu lange anstehen sollte, so will ich mir von Haydn eine mündliche Erklärung erbitten, und Ihnen dieselbe mittheilen. Er wünschte in den Vorbericht den Brief einrücken zu lassen, der ihm von Cadix geschrieben wurde, als man ihn zur Composition der 7 Worte aufforderte. Der Brief liegt unter anderen Papieren zu Eisenstadt. Haydn erwartet ihn alle Tage und will mir ihn alsdann zuschicken. Moreau ließ die Schöpfung in Salzburg, wo einer von Haydns Brüdern lebt, aufführen. Der Beyfall war allgemein.«
Mitte März war Haydn wieder hergestellt, wie wir aus Griesingers Briefen und Rosenbaums Tagebuch entnehmen In letzterem finden sich einige interessante Eintragungen: »1801. Sonnabend d. 14. März. Nach Mittag besuchten wir Haydn. Wir blieben ein paar Stunden bey ihm, unter anderem sprachen wir auch von der Saal, darüber äußerte er sich wie folgt: ›Sie hat viererley Stimme, bald ist sie oben, bald unten im Baß, wie eine Klosterfrau, sie ist lauter Grimasse und Koquette mit dem Parterre, voll Smorpheus, sie weiß recht gut, daß ich sie nicht mag, denn sie wird nie eine große Künstlerin.‹ Ich staunte nicht wenig über dieses Bild, auch bat er Th. sich wegen der Altistin Hammer106 anzunehmen, sie umzuziehen, zu schminken, kurz sie zu adjustieren.«[173]
Am 25. März führte man Haydns »Schöpfung« im Leopoldstädter Theater auf; am 29. und 30. März in einer Akademie der Tonkünstler-Societät im Burgtheater als zweite Abteilung Haydns »Sieben Worte« unter Leitung des Meisters107. Rosenbaum berichtet über diese Aufführungen: »Mittwoch 25. März im Leopoldstädter Th. Schöpfung. Unterhielt mich da recht angenehm. Sonnabend d. 28. Einnahme der Casentini. Dorfbarbier. Geschöpfe des Prometheus von Salo Vigano. Musik von Beethoven. Früh ging ich in die Probe von den 7 Worten. Haydn war außerordentlich galant mit Th. welche die Hammer heute ins Theater lud, dann zum Schlafen behält. Die Hammer kam nach Mittag, ging mit Th. ins Burgtheater und schlief bei uns. Das Ballett gefiel gar nicht, die Musik wenig. Ich war im orgester, Th. in der Loge. Am Ende wurde das Ballett mehr ausgezischt als beklatscht.[!?] Sonntag, 29. März (Burgtheater) sang Th. vortrefflich und Haydn machte ihr mehrere Complimente. Die Hammer, welche bey ihrem Putz voll Laune war, schlief wieder bei uns. Weinmüller, welcher heiser wurde, sprach den Saal an, für ihn zu singen, dieser wies ihn mit Grobheiten ab. Montag, den 30.: Th., Hammer und ich gingen zusammen über die Bastey nach Hause, wo unser Jean Haydn wartete. Wir speisten zusammen. Nach Mittag kam die Mozart, die Levesre (sic!) und Agnes, welche die Pepi (Hammer) frisierte. Ich ging mit den Herren herum, zum Riedl, dann in unsere Loge. 2. Auff. d. 7 Worte. Trotz der Uebelkeit sang Th. doch vortrefflich.«
Wir erfahren hieraus, daß Haydns jüngster Bruder Johann, Sänger in der fürstl. Esterhazyschen Kapelle, um diese Zeit in Wien weilte. Griesinger erwähnt auch eine private Aufführung der »Schöpfung« in italienischer Sprache, die zu dieser Zeit beim Fürsten Lobkowitz stattfand.
Die »Sieben Worte« waren inzwischen im Druck bis zur Veröffentlichung gediehen. Haydn weigerte sich zuerst, den von Griesinger verfaßten Vorbericht zu den »Sieben Worten«, den er vier Wochen bei sich liegen hatte, zu unterfertigen. Nach Haydns Genesung drang Griesinger in ihn; Haydn hatte wieder Bedenken, da, wie er sagte, er die »Sieben Worte« nicht selbst herausgebe.[174] Endlich erklärte er sich bereit, auf das einzugehen, was Swieten sagen würde. Griesinger ging zu Swieten, dieser ersuchte, seinen Namen in der Vorrede wegzulassen, rügte auch einiges an Rechtschreibung und Redewendung, gab aber sonst sein Einverständnis. Darauf gab Haydn seine Unterschrift.
Seine Einwilligung ließ sich Haydn sofort bezahlen und brachte gleich seinen Lieblingswunsch vor: »Haydn läßt bitten«, schreibt Griesinger, »daß Sie ihm in Leipzig ein Dutzend seidener ostindischer Schnupftücher von guter Qualität einkaufen; man kann sie hier nicht bekommen, und die, welche er aus England mitbrachte, fangen an zu zerreißen. Die Farbe ist ihm gleichgültig. Sie möchten sie waschen und mit J.H. bezeichnen lassen, weil er sonst auf der Mauth belangt werden könnte. Am Wsten M. werden die 7 Worte zum Besten der Musiker Wittwen im Nationaltheater aufgeführt. Ich freue mich darauf, denn ich höre sie zum Erstenmale. Bey dem Fürsten Lobkowitz wird die Schöpfung in italienischer Sprache gesungen werden.« Solche und ähnliche, ja weit kostbarere Geschenke gab es für unseren Meister zu wiederholten Malen. So meldet gleichfalls Griesinger in einem Brief vom 15. April d.J. 1801: »Die Frêres Erard in Paris haben Haydn einen schönen Flügel nach englischer Art, von Mahony mit Bronze verziert, zum Geschenk gemacht.« Haydn soll die Spielart dieses Flügels später als zu schwer befunden haben und ließ es durch ein leichter spielbares ersetzen. In den Verlassenschaftsakten heißt es über des Meisters Klavierinstrumente: »Ein mit Magahoni-holz ausgelegtes mit Metall verziertes französisches Pianoforte vom tief F hoch C 51/2 Octave mit den gewöhnlichen Veränderungen von Erard – hat der Universalerbe zurückbehalten. Ein detto aus massiven Magahoniholz die Klaviatur ebenso wie oben von Longman108 geschätzt 300 f., verkauft 700 f.«
Die Herausgabe der »Sieben Worte« gab inzwischen allen Beteiligten, unserem Meister, der Firma Breitkopf & Härtel und Griesinger noch viel zu schaffen. Es handelte sich vor allem darum, das Werk gleichzeitig in einer italienischen Übersetzung herauszugeben. Griesinger schreibt hierüber am 3. April:[175]
»Wien den 3. April 1801.
Werthester Freund.
Da ich niemand kenne, der im Stande wäre die italienische Übersetzung der 7 Worte zu besorgen, so wandte ich mich an Bar. Swieten und fragte ihn um Rat. Er war mit der Übersetzung der Schöpfung von einem gewissen Carpani ... äußerst zufrieden und ich hoffte, Swieten werde mir eine Adresse von ihm geben. Sw. sagte mir aber, Carpani sey ein vermöglicher, unabhängiger Mann, dem man einen solchen Auftrag nicht machen könne; die Schöpfung habe er nur auf Bitten der Kaiserin übersetzt.
Sw. wünschte, daß der teutsche Text [der, ›Sieben Worte‹] gebessert würde; er ist von einem Passauer Geistlichen aus Kirchenliedern zusammengeflickt, und Sw. hat nur hie und da etwas daran geändert.«
Endlich gelang es Griesinger, in der Person des Rechtsanwaltes Sarchi eine Persönlichkeit zu finden, die sich – hauptsächlich aus Kunstbegeisterung – zu der Arbeit des Übersetzens bereit erklärte. Auch kleine Wünsche und Winke Haydns bezüglich der »Sieben Worte« gibt Griesinger der Firma bekannt, unter denen der nachfolgende Erwähnung verdient:
»Wien, d. 15. April 1801.
Was er [Haydn) Ihnen wegen der 7 Worte sagen wollte, werden Sie selbst wissen, nehmlich daß die Harmoniemusik vor dem Worte ›Sitio‹ nicht nothwendig vollstimmig seyn müsse, und daß er sie selbst öfters ohne die Blasinstrumente habe aufführen lassen.«
Zwei öffentliche Aufführungen Haydnscher Werke in Wien werden noch aus der ersten Hälfte des Monates April gemeldet. Die Aufführung einer Sinfonie im Redoutensaale vor der Cantate »Das beste Geschenk« von Weigl am 5. April und die Aufführung einer Messe bei den Jesuiten: bei beiden ist nicht bekannt, um welche Werke es sich handelt. Die Vorarbeiten zur Uraufführung der »Vier Jahreszeiten« waren indessen beendet. Das ursprünglich hierfür angesetzte Datum (15. April) erfuhr eine Verschiebung, weil die Solisten mit dem Einstudieren einer neuen Oper – Bathmondi von Lichtenstein – beschäftigt waren. Nachdem diese Premiere vorbei war – glücklich kann man nicht sagen,[176] denn die Oper wurde ausgepfiffen –, war der Weg frei für die Aufführung von Haydns Werk. Auch dann scheint es von seiten der Hoftheater noch kleine Schwierigkeiten gegeben zu haben, denn Rosenbaum, der allerdings infolge Übergehung seiner Therese bei den Haydnschen Aufführungen gekränkt war und daher kein sehr wohlwollender Chronist ist, schreibt am 21. April in sein Tagebuch: »Eckhart war meistens auf dem Theater und hörte das Winseln der Saal, daß sie am Freytag, weil sie Abends beym Schwarzenberg die 4 Jahreszeiten von Haydn hat, keine Probe von der Oper des Eberl macht.« Freitag, den 24. April abends 61/2, Uhr fand dann nach zwei vorhergegangenen Generalproben, »wobey jedem honnetten Mann der Zutritt gestattet war«, die Aufführung im Schwarzenbergschen Palais statt, die wieder in derselben Weise arrangiert war wie die Uraufführung der »Schöpfung«. Wieder zahlte die adelige Liebhabergesellschaft die Kosten, die sich für den einzelnen auf 195 fl. beliefen, wieder übernahm der Fürst Schwarzenberg auf seine Rechnung die Kosten der Wache, der Hinwegräumung der Mehlstände und Säcke am Neuen Markte und die Kosten der Beleuchtung. Wieder sangen auch diesmal Demoiselle Saal und ihr Vater sowie Professor Rathmayer die Solopartien unter Leitung Haydns. Die Aufführung wurde am 27. April und am 1. Mai im Schwarzenbergpalais wiederholt. Das Urteil über das Werk war gleich nach diesen ersten Aufführungen ein günstiges, wenngleich nicht so begeistert wie bei der »Schöpfung«. Griesinger schreibt, er war »Zeuge von dem allgemeinen Enthusiasmus, womit das Werk aufgenommen wurde. Die Stimmen, welche (meistens nur a priori) dagegen sind, wären hier bekehrt worden«.
Graf Zinzendorf schreibt in seinem Tagebuch (wie immer mehr über das Gesellschaftliche als das Künstlerische des Konzertes):
»1801. 24 avril. A 61/2 je me fis porter au concert des Saisons. Il ne commença qu' à 7h, je me trouvois à côté du Mr. Muzzarelli ma voisine à gauche ne voulut pas destiner son nom. L'archiduc Ferdinand l'Electeur, le Pce Starhemberg étaient là. Le Printems a de la musique douce un Freuden duett et un Hymne qui plait. L'Été exprime bien la longueur generale qu'occasionne le chaud. L'orage est rebattu. L'Automne est très varié, un Hymne au travail, les noisettes, l'amour des champs, le limier, la chasse au liêvre, la chasse a course, [177] les vendanges un tapage incroyable (!), L'Hiver, le chanson des fileuses la romance d'Annette sur la morale et un Hymne. Cela est long.«
Der Erfolg steigerte sich von Aufführung zu Aufführung, weshalb Haydn und seine Freunde darangingen, sofort eine öffentliche Aufführung zu veranstalten, welche für den 29. Mai festgesetzt wurde. Vorher wurde noch bei Hof am 24. Mai eine Aufführung der »Jahreszeiten« in kleinem Kreise unter Haydns Leitung veranstaltet, der am nächsten Tage eine Aufführung der »Schöpfung« folgte. Die Kaiserin Marie Theresia sang selbst in beiden Werken die Sopranpartie; nach Haydns Versicherung hatte sie »viel Geschmack und Ausdruck, aber ein schwaches Organ«. Ort der ersten öffentlichen Aufführung am 29. Mai war der Redoutensaal; Rosenbaum schreibt zwar: »es war nicht sehr voll und kaum über 700 Personen«, aber er ist, wie erwähnt, hierin nicht ganz verläßlich109. Die Kosten des Konzertes, dessen Einnahmen110 ganz Haydn zuflossen, wurden von der adeligen Gesellschaft getragen, die auch außerdem ein Honorar von 600 Dukaten für Haydn aussetzte. Die Höhe eines Beitrages war 345 fl; Fürst Schwarzenberg scheint, nach einer im fürstlichen Archiv vorhandenen Quittung zu schließen, zwei Anteile übernommen zu haben. Unter den Anwesenden war Mme. Storace, die berühmte englische Sängerin, die jetzt Zeugin von Haydns Triumphen in seiner Vaterstadt sein konnte.
Die »Jahreszeiten« wurden bald populär, und die einzelnen Melodien daraus wurden überall gesungen. Die Popularität des neuen Werkes benützend, veranstaltete der Mechanikus Mälzl in der Kärntnerstraße mechanisch-optische Aufführungen der »Jahreszeiten«. Die Szene, durch Figuren belebt, verwandelt sich viermal, beim Sommer gab es Donner, Blitz und wirklichen Regen, im Winter schneite es, und in der Perspektive verschlang eine Lawine eine Alpenhütte. Ein verbindender Text wurde gesprochen, die Klavierbegleitung folgte der Original-Musik111.[178]
Von den Aufregungen und Anstrengungen, die Haydn da mitzumachen hatte, scheint er aber stark mitgenommen worden zu sein. In all den folgenden Jahren, insbesondere in den letzten Monaten seines Erdendaseins, kommt er immer darauf zu sprechen, wie sehr die Komposition der »Jahreszeiten« seine Kräfte aufgezehrt habe. Die Schuld daran gab er dem Swietenschen Text, den zu komponieren ihm solche Pein bereitet habe: »Aber die Worte sind auch gar zu wenig! Nein, sie sind wahrlich zu wenig! Ganze Tage habe ich mich mit einer Stelle plagen müssen, – denn – nein, das glauben Sie nicht, wie ich mich gemartert habe.«
Die Überzeugung von seinem physischen Niederbruch hatte sich in Haydn so festgewurzelt, daß er begann, sein Testament aufzusetzen. Nach der ursprünglichen Datierung des Testaments wäre es am 5. Mai begonnen worden; das scheint aber ein Irrtum oder Schreibfehler Haydns zu sein, denn Griesinger, der ziemlich genau ist, schreibt am 5. Juni: »Er setzte eben sein Testament auf, als ich zu ihm kam.« Dieses erste Testament erfuhr noch viele Zusätze und Verbesserungen, bis Haydn es dann am 6. Dezember abschloß112; allerdings blieb es nicht in Geltung, denn am 7. Februar 1809 setzte er seinen zweiten und endgültigen letzten Willen auf. Trotz dieses – wenigstens nach außen hin gezeigten – mangelnden Vertrauens in seine physischen und geistigen Kräfte gingen unserem Meister doch allerhand Pläne zu neuen Arbeiten durch den Kopf und kamen teilweise sogar zur Ausführung. Vor allem beschäftigte sich Haydn mit der Idee, seinen beiden großen Meisterwerken, die ihm so reiche Erfolge gebracht hatten, noch ein drittes ähnlicher Art folgen zu lassen. Mehr als ihn selbst beschäftigte diese Idee seine Freunde und die Textdichter. Swieten, der – nicht mit Unrecht – an Haydns Erfolg mitparticipierte und sich für Haydns Tätigkeit verantwortlich fühlte, beabsichtigte »noch ein tragisches und noch ein komisches Sujet für Haydn zu bearbeiten, um die Welt von Haydns allumfassendem Genie zu überzeugen«. Daher mußte Griesinger, von dem diese Mitteilung stammt, die Pläne, die andrerseits wieder Breitkopf & Härtel für und mit Haydn hegten, vor van Swieten geheimhalten. Die Firma sandte durch Griesingers Vermittlung an[179] Haydn einen Kantatentext, den der Meister aber ohne das Urteil und die Zustimmung van Swietens nicht komponieren wollte; dieser aber würde die Kantate doch nur – wie Haydn meinte – als eine Ilias post Homerum ansehen, und so hatte es damit sein Bewenden. Haydn selbst wollte, nachdem er das göttliche Walten in der »Schöpfung« und das menschliche Tun in den »Jahreszeiten« besungen hatte, jetzt mit seiner Kunst sich dem Ende aller Dinge zuwenden, ein textlicher Vorwurf, der auch den Beifall der Kaiserin fand. Von zwei solchen Vorlagen, einer betitelt »Das jüngste Gericht« von J.J. Scheiger und einer zweiten »Die vier letzten Dinge« von Christian Kuffner, von dem auch die Verse zur Beethovenschen Chorfantasie113 herrühren, hatte der zweite Text zwar das Gefallen Haydns erregt, so daß er über einen Chor der reuigen Sünder Tränen vergoß114, aber zur Komposition kam es nicht. Haydn wollte einen Text von einem hervorragenden Dichter aus dem Goethe-Schillerschen Kreise; nach Weimar richteten sich seine Blicke und fielen auf Wieland, von dem er, wie wir noch hören werden, sehr gerne ein Textbuch für ein Oratorium gehabt hätte. Stand demnach die Komposition eines großen Werkes in weiter Ferne und sollte auch nie mehr zur Ausführung kommen, so stammen doch aus dieser Zeit kleine Arbeiten, die Zeugnis von seiner Schaffenskraft ablegen.
Am 4. Juli berichtet Griesinger, daß Haydn jetzt sechs Quartette für den Fürsten Lobkowitz mache und dann dem Grafen Fries sechs Quin tette, die er ihm schon vor mehreren Jahren versprochen habe, komponieren wolle. Breitkopf & Härtel waren natürlich sofort bemüht, diese Werke für sich zu erwerben. Aber Griesinger dämpft diese Hoffnung, indem er am 24. Juli schreibt: »Die sechs Quartetten, die Haydn für Lobkowitz komponiert hat, sind des letzteren Privateigenthum, und Haydn wird gut dafür bezahlt. Jetzt sind erst vier davon fertig [?]; vielleicht kann Haydn nach Jahr und Tag darüber disponieren. Ich halte es für weit zuträglicher, diese Verhandlung so wie Ihr Anliegen wegen der Messe auf eine mündliche Unterredung mit Haydn aufzusparen.«[180]
Was es mit diesen vier Quartetten, die für Lobkowitz komponiert wurden, für eine Bewandtnis hatte, ist nicht zu ergründen. Zwei Quartette, Op. 77 in G-und F-dur, für Lobkowitz komponiert und ihm dediziert, sind, wie früher schon mitgeteilt, im Jahre 1799 entstanden. Artaria gab sie im Jahre 1802 heraus, und gleich darauf veranstalteten Breitkopf & Härtel einen Nachdruck. Sie ernteten so großen Beifall, daß Breitkopf & Härtel noch im selben Jahre 1802 im Dezember eine Neuauflage veranstalteten. Von weiteren Quartetten, die Lobkowitz gewidmet waren, ist jedoch nichts bekannt geworden, ebensowenig wie von den bei Griesinger erwähnten Quintetten. Entweder zog Haydn aus seiner unerschöpflichen Schreibtischlade ältere Werke hervor, die er umarbeitete und für neue ausgab, oder es sind die Stücke verloren gegangen; letzteres ist aber kaum anzunehmen, da hinter jeder in den letzten Jahren Haydns geschriebenen Note ein ganzer Schwarm von Aufpassern, Verlegern, Bewunderern und Neidern her war. Die Komposition eines Werkes steht um diese Zeit fest: Der Messe in B-dur, der sogenannten »Schöpfungsmesse«. Die handschriftliche Partitur in Eisenstadt ist datiert »28. July«. Damit ist der Beginn der Niederschrift, nicht deren Vollendung gemeint, denn am 13. September wurde in Eisenstadt eine neue Messe von Haydn aufgeführt, die er eben erst fertiggestellt hatte, die also nur die »Schöpfungsmesse« sein kann. Ein an einen unbekannten Freund gerichteter Brief aus Eisenstadt vom 11. September lautet folgendermaßen:
»Lieber Freund!
Ich schätze mich glücklich, Ihnen mit meinem Zeugnis eine kleine Gefälligkeit erweisen zu können, um so mehr, da Sie diese wichtige Stelle in Wahrheit, und ohne schmeicheley vermög Ihren vielfältigen Verdiensten und einsichten vor allen Andern verdienen, zu welcher ich Ihnen herzlich gratuliere; ich möchte Ihnen wohl gerne ein mehreres schreiben, aber eben bin ich armer alter Knab mit meiner neuen Meß, so übermorgen produciert werden muß beym Schluß. in dessen hoffe ich Sie bald in Wienzusehen und bin mit vollkommender Hochachtung
Lieber Freund
Ihr dienstfertigster Diener
Joseph Haydn.«[181]
Auch mit den drei- und vierstimmigen Gesängen, diesen zierlichen, kleinen Gaben eines auf reifster Höhe stehenden Meisters, hat er sich in diesem Sommer des Jahres 1801 wieder beschäftigt. So nebenher ging auch die Bearbeitung schottischer Lieder für Thomson, der über Anregung seines Mittelsmannes Straton ein Dutzend ostindische Seidentücher und eine Schnupftabaksdose an Haydn schickt. Zwei Ehrungen erfuhr unser Meister in diesem Sommer, die zeigen, wie sehr sein Ruhm bereits allerorten verbreitet war. Er wurde von der Gesellschaft der Verdienste zu Amsterdam, die den Titel »Felix meritis« führte, zum Ehrenmitgliede ernannt, und außerdem erhielt er im August die goldene Medaille aus Paris, die anläßlich der ersten Aufführung der »Schöpfung« dort geprägt worden war.
Aus Amsterdam war zuerst bei Haydn durch den Sekretär der Gesellschaft A. Buijn angefragt worden, ob Haydn die Mitgliedschaft anzunehmen bereit sei. Auf seine zusagende Antwort erhielt er das Diplom zugesandt, welches in deutscher Übersetzung lautet:
»Die Gesellschaft der Verdienste, errichtet zu Amsterdam unter dem Denkspruch ›Felix meritis‹, wünschet einem jeden Glück und Segen. Da ihre Absichten hauptsächlich dahin ziehen, das allgemeine Wohl der Inländer dieses Landes, durch die Kenntnis der wahren Verdienste, durch die Übung und Pflegung nützlicher Künste und Wissenschaften, und derart das Blühen und Zunehmen ihres Handels, ihrer Seefahrt, ihres Ackerbaues, ihrer Fabriken etc. zu befördern; so kann ihr nichts angenehmeres sein, als die Anzahl ihrer Mitglieder durch gutgesinnte, fähige und kundige Männer immer wachsen zu sehen.
Um also den Endzweck ihrer Einsetzung zu erreichen, hat sie Joseph Haydn, Professor der Musik, Mitglied der schwedischen Königlichen Musicalischen Academie und Kapellmeister in wirklichen Diensten bei S.D. Fürsten v. Esterhazy, zum Außerlandes honorar Mitgliede dieser Gesellschaft in der Hoffnung ernannt und aufgenommen, daß gemeldeter Josef Haydn zur Erwirkung ihrer heilsamen Absichten mitwirken, und ihrer schmeichelhaften Erwartung entsprochen werde.
Zum Beweise dieser Aufnahme hat die Gesellschaft Mehrgemeldeten mit gegenwärtigem offenen Briefe beehrt, der mit der Handschrift ihrer hiezu bewendeten Kommission und mit ihrem Insiegel bekräftigt worden.
Geschehen zu Amsterdam den 4. Mai 1801.
Wagtendorp, Präsidierender Kommissär,
Sekretär. Jaques Breguet.«
Haydns Antwort darauf – etwas umständlich und kratzfüßig – lautete folgendermaßen:
»Hochgelahrte Herren!
Den gütigen Beyfall, womit die Werke meines geringen Talents bis jetzt beynahe überall aufgenommen wurden, habe ich für den[182] schönsten, aber zugleich auch für den einzigen Lohn angesehen, den ich mir bisher versprechen konnte. Wenn sich aber eine Versammlung von Männern anschließt, die kein anderer Titel als das nur allein entscheidende Verdienst vereinigt, mich in ihren erhabenen Cirkel aufzunehmen; dann sehe ich mit hohem Blick auf die Arbeiten von 70 vollen Jahren zurück, die ich mit ununterbrochener Anstrengung auf eine Kunst verwandt habe, die mir in meinem sinkenden Alter eine so unversiegbare Quelle von Ehre und Freuden wird. Ja, verehrungswürdige Herren, Sie erfüllen mein Herz mit den süßesten Empfindungen. Sie beleben von neuem mein graues Haupt, indem Sie mir die schöne Zuversicht geben, daß, wenn auch meine Werke von der Nachwelt ungeschätzt würden, mein Name, umstrahlt vom Glanze der Ihrigen, nicht ganz vom Strome der Vergessenheit verschlungen werde. Durch dieses öffentliche Denkmal von Hochachtung, welches Sie auf eine so ehrenvolle Art dieser Kunst darbringen, erhalten Sie ein volles Recht auf den bleibenden Dank der Nachwelt; denn durch dieses edle Verfahren erwecken Sie die schlafenden Talente. Sie bezeichnen ihnen die Bahn und zugleich den Lohn, der sie am Ziele erwartet. Empfangen Sie daher die aufrichtigsten Versicherungen, daß mein Herz ganz von dem innigsten Dankgefühle durchdrungen sey, womit es Ihre schmeichelhaften Ehrenbezeugungen erfüllen, und daß ich einst mit wahrer Seelenruhe von meiner Laufbahn abtreten werde, da mich der süße Gedanke belebt, daß mein Platz nie unbesetzt bleiben wird, weil sich alle Verdienste vereinigen, diese Kunst in ihren Schutz zu nehmen.
Ich bin usw.«
Die französische Medaille, die er von den bei der Erstaufführung der »Schöpfung« in Paris beteiligten Musikern erhielt, war von Gatteaux entworfen und medalliiert. Sie zeigt auf der Aversseite Haydns Kopf, auf der Reversseite eine Lyra, über welcher eine Sternenkrone schwebt. Die Umschrift lautet: Hommage à Haydn, par les Musiciens, qui ont exécuté l'Oratoire de la Création du Monde au théâtre des Arts l'an IX de la République Française en MDCCC.
Begleitet war die Medaille von einer Adresse, die im französischen Urtext also lautete:
[183] »Paris ce 1 Thermidore an IX.
de la République Française.
Les artistes français réunis au théâtre des Arts, pour éxécuter l'immortel ouvrage de la Création du monde composé par le célèbre Haydn, pénétrés d'une juste admiration pour son génie, le supplient de recevoir ici l'hommage du respect, de l'enthousiasme, qu'il leur a inspiré et la médaille qu'ils ont fuit frapper du son honneur.
Il ne se passe pas une année qu'une nouvelle production de ce Compositeur sublime ne vienne enchanter les artistes, éclairer leurs travaux, ajouter aux progrès de l'art, étendre encore les routes immenses de l'harmonie et prouver qu'elles n'ont pas de bornes en suivant les traces lumineuses, dont Haydn embellit le présent et sait enrichir l'avenir. Mais l'imposante conception de l'oratorio surpasse encore, s'il est possible, tout ce que le savant compositeur arait offert jusqu'ici à l'Europe étonné.
En imitant dans cet ouvrage les feux de la lumière, Haydn a paru se peindre lui-même, et nous prouver à tous, que son nom brillerait aussi longtemps que l'astre dont il semble avoir emprunté les rayons.
Si nous admirons ici l'art et le talent avec lequel Mr. Gatteaux a si bien rempli nos intentions en gravant la médaille que nous offrons à Haydn nous devons rendre hommage aussi à la noblesse des sentimens, avec lesquels il s'est contenté pour son ouvrage, le la simple gloire, qu'il receuille aujourd'hui.
Rey, chef d'orchestre du théâtre des Arts.
Legur le jeune, Auvray, R. Rousseau etc. etc.«
(hundertvierzig Unterschriften insgesamt.)
Der österreichische Gesandte in Paris, Graf Cobenzl, besorgte die Expedition nach Wien, und hier war es der Kabinettsminister Graf Colloredo, der die Weiterleitung an Haydn durchführte. Beide Diplomaten benützten die Gelegenheit, um in ihren Begleitbriefen dem gefeierten vaterländischen Künstler ihre Verehrung auszudrücken. Haydn dankte im folgenden Schreiben den Pariser Künstlern:
»Meine Herren! Es kö it besonders großen Künstlern zu, Ruhm zu ertheilen, und man darf auf dieses schöne Vorrecht mehr Anspruch machen als Sie; Sie, welche die gründlichste und einsichtsvollste Theorie mit der geschicktesten und vollkommensten Execution verbinden, wie Schleier über die Mängel der Werke der Komponisten werfen, und oft Schönheiten in denselben entdecken, welche sie selbst nicht vermuthet hatten! Auf solche Art haben Sie sich durch Verschönerung der Schöpfung das Recht erworben, an dem Beifall Theil zu nehmen, welchen diese Composition erhalten hat. Diese Gerechtigkeit, die ich Ihnen wiederfahren lassen muß, läßt Ihnen auch das Publikum wiederfahren. Die Hochachtung desselben für Ihre Talente ist so groß, daß Ihr Beifall den seinigen[184] bestimmt, und daß Ihr Beifall für diejenigen, die ihn er halten, gewissermaßen ein anticipirter Ruhm der Nachwelt ist. Ich habe oft gezweifelt, daß mich mein Name überleben würde: allein Ihre Güte flößt mir Vertrauen ein, und das Denkmal, womit Sie mich beehrt haben, berechtigt mich vielleicht, zu glauben, daß ich nicht ganz sterben werde. Ja, meine Herren, Sie haben an einem Tage die Arbeiten von 60 Jahren belohnt; Sie haben meine grauen Haare gekrönt und den Rand meines Grabes mit Blumen bestreut. Mein Herz kann nicht alles ausdrücken, was es empfindet, und ich kann Ihnen meine tiefe Dankbarkeit und Ergebenheit nicht beschreiben. Sie werden selbige würdigen; Sie, meine Herren, welche die Künste und Enthusiasmus und nicht nur Eigennutz kultivieren, und Glücksgüter für nichts, aber Ruhm für alles halten.
Ich bin usw.«
Das Schreiben ist »Wien« datiert, obzwar es aus Eisenstadt kam, wo Haydn auch die Medaille in Empfang genommen hatte. Wir entnehmen dies aus den Tagesaufzeichnungen Rosenbaums aus den Augusttagen 1801, die übrigens auch sonst eine Zahl von Einzelheiten enthalten, aus denen man kleine Einblicke in des Meisters Leben in dem Fürstenstädtchen gewinnt.
»In Eisenstadt. 31. Juli.
Dann gingen wir zu Haydn ins Schloß, fanden ihn aber nicht. Fuchs besuchte uns und sagte, daß die Fürstin dem Fürsten und Haydn sagte, eine Messe von Haydn zu machen und daß er Th.[erese] bitten möchte, zu singen und setzte hinzu, daß Haydn uns nach Mittag besuchen werde. Wir blieben bis 6 Uhr zuhause, Haydn kam nicht.
Sonnabend 1. August 1801.
Um 9 Uhr gingen wir zu Fuchs. Th. probierte Haydn's Messe, war heißer. Um 4 Uhr gingen wir ins Schloß zum Singen. Th. sang mit. Haydn führte sie am Arm in die Bergkirche und war äußerst galant. Der Burgerth nahm mich am Arm und führte mich so in die Kirche. Haydn erwartete Th. machte ihr einige Complimente. Dann gingen wir zu Esekonics. Th. traurig, weint, trinkt zuhause Boxhörndl-Thee.
1801. Sonntag den 2. August.
Th. und ich gingen auf die Schießstadt. Haydn traf am Thor zu uns und ging mit auf die Schießstadt.[185]
5. Vormittag gingen wir ins Schloß zu Haydn, welchen wir aber nicht fanden.
Donnerstag 6. August. Nach 11 Uhr erhalten wir einen Besuch von Haydn. Er zeigte uns die goldene Medaille mit seinem Lichtbilde und Namen auf einer und der Leyer mit der Inschrift: Dem Compositor der Schöpfung, welche in dem Theater d. Künste im 9. Jahre der Republik (1800) aufgeführt wurde – auf der anderen Seite. Diese Medaille war begleitet von einem Schreiben mit der Unterschrift aller Künstler, welche daran Theil haben. Er bat sich vom Fürsten aus, nach seinem Tode diese Medaille ihm mit der Bedingnis vermachen zu dürfen, daß selbe in die Schatzkammer nach Forchtenstein gelegt werde.
8. ..... gingen .... zum Haydn, welcher Th. eine Menge Schmeicheleien sagte.
Dienstag 11. August. Haydn schickt früh den Elßler und ließ uns nochmals Abends um 1/28 zum Engel bitten – Haydn schickte uns abends den Wagen, welcher uns bey Ressel fand um zum Souper nach dem Engel-Wirtshaus zu fahren. Mit uns soupierte Tomasini, Frau und beyde Söhne. Wir unterhielten uns gut, es dauerte bis 11 Uhr. Haydn war sehr aufgeheitert, fuhr mit uns in die Stadt und überraschte uns mit Galanterien.«
Wie im Gegensatze zu den Ausländern sich die näheren Volksgenossen Haydns manchmal ihm gegenüber benahmen, dafür möge eine kleine Episode Zeugnis ablegen, die hier so, wie sie seinerzeit veröffentlicht wurde, wiedergegeben sei.
»Das kleine Dorf St. Johann, unweit der deutschen Stadt Plan in Böhmen, besaß im Anfange dieses Jahrhunderts eine hübsche Kirche, in welcher der Rector Ockt aus Plan, selbst Componist und schwärmend für Haydn's Musik, dessen Oratorium ›Die Schöpfung‹ aufführen lassen wollte. Man reichte pro forma beim Prager Consistorium ein, Alles war auf den feierlichen Tag vorbereitet, da kam ganz unerwartet ein abschlägiger Bescheid des Consistoriums. Die Bürger Plans, denen es verboten war, ›Die Schöpfung‹ in der Kirche zu hören, kamen förmlich in Aufruhr und führten darauf unter den Linden ein großartiges Gebäude aus Balken und Brettern eigens zu dem Zwecke auf, in demselben das Tonwerk anzuhören. Aber die rasch improvisierte Musikhalle erwies sich als völlig unpraktisch. Da nahm das rebellische Völkchen[186] sich vor, ›die Schöpfung‹ trotz Consistorium und Clerisei in der Kirche von St. Johann aufführen zu lassen; der gute Rector, dem man keine Unannehmlichkeiten bereiten wollte, wurde in einem Wagen entführt, so daß er nicht dabei war und ihn also keine Schuld treffen konnte, und so bekamen die Planer und ihre von Nah und Fern herbeigeströmten Nachbarn denn doch den Genuß von Haydns ›Schöpfung‹. Ein Pfäfflein, das den Namen des großen Tonkünstlers nie vernommen, predigte ganz entsetzt, daß nun gar in christlichen Kirchen Oratorien von ›Heiden‹ aufgeführt würden. Ockt wurde für seine Stellung angst und bange, er richtete zwei Briefe an Haydn, die dieser auch im Nachfolgenden beantwortete. Der Brief wird von der Familie Nadler in Plan pietätvoll aufbewahrt und sein noch unversehrtes Siegel zeigt eine Lyra mit den lateinischen Buchstaben I und H. Hier ist er:
›Hochedelgeborner, hochgeehrtester Herr!
Ihre beyden Briefe sowohl vom 29. May, als vom 5. Juli, mit welchen Sie mich zu beehren beliebten, habe ich richtig und mit Vergnügen erhalten. Es freute mich ungemein zu hören, daß mein Oratorium von allen Musikfreunden in jener Gegend eben den Beyfall erhielt, den es beynahe schon vom größten Teile in Europa zu erhalten das Glück hatte; aber zu meinem grösten Erstaunen mußte ich die daraus entstandene sonderbare Geschichte vernehmen, die in der Zeit-Epoche, in der wir leben, sicher dem Kopf und Herzen des Urhebers davon wenig Ehre zu machen scheint.
Seit jeher wurde die Schöpfung als das erhabenste, als das am meisten Ehrfurcht einflößende Bild für den Menschen angesehen. Dieses große Werk mit einer ihm angemessenen Musik zu begleiten, konnte sicher keine andere Folge haben, als diese heiligen Empfindungen in dem Herzen des Menschen zu erhöhen und ihn in eine höchst empfindsame Lage für die Güte und Allmacht des Schöpfers hinzustimmen.
Und diese Erregung heiliger Gefühle sollte Entweihung der Kirche sein? –
Sind Sie ganz ruhig über den Erfolg dieser Geschichte, denn ich bin überzeugt, daß ein vernünftiges Consistorium diesen Apostel des Friedens und der Einigkeit näher mit seinen Pflichten bekannt machen wird, da es nicht unwahrscheinlich ist, daß die Menschen mit weit gerührterem Herzen aus meinem Oratorio, als aus seinen Predigten herausgehen dürften, und daß keine Kirche durch meine Schöpfung je entheiligt, wohl aber die Anbethung und Verehrung des Schöpfers dadurch eifriger und inniger in einer solchen heiligen Stätte erzielt werde. Sollte diese für jeden Vernünftigen höchst lächerliche Geschichte nicht durch das Consistorium beygelegt werden, so bin ich bereit, selbst Ihro k k. Majestäten es anzuzeigen, Allerhöchst welche dieses Oratorium nie ohne wahrster Rührung anhörten und ganz von dem Werthe dieses heiligen Werkes überzeugt sind, der ich übrigens mit vollkommenster Hochachtung bin Euer Hochedelgeboren ergebenster Diener
Eisenstadt, den 24. Juli 1801.
Joseph Haydn m.p.,
Doctor der Tonkunst.‹[187]
Die Kirche, schon 1781 auf kaiserlichen Befehl gesperrt, wurde von nun an ganz verpönt und ist gegenwärtig ein Trümmerhaufen115.«
Dieser Fall darf nicht verallgemeinert werden. Denn die Verehrung, die Haydn in Deutschland genoß, war derart, daß sie kaum übertroffen werden konnte. Man wetteiferte darin, ihm Huldigungen darzubringen, und Musiker, die nach Wien kamen, versäumten nicht, dem Altmeister der Tonkunst ihre Aufwartung zu machen, ja ihm sogar nach Eisenstadt nachzufahren. So besuchten ihn in Eisenstadt z.B. im Jahre 1800 Joh. Andreas Streicher, der Mann der Annette Stein und Freund Schillers, sowie der Musikgelehrte Joh. Nikolaus Forkel, welch letzterer ihm das Gedicht überbrachte, das Wieland nach dem erstmaligen Anhören der »Schöpfung« zu Ehren Haydns verfaßt hatte, worüber sich der Meister, der Wieland hochschätzte, sehr freute. Noch größere Freude dürfte ihm aber der Besuch seines Bruders Michael bereitet haben, der schon im August von Salzburg nach Wien gekommen war und von hier aus einen Besuch in Eisenstadt machte116. Michael Haydn stand in Salzburg in hohem Ansehen, lebte aber in knappen Verhältnissen, die noch drückender wurden, als er im Dezember 1800 von französischen Soldaten, als sie nach Salzburg kamen, ganz ausgeplündert wurde. Diese Plünderung war die Veranlassung, daß der Wiener Hof auf Michael Haydn, der auf dem Gebiete kirchlicher Musik damals einer der ersten war, aufmerksam wurde. Die Kaiserin bestellte eine Messe bei ihm, der Kaiser ebenso, und Michael Haydns Werke wurden rasch berühmt. Der Fürst Esterhazy, welcher schon längst einen Vize-Kapellmeister suchte, der seinen ersten Kapellmeister Joseph Haydn ein wenig unterstützen sollte und sich auch mehr für Kirchenmusik interessieren würde, als der mit lauter weltlichen Dingen stark beschäftigte Joseph, trachtete sofort, den Michael Haydn zu gewinnen, und dieser sagte unter dem Eindrucke all der auf ihn hereinstürmenden Gunstbezeugungen zu, seine Stellung in Salzburg zu kündigen und zum Fürsten Esterhazy nach Eisenstadt zu kom men. Es ist möglich, daß Joseph Haydn[188] Ende August auf ein paar Tage nach Wien gekommen war, um seinen Bruder zu begrüßen und ihn nach Eisenstadt mitzunehmen. Wenigstens schreibt Griesinger am 28. August 1801, daß er Haydn schon dreimal vergeblich erwartet habe, und daß dessen Haushälterin ihm mitgeteilt habe, daß Haydn zuverlässig diesen Abend kommen werde.
Es wird auch von Michael Haydn berichtet, daß er damals mit Reich, einem befreundeten Wiener Kaufmann, bei Joseph Haydn in dessen Wiener Wohnung gespeist haben soll, nach anderen war es Michaels intimster Freund, der Pfarrer Werigand Rettensteiner von Seewalchen, mit dem Michael bei Joseph gespeist habe; vielleicht waren es beide.
»Pfarrer Werigand Rettensteiner erbaute sich namentlich au den Ausbrüchen brüderlicher Liebe, als er mit Michael bei Josef Haydn speiste. Mit Entzücken bewunderte Michael die im Studierzimmer Haydns unter Glas und Rahmen aufgehängten Canons und bat, einige davon kopieren zu dürfen. ›Geh mit deiner Kopie! rief Josef. Du bist ja selbst bessere Originale zu schreiben im Stande117!‹«
Anfang September war Joseph Haydn jedenfalls in Eisenstadt und bei ihm Michael; der dritte Bruder, Johann, war auch dort, und so waren damals die drei Brüder zum ersten- und letztenmal nach vielen Jahren vereinigt. Es muß wirklich rührend gewesen sein, wie die drei Brüder einträchtig beim Stadtpfarrer, der sie zu Tisch geladen hatte, beisammen saßen, dann zu dritt in der Stadt spazieren gingen und abends dem Ständchen lauschten, das ihnen die beiden Prinster, die Waldhornbläser der fürstlichen Kapelle, darbrachten.
Während dieser ganzen Zeit führte Haydn eine sehr lebhafte Korrespondenz sowohl mit Griesinger als auch direkt mit Breitkopf & Härtel über die Herausgabe der Partitur der »Jahreszeiten«, wobei sich unser Meister als sehr geschäftstüchtig erwies. Mit der Firma Artaria, der er den schleppenden Verkauf der im Selbstverlage erschienenen »Schöpfungs« partituren zum Vorwurf machte, wollte er nicht mehr wegen der »Jahreszeiten« verhandeln. Auch die Anerbieten anderer Musikalienverleger, so von André[189] in Offenbach und Hoffmeister in Leipzig, wies er zurück und schloß mit Härtel sogar um 500 fl billiger, als ihm die anderen geboten hatten, ab118. Dies hatten Breitkopf & Härtel sicher dem diplomatischem Geschick Griesingers, der Haydn gut zu behandeln wußte und auf seine kleinen menschlichen Schwächen ruhig einging, zu danken. Es gehörte immerhin große Geduld dazu, mit Haydn geschäftlich zu verhandeln, und unser guter Papa nahm es mit dem Versprechen oft leichter als mit dem Halten. Den Breslauer Verlegern Graß und Barth, die ihm ein Heft der von ihnen herausgegebenen »Schlesischen Blumenlese« schickten, versprach er vorschnell ein kleines Liedchen seiner Komposition, das die Verleger aber vergeblich erwarteten.
Am 13. September führte, wie oben erwähnt, Haydn die »Schöpfungsmesse« zum Namenstage der Fürstin in Eisenstadt auf. Darauf bezieht sich Griesingers Bemerkung in seinem Brief an Härtel vom 18. September 1801: »Haydns Bruder aus Salzburg ist seit einigen Tagen hier. Bruder Josef muß aber noch Geburts- und Namenstäge zu Esterhazy feyern helfen. Gestern versicherte mich die Haushälterin, daß er in einigen Tagen gewiß hier seyn werde.« Aus den Tagen wurden aber noch einige Wochen. Noch am 1. Oktober schreibt Haydn an Griesinger aus Eisenstadt und am 21. Oktober an van Swieten, dem er seine bevorstehende Ankunft in Wien ankündigt.
Brief an Griesinger.
»Wohlgebohrener
Insonders hochzuver Ehrender Herr!
Ich bedaure ebenfals, daß ich letzthin die Ehre nicht haben konte Eur Wohlgeborn in Wien zu sehen, doch hoffe ich Ihnen alldort sehr bald meine Aufwartung zu machen, indeß übersende ich Euer Wohlgeboren den anverlangtn Abdruck der Medaille, und glaube, daß Herr Härtel damit zufrieden seyn wird: was aber die Übersetzung der Jahreszeiten in quart- oder quintetto betrift, so gedenke ich dem H. Wranitzky von Fürst Lobkowitz den Vorzug zu geben, da ich nicht allein mit seiner guten Übersetzung von der Schöpfung, sondern auch der Sicherheit wegen seines eigennützig weitern Gebrauches ganz zufrieden bin mit[190] nächstem werden Euer Wohlgebohren von H. Baron v. Swieten ein oderzwey Theil von den Jahreszeiten mit unterlegten Englischen oder Französischen Text erhalten. Indeß hab ich die Ehre mit vollkommenster Hochachtung zu seyn
Euer Wohlgeboren
ehorsamster Diener
Joseph Haydn.
Eisenstadt, den 1ten 8ber 1801.«
Brief an van Swieten.
»Die Menge der Arbeiten verschiedener Copiaturen für den fürstl. Chor verursachten diese lange Verzögerung. Ich war so frei Euer Excellenz die ganze Partitur zu schicken, indem ein und andere Neuigkeiten, welche von mir spätter beygefügt wurden, außen geblieben sind, wie Eure Excellenz aus dem Zeichen ersehen werden. Seit langer Zeit hab ich weder von Herrn Härtel noch von seinem Geschäftsträger Herrn Griesinger einige Nachricht erhalten und wundere mich sehr über seine Säumnis, da er mir versprach, die ersten Abdrücke der Korrektur wegen nach und nach einzuschicken, ich bitte demnach Eure Excellenz gehorsamst, den Herrn Griesinger zu sich zu berufen und ihm alle nöthige Vorstellungen zu machen, damit Eure Excellenz befriediget werden. Künftige Woche werde ich selbst die Gnade haben meine gehorsamste Aufwartung zu machen, der ich indessen mit tiefster Ehrfurcht bin Euer Excellenz unterthänigst gehorsamster Diener
Joseph Haydn.
Eisenstadt 21. 8 ber. 01.«
Am 4. November war er schon zurück, wie der Inhalt eines Briefes an Griesinger beweist. Haydn hatte während des Sommers mit dem Gedanken gespielt, im Herbst eine Kunstreise nach Paris zu unternehmen; verschiedene dringende Anfragen waren aus Paris an ihn gelangt, ob er nicht bereit wäre, dorthin zu kommen und seine »Jahreszeiten« aufzuführen. Der Plan scheint jedoch ganz fallen gelassen worden zu sein, und Haydn hatte sich für den Winter als Absteigquartier wieder ein Logis in der Stadt, wahrscheinlich wieder im Hambergerschen Hause auf der Seilerstätte (wo jetzt Nr. 15 steht), wo er im vorigen Jahre gewohnt hatte, gemietet. Er kam aber nicht dazu, es wirklich zu beziehen. Bald nach seiner Ankunft in Wien hatte er sich eine Erkältung zugezogen,[191] die ihn aus Bett fesselte. Durch zu frühes Ausgehen wurde er rezidiv und kränkelte dann bis in den Dezember hinein, so daß er an jeglicher Arbeit stark gehindert war. Da das Quartier in der Stadt, wie Griesinger schreibt, zu feucht war, blieb Haydn in seinem Hause in Gumpendorf. Haydn erholte sich zwar von seiner Erkrankung allmählich, aber die »rheumatischen Kopfschmerzen« machten ihm noch manchmal Pein. Er brachte es aber doch so weit, am 22. und 23. Dezember die »Jahreszeiten« selbst dirigieren zu können. Die Aufführungen fanden an diesen beiden Tagen im Burgtheater statt und wurden bei doppelten Preisen von der Tonkünstler-Sozietät veranstaltet, welche sich für dieses Werk an Stelle der ursprünglich in Aussicht genommenen »Sieben Worte« entschieden hatte. Nach Griesingers Mitteilungen und anderen Berichten hatten die »Jahreszeiten« wieder großen Erfolg, und Haydn selbst erhielt ungeheuren Beifall. Der französische Botschafter, welcher der ersten Aufführung beiwohnte, ließ gleich nach Schluß um ein Billett für die zweite Aufführung bitten, mit dem Beisatze, er habe in seinem Leben nichts Schöneres gehört. Bloß Rosenbaum macht hämische Eintragungen: »Sie machten keine außerordentliche Wirkung. Ich plauderte mit Mischel – fühlte nebenbey lange Weile.« – Wenige Tage nachher stand Haydn wieder an der Spitze einer großen Künstlerschar, die seine »Schöpfung« aufführte; Beginn und Ende des Jahres 1801 standen daher im Zeichen dieses Werkes, dem sich in eben diesem Jahre sein holdes Geschwister, die »Jahreszeiten«, zugesellt hatte Die »Schöpfungs« aufführung fand zugunsten des Wiener Bürgerspitales zu St. Marx am 27. Dezember 12 Uhr mittags im Redoutensaale statt, den der Kaiser für diesen Zweck zu überlassen angeordnet hatte. Selbst Rosenbaum kann nichts Abträgliches darüber sagen und beschränkt sich darauf, einzutragen: »es war außerordentlich voll. Die Einnahme betrug ... (nicht ausgefüllt).« Wir wissen, daß der Betrag, der rein an das Bürgerspital abgeführt wurde, nahezu 8000 fl betrug, eine für damalige wie für heutige Verhältnisse überaus hohe Summe. Haydn hatte sich und seine Kunst wiederholt für den wohltätigen Zweck der Versorgung armer Bürger und Bürgerinnen im Spitale zu St. Marx zur Verfügung gestellt und in seinem Testamente hierfür auch ein Legat von tausend Gulden ausgesetzt.[192]
Das Ende des Jahres 1801 brachte Haydn noch eine der bemerkenswertesten Ehrungen, die er in seinem an Auszeichnungen so reichen Leben erfuhr, die Ernennung zum auswärtigen Mitgliede des französischen »Institut national des sciences et arts«, kurzweg Institut de France genannt. Die Aufnahme Haydns in die »Classe des Beauxs arts« erfolgte am 5. Nivose an X de la République, d.i. 25. Dezember 1801.
Das offizielle Schreiben des Präsidiums lautete:
»Institut National des Sciences et des Arts à Paris le 5 Nivose an 10 de la République
Le Président et les Secrétaires de l'Institut national des Sciences et des arts,
à Monsieur Haydn, célèbre compositeur de Musique à Vienne Monsieur,
L'Institut national des Sciences et des arts, dans sa séance générale de ce jour, vient de vous élire associée-étranger, pour la classe de Littérature et Beaux-arts.
Persuades que vous apprendrez avec plaisir votre nomination, nous nous hâtons de vous l'annoncer.
Veuillez, Monsieur, agréer lesincère hommage de notre estime la plus haute.
La Porte du Theil Vincent
Villar, SecrétairePrésident.«
Die Medaille, die aus diesem Anlaß geprägt wurde, die an Haydn aber viel später, und zwar am 1. Messidor des Jahres 13 der Republik geschickt wurde, ist von Dumarest. Sie zeigt auf dem Avers einen weiblichen Kopf (die französische Republik darstellend) mit der Umschrift Inst. nat des Sciences et des Arts. Unter dem Kopfbildnis liest man den Namen Dumarest, dann An XI und Constit. Art 88. Der Revers zeigt einen Lorbeerkranz, in dessen Mitte sich die Worte befinden: Haydn Associé Étranger. Die Ernennung wurde mit folgendem Schreiben des ständigen Sekretärs der Classe des Beaux Arts Haydn mitgeteilt:
»Institut National
Classe des Beaux Arts
Paris le 1er Messidor an 10 de la République française
Le Secrétaire perpétuel de la Classe
[193] à Monsieur Haydn, Compositeur, membre associé de l'Institut national de France.
Monsieur,
L'institut national de France vous choisit pour associé étranger des son origine. C'est un hommage qui s'est plée à rendre à votre juste célébrité. Les chargemens opérés depuis dans l'institut vous y ont en quelque sorte attaché plus étroitement: on y crée une section de musique et ceux qui la composent sont de dignes appréciateurs de votre génie.
Comme associé Étranger, vous avez voix consultative dans l'institut et droit d'y siéger, d'en porter le costume, enfin vous en êtes membre. En cette qualité je vous adresse la médaille qui constate votre titre et le livre qui contient nos réglemens ainsi que les noms des membres. Vous y trouverez le votre à l'article de la classe des Beaux-Arts.
Je désirerais, Monsieur, que vous prissiez assez d'intérêt à la classe des Beaux-Arts de l'Institut de France pour lui faire part de vos savantes observations sur l'art que vous professez avec tant de gloire en Europe. Je peus vous assurer qu'elle recevrait avec une profonde estime ce témoignage de votre confianee. En mon particulier je regarderais comme un des avantages précieux des fonctions dont je suis honoré, celui de correspondre avec vous et de pouvoir vous assurer souvent de ma parfaite admiration.
J'ai l'honneur de vous saluer.
Joachim Le Breton,
Secrétaire perpétuel de la classe des Beaux-Arts de l'Institut national de France, membre de la classe d'histoire et de Littérature Ancienne, et de la Légion d'honneur.«
Beigefügt war ein Heftchen, enthaltend die Organisation und die Statuten des Institut National, worin Haydn auf S. 219 Sekt. V schon als Associé-Étranger eingetragen erscheint. Es enthielt folgende Associés-Étrangers:
Haydn à Vienne, Canova à Rome, Appiani à Milan, Morghen à Florence, Sergell à Stockholm, Guglielmi à Rome, West à Londres.
Diese Ernennung erregte sofort nach ihrer Bekanntwerdung die Wut und Erbitterung der Engländer, welche den englischen[194] Dichter und Politiker Sheridan als auswärtiges Mitglied des »Institut« kandidiert hatten und nun mit ihrer Kandidatur durchgefallen waren. Vergessen war die Begeisterung, mit der man noch wenige Jahre vorher Haydn in London empfangen und ihn in den Himmel gehoben hatte. In der Londoner Gesellschaft, in Zeitungen und Broschüren konnte man sich nicht genug tun in gemeinen, witzig sein sollenden Ausfällen gegen »den Gott der schwerfälligen Deutschen«, den »deutschen Fiedler« u. dgl. Die Allgem. Musik. Zeitung vom Jahre 1802 (IV Nr. 37, 9. Juni) bringt aus London darüber folgenden Bericht mit Randglossen:
»Nachdem sich die Journale eine Zeitlang beeifert hatten, eins das andere zu übertrumpfen, trat endlich ein angesehener Kunstrichter in einem der entscheidenden Blätter auf, untersuchte die Sache mit Ernst und sprach nun folgendes Resultat der englischen Kritik aus: ›Das französische Nationalinstitut hat dadurch, daß es in der Wahl eines ausländischen Mitglieds für die Klasse der schönen Künste Haydn dem Herrn Sheridan vorzog, sich links benommen. Haydn ist zwar ein großer Meister (wirklich?), aber die Musik ist ja doch nur eine Begleiterin der Dichtkunst und soll nichts, als diese mehr hervorheben. (Da haben wir's ja mit Eins, was die Musik ist und soll – worüber wir unbeholfenen Deutschen uns noch immer die Köpfe so zerbrechen. Er weiß es aber noch anschaulicher zu machen und fährt fort:) Einen Musiker an die Spitze der schönen Künste zu stellen, ist ohngefähr dasselbe, als wenn man dem Weber, der die Leinwand, oder dem Tischler, der den Rahmen zu einem Gemählde gemacht hat, den Preis reichen wollte, der allein dem großen Meister gebührt‹ – Punktum! – d. Redakt.«
Nach dem Tode Haydns wurde auf seinen Platz im Institut national Paisiello ernannt.
Im Dezember des Jahres 1801 verfertigte der Bildhauer Grassi zwei Büsten von Haydn, eine größere und eine kleinere. Haydn war dem Grassi hiezu eigens aufs neue gesessen. Fünf von jeder Art wurden von England aus bestellt; es waren Büsten aus weißem Biskuit. Schon vor einigen Jahren hatte Grassi eine lebensgroße Büste Haydns verfertigt, die Haydn im antiken Kostüm darstellte; die diesmaligen zeigten ihn in zeitgenössischer Kleidung, mit Perücke.[195]
Zu Beginn des Jahres 1802 in einem Brief, datiert Weimar, 8. Februar 1802, schrieb Kotzebue an Haydn, daß er – um seinem vaterländischen Schauspiel »Die Hussiten vor Naumburg« den möglichsten Wert zu geben – jeden Chor einzeln von einem der berühmtesten Meister in Musik gesetzt wünsche; Weber-Reichardt. Danzi-Schuster-Vogler-Winter hätten bereits zugesagt, und er bitte Haydn, sich auch daran zu beteiligen und den Schlußchor des ersten Aufzuges zu übernehmen. Haydn antwortete, daß er als ein 70jähriger, immer kränklicher Knabe sich nicht getraue, mit jenen Meistern einen Wettstreit zu bestehen, in welchem er leicht unterliegen könnte. Tatsächlich wurde das Stück in Berlin und Leipzig mit Musikstücken von Weber, C. Schulz, Danzi, Walter, Kranz, Schuster, Reichardt und Vogler aufgeführt, während bei den im Jahre 1803 in Wien stattgefundenen Aufführungen Ouvertüre, Chöre und Zwischenaktsmusiken von Salieri herrührten. Haydn war um diese Zeit, wie wir von Griesinger hören, »verdrießlich und krämlich über ein altes Übel, das sich wieder bei ihm einstellt, nemlich ein Polyp in der Nase, um dessen willen er seit acht Tagen nicht aus dem Zimmer kam«. Wegen der strengen Kälte konnte er auch nicht ausgehen, sondern mußte fast die ganze Zeit zu Hause bleiben. Von der Arbeit ließ er sich jedoch durch diese körperlichen Beschwerden nicht abhalten; er arbeitete an einer neuen Messe für Esterhazy, der sogenannten »Harmoniemesse«, und arrangierte zwischendurch weiter für Thomson Schottische Lieder. »Das sollen aber auch die letzten seyn«, schreibt Griesinger. »Über 100 sind gedruckt und Haydn hat in allem 250 derselben arrangiert. Haydn sezt einen Wert darein; die Melodie sey krell, offt empörend, aber durch sein beygeseztes Accompagnement und einige Nachhülfen seyn diese Reste alter Nationallieder sehr geniesbar worden.«
Die große Popularität, die Haydn genoß, bewog unternehmungslustige Leute, auch auf jene seiner Werke zu greifen, in denen sich seine große Bedeutung nicht voll ausspricht, nämlich seine Opern. Wir hören, daß Salieri sich um diese Zeit bei Haydn um das Recht bewarb, dessen »Vera costanza« aufzuführen. Haydn verweigerte seine Zustimmung, da Salieri die Hauptrolle der Tomeoni zugedacht hatte, während diese Partie nach des Meisters Ansicht nur einem unschuldigen Mädchen, wie es die Saal sei,[196] gelingen könne. Er hing auch an diesen schwächeren Kindern seiner Muse mit Zärtlichkeit und wollte, daß sie ebenso von anderen geschätzt werden, wie er es tat. Als ihm um dieselbe Zeit herum ein gewisser Schaum aus Hirschberg in Schlesien eine deutsche Übersetzung der »Isola disabitata« unter dem Titel »Die wüste Insel« schickte, bekam er Lust, dieses Werk einer Revision und Kürzung zu unterziehen, um es aufführungs- und druckreif zu machen. Breitkopf & Härtel bewarben sich um das Verlagsrecht der Oper, das sie auch erhielten. Haydn machte sich mit großem Eifer an die Umarbeitung und sagte Griesinger, daß er die Revision nicht unternommen hätte, wenn es die Arbeit nicht verdiente. Er gab noch einige Anweisungen für die Herausgabe. »Was er ausgestrichen hat, soll nicht wieder aufgenommen werden; seinem alten Fürsten, für den er diese Oper componiren mußte, sey nichts zu lang gewesen; das letzte Quartett ist ganz neu. Haydn hält diese Oper für eine gute Schule für angehende Componisten wegen der Rezitative; es sey ein Werkchen, das sich in seiner jetzigen Gestalt auf jedem Privattheater aufführen lasse.« Breitkopf & Härtel hatten inzwischen noch weitergehende Pläne zur Herausgabe der Haydnschen Werke. Im März 1802 kündigten sie in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung die Herausgabe der Haydnschen Messen, und zwar derjenigen »die er der Nachwelt zu übergeben wünscht«, an und ließen im Mai desselben Jahres schon die erste in der Reihe, die in B-dur für vierstimmigen Chor und Orchester119, erscheinen. Gleichzeitig sondierten sie bei Haydn wegen Herausgabe seiner Quartette und seiner Sinfonien, ein Gedanke, der bei dem Meister lebhaften Anklang fand. Die Firma stellte die Herausgabe der Quartette für einen späteren Zeitpunkt zurück und interessierte sich zunächst nur für die Sinfonien. Aber auch dieses Unternehmen ging, – trotzdem sich Haydn mit großer Bereitwilligkeit dazu verstand, die von seinen Schülern, vor allem Neukomm, zu besorgende Ausgabe zu revidieren – nur zögernd und stockend vorwärts. Vor allem wurde aber Haydn infolge des großen Erfolges von »Schöpfung« und »Jahreszeiten« von allen Seiten dazu gedrängt, auf dem betretenen Gebiete fortzuschreiten und noch ein großes Chorwerk zu schreiben. Swieten, der ein ungeschriebenes Privileg auf Lieferung von Texten für[197] Haydn zu haben glaubte, zum mindesten aber wußte, der Vertrauensmann Haydns in literarischen Angelegenheiten zu sein, vertraute Griesinger zu Anfang des Jahres an, er »fabriziere schon wieder an einem neuen Stück Arbeit für Haydn«. Ausführlicher berichtet Griesinger über diese Ideen und Pläne in seinem Brief vom 21. April:
»Haydn erzählte mir gestern, daß er von allen Seiten her über seine ›Jahreszeiten‹ viele Lobsprüche erhalte, die Kaiserinn und viele andre Personen drängen in ihn, er möchte doch noch ein großes Werk unternehmen und er wäre auch sehr geneigt dazu, wenn er nur einen brauchbaren Text wüßte. Ich versicherte ihn, im Andenken an Ihren früheren Auftrag, daß Sie wohl hierin Rath schaffen könnten; er möchte nur den Dichter nennen, in den er das meiste Zutrauen habe. Er nannte – Wieland. Ist es Ihnen möglich, diesen Veteran zur Bearbeitung eines Textes zu gewinnen, so könnten Sie durch die Vereinigung zweyer vorzüglicher Talente Ihren Pressen ein unverwelkliches Denkmal stifften. Die Wahl des Süjets überläßt Haydn dem Dichter; doch wünscht er nichts dramatisches, sondern ein Oratorium, das höchstens die Länge der Jahreszeiten haben dürffte. Er glaubt, das jüngste Gericht würde reichen Stoff darbieten, nemlich im ersten Theile den Tod, im zweyten die Auferstehung, im dritten die Hölle und den Himmel. Der Gedanke scheint barok, er ließe sich aber durch einen genialischen Kopf vielleicht sehr glücklich ausführen. Ein hiesiger junger Dichter, der die Bearbeitung dieses Süjets anfing, aber aus Mangel an Unterstützung nicht fortsezte, ließ z.B. im ersten Theile einen gottesfürchtigen Mann, ein hübsches Mädchen, einen Bösewicht sterben usw. Sollte ein solcher Stoff so ganz widerstrebend seyn und keine ästhetisch erhabene Behandlung zulassen? Haydn würde daran con amore arbeiten, um so mehr, weil dadurch eine Lieblingsidee der Kaiserinn erfüllt würde. Haydn wünscht auch, daß Wieland den Text direkte der Kaiserinn zuschiken möchte, mit der Bitte die Composition dem Haydn zu übertragen. Es würde gewiß gut aufgenommen, die Kaiserinn würde sich geschmeichelt finden, Antheil an einem solchen Werke zu haben und, was nach der Localkenntnis in keine geringe Betrachtung kommt, der Baron müßte mit seinem Machwerke zu Hause bleiben. Haydn verlangt[198] auch, um dem Geiste des Dichters nicht zu nahe zu tretten, ein ausführliches Detail oder Commentar über den Text, nebst Bemerkungen, wo der Dichter ein Duett, Trio, Allegro, Ritornell, Chor u.s.w. am passendsten finde. Dadurch werde die Arbeit des Compositeurs erleichtert, und der Dichter sey genöthiget, musicalisch zu dichten, welches so höchst selten geschehe. Haydns Zutrauen in Wieland gründet sich zum Theil auf die schöne Strophe, welche Wieland auf die Schöpfung dichtete, und die ich Ihnen einst für die music. Z. einschickte.«
Trotz des vor einem halben Jahre erfolgten Dementis ging Haydn also doch die Idee einer Vertonung des »Jüngsten Gerichtes« stets im Kopfe herum. Breitkopf & Härtel gingen auf die Idee des Meisters aber nicht völlig ein, sondern suchten – statt sich an Wieland zu wenden – ein Produkt eines ihnen genehmen Dichters, des J.J. Scheiger, anzubringen, welches sie Haydn zusandten. Dieser ließ sich aber nicht herumkriegen, und Griesinger mußte an Breitkopf & Härtel am 1. Juni berichten: »Haydn kann von seiner ersten Meynung nicht abstehen; dies vorgeschlagene Gedicht ist nicht, was Er, die Kaiserinn und die einmal gefaßte Idee zur Composition davon hat, und auf alles andere läßt er sich nicht ein. Wieland wisse doch auch wohl musicalische Gesänge zu machen; so hätte er, von einem Stück dieser Art gehört, das von Kunze in Weimar (?) wäre componirt worden, und er wünschte doch das Büchelchen von diesem sowohl, als von der Alceste, die er früher habe druken lassen, zu seiner Ansicht selbst zu erhalten.
Was ist nun zu machen? Haydn wird schwerlich umzustimmen seyn; er glaubt einmahl an Wieland, und in Glaubenssachen bleibt jeder gern auf seyner Meynung.
Könnten Sie nicht die Büchelchen schaffen, wovon Haydn redt?«
Breitkopf & Härtel schienen Haydns Wunsch entweder nicht weitergeleitet zu haben oder nicht so glücklich gewesen zu sein, ihm Erfüllung zu verschaffen. Dafür übersandten sie einen angefangenen Operntext von Rochlitz, den Haydn wieder ablehnte. Er kam jedoch auf den Text zu einem »Jüngsten Gericht« immer wieder zurück, und Griesinger schrieb am 10. November 1802:
»Ein Text zu dem Jüngsten Gericht liegt dem alten Papa noch sehr am Herzen. Haydn will durch seinen Schüler Kranz, der kürzlich hier war, und Capellmeister in Weimar ist, noch einmahl[199] Wieland und Göthe darum ansprechen lassen. Der Text soll reich an Bildern, aber nur nicht lang seyn, so daß die Aufführung höchstens 11/2 Stunden dauert. Haydn hätte gewünscht, daß H. Rochliz seine Arbeit ausgeführt hätte. Würde Er sich vielleicht noch dazu entschließen? Es wird ihm leicht seyn zu erfahren, ob die Musen in Weimar sich der Sache annehmen wollen. Von Haydn hat er nichts für den Text zu erwarten; er sollte ihn aber, unter Berufung auf Haydns Antrag, geradezu der Kaiserinn überschiken und es wagen, ob seine Arbeit unter den concurrierenden den Preis davon trage. Den Text will Haydn bearbeiten, den ihm die Kaiserinn zuschicken wird.«
Immer und immer wieder muß man über die Vitalität und Schaffensfreudigkeit des nunmehr siebzigjährigen Mannes staunen. Und neben alldem, was er komponierte, revidierte und korrigierte, fand er noch Zeit, seinen Pflichten als fürstlich Esterhazyscher Kapellmeister, soviel es ging, nachzukommen, mußte, wie aus den Akten im fürstlichen Archiv hervorgeht, Berichte über Neuanstellungen und Entlassungen machen, Sängerinnen prüfen, über ihre Fortschritte wachen und dirigierte außerdem in Wien wiederholt Aufführungen seiner Werke, so am 25. März die »Schöpfung« im Theater a.d. Wien zugunsten der Theatral-Armen und die am 11. und 12. April von der Ton künstler-Sozietät veranstaltete Aufführung der »Jahreszeiten«. Bemerkenswert ist, daß der siebzigste Geburtstag Haydns, der auf den 31. März 1802 fiel, nicht besonders gefeiert wurde. Zwar erwähnt Griesinger die Tatsache, wobei er fälschlich den 1. April als Geburtstag angibt, und in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung finden wir einen Brief aus Tübingen, worin eine musikalische Feier zu Ehren von Haydns Geburtstag geschildert wird, aber in Wien berichtet kein Chronist von einer solennen Festlichkeit aus Anlaß dieses Jubeltages. Auch der Fürst Esterhazy ließ diese Gelegenheit vorübergehen, ohne besondere Zeichen von Huld und Gnade zu äußern. Sehr charakteristisch für das Verhältnis der beiden Männer zueinander ist ein Schreiben Haydns aus dieser Zeit an den Fürsten und dessen Antwort darauf. Haydn schreibt:
»Durchlauchtigster,
Aus der eingeschnekten Musicalischen Anzeige des Großherzogs v. Toscana ersehe ich, daß Hochderselbe nur zwey Messen von[200] meiner Composition nemblich eine von denen Älteren und die letzt neue vom verflossenen Jahr abgehen. Da aber Ihro Hochf. Durchlaucht sich dazumal gnädigst äußerten, daß diese Meß niemanden sol co iunicirt werden, so konnte ich mich auch nicht unterfangen dieselbe ohne Vorwissen Eurer Durchl. jemanden zu geben; erwarte demnach den Befehl, ob ich sie alle beide abschreiben u. nach Preßburg addressiren sol, allwo sie leyder ohne meine Direction der Delicatesse wegen den größten Theil des Wehrts verliehren müssen, welches meinen Fleiß sehr nachtheilig u. mir höchst unangenehm seyn würde, indessen bin ich an der Neuen Meß sehr mühesam fleißig, noch mehr aber forchtsam, ob ich noch einigen Beyfall werde erhalten können.
Wien d. 14ten Juny 1802
Unterthänigster Diener Joseph Haydn.«
Haydn wollte anscheinend entweder die Messe nicht hergeben, oder doch wenigstens selbst die Aufführung in Preßburg leiten und hiezu aufgefordert werden.
In seiner Antwort stellt der Fürst nicht in Abrede, daß es sehr beschwerlich sei, wenn Werke (besonders neue) ohne persönliche Direktion des Komponisten produziert werden; »dagegen aber dürften Sie anderseits umsomehr der Delicatesse wegen unbesorgt sein, indem bei dem bekannten Ruhm ihrer berühmten allenthalben geschätzten Werke auch die Messen in den Augen der Kenner von ihrem Werth nichts verlieren werden Überdies lasse ich es ihrer eigenen Beurtheilung, was einem Großherzog auf sein geäußertes Verlangen zu antworten wäre!
Übrigens da ich von Ihrem Herrn Bruder gar keine Auskunft erhalte, so ersuche ich Sie, mich zu verständigen, ob und wann er von Salzburg kommen wird?
Preßburg, am 21. Juny 1802.«
Die neue Messe, von der Haydn Erwähnung tut, ist die »Harmoniemesse«. Die Nachschrift des Fürsten bezieht sich bekanntlich auf Michael Haydn, den Fürst Esterhazy als Vize-Kapellmeister engagiert hatte. Michael Haydn hatte schon in einem Briefe vom 6. Februar mitgeteilt, daß er mit Rücksicht auf den für August festgesetzten Dienstantritt erst im Juni oder Juli um seine Entlassung beim Fürsterzbischof von Salzburg einkommen werde. »Vielleicht geht es mir eben so wie unserem[201] Konzertmeister, welcher gleichfalls um seine Demission gebethen, selbe aber nicht erhalten hatte, sondern damit auf den zukünftigen Regenten angewiesen wurde.« Es waren dies alles aber eigentlich Ausflüchte des Bruders Michael; er wollte sich von dem schönen Salzburg nicht trennen und hat auch seine Eisenstädter Stellung nie angetreten. Papa Haydn berichtet daher auch dem Regens chori Stoll in Baden, der ihn eingeladen hatte, ihn zu besuchen und bei ihm einige Zeit zu wohnen, am 30. Juli: daß er gestern abend das Vergnügen hatte, seinen Fürsten in seiner Hütte zu sehen, welcher ihn er suchte, künftige Woche nach Eisenstadt zu kommen, um verschiedene neue Werke, darunter zwei Vespern und eine Messe von Albrechtsberger und eine Vesper von Fuchs einzustudieren, er könne daher nicht nach Baden kommen; nebstdem erwarte er die Installierung eines Vize-Kapellmeisters anstatt seines Bruders, der Name desselben sei ihm aber noch unbekannt.
Anfang August finden wir Haydn in Eisenstadt. Am 14. August vollzog der Fürst die Ernennung des »Claviermeisters« Johann Fuchs120 zum Vizekapellmeister. In dem betreffenden an Haydn gerichteten, sehr sachlichen, ja strengen Reskript wird verfügt, daß Fuchs die Chor- und Kirchenmusik, der Kapellmeister Luigi Tommasini d.Ä. die Kammermusik in Abwesenheit Haydns leiten soll. »Der Fürst erwartet, daß keine subordinationswidrige Auftritte statt haben, der Dienst in bester Ordnung gehe, worunter auch die Erscheinung und Uniform und übrige gute Adjustierung verstanden ist.« Das gesamte Personal und die Sänger haben wöchentlich einmal öffentliche Probe zu halten. Zum Schluß ein Verweis: »Der Fürst hat übrigens auffallende Beweise von Dienstvernachlässigung bei manchen Musik-Individuen nicht ohne Mißfallen bemerkt, bestimmt wird als Strafe 1 fl bei Dienstversäumnissen.«
Haydn ließ sich die ganze Sache anscheinend nicht sehr zu Herzen gehen. Er lebte in Eisenstadt sein gemächliches Leben weiter und befand sich körperlich und geistig ganz wohl. Das[202] entnehmen wir einem Brief, den er am 28. August an den jungen Polzelli schrieb: »Lessel schrieb mir gestern, daß du dich wohl befindest und öfters zu Ihm gehst. Dies freut mich herzlich. Vermelde ihm mein Compliment, ich hofe, daß auch deine Mama sich wohl befindet, alles schöne an sie. Heute habe ich erfahren, daß auch in meinem Haus alles gesund ist: ich befinde mich auch bisher ganz gut.« Er läßt sich »die Fugen Quartetten von Gallus so Er mir dedicirte«, weiter seinen Kalender und ein deutsches Textbuch der »Jahreszeiten« schicken. Im September wird dann seine neue Messe, die er wunschgemäß alljährlich zu liefern hatte, gleichzeitig seine letzte, aufgeführt. Schon im obigen Brief vom 14. Juni 1802 erwähnt er dieser Messe, die er mühsam fertig bringe. Es war die B-dur-Messe, die sogenannte Harmonie-Messe, deren Autograph er im letzten Jahre seines Lebens, am 16. Februar 1809, seinem Schüler Neukomm schenkte.
In dieser Zeit erfuhr unser Meiser wieder einmal eine freundliche Aufmerksamkeit von auswärts121. Die Musikfreunde in dem Städtchen Bergen auf der Insel Rügen hatten die »Schöpfung« aufgeführt und hatten im Vollgefühl des Entzückens beschlossen, dem Schöpfer der »Schöpfung« schriftlich zu danken für den gehabten Hochgenuß. Haydn antwortete ihnen mit einem Schreiben, datiert vom 22. September 1802.
»Meine Herren!
Es war für mich eine wahrhaft angenehme Überraschung aus einer Gegend ein so schmeichelhaftes Schreiben zu erhalten, wohin ich nie wähnen konnte, daß die Werke meines geringen Talentes dringen würden. Wenn ich nun aber sehe, daß mein Name bei Ihnen nicht nur bekannt, sondern meine Werke auch mit Beifall und Vergnügen ausgeführt werden, so gehen dadurch die heißesten Wünsche meines Herzens in Erfüllung; von einer jeden Nation, zu welcher meine Arbeiten gelangen würden, als nicht ganz unwürdiger Priester dieser heiligen Kunst beurtheilt zu werden. Sie scheinen mich über diesen Punkt von Seite Ihres Vaterlandes zu beruhigen, noch mehr, Sie geben mir die süßeste Überzeugung, die der ausgiebigste Trost in den Stunden meines bereits sinkenden Alters ist, daß ich öfters die beneidenswerthe Quelle bin, aus welcher Sie, und so manche für herzliche Empfindung empfängliche Familie in häuslicher Stille – ihr Vergnügen – ihre Zufriedenheit schöpfet. Wie beseligend ist nicht dieser Gedanke für mich! – Ost, wenn ich mit Hindernissen aller Art rang, die sich meinen Arbeiten entgegen stämmten, wenn oft die Kräfte meines Geistes und Körpers sanken, und mir es schwer ward, in der angetretenen Laufbahn auszuharren, – da flüsterte mir ein geheimes Gefühl zu: ›Es giebt[203] hienieden so Wenige der frohen und zufriedenen Menschen, überall verfolgt sie Kummer und Sorge, vielleicht wird deine Arbeit bisweilen eine Quelle, aus welcher der Sorgenvolle oder der von Geschäften lastende Mann auf einige Augenblicke seine Ruhe und seine Erholung schöpfet.‹ Dieß war dann ein mächtiger Beweggrund vorwärts zu streben, und dieß die Ursache, daß ich auch noch jetzt mit seelenvoller Heiterkeit auf die Arbeiten zurückblicke, die ich eine so lange Reihe von Jahren mit ununterbrochener Anstrengung und Mühe auf diese Kunst verwendet habe. Übrigens dank ich Ihnen aus vollem Herzen für Ihre gütigen Gesinnungen, und bitte es mir zu vergeben, wenn meine Antwort etwas spät erfolgt: Gebrechlichkeit, die unzertrennliche Gefährtin eines 70 jährigen Greises und unaufschiebbare Arbeiten raubten mir bisher dieses Vergnügen. Vielleicht gönnt mir die Natur noch diese Freude, für Sie noch ein kleines Denkmal zu verfertigen, aus welchem Sie die Empfindungen eines bereits allmählig hinsterbenden Greises erkennen mögen, der auch nachseinem Tode einem so schönen Zirkel noch gerne fortzuleben wünschte, von welchem Sie ein so herrliches Gemälde entwarfen. Ich habe die Ehre mit vollkommenster Hochachtung zu sein
Wien, den 22. Sept. 1802.
Ganz gehorsamster Diener
Joseph Haydn.«
Haydn machte damals auch dem so hochentwickelten Nationalgefühl der Ungarn seine Reverenz. Er schrieb – vielleicht als Gegenstück zur österreichischen Volkshymne, vielleicht für irgendwelche militärische Zwecke oder aus irgendeinem festlichen Anlaß – einen »Hungarischen Nationalmarsch« für Blasinstrumente, nämlich Trompete, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörner, 2 Fagotte (vgl. auch Bd. I, S. 326 f.). Am 28. November schrieb er an den Oboisten Hyrtl in Eisenstadt:
»Liebster Hyrtl!
Ich überschnekte Ihnen gestern durch meinen Copisten Elsler einen neuen Militair Marsch, vergaß aber anbey zu schreiben, daß, wenn allenfalls diese hier beygefügte Passage
zu schwer seyn sollte, Sie dieselbe auf folgende art
blasen können. Ich überlasse es Ihrem gutachten, und empfehle eine gute Probe; in derClarinetstimme aber sol nichts verändert werden.
indeß bin ich Ihr ergebenster Der
Jos. Haydn.«[204]
Merkwürdigerweise findet sich dieser Marsch außer in einer Rechnung Haydns über verschiedene Kopiatur- und andere Auslagen nirgends erwähnt. In dem betreffenden Brief nennt Haydn ihn auch nicht »Hungarischen Nationalmarsch«, wie er auf dem Autograph der Partitur betitelt ist, sondern »Militärmarsch«. Vielleicht schrieb er ihn anläßlich der Anwesenheit des russischen Großfürsten (war es derselbe, der den Text der Arie »Solo e pensoso« dichtete?), der Ende Oktober nach Ungarn auf die Güter des Fürsten Esterhazy kam, um dort einigen Jagden beizuwohnen, und dessentwillen Papa Haydn sich wieder von Wien nach Eisenstadt aufmachen mußte, um die Herrschaften zu amüsieren.
Die Beziehungen Haydns zu Paris verdichteten sich in dieser Zeit, und fast hatte es den Anschein, als ob unser greiser Künstler sich doch noch zu einer Fahrt nach Paris aufraffen wollte. In Paris wird Haydn die große Mode. Nachdem Haydn durch die Medaille des Conservatoire und die Ernennung zum Mitgliede des »Institut national« geehrt worden war, wollten die kleineren Gesellschaften auch nicht zurückstehen und sannen auf Ehrungen aller Art. So veranstaltete die Gesellschaft, die sich »Concert de la rue de Clery« nannte, irgendwie identisch mit den berühmten Concerts de la loge Olympique, eine Feier für Haydn, bei welcher nach der Aufführung einer seiner Sinfonien seine Büste vor dem versammelten Auditorium gekrönt wurde. Nur wenigen Eingeweihten war es bekannt, daß die Büste, auf der mit großen goldenen Lettern »L'immortel Haydn« stand, eine Kopie eines antiken Cato-Kopfes war, die man in Ermanglung einer Haydn-Büste aufgestellt hatte. Aus einem gleichzeitig an Haydn abgesandten Huldigungsschreiben der »Loge olympique« ersieht man, daß der Meister ihnen – wie so vielen anderen – versprochen hatte, ein neues Werk, und zwar eine Sinfonie zu komponieren.
Die Franzosen ließen es auch sonst an deutlichen Zeichen ihrer Verehrung nicht fehlen. Fr. Heinr. Himmel122 kam Ende Oktober von London und Paris nach Wien. »Mit London ist er nicht zufrieden«, schrieb Griesinger, »er kann aber nicht genug von dem[205] Enthusiasmus erzählen, mit dem in Paris Haydns Werke aufgenommen und aufgeführt werden. Er wendet alle seine Beredsamkeit an, um Haydn zu einer Reise nach Paris zu bewegen. Pleyel hat eine sehr elegante Taschenausgabe in 8vo von Haydns Quartetten veranstaltet. Zu welchem Zwecke glauben Sie wohl? Die Dilettanten und Kenner steken sie zu sich und lesen in den Concerten nach.« Diese kleine Taschenausgabe seiner Quartette, die erste in ihrer Art, scheint Haydn besondere Freude gemacht zu haben. Er dankt daher Pleyel in einem Briefe vom 6. Dezember 1802123 außerordentlich warm für die übersandten Exemplare: »Nichts hübscheres und splendideres kann gefunden werden. Möge der Himmel deine Anstrengungen belohnen.« Die Bemühungen, Haydn zu einer Reise nach Paris zu bewegen, wurden inzwischen unvermindert fortgesetzt. Griesinger schreibt hierüber am 18. Dezember: »Ich habe Ihnen schon erzählt, daß Himel in Haydn drang, eine Reise nach Paris zu machen; in der Hize der Unterredung äußerte Haydn, er würde wohl hingehen, wenn er wegen der Reisekosten gedekt wäre. Himel nimmt dieses als Ernst auf, schreibt es nach Paris, und in einigen Tagen erhält Haydn eine Einladung von einem Liebhaberconcert, nebst einer Anweisung auf 4400 fl zur Reise. Er nimmt es nicht an, aber der Eifer der Franzosen hat ihn geschmeichelt.«
Dem Conservatoire, das ihm im Vorjahre die schöne Medaille übersandt hatte, schickte er als Dank durch den Fürsten Esterhazy, als dieser nach Paris reiste, eine Messe. Wenn Haydn aus verzeihlicher Eitelkeit mit dem Gedanken einer Reise nach Paris spielte, war er sich doch innerlich dessen bewußt, daß seine physischen Kräfte hierzu nicht mehr ausreichten. Schreibt er doch in dem oben erwähnten Brief an Pleyel: »Ich wünschte nur 10 Jahre meines Lebens abwerfen zu können, damit es mir vergönnt wäre, dir eine neue Arbeit von mir zeigen zu können. Vielleicht daß dies noch geschieht.« Tatsächlich war Haydn immer noch mit Kompositionen beschäftigt. Wir hören, daß er an einem Quartett arbeitet, das er nebst einigen anderen dem Grafen Fries oder dem Fürsten Lobkowitz dedizieren will. Es war das als Opus 77 Nr. 3 erschienene Quartett in B-dur, sein letztes. Griesinger suchte auf[206] Wunsch des Grafen Fries diesem die Priorität zu sichern, was unser Meister gleich dazu benützte, um sich ein hübsches Honorar herauszuschlagen. Diese etwas kleinliche, vielleicht dem Greisenalter zuzuschreibende Sucht, möglichst viel Geld und Geldeswert zu erwerben, obzwar seine leiblichen Bedürfnisse mehr als gedeckt waren und er keine Leibeserben hatte, finden wir in manchen kleinen Zügen und Handlungen des Meisters, so in der nachstehenden von Griesinger berichteten Episode. Ein österreichischer Kurier, der nach Petersburg reiste, brachte dem Kaiser von Rußland die Grassische Haydnbüste mit »auf eigene Faust und gut Glück. Der Kaiser schenkte ihm dafür eine Tabatiere, die auf 300 Dukaten geschäzt wird. Der alte Papa ärgerte sich gewaltig, diese Speculation nicht selbst gemacht zu haben. Jezt will er aber dem Russ. Kaiser auf eine andere Art beykommen und ihm ein Werk (als einen Schwanengesang) dediciren. Dazu bestimmt er die für den Gr. Braun schon vor 6 Monaten componirten, u. auch mit 500 fl bezahlten Lieder. Gr. Braun hat aus unbegreiflicher Fahrlässigkeit diese Lieder noch nicht abholen lassen, und den Plan, den er damit hatte, aufgegeben. Haydn, der die 500 fl wieder von einem Verleger zu erhalten hofft, ließ den Gr. Braun fragen, ob er gegen Wiedererstattung seines Geldes auf die Lieder Verzicht thun wolle? Braun war so höflich zu antworten, daß er das Geld nicht wieder, sondern nur eine Abschrift wolle, im Übrigen aber Haydn jede beliebige Disposition mit dem Originale überlasse.« Haydn führte seine Absicht, diese Gesänge (gemeint sind die drei- und vierstimmigen) dem Kaiser von Rußland zu schicken, aber nicht aus, sondern überließ sie Breitkopf & Härtel zur Herausgabe und widmete sie der Kaiserin-Witwe von Rußland.
Auch die Einnahmequelle, die ihm aus dem Arrangement der Schottischen Lieder erfließt, sucht er möglichst auszubeuten. Trotz seiner Verbindung mit Thomson geht er auf den Vorschlag eines anderen Verlegers, Whyte in Edinburgh, ein und übernimmt es, für diesen 50 Lieder zu arrangieren, gegen das für damalige Zeiten recht ansehnliche Honorar von tausend Gulden. Wie uns berichtet wird, war Haydn mit einem Lied, öfters auch mit zweien, in einem Tage fertig, hatte also diese schöne Summe in kurzer Zeit verdient. Aus dieser Zeit existiert ein an die Witwe Johann GottliebNaumanns gerichteter Brief, als Antwort auf die Haydn damals[207] vorgebrachte Bitte, zur Biographie Naumanns einen Beitrag in Form eines künstlerischen Urteils zu geben; Haydns Antwort war sehr diplomatisch und geschickt abgefaßt:
»Wohlgebohren
Verehrungswürdigste Frau v. Naumann!
Vor allem bitt' ich Sie unendlich mir zu vergeben, wenn meine Antwort auf Ihr so gütiges als schätzbares Schreiben später eintrifft, als es Pflicht und Höflichkeit erheischt hätten. Mein kränkelnder Zustand, und zugleich unaufschiebbare Arbeiten für meinen Fürsten, haben mich dieses Vergnügens beraubt, und mich vielleicht in Ihren Augen als einen untheilnehmenden Freund bezichtiget. Gewiß, meine verehrungswürdige Frau, empfind' ich tief in der Seele den Verlust, den Sie und die lieblichste aller Künste in Ihrem Herrn Gemahl erlitten, und unersetzbar dürfte der Platz seyn, den dieser würdige Priester mit allgemeinem Beifalle bei dieser schönen Gottheit verwaltet. Ganz Europa hatte nur eine Stimme, und dieß war Lob und Beifall den man dem entschiedenen Verdienste Ihres seligen Herrn Gemahls widerfahren ließ. Es wäre Vermessenheit von mir zu erwähnen, daß meine Stimme noch zum Ruhme des Seligen etwas beizutragen vermocht, es wäre nichts als das Echo von all den Kennern und Meistern, die bereits ihr Urtheil über die unsterblichen Werke Naumanns gefällt, und dadurch jene gerechte Reputation gegründet haben, in welcher der Selige immer fortleben wird. Die allgemeine Stimme ist die Stimme Gottes und gilt mehr als jene des Einzelnen, besonders wenn dieser mit der allgemeinen Stimme einverstanden ist. Der Biograph hat des Stoffes genug, ohne mein Urteil nöthig zu haben, um dem Verstorbenen ein würdiges Monument zu errichten, welches auf Wahrheit und Übereinstimmung aller Sachkundigen ruhen wird. Ichhabe die Ehre mit vollkommenster Hochachtung zu seyn
ganz gehorsamster Diener
Joseph Haydn m.p.
Wien, den 22ten 7 bre 1802.
P.S. Die so herrliche Opera Aci und Galatea hat Ihrer Majestät die Kayserinn zu übersehen verlangt, das weitere werd ich mit nächsten berichten.«[208]
Gegen Ende des Jahres, am 26. Dezember 1802, dirigiert der Unermüdliche wieder einmal eine Aufführung der »Schöpfung« im großen Redoutensaal. Die Aufführung fand zum Vorteile des St. Marxer Bürgerspitales statt. »Der berühmte Verfasser«, hieß es in der Voranzeige der Wiener Zeitung, »hat sich wieder selbst zur Leitung der ganzen Musik angeboten.«
Am 29. März 1803 stirbt van Swieten: »Exc. Gottfried Freiherr van Swieten, k.k. wirk. geh. Rath Comandeur d.k. ung. Stephansorden, Präses der k.k. Hofbibliothek, von Leyden gebürtig, ledig, in der Behausung 146 Renngasse, alt 69 J.« heißt es im amtlichen Totenprotokoll. Haydn verlor in ihm einen aufrichtigen Freund und umsichtigen Berater. Van Swieten war der Begründer und der Geschäftsführer jener aus 24 Mitgliedern bestehenden adeligen musikalischen Gesellschaft, die sich die Förderung der Tonkunst, insbesondere durch Aufführung großer Chorwerke, zur Aufgabe gestellt hatte. Seiner Initiative waren die glanzvollen Erstaufführungen der »Schöpfung« und der »Jahreszeiten« zu danken, wobei naturgemäß seine Autorschaft als Verfasser der Texte für den Eifer, mit dem er diese Aufführungen betrieb, mitbestimmend war. Wenn Haydn vielleicht hie und da unter van Swietens Bevormundung, die sich auf geschäftliche Angelegenheiten gleicherweise wie auf künstlerische Dinge erstreckte, zu seufzen hatte, so war van Swieten doch andrerseits ein treuer, warmherziger Bewunderer des großen Meisters, dem er manchen Weg ebnete, und dessen Schrullen einzudämmen ihn vielleicht auch manchesmal Mühe kostete.
Haydn hatte nicht Zeit, sich dieses Ereignis sehr zu Herzen gehen zu lassen. Schon am darauffolgenden Sonntag, den 5. April, hatte er eine Aufführung der »Schöpfung« zu dirigieren, die Braun, der Direktor der Hoftheater, zum Besten der Theatral-Armen im Burgtheater veranstaltete. Eine am selben Tage im Theater a.d. Wien stattgehabte Aufführung von Beethovens »Christus am Ölberg« hatte darunter zu leiden, daß beide Orchester der Hoftheater in der »Schöpfungs« aufführung beschäftigt waren; Rosenbaum spricht daher von einer »mangelhaften Aufführung« der Beethovenschen Kantate.
Haydns Schaffenskraft fing an, immer mehr und mehr abzunehmen, und die vielen Beteuerungen, die er allen Bitten[209] um Originalkompositionen entgegensetzte, daß er alt und schwach sei, waren nicht bloß Ausdruck der Bescheidenheit. Dem Organisten Justin Heinrich Knecht, der als Redakteur der von Graß & Barth in Breslau herausgegebenen »Schlesischen Blumenlese« den versprochenen Beitrag urgierte, antwortete er am 3. März 1803: »Eu. Wohlgeb. beehrten mich mit der Blumenlese, wofür ich den ergebensten Dank abstatte; in dieser für die Musik so wichtigen Herausgabe finde ich nichts der Tonkunst zuwider u. wollte sehr gerne unter die Zahl der Wetteiferer mitgezählt werden; allein ein Alter von 72 Jahren [in Wirklichkeit bloß 71] und ein seit geraumer Zeit sich eingefundenes rheumatisches Nervenfieber versagen mir die hiezu erforderlichen Kräfte. Ich vermag kaum so viel, daß ich meinem Fürsten diene mit dem, was er für sein Haus bedarf.
Noch schließe ich mich nicht aus, den Lorbeerkranz zu verdienen, dessen alle Komponisten (besonders aber Knecht) würdig sind. Gott gebe, daß meine Organe mit Kräften beseelt u. die Natur ihre vorherige Freygebigkeiten mir nicht erlösche! so will ich mein Scherflein auch beitragen.«
Vielen ähnlichen Anfragen gegenüber verhielt er sich gleicherweise ablehnend. Die einzigen, bei denen er nachgiebiger wurde, waren Breitkopf & Härtel, die dank der Geschicklichkeit Griesingers und der im Vergleich zu den Wiener Verlegern großzügigeren Art, wie sie die Sache anpackten, aus Haydn noch manche ältere und neuere Komposition herauszogen, die sie in ihrem Verlage erscheinen lassen konnten. So überließ ihnen Haydn die ursprünglich für die russische Kaiserin bestimmt gewesenen drei- und vierstimmigen Gesänge, worüber der nachfolgende Brief an Griesinger Zeugnis ablegt:
»Verehrungs-würdigster Herr
von Griesinger!
Aus mehreren wohl überdachten Ursachen entsage ich der Übersendung meiner Gesänge an die russische Kayserin, damit Herr Härtel durch baldige Herausgab seinen Nutzen desto geschwinder befördern köne, ich bitte demnach es Ihm sobald möglich zu berichten.
Ihnen aber allerbester Herr v. Griesinger sage ich tausendfachen[210] Dank für alle mühe, so Sie sich meinerweg gegeben haben, und bin mit Vorzüglichster Hochachtung
Ihr gehorsamster
Joseph Haydn
den 13t Merz 803.«
Dem fortgesetzten Drängen der Firma Breitkopf & Härtel gegenüber, die Haydn zur Komposition eines Oratoriums bewegen wollten, verhielt sich Haydn zwar zurückhaltend, aber nicht ablehnend. Die Verlagsfirma hatte eine große Kantate »Polyhymnia oder die Macht der Töne«, die von Christian Schreiber nach dem Englischen des Dryden bearbeitet war, ins Auge gefaßt. Sie schickten ihm als Probe ein Terzett daraus. Über den Eindruck, den die Probesendung gemacht, meldet Griesinger am 18. Juni:
»Haydn hat den besten Willen, die Cantate, deren Gegenstand das Lob der Musik ist zu componieren. Auch Händel habe ein ähnliches Sujet bearbeitet. Das Terzett, welches allerdings sehr gut gerathen ist, hat ihm gefallen u. ich mußte es ihm überlassen. Ehe er aber die mindeste Verbindlichkeit übernimmt, wünschte er das ganze Gedicht zu lesen. Daß kein falscher Gebrauch davon gemacht werden soll, will er mir mit seiner Ehre verbürgen. Gar zu groß dürfe dieses Gedicht nicht seyn u. in der Aufführung höchstens eine Stunde dauern. Schiken Sie, werthester Freund, den Text so bald als möglich; während Esterhazy's Abwesenheit u. der freundlichen Jahreszeit hat H. Kopf u. Hände frey; späterhin möchte das nicht mehr der Fall seyn.«
Die Verleger beeilten sich nun, das ganze Gedicht einzuschicken, dessen Empfang Griesinger am 6. Juli bestätigt. Aber Haydn schob die Entscheidung den ganzen Sommer und Herbst hindurch auf. Im Winter verstand es Griesinger in geschickter Weise, Beethoven in die Sache hineinzuziehen und ihn gegen Haydn auszuspielen. Am 14. Dez. 1803 schreibt er:
»Haydn war so gut gestimmt, daß ich den Augenblick ihm wegen der Polymnie zu Leibe zu gehen, nicht vernachlässigen konnte. ›Zu dieser Composition, sagte er, gehöre eine anhaltende Gesundheit und das paga Pantalon.‹ O, versezt ich, wenn Sie nur deswegen besorgt sind, so bin ich meiner Sache schon halb[211] gewis; bestimmen Sie einen billigen Preis, so wird H. Härtel Ihnen entweder eine Summe vorausbezahlen, oder Sie wegen der künftigen Zahlung hinlänglich versichern. Zum voraus, antwortete er, nehme er nichts, aber die Versicherung würde er nicht ausschlagen; er müsse aber noch das Gedicht einigemahle durchlesen, ehe er einen Entschluß fassen könnte. Das war nun die Sache wieder auf die lange Bank geschoben; ich erzählte ihm also, daß Beethoven gute Gedichte suche, und daß er vielleicht froh wäre, die Polymnia bearbeiten zu können. Diese Nachricht machte so viel Eindruck, daß mir der Papa auftrug, (doch ohne ihn dabei zu nennen) das Gedicht dem Beethoven zu zeigen, und von ihm zu erforschen, ob er es für eine musikalische Bearbeitung passend finde und glaube, daß man dadurch eine Ehre einlegen könne. Diese Condescenz des Papa wird Sie nicht weniger wundern als mich; allein dem ist einmahl so! Ich lief, wie Sie leicht glauben können, gleich mit der Polymnia zu Beethoven, der mir in Zeit von 8 Tagen seine Bemerkungen darüber mitzutheilen versprochen hat. Nach Beethovens Äußerung wird sich also Haydn vermuthlich bestimmen. Sein Urtheil ist gewis competenter als das von Swieten, den Haydn in solchen Fällen um Rath fragte. So viel ich Haydn kenne, ist das Gedicht vielleicht zu hoch für ihn geschrieben, denn ihm ist das triviale ›süße Liebe, reine Triebe‹ u.s.w. geläufiger .... Beethoven sagte mir, daß ihm auch schon ein Gedicht ›Die Feyer der Töne‹ wenn ich nicht irre, ebenfalls von Schreiber angetragen worden sey.«
Am 4. Januar 1804 berichtet er dann weiter:
»Aus den 8 Tägen, in welchen Beethoven das bewußte Gedicht prüfen wollte, sind 3 Wochen geworden ..... Sein Urtheil über die Polymnia ist folgendes: Das Gedicht sey gut geschrieben, aber es sey nicht genug Aktion darinn; der Anfang erinnere ganz an die Schöpfung von Swieten, es sey zu reich an Mahlereyen und dadurch etwas einförmig. In der Art von Lehr gedichten habe Haydn durch d. Schöpfung u.d. Jahreszeiten Meisterstücke aufgestellt, und er kenne in diesem Fache keinen glücklicheren Compositeur als Haydn. Ihm scheinen die Oratorien, dergleichen Händel bearbeitete, besser zu musicalischen Compositionen geeignet; er wenigstens glaube in solchen besser zu reussiren. Ich möchte ihm die Polymnia noch eine Zeit lang lassen; bey wiederholtem[212] Lesen könne er vielleicht doch nicht widerstehen, sie in Musik zu sezen. Ich brachte nun meinen Rapport mit Auslassung der lezten Äußerung dem H. Der klagte aber gewaltig über den Einfluß der feuchten Witterung auf seine Gesundheit; wenn er nur 1/2, Stunde arbeite, so bekomme er Schwindel, er müsse sich schonen, sonst treffe ihn noch der Schlag am Clavier u.s.w. Es freute ihn sehr, daß Beethoven so günstig von ihm urtheilte, denn er beschuldigt diesen eines großen Stolzes gegen ihn.«
Weder der ältere noch der junge Meister, auf deren gegenseitiges Verhältnis diese Episode ein ganz interessantes Streiflicht wirst, konnten sich zur Vertonung des Textes entschließen: Peter von Winter hat ihn dann bald darauf komponiert.
Schon zu Beginn des Jahres 1803 hatte sich der Fürst Esterhazy von Paris aus an Haydn mit dem Wunsche gewendet, für die musikliebende Gemahlin des französischen Generals Moreau eine Klaviersonate zu komponieren. Haydn hatte unter Hinweis auf sein hohes Alter sowie seinen Gesundheitszustand abgelehnt, etwas Neues zu komponieren, und schickte der Generalin ein Heft seiner gedruckten Klavierwerke. Der Fürst ließ aber nicht locker, und Haydn mußte sich dazu entschließen, den Wunsch seines Brotherrn zu erfüllen. Er schickte eine Klaviersonate mit einem galanten Begleitbrief124 in elegantem Französisch, der von anderer Hand geschrieben und von ihm nur unterfertigt ist. Er lautet:
»Madame,
M. le Prince Esterhazy m'a fait l'honneur de me dire que vous desiriez avoir une Sonate de ma composition. Il ne fallait rien moins que mon extrême envie de vous plaire, pour me déterminer à m'occuper de ce travail; mon âge et mes maladies me défendent toute application depuis deux ans, et je crains bien que Vous ne Vous en apperceviez: mais l'indulgence fut toujours l'appanage des Grâces et des talents, il m'est donc permis de compter sur la votre. Mes medecins me font ésperer un adoucissement à mes maux: je n'y éspère, Madame, que pour réparer la faiblesse de mon ouvrage, en vous faisant hommage d'une nouvelle composition. Je voudrais[213] que celle-cy fut digne de Vous et de M. le Général Moreau; je tremble qu'il ne me juge avec rigueur, et qu'il ne se souvienne que c'était an seul Thimotée qu'il appartenait de chanter pour Alexandre.
J'ay l'honneur d'être très respectueusement
votre très humble et très obéissant serviteur
Joseph Haydn.«
Unser guter Meister hatte aber den Fürsten, die Generalin und noch ein paar andere Leute getäuscht. Es war gar keine neue Komposition, die er der Generalin geschickt hatte, sondern ein älteres Werk, das er überdies noch mehrfach verwertete. Im Sommer d.J. 1803 hatte er eine geschäftliche Differenz mit dem Musikalienhändler Traeg in Wien. Dieser hatte 1788 aus der Verlassenschaft des Grafen Erdödy vier Originalmanuskripte Haydnscher Opern, und zwar von »Il mondo della Luna«, »L'Isola disabitata«, »Philemon u. Baucis« und einer komischen Oper, gekauft. Als Haydn im Jahre 1802 mit der Umarbeitung der »Isola disabitata« für Breitkopf & Härtel beschäftigt war und von dem Traegschen Besitz erfuhr, ließ er sich das Manuskript als Vorlage dieser Oper holen. »Nach einiger Zeit verlangte es Traeg zurück oder einen Ersatz von zwölf Dukaten. Haydn ergrimmt über diese Forderung, läßt Traeg zu sich kommen und wäscht ihm im Beyseyn anderer Personen den Kopf so derb als möglich. Um aber alle Weitläufigkeiten zu vermeiden, gab er endlich die Sonate quaestionis her, die er in London einst componierte.« (Griesinger, Brief v. 9. Juli 1803.) Diese Sonate ist dieselbe, die er der Madame Moreau schickte. Sie ist laut dem seinerzeit im Besitz von Andro befindlichen Autograph im Jahre 1795 komponiert und ist ein Trio für Klavier, Violine und Violoncell, bestehend aus zwei Sätzen, einem Andante mit Variationen in Es-dur und Es-moll und einem Allegro in Es-dur. Für die Generalin schickte er sie bloß als Duo für Klavier und Violine. Von diesem kleinen Schwindel hat Haydn wohlweislich nichts gesagt; den Bitten Breitkopf & Härtels gegenüber, ihnen die angeblich neue Sonate zur Veröffentlichung zu überlassen, erklärte er stets, er getraue sich nicht, sie ohne Zustimmung des Fürsten Esterhazy zu verkaufen; er scheint auch die Version verbreitet zu haben, er besitze keine Abschrift, da noch Gerber im »Neuen biogr.[214] Lexikon 1812« (II S. 602) behauptet, es komme bloß auf »Madame Moreau an, in wiefern sie bei ihrer kurz darauf erfolgten Abreise nach Amerika auf dies Werk geachtet hat, ob diese Sonate für die Kunstwelt erhalten oder auf immer verloren ist«. In Wien erschien die Sonate als Trio im Sommer d.J. 1803 (angezeigt in der Wiener Zeitung vom 27. August 1803 Nr. 69) bei J. Traeg als Op. 101 (gewidmet der Mademoiselle Madeleine de Kurzbeck) und im Jahre 1805 bei Artaria als Op. 85. Bald erschien sie auch bei Breitkopf & Härtel und wurde in das X. Heft der Ges.-Ausgabe als Nr. 1 aufgenommen.
Im Jahre 1821 ist sie in der Allgem. Mus. Zeitung als Duo für Violine und Klavier, erschienen im Verlage von Simrock, Bonn, angekündigt, gewidmet der Madame Moreau, also wahrscheinlich nach jener Fassung, in welcher sie Haydn nach Paris sandte. Im Jahre 1841 war dieses Werk noch Gegenstand eines Prozesses in Frankfurt a.M., wo eine Witwe Lanner die Sonate in eine (sogenannte complete) Sammlung der Werke Haydns aufgenommen hatte. Ein Pariser Verleger namens Gerdes behauptete, der einzige rechtmäßige Eigentümer der Sonate zu sein, und klagte auf eine Entschädigungssumme von 1800 frs. »Der Gerichtshof erkannte aber nach Anhörung der gewichtigen Gegengründe, welche der Advokat der Witwe Lanner vorgebracht, die Forderung des Gerdes für unberechtigt, die von demselben vorgenommene Beschlagnahme der von der Witwe herausgegebenen Sammlung der Werke Haydn's für null und nichtig und verurtheilte denselben in die Kosten.« (Frankf. Konversationsblatt 1841 Nr. 158, S. 630). Der dringende Wunsch der Generalin Moreau, eine Originalkomposition von Haydn zu besitzen, zeigt wieder, welcher Schätzung sich der Meister im Auslande, namentlich aber in Paris erfreute. Hier konnte man sich in Beweisen der Verehrung und Bewunderung für Haydn nicht genug tun. Der Fürst Esterhazy hatte bei seiner Anwesenheit in Paris oft Gelegenheit, sich davon selbst zu überzeugen: als er einem der »Concerts des amateurs« beiwohnte, sah er Haydns Büste, mit Lorbeer geschmückt, in reicher Beleuchtung, als Gegenstand der Verehrung im Saale aufgestellt. (Vgl. Dies S. 182 u. Rhein. Mus. Zeitung 1855 Nr. 43.) Die Gesellschaft schickte ihm auch eine goldene, von Gatteaux geschnittene Medaille. Es war dies der Dank für die kirchlichen Kompositionen,[215] die Haydn den »Concerts des amateurs« durch den Fürsten Esterhazy nach Paris geschickt hatte; eine Messe, ein Offertorium und ein Te Deum, wie aus dem nachfolgenden Schreiben125 hervorgeht:
»Concert des Amateurs.
Nous administrateurs du concert des Amateurs, déclarons que son Altesse Monseigneur le Prince d'Esterhazy a eu la bonté de nous remettre une lettre et un paquet cacheté, contenant une Messe, une Offertoire et un Te Deum de la composition de célèbre Joseph Haydn, et que ces trois ouvrages seront déposés dans nos archives comme un monument qui attestra que ce Savant compositeur a bien voulu jetter un regard de bienveillance sur notre Société.
Paris le vingtun Nivôse an 11 (13. Januar 1804) de Sorie-Plantad. Brevas. Frederic Duvernoy. de Bondy. Fr. Rousseau.«
Die von den »Concerts des amateurs« Haydn übersandte Medaille zeigt auf der Aversseite einen Lorbeerkranz, welcher einen Stern und die Worte »à Haydn« einschließt; die Reversseite bringt einen auf Säulen stehenden Dreifuß, auf dem die Flamme lodert, zu beiden Seiten je eine Lyra, die durch einen Lorbeerzweig verbunden sind, über dem Ganzen die Worte: »Le même feu les anime«, darunter steht »Professeurs et amateurs«.
Wien, das dem Altmeister zur zweiten Vaterstadt und eigentlichen Heimat geworden war, ließ ihm nun auch durch seine offizielle Vertretung gebührende Ehren zuteil werden. Am 10. März 1803 übersandte ihm der Wiener Stadtmagistrat die große goldene, sogenannte zwölffache, Bürgermedaille mit einem höchst schmeichelhaften und höchst ungrammatikalischen Schreiben, über dessen Holprigkeit sich schon Griesinger, als er eine Abschrift nach Leipzig schickte, lustig machte. Diese Medaille, die noch heute bestehende »Salvatormedaille«126, deren Wert in Gold damals, wie wir aus den Ober-Kammeramtsrechnun gen jener Zeit erfahren, 55 fl. 12 kr betrug, wurde für wertvolle der Stadt oder der Bürgerschaft geleistete Dienste oder wohltätige Werke verliehen; so nimmt auch der Begleitbrief auf die Wohltaten Bezug, die Haydn durch die unentgeltliche Leitung seiner Werke zum Besten des Bürgerspitales in St. Marx (einer Vorstadt von Wien) seinen Mitbürgern erwiesen.
Im folgenden der Wortlaut des Diploms:
»Nach den vielen Beweisen der Menschenfreundlichkeit, mit welchen Ew. Wohlgeboren die bemitleidenswerthe Lage der verarmten alten Bürger und[216] Bürgerinnen zu St. Marx zu erleichtern mitgewirkt haben, fand sich die von höchsten Orten aufgestellte Bürgerhospitals-Wirthschaftscommission veranlaßt, hierorts dieses edelmüthige Benehmen vorstellig zu machen und den Wunsch zu äußern, daß diese wohlthätigen Bemühungen nicht unbemerkt bleiben möchten. In Erwägung nun, daß Sie, verehrungswürdigster Herr Doktor der Tonkunst, zu der Bewunderung für die Meisterwerke ihres Genies, mit welchen Sie zu wiederholten Malen unentgeltlich und in eigener Person die Direction jener Cantaten übernahmen, durch welche so viele zum Wohlthun gestimmt und den armen Bürgern zu St. Marx so ansehnliche Beiträge bewirkt wurden, ergreift der Magistrat dieser K.K. Haupt- und Residenzstadt Wien, der schon lange einer Gelegenheit entgegensah, einem durch seine Talente unsterblichen und bereits von allen gebildeten Nationen mit besonderer Ehre ausgezeichneten Manne, welcher die Vorzüge des Künstlers und die Tugenden des Bürgers in thätige Verbindung setzt, diese Veranlassung, auf irgend eine Weise seine Achtung zu bezeugen. Um aber auch in Ansehung dieses bleibenden Verdienstes nur den entferntesten Beweis zu geben, hat der Magistrat einstimmig beschlossen, Euer Wohlgeboren gegenwärtige goldene Bürger-Medaille als ein geringes Merkmal des Dankgefühles der erquickten armen Bürger und Bürgerinnen zu St. Marx, deren Organ wir hiermit vorstellen, anzuschließen. Möge sie so lange an Ihrer Brust glänzen, als die Segenswünsche für Ihre Edelthat dankbaren Herzen entströmen werden; mögen Sie uns Gelegenheit an die Hand geben, die Beweise der ausgezeichneten Hochachtung zu vermehren, mit welcherwir verharren
Ew. Wohlgeboren bereitwilligste
Joseph Georg Hörl, K.K. Oesterr.
Reg. Rath und Bürgermeister
Stephan Edler von Wohlleben, K.K.
Rath und Stadtoberkämmerer in Wien
Joh. Bapt Franz., der Bürgerhospitals-
Wirthschafts-Commission Präses.«
Wien,
am 10. May 1803.
Haydns Antwort auf diese Ehrung, die er sich durch den Abbo Hofstätter aufsetzen ließ, lautete:
»Wohllöblicher Magistrat!
Hoch Wohl gebohrene Hoch
zu verehrende Herrn!
Als ich bemüht war zur Erquickung der alten verarmten Bürger und Bürgerinnen etwas durch meine Kennt nisse in der Tonkunst beizutragen, schätzte ich mich sehr glücklich eine meiner angenehmen Pflichten erfüllt zu haben, und konnte mir nicht schmeicheln daß ein Wohllöbl. Magistrat der K. k. Haupt- u. Residenzstadt meine geringe Bemühung mit seiner Aufmerksamkeit auf eine so ausgezeichnete Art würdigen werde.
Nicht sowohl das edle Geschenk Wohlgebohren Hoch zuverehrende Herrn, so ich alle Tage, welche mir die Vorsicht noch beschieden hat, als ein Denkmal Ihrer Gewogenheit tief verehren werde, als noch weit mehr Ihre gütige Zuschrift, die ganz der Abdruck Ihrer edlen Gesinnungen ist, läßt mein gerührtes Herz in der Ungewißheit, ob ich mehr Ihr großmütiges Benehmen gegen mich, oder die menschenfreundliche Sorgfalt, welche Sie gegen erarmte Bürger tragen, bewundern soll.
Indem ich hier für beydes mein innigstes Dankgefühl feyerlich erkläre, erlauben Sie mir Verehrungswürdigste Herrn den warmen Wunsch anzuschließen.[217] daß die Vorsicht einen so menschenfreundlichen Magistrat zum Wohl dieser Kayserstadt noch lange erhalten möge.
Ich verharre mit tiefer Verehrung
Wohlgebohren Hochzuverehrende Herrn
dero gehorsamster Diener
Joseph Haydn127.«
Griesinger setzt in seinem Bericht hierüber hinzu (18. Juni): »Sie können sich vorstellen, daß alle diese Ehrenbezeugungen dem Papa gutes Blut machen. Er war einige Monathe hindurch wirklich ganz unthätig, und zu nichts aufgelegt; jezt ist er durch die gute Jahreszeit u. Bäder wieder gestärkt, und er könne, wie er mir sagt ›doch wieder a bisserl phantasieren‹.«
Die Wiener Zeitung brachte in ihrer Nr. 44 vom 1. Juni 1803 eine längere Notiz über die an Haydn verliehene Auszeichnung. Die Salvator-Medaille, deren Verleihung an verdiente Persönlichkeiten die Stadt Wien noch heute vornimmt, läßt auf ihrer Vorderseite eine Ansicht der Stadt Wien sehen mit der Überschrift: Sub umbra alarum tuarum und der Unterschrift: Munus R.P. Viennensis. Die Rückseite zeigt den Kopf des Erlösers mit dem Strahlenkranz und die Umschrift: Salvator mundi.
Haydn bereitete diese Ehrung seiner Mitbürger große Freude, und er hing die Medaille an ihrem roten Bande bei festlichen Gelegenheiten oder wenn er Besuch erwartete gerne um den Hals. War sie doch die einzige ordensähnliche Auszeichnung, die er tragen und zeigen konnte, während ihm ein wirklicher Orden, den er gewiß eher verdient hätte als die meisten anderen, die sie erhielten, vorenthalten blieb.
Das »gute Blut« äußert sich auch in der heiteren, launigen Art, in der Haydn jetzt seine Briefe schreibt. An den Vizekapellmeister Fuchs in Eisenstadt schreibt er am 18. Mai:
»Liebster Fuchs!
Herr Diezl [fürstl. Musiker] ersuchte mich wegen wichtiger Angelegenheiten Ihm noch ein paar Tage Aufenthalt in Wien zu erlauben, dafür wird er aber ganz sicher noch vor Pfingsten in Eisenstadt sich einfinden. Du wirst Ihm also Deinen gnädigen Seegen ertheilen. Übrigens vernehme ich, daß Du außerordentlich[218] fleißig bist, wofür ich Dein schönes Weiberl herzlich küssen lasse und bin zugleich
Dein alter, aber leyder noch unbrauchbarer Freund
Joseph Haydn.«
An Elsler schreibt er den bekannten Brief)Nohl, Musikerbriefe, 2. Aufl.) vom 3. Juni, worin er ersucht, ihm »den alten Schmarrn«, die Sinfonie (genannt die Zerstreute) zu schicken [gemeint ist die Ouvertüre zu »Il distratto«], welche die Kaiserin zu hören wünscht, in welchem Schreiben er seinem Bruder, den Luigi Fex [gemeint ist Tommasini], dessen »Helfte« u.a. grüßen läßt. Auch eine Eingabe an den Fürsten, worin er eine Unterstützung des jungen Luigi Tommasini befürwortet, aus dieser Zeit stammend, möge hier Platz finden:
»Um das seltene Genie des Bittstellers (so durch zufällige Krankheit und darauf folgender Dürftigkeit in etwas zerrüttet wurde) wieder in gehörige Ordnung zu bringen, wäre meine unmaßgebliche Meinung dasselbe durch die Gnade der Hochf. Durchl. mit einer jährl. Zulage von 100 f. oder wenigstens 50 fl. zur größeren Thätigkeit seiner Dienste fernerhin zu zwingen.
Joseph Haydn, Kapellmeister.«
In diesem Sommer blieb Haydn besonders lange in Wien, die Abwesenheit des Fürsten ausnützend. Er beschäftigt sich mit dem ihm von Breitkopf & Härtel eingesandten Texte zu der Kantate »Polyhymnia«, zu deren Komposition er sich dann doch nicht entschließen konnte, wie früher auseinandergesetzt wurde.
Einmal zeigt er Griesinger die Partitur eines deutschen Oratoriums von Händel, die er von der Königin von England erhalten hatte. Es war betitelt: »Der für die Sünden der Welt gemarterte und sterbende Jesus« (Ges.-Ausg. Bd. 15). Er will einen Schlußchor zu dem Oratorium, das mit einem Choral endigt, schreiben und sucht hierfür einen Text.
Auch will er zu seinem Stabat mater, das er bereits veröffentlicht hat, Blasinstrumente setzen, um es bei der Rückkehr des Fürsten aus Paris aufzuführen: er ließ die Harmoniestimmen aber von Neukomm hinzusetzen und beaufsichtigte bloß dessen Arbeit. Da er bei der Rückkehr des Fürsten anwesend sein muß, verläßt er am 20. August Wien und begibt sich nach Eisenstadt. Vorher hatte er noch einen Anfall einer starken Kolik mit Erbrechen zu[219] überstehen (Griesinger schreibt: man nennt diese Krankheit hier die Cholera), von dem er sich langsam wieder erholt.
Am 27. August traf der Fürst in Eisenstadt ein. Rosenbaum hatte den Text, Fuchs die Musik zu einer Kantate verfertigt, die als Begrüßung des Fürsten aufgeführt wurde. Über diese Feierlichkeiten selbst und was damit zusammenhing gibt ein anschauliches Bild Rosenbaums Tagebuch, aus dem nur die bemerkenswertesten Stellen hier wiedergegeben seien:
»26. August. Ich besuchte Haydn und lud ihn zu unserer Tafel zum Engel. Um 4 Probe der Cantate.
27. August. Sonnabend Ankunft d. Fürsten. Ich übergab Fuchs die Bücheln in Atlas. Sprach mit Haydn wegen frühen Anfang der Cantate. Der Empfang des Fürsten war herzlich ... Auf der Stiege empfiengen ihn die Beamten, an deren Spitze Szent-Galy, u. im kleinen Sall die Musik, an deren Spitze Haydn in Uniform war. Der Fürst kam um 1/212 an, war sehr gnädig u. galant mit allen. Haydn u. Fuchs sagten ihm von der heutigen Aufführung der Cantate, zugleich aber, daß Therese hier und krank sei, darum um Nachsicht bäte. Sie übergaben ihm Bücher in Atlas u. ich 2 an Körner u. Szent-Galy. Der Fürst sprach mit jedem ... Abends: Ich holte Haydn im Schloß ab, u. wir gingen zusammen zur großen Gesellschaft im Engel speisen. Heute lud ich noch den Jean Haydn und Tomasini Vater ein. Im Sall ging der Fürst zu Therese, war nicht minder charmant. Dazu kam Haydn u. sagte dem Fürsten in Gegenwart mehrerer viel Gutes von Musik und Poesie, wiederholte, was er mir schon gestern in Gegenwart der Tisch-Gesellschaft sagte, daß meine Poesie gut, viel abwechselnd u. dem Compositor reichen Stoff zur Musik giebt, daß er auf meine Poesie recht gerne schreibe u. dergleichen.
Sonntag 28. August. um 10 Bergkirche Amt von Haydn. Beim Te Deum feuerten die Grenadiere 3 und beim Amt 4mal.
29. Nach Tisch kam Haydn, Elsler u. Mayer, ersterer blieb bey 2 Stunden bei uns, war guter Laune und sagte Th. viel schmeichelhaftes.
Donnerstag, d. 1. Sept. Von Haydn nahm ich auch Abschied, der mich oft küßte u. mich u. Therese seiner innigsten Freundschaft versicherte. Er glaubt, daß diese Cantate, welche dem Fürsten u. ihm so sehr gefiel, am Marien Tage repetiert wird.«[220]
Erst im Spätherbst dieses Jahres kehrt Haydn nach Wien zurück. Immer ein bißchen kränkelnd, aber doch ohne eigentliche Krankheit führt er sein beschauliches Leben weiter. Um diese Zeit kommen auch die beiden Weber, Vater und Sohn, nach Wien, hauptsächlich Haydns wegen, dessen Unterricht der junge Carl Maria, der bisher bei Michael Haydn in Salzburg gelernt hatte, genießen sollte. Aus dem Unterrichte bei Joseph Haydn wurde aber nichts; statt dessen wurde der hoffnungsvolle jugendliche Künstler dem Abbé Vogler als Schüler übergeben. Vogler, künstlerisch eigentlich ein Charlatan, aber ein gewandter Routinier, hat bestimmenden Einfluß auf die Richtung genommen, in der sich Webers Schaffen später bewegte, und hat ihm sicher auch die vielen falschen und unrichtigen Eindrücke vermittelt, die Weber vom damaligen Wiener Musikleben erhielt, und die er in seinen Erinnerungen niederlegte. Über sein Zusammentreffen mit Haydn schreibt Weber anfangs des Jahres 1804:
»Ich war schon einigemal bei Haydn. Die Schwäche des Alters ausgenommen, ist er immer munter und aufgeräumt, spricht sehr gerne von seinen Begebenheiten und unterhält sich besonders mit jungen angehenden Künstlern gern. Das wahre Gepräge des großen Mannes, dies alles ist Vogler auch; nur mit dem Unterschied, daß sein Literaturwitz viel schärfer als der natürliche Haydn's ist. Es ist rührend, die erwachsenen Männer kommen zu sehen, wie sie ihn Papa nennen und ihm die Hand küssen.«
In diese Zeit dürfte auch die Anfertigung des Wachsmedaillons fallen, das Irrwoch128 von Haydn anfertigte. Nach den Bemerkungen Neukomms und Dies' wurde dieses Medaillon, das in zwei Sitzungen modelliert wurde, von jedermann als das ähnlichste der Bildnisse Haydns erklärt.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde, wie alljährlich, im großen Redoutensaal ein großes Werk Haydns zu wohltätigem Zwecke aufgeführt, diesmal die »Sieben Worte« zugunsten des Bürgerspitales zu St. Marx. Nach dem Berichte in der Wr. Zeitung war der Hof und die ganze Wiener Gesellschaft zugegen; »J. Haydn, der ungeachtet seines hohen Alters und seiner geschwächten[221] Gesundheit die Leitung der ganzen Musik aus eigenem Antriebe zu besorgen die Güte hatte, gab einen neuen Beweis, daß er ein ebenso großer Menschenfreund als Tonkünstler sei, und die Bürgerspitals-Verwaltung erstattet daher auch selbem sowohl, als den dabei durch ihre Kunst und uneigennützige Bereitwilligkeit sich ausgezeichneten Sängern: Mlle Schmalz, Flamm, H. Weinmüller u. Bondra ihren verbindlichsten öffentlichen Dank ab.«
Es war das letzte Auftreten Haydns als Dirigent. Der Hinweis auf sein hohes Alter und seine geschwächte Gesundheit, der vielleicht auf sein Betreiben in obigen Bericht aufgenommen wurde, findet sich in allen Mitteilungen, Briefen und Gesprächen von und über Haydn. Es war vielleicht etwas Hypochondrie dabei, denn von einer wirklichen Krankheit scheint unser Meister nicht gequält worden zu sein, wenn man von dem mehr lästigen als gefährlichen Nasenleiden absieht. Aber die Beschwerden des Alters trafen ihn, der regen Geistes und lebhaften Naturells war, besonders unangenehm; er beklagt sich über den Einfluß der feuchten Witterung auf seine Gesundheit und sagt, daß er nach halbstündiger Arbeit Schwindel bekomme. Er beschäftigt sich daher viel mit dem Gedanken, wie ihm sein Ruhm noch über seinen Tod hinaus erhalten bleiben könnte, und kramt in allen seinen Laden, um »nachgelassene Werke« zu sammeln.
Griesinger schreibt am 24. Januar 1804: »Die Idee, nach seinem Tode noch einiges erscheinen zu lassen, ist in Haydn fest eingewurzelt, und er hat mir schon mehrere Male davon gesprochen. Er gibt sie selbst für eine Caprice aus, an der das non omnis moriar zum Theil schuld sein mag.« (Das Horazsche Zitat, im Freimaurerleben oft gebraucht, wurde von Haydn auch als Kanon vertont und stand auf der Grabplatte, die dem Meister von seinem Schüler Neukomm gesetzt wurde.) Praktisch, wie Haydn war, hat er aber über den Nachruhm die geschäftliche Seite der Sache nicht aus dem Auge gelassen. Er machte der Firma folgenden Vorschlag: Er erhält durch zwei Jahre hindurch eine Rente von je 150 Gulden, dafür würde er der Firma ein Orgelkonzert129 und[222] ein Salve regina aus früherer Zeit, die Partitur des Händelschen Oratoriums und das Optionsrecht auf das Quartett, an dem er arbeitete, überlassen. Sollte er während dieser zwei Jahre sterben, so sollten Breitkopf & Härtel überdies die in London komponierten »Zehn Gebote« und die in seinem Zimmer unter Glas und Rahmen hängenden 42 Kanons erhalten. Sollte er länger leben, so wäre betreffs der »Zehn Gebote« und der Kanons eine neue Vereinbarung festzusetzen, und außerdem würde Haydn trachten, noch andere ungedruckte Kompositionen aufzustöbern. Breitkopf & Härtel gingen auf diesen Vorschlag nicht ein, und Haydn fand dann selbst, »daß es ihm nachtheilig sein könnte, wenn die Welt einst erfahren sollte, daß er bey lebendigen Leibe für Werke, die nach seinem Tode herauskommen sollen, bezahlt worden sey«. Beide obengenannten Werke sind auch tatsächlich erst nach seinem Tode herausgekommen; die »Zehn Gebote« hatte er Griesinger geschenkt, der sie der Firma Breitkopf & Härtel überließ, und die 42 Kanons veröffentlichten sie auf Grund einer von Elsler nach Haydns Tode angefertigten Abschrift.
Schon seinerzeit, als Haydn im Dezember 1801 zum ersten Male seine »Schöpfung« zugunsten des Bürgerspitales dirigierte, war die Rede davon, ihm das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Es kam aber erst jetzt dazu.
Auf Einschreiten der Wirtschaftskommission des Bürgerspitales beim Magistrat der Stadt Wien verleiht der letztere am 1. April 1804 Joseph Haydn das Ehrenbürgerrecht. Die Eingabe der Wirtschaftskommission hatte folgenden Wortlaut:
»Löbl. Magistrat der k.k. Haupt, und
Residenz Stadt Wien!
Dreimal hat Herr Joseph Haiden der Tonkunst Docktor bei der zur besseren Verpflegung der zu St. Marx in der Versorgung befindl. Bürgern, abgehaltenen Kantate, die Direkzion übernommen, und nicht nur durch seine gegenwart mehrere Menschen zugezogen, sondern auch seine Bemühung unentgeltlich geleistet.
Dieser sowohl hier, als im Auslande allgemein hochgeschätzte Mann verdienet für die den Armen so nützliche Dienstleistung, eine dem Gegenstande, und der Person des Wohlthäters angemessene Erkenntlichkeit. Die Kommission ist überzeugt, daß der Hr. Dr. der Tonkunst Haiden, nachdem derselbe auch vom Auslande mit Ehrenbezeigungen erfreuet worden, in nichts einen größeren Wert setze, als auf das hiesige Ehrenbürgerrecht.
Die Kommision überzeigt, daß der Löbl. Magistrat jene, die den Armen Bürgern nützliche Dienste leisten, willfährig belohnet, und ihnen die ausgezeichnete Danknehmung erkennend zugeben geneigt ist, bittet demnach daß der Löbl. Magistrat dem Herrn Joseph Haiden Doktor der Tonkunst, für seine zum[223] Besten der Armen gehabte Bemühung, das Bürgerrecht allhier zu ertheilen, und ihm diese Freud in seinen alten Tagen gütigst zu vergönnen, belieben möge.
Wien, den 12 ten März 804.«
Der Magistrat der Stadt richtete hierauf unterm 1. April 1804 nachstehendes Schreiben an ihn, worin ihm die Verleihung des Ehrenbürgerrechts bekanntgegeben wurde:
»Wir Bürgermeister und Rath der kaiserlichen, königlichen Haupt- und Residenzstadt Wien machen hiermit jedermann kund und zu wissen: Der wohledelgeborne Herr Joseph Haydn, Doktor der Tonkunst, Kapellmeister Sr. Durchlaucht des Herrn Fürsten von Esterházy, des französischen Nationalinstitutes der Wissenschaft und Künste, wie auch der königlich-schwedischen und der hiesigen musikalischen Akademie Mitglied, habe auf Ansuchen der Wirthschaftskommission des hiesigen Bürgerspitals, die verarmten Bürger und Bürgerinnen zu St. Marx mittels öffentlich abzuhaltender Cantaten durch die dabei einfließende Beiträge zu unterstützen, mit menschenfreundlicher Bereitwilligkeit nicht nur zu drei verschiedenen Malen die Direkzion über die Ausführung seiner eigenen rühmlich bekannten musikalischen Kompositionen übernommen, durch seine Gegenwart den Zufluß der Theilnehmer vermehrt, und dadurch die beabsichtigte Wohltat vergrößert, sondern auch seine mit vieler Anstrengung verbundene Bemühung jederzeit bereitwillig und unentgeltlich geleistet.
Um für dieses ausgezeichnete und edle Benehmen, durch welches die Veranlassung gegeben wurde, den von Alter, Armuth und Gebrechlichkeit gebeugten Hospitals-Bürgern eine beträchtliche Zeitfrist hindurch Erquickung und Linderung ihres Schicksals zu verschaffen, und für die übrigen Verdienste, welche sich derselbe durch sein ausgezeichnetes Kunsttalent in Rücksicht der ästhetischen Geschmacksbildung eines großen Theils der hiesigen Bürgerschaft erworben hat, wofür demselben bereits im Auslande die verdienten Beweise der Achtung und des Dankes durch ehrenvolle Auszeichnungen zu Theil geworden sind, irgend ein Merkmal der Erkenntlichkeit aufzustellen und auf unsere Nachkommenschaft zu bringen, haben wir Bürgermeister und Rath einmüthig und einstimmig beschlossen, dem genannten Herrn Joseph Haydn, Doktor der Tonkunst etc. auf das Ansuchen der Wirthschafts-Kommission des[224] hiesigen Bürgerspitals das Ehrenbürgerrecht dieser kais. könig. Haupt- und Residenzstadt hiermit zu ertheilen, denselben der Rechte eines Bürgers der Stadt Wien zu versichern, und dessen Namen dem bürgerlichen Katastro einzuverleiben.
Zur Urkund und Bekräftigung dessen haben wir gegenwärtiges Diplom ausgefertiget, gehörig unterzeichnet und mit unserem anhändigen Geheimsiegel versehen.
So geschehen Wien den 1. April 1804.
Joseph Georg Hörl,
k.k. Hofrath und Bürgermeister.
Stephan Edler von Wohlleben,
k.k. wie auch Magistratsrath und Stadtoberkämmerer.«
Haydns Antwort hierauf lautete:
»Als ich bemüht war, zur Erquickung der alten verarmten Bürger und Bürgerinnen durch meine Kenntnisse in der Tonkunst beizutragen, schätzte ich mich glücklich, eine meiner angenehmsten Pflichten erfüllt zu haben, und konnte mir nicht schmeicheln daß ein Wohlöblicher Magistrat der k.k. Haupt- und Residenzstadt meine geringe Bemühung seiner Aufmerksamkeit auf eine so ausgezeichnete Art würdigen werde.
Nicht sowohl das Geschenk Wohlgeborne, Hochzuverehrende Herren, so ich alle Tage, welche mir die Vorsicht noch beschieden hat, als ein Denkmahl Ihrer Gewogenheit tief verehren werde, als noch weit mehr Ihre gütige Zuschrift, die ganz der Abdruck Ihrer edlen Gesinnungen ist, läßt mein gerührtes Herz in der Ungewißheit, ob ich mehr Ihr gütiges Benehmen gegen mich, oder die menschenfreundliche Sorgfalt, welche Sie gegen verarmte Bürger tragen, bewundern soll. Indem ich hier für beides mein innigstes Dankgefühl in meinem und im Namen der verarmten Bürger feierlich erkläre, erlauben Sie mir verehrungswürdigste Herren, den warmen Wunsch anzuschließen, daß die Vorsicht einen so menschenfreundlichen Magistrat zum Wohle dieser Kaiserstadt noch lange erhalten möge.
Ich verharre etc.«[225]
In regeren, wenn auch nur brieflichen, Verkehr tritt Haydn zu dieser Zeit mit Zelter. Die Mittelsperson war »eine gebildete und geistreiche Musikfreundin«, Mad. Sarah Levi geb. Itzig aus Berlin, die durch Griesinger einmal bei Haydn eingeführt worden war. Sie bat Haydn, »einige Fugen für die Singschule des H. Zelter zu componiren, ohne alle Instrumentalmusik. Zelter bietet für jede 10 Friedr. d'or u. Freyheit mit dem Manuscript zu schalten u. zu walten«. Diese Aufforderung überbrachte Griesinger, wie er am 25. Januar 1804 schreibt, Haydn. »Er entschuldigte sich aber, daß er wegen seiner so unbeständigen und schwankenden Gesundheit alle solche Anträge ablehnen müsse.«
An Zelter selbst richtete er folgendes Schreiben130:
[25. Februar 1804.]
»Verehrungswürdigster Freund!
Meine außerordentliche Schwäche erlaubt mir nicht mehr als etwelche Worte, aber Worte von Herzen an Sie zu schreiben. Sie sind ein seltenes Beispiel der Dankbarkeit, dieses beweist die schöne Biographie Ihres Lehrmeisters Faschen. Sie sind ein tief eingehender Mann der Tonkunst, dies beweist die wahre Zergliederung meines Chaos131, den Sie würden und hätten dasselbe eben so gemacht wie Haydn. Ich danke Ihnen vielmal dafür, noch[226] mehr aber werden Sie von der Nachwelt Dank erhalten, daß Sie sich bemühen die schon halb verlohrne Singkunst durch Ihre Tonkunst-Anstalten wiederempor zu heben. Gott erhalte Sie noch viele Jahre.
Ich bin mit vorzüglichster Hochachtung
Ihr ergebenster
Auch für die überschückten Portraits bin ich sehr verbunden, außer einem kleinen Fehler statt 1733. N.B. ich wurde im Jahre 1732 gebohren, also um ein Jahr älter, ziemlich ähnlich.
Noch etwas. Ich wünschte, daß sich mein lieber Zelter die Mühe gebe, das Abendlied von meinem Singquartett Herr, der du mir das Leben etc. für seinen ganzen Chor abwechselnd theils mit vier Solostimmen und theils wieder mit halbem oder ganzem Chor zu arrangiren. N.B. da müßte aber durchaus das Pianoforte so wie ich es setzte, dazu accompagniren.«
Zelter beeilte sich, dem verehrten Meister seine Verehrung schriftlich auszudrücken, er schrieb an Haydn:
»Berlin, den 16. März 1804.
Ich kann Ihnen, verehrter Meister, mit keinen Worten die Freude ausdrücken, welche mir Ihr wohlmeynender Brief vom 25. Februar gemacht hat; den ich als eine Reliquie, als einen Adelsbrief meinen eilf Kindern hinterlassen werde. Ich weiß, daß ich ein solches Lob mehr Ihrer Güte und Liebe, als meinem Verdienste zuschreiben muß; aber Ihr Lob ist so süß, daß ich es auch in vollem Ernste zu verdienen mich eifrig bestreben werde.
Sie mögen es wissen, daß die Beurtheilung ihres Meisterwerkes von mir ist, und daß ich Sie sehr lange vorher innigst verehrt habe; aber so, wie Sie, großer Meister, hätte ich es nie gemacht, und werde es niemahls können. Ihr Geist ist in das Heiligthum göttlicher Weisheit eingedrungen; Sie haben das Feuer vom Himmel geholt, womit sie irdische Herzen erwärmen und erleuchten und zu dem Unendlichen leiten. Das Beste, was wir Andern können, besteht bloß darin: mit Dank und Freude Gott zu verehren, der Sie gesandt, damit wir die Wunder erkennen, die er durch Sie in der Kunst geoffenbaret hat.
Was ich für meine Singakademie (die jetzt aus zweyhundert klingenden Stimmen besteht, von welchen 160 als thätig und nützlich anzusehen sind) von Ihnen, theurer Mann, zu erhalten[227] wünschte, nämlich eine geistliche Musik von Ihrer Arbeit, habe ich allerdings schon sehr lange gewünscht; aber es haben 15 Jahre dazu gehört, die Kasse des Instituts in einen Zustand zu versetzen, eine Ausgabe für ein solches Meisterwerk bestreiten zu können. Ich fühle nur zu sehr, wie geringe der Preis ist, für ein Werk von Ihnen, das mit keinem Gelde bezahlt werden kann, und habe dabey allerdings mehr auf Ihre Liebe zur Kunst und die Ehre Gottes, als auf unser geringes Geld gerechnet. Ich bitte Sie demnach, wenn es Ihr körperlicher Zustand erlaubt, sich dieser Arbeit zu unterziehen, damit auch Ihr großer Name zur Ehre Gottes und der Kunst in unserm Kreis erschalle, der den ausschließlichen Zweck hat, die jetzt so sehr vernachlässigte Kirchen- und heilige Musik wieder zu erwecken und zu erhalten.
Um nur etwas von Ihrer Arbeit zu besitzen, hatte ich mir die Freyheit genommen, die beyden Gellertschen Lieder: ›Herr, der du mir das Leben‹ und ›Du bist's, dem Ruhm und Ehre gebühret‹ für unsern Chor zu arrangiren. Ihr Wunsch ist also schon seit länger als sieben Monathe erfüllt; ob ich es aber recht gemacht habe, werden Sie aus den beyliegenden Partituren ersehen; und ich bitte Sie herzlich, was Sie daran zu verbessern finden, mir mitzutheilen.
Daß ich Ihnen nur die Freude gewähren könnte, Ihre Chöre bey uns zu hören, und sich an der Ruhe, Andacht, Reinigkeit und Heiligkeit zu erbauen, womit Ihr schöner Chor ›Du bist's dem usw.‹ hier gesungen wird! Die schönste und beste Jugend von Berlin steht hier mit Vätern und Müttern, wie in einem Himmel voller Engel, beysammen, feyert in Lob und Freude die Ehre des höchsten Gottes, und übet sich an den Werken der größten Kunstmeister, die die Welt gesehn hat. O kommen Sie zu uns, kommen Sie! Sie sollen wie ein Gott unter Menschen empfangen werden; wir wollen Ihnen eine Gloria etc. singen, daß Ihr graues ehrenvolles Haar sich erheben und zum Lorbeer werden soll, denn unser Meister Fasch hat uns gelehret, wie man Meister ehren soll.
Leben Sie wohl, geliebter, theurer Mann! Gott erhalte Sie noch lange, lange! Sie haben kein Werk hervorgebracht, woran man Ihr hohesAlter bemerket. Ihre Jahreszeiten sind ein Werk jugendlicher Kraft und alter Meisterschaft. Gott befohlen!
Ihr Zelter.«[228]
Im Jahre 1804 wurde Hummel durch Befürwortung Haydns bei der fürstlichen Kapelle als Konzertmeister angestellt. Johann Nep. Hummel, der seine Laufbahn als Wunderkind begonnen, schreibt in seiner Biographie (datiert Weimar, 22. May 1826):
»Vom J. 1794 bis 1814 spielte ich in Wien nicht mehr öffentlich, da theils innere theils äußere Verhältnisse im Wege standen, anderseits ich auch nach u. nach die Lust verloren hatte; blos in den Zirkeln meiner Freunde u. Beschützern der Kunst phantasierte ich zuweilen.
– – – J. Haydn schlug mich 1806 zum herzogl. würtembg. Direktor vor; da aber der Herzog nachmals seinen Sinn änderte (aus einem Grund der nur wenigen Personen bekannt ist) und keinen Kapellmeister mehr von Wien engagieren wollte, so empfahl mich Haydn dem reg. Fürsten Esterhazy, seinem Herrn, als Concertmeister, um ihn bei seinen herannahenden schwächlichen hohen Alter im Dienste zu supliren, wo ich dann auch bis zur Auflösung 1811 der beinahe aus 100 Personen bestehenden Kapelle (zwischen Orchester, Sängern und Sängerinnen) verblieb.«
So glatt und einfach, wie man nach dieser lakonischen Mitteilung glauben könnte, hat sich allerdings das Dienstverhältnis Hummels in der Esterhazyschen Kapelle nicht abgespielt. Hummel war ein unruhiger Geist, etwas überheblich, mit noblen Passionen, dabei unpünktlich und unverläßlich; nach allem, was man hört, aber ein vielseitig begabter Mensch von guten äußeren Formen, die sehr für ihn einnahmen. Papa Haydn scheint Hummels Fehler übersehen oder nicht empfunden zu haben; er schätzte das Talent in Hummel und hielt ihm bei den verschiedenen Affären, die es Hummels wegen gab, anscheinend die Stange. Hummel wurde mit Wirksamkeit vom 1. April 1804 als fürstlich Esterhazyscher Konzertmeister und Komponist mit einem Gehalt von jährlich 1200 fl. und freiem Quartier in Eisenstadt angestellt. Sogleich entwickelte er eine sehr lebhafte Tätigkeit, die sich nicht auf das Künstlerische beschränkt, sondern sich auch auf administrative Angelegenheiten ausdehnte. Er reicht dem Fürsten einen Vorschlag ein, jene Sängerknaben der fürstlichen Kapelle, die Talent zeigen, besonders unterrichten zu lassen und in Klavier, Violine oder Cello auszubilden, ein Vorschlag, der vom Fürsten angenommen wird. Der Fürst ersucht ihn, das Archiv in Esterhaz zu sichten, alles[229] Wertlose auszuscheiden und das übrige nach Eisenstadt zu senden. Einen Teil des von ihm als »wertlos« Erkannten soll sich dann Hummel selbst angeeignet haben, darunter auch verschiedene Abschriften Haydnscher Werke; diese Anschuldigung wird später bei den mehrfachen Ermahnungen und Entlassungen Hummels oft wieder holt. Vorläufig spielte er noch den Grandseigneur, ließ sich vom Fürsten ein Reitpferd bewilligen, setzte auch die Erlaubnis durch, das Pferd in der Wiener Hofstallung des Fürsten einzustellen, und war sehr freigebig, besonders wenn es aus des Fürsten Tasche ging. Ein Reskript aus dem Jahre 1804 weist Hummel 108 fl. 3 kr. an für die »Bewirthung des Tenorist Treitler, Schauspieler Jendl, Sängerin Lauscher ........« »Künftighin aber soll der Concertmeister Hummel vorläufig mit dem Wirth die Unkösten behandeln.« Haydn gegenüber benahm er sich stets sehr respektvoll und ergeben. Zur Aufführung der »Schöpfung«, die am 30. September 1804 in Eisenstadt stattfand, lud Hummel den Altmeister ein und ersuchte ihn, die Aufführung zu leiten. Haydn antwortete in einem sehr herzlichen Schreiben:
»Wienn, den 28ten Fbr. 804.
Bedaure von Herzen, daß ich das Vergnügen nicht haben kan, mein kleines Werk zum letztenmale zu dirigieren; indessen aber bin ich überzeugt, daß sich alle (keiner ausgenohmen) die Mühe geben werden Ihren alten Papa nach Kräften zu unterstützen, besonders da sie den verdienstvollen Hummel zum Anführer haben.
P.S. an alle mein Compliment.
Ihr aufrichtiger
Joseph Haydn.«
Seinem väterlichen Freunde und Schützer Haydn widmet Hummel auch die Klaviersonate op. 15, die im Jahre 1805 erschien. Weniger beliebt wußte sich Hummel aber bei seinen Kollegen und Untergebenen zu machen. Insbesondere mit dem etwas schwerfälligen Johann Fuchs scheint es stets Reibereien gegeben zu haben, wie aus der nachfolgenden Eingabe an die fürstliche Kanzlei zu entnehmen ist:
»Noch im Monate August ließ ich Hummel Haydn um seine letzte Messe ersuchen, erhielt selbe aber nicht, weil Herr Haydn noch einige Singstimmen dazu dopplieren ließe, unter dieser Zeit aber kam der Konzertmeister Hummel nach Wien, nahm die Messe mit sich hierher und übergab mir selbe nicht, am[230] 25. vorigen Monates befahl mir Sr. D. ausdrücklich die letzte Messe von Haydn zu machen, ich gieng daher gleich zum Herrn Hummel und begehrte die Messe, weil ich schon beiläufig wußte, daß er sie hatte, allein Herr Hummel läugnete es mir ab. – – – Endlich gestern am 11. d.M. erschien er mit dieser Messe und probierte sie, ohne mir nur das Mindeste wissen zu lassen, ich weiß auch gewiß, daß sich einige Musici bei dieser Probe über mich lustig machten, weil ohne meiner eine Messe probiert wurde, denn jeder weiß doch, daß Sr. D. mir die Direktion über die Kirchenmusikalien zugestanden habe. Hummel gibt dadurch Anlaß, daß die Musici am Ende ihre Schuldigkeit mir gegenüber nicht thun werden. – – –
Ich bitte daher E. Wohlgeboren, mir einmal eine Ruhe vor diesem Menschen zu verschaffen, dennich bin das Necken wirklich satt – – – seine überflüssigen Neckereien sind mir wirklich ganz unerträglich.
Eisenstadt 12 Oct. 804.Johann Fuchs
Kapellmeister.«
Außen steht die Erledigung: »Ist von Sr. Durchlaucht selbst am 13. Oct. beigelegt und der Concertmeister Hummel zurechtgewiesen worden.«
Auch mit dem jungen Anton Polzelli, der seit 1803 als Geiger angestellt war, und den er anfangs – wahrscheinlich mit Rücksicht auf Haydn, der ja allgemein als Antonios Vater galt – unter seinen besonderen Schutz nahm, gab es 1807 eine ernste Auseinandersetzung. Polzelli hatte in Hummels Abwesenheit auf Wunsch des Fürsten die Funktionen als Orchesterdirektor ausgeübt. Als Hummel davon erfährt, schreibt er einen wütenden Brief an den jungen Polzelli, macht ihm Vorwürfe wegen seiner unbesonnenen Handlung und meint, er hätte doch mehr Rücksicht auf seinen Vorgesetzten nehmen sollen. Hummel schreibt, daß er Polzelli kraft seiner Gewalt vom Dienste suspendiere, und schließt: »Rechnen Sie in der Folge keineswegs mehr auf mein Vertrauen, dessen ich Sie unwerth achte.« Hummel wird aber vom Fürsten in die Schranken gewiesen, und der Fürst erklärt in einem Erlaß an die Theater-Regie: »Die Suspension Hummels über den durch mich selbst substituierten Orchesterdirector Polzelli wird für null und nichtig erklärt, da er nicht den gehörigen Weg dazu eingeschlagen hat.« Ein anderer Akt in Eisenstadt behandelt eine Beschwerde der Sängerin Josepha Schull über die »Verfolgung durch Concertmeister Hummel«. Welcher Art die Verfolgung war, ist nicht ausgesprochen. Bei alledem war Hummel in seiner Dienstleistung so nachlässig, unbotmäßig und faul als nur möglich. Es sind Reskripte vorhanden, wonach Hummel ermahnt wird, sich nicht ohne vorher eingeholte Erlaubnis von den Proben zu entfernen,[231] er möge wenigstens zweimal wöchentlich Theaterproben halten, um die Leute nicht aus der Übung kommen zu lassen, und daß, »bei den Music-Productionen genauer und aufmerksamer fürgegangen werde, jedes saumselige Mitglied mit Ernst zurechtgewiesen, nicht aber ungebührend beschimpft würde«; weiter eine Zurechtweisung: »da von der sämtlichen Chor- und Kammermusique alles, vom Herrn Kapellmeister Haydn angefangen in der bestehenden Uniform erscheint, so wollen Seine Durchlaucht auch den Herrn Concertmeister Hummel künftig im Dienste in der bestehenden Uniform sehen«. Mit dem ihm anvertrauten Musikalien-Archiv scheint Hummel besonderen Mißbrauch getrieben zu haben, wie dies zahlreiche Erlasse des Fürsten beweisen. Endlich riß dem Fürsten die Geduld. Als einmal eine unter Hummels Leitung stehende Aufführung, die vor Gästen stattfand, höchst mangelhaft ausfiel und den Eindruck vollständiger Unvorbereitetheit machte, er sich außerdem bei den ihm gemachten Vorhalten respektswidrig benahm, wurde Hummel am Weihnachtsfeiertage 1808 kurzerhand entlassen. Auf inständiges Bitten Hummels, vielleicht auch auf Fürsprache Haydns, nahm der Fürst die Entlassung wieder zurück und stellte ihn abermals an. Hummel scheint sich dann längere Zeit brav gehalten zu haben, erhält sogar im Oktober 1810 ebenso wie Kapellmeister Fuchs »zur Belohnung für eifrige Dienstleistung und Beweis meiner Zufriedenheit jeder 500 fl zu ihrem bisherigen Gehalt zugelegt«, aber lange dauerte dieser friedliche Zustand nicht. Im Jahre 1811, als Hummel fühlte, daß die Glanzzeit der Kapelle vorüber sei, ließ er seinen Dienst wieder ganz im Stich, bis er vom Fürsten, der über die langen und unentschuldigten Absentierungen seines Konzertmeisters, der »die meiste Zeit mit Lectionen geben und eigenen Compositionen für die Theaters in Wien zubringt, und sich den hiesigen Diensten ganz entzieht«, erbost ist, am 18. Mai 1811 die Kündigung erhält, die diesmal eine unwiderrufliche war. Seine wiederholten Eingaben um Wiederaufnahme, dann um Entschädigung für die gelieferten und dem fürstlichen Archiv einverleibten Kompositionen blieben unbeantwortet. Unter anderem wurde ihm auch der Vorwurf gemacht, durch seine Schuld seien »die von dem verstorbenen Dr. Haydn übernommenen, ihm anvertrauten Canons durch unerlaubte Verwahrlosung und verdächtiges Zulassen öffentlich[232] in Druck zum herrschaftlichen Schaden erschienen und unbekümmert von ihm ununtersucht gelassen worden«.
Diese etwas eingehende Darlegung der Tätigkeit Hummels in Eisenstadt habe ich nur eingeschoben, um zu zeigen, wie sich die Verhältnisse in der fürstlichen Kapelle gestalteten, seit Haydn, der während seiner Aktivität gewiß kein strenges Regiment führte, aber durch seine verehrungswürdige Person die Disziplin aufrecht erhielt, sich nicht mehr als Leiter dieses Kunstkörpers betätigte und seine Stellung nur mehr dem Namen nach bekleidete.
Haydn war inzwischen weiter bestrebt, aus seinen älteren Kompositionen möglichst viel der Vergessenheit zu entreißen und noch gut zu verwerten. Clementi drang in Haydn, ihm etwas von seinen ungedruckten Klaviersachen zu überlassen. Haydn hatte einiges gefunden, trug es aber zuerst Breitkopf & Härtel für ihre Sammlung an. Es war nach Griesinger: »1. ein Andante und Finale fürs Clavier, welches Haydn für eine Dame in England sezte, die das Original behielt und dafür Haydn eine Abschrift von ihrer Hand zustellte« (erschien im Dezember 1804 als Klaviersonate op. 93). »2. eine Arie (Adagio) auf ein Englisches Lied, worinn Mistreß Hunter (Tochter132 des berühmten Wundarztes) von Haydn Abschied nimmt« (ist die Arie »O tuneful voice«). »3. ein gewisser Harrington, Dr. der Tonkunst in Bath, schickte Haydn ein von ihm in Musik geseztes Lobgedicht zu, darauf antwortete Haydn mit den Worten: ›What Art expresses and what Science praises, Haydn the Theme of both to Heaven raises‹ welche zuerst einstimmig als Adagio, dann mit einem Tutti, einer kleinen Variation und wieder einstimmig gesezt sind.« (Nr. 2 und 3 erschienen im April 1806 mit einer deutschen Übersetzung.)
Haydn verlangte für die drei Stücke 25 Dukaten. Als Griesinger den Preis etwas hoch findet, sagt Haydn: »Es ist das Mark aus meinen Knochen; jetzt wäre ich um den zehnfachen Preis nicht imstande, etwas Ähnliches zu machen.« Der geschäftstüchtige Meister gab dann als Zugabe noch das schon früher erwähnte Orgelkonzert aus dem Jahre 1756, das ebenso wie ein aus demselben Jahre stammendes »Salve regina« bisher noch unveröffentlicht ist.[233]
Nebenher arrangierte Haydn noch immer Schottische Lieder für Thomson. In dem oben (S. 226) mitgeteilten Briefe spricht er sich auch schon resigniert über seine mangelnde Schaffenskraft aus, versäumt aber nicht, den Brief, in welchem er die Zusendung seines Porträts in zwei Ausführungen für die Tochter Thomsons verspricht, in eine galante Wendung ausklingen zu lassen.
In diesem Jahre sandte ihm einer seiner englischen Verehrer, ein gewisser William Gardiner aus Leicester, ein ganz eigenartiges Geschenk133. Es war ein halbes Dutzend Baumwollstrümpfe, herstellt in der Fabrik Gardiners; in jedes Paar war ein Thema einer Haydnschen Komposition eingewoben. Wir finden nur fünf dieser Themen angegeben und zwar: »My mother bids me bind my hair« (Engl. Lied); das Baßsolo vom Leviathan (»Schöpfung«); das Andante aus der Paukenschlag-Sinfonie; »Es ist vollbracht« (»Sieben Worte«) und »Gott erhalte«. Die Sendung scheint allerdings Haydn nicht erreicht zu haben, denn er hat deren Empfang nie bestätigt und nie ihrer Erwähnung getan.
Haydns Gebrechlichkeit machte es ihm unmöglich, in diesem Sommer nach Eisenstadt zu fahren. Ebenso wie er der Aufführung seiner »Schöpfung« im September nicht beiwohnen konnte, war er auch nicht Zeuge der großen Festlichkeiten, die der Fürst Esterhazy im September zur Feier der Erhebung des Kaisers Franz zum erblichen Kaiser von Österreich in Eisenstadt veranstaltete. Haydn war auch in Wien durch Schwäche und Alter so heruntergebracht, daß er zu keiner Arbeit mehr rechte Kraft fand. »Nur ein Quartett, wovon schon zwei Stücke beendigt sind, ist das Schoßkind, welches er jetzt noch pflegt und dem er wiewohl mit Mühe manchmal eine Viertelstunde widmet«, schreibt Griesinger. Neben diesem Quartett, das sein Schwanengesang werden sollte, waren es nur noch die Bearbeitungen schottischer Lieder und die Fertigstellung seines Kataloges, denen er sich zu widmen die Kraft fand.
Zu Ende des Jahres 1804 kam Friedrich August Kanne aus Delitzsch nach Wien und wurde durch Griesinger bei Haydn eingeführt. »Er scheint keine geringe Meinung von sich zu haben und nicht zu zweifeln. daß er hier sein Glück machen werde«, berichtet Griesinger. Leider erfüllten sich Kannes Hoffnungen nicht; eine Sinfonie seiner Komposition, die zu Beginn des nächsten Jahres[234] bei Würth134 aufgeführt wurde, fiel jämmerlich durch, nicht viel besser erging es einer Oper »Orpheus«, die er 1807 aufführen ließ.
Zu Anfang des Jahres 1805 hatte sich das Gerücht verbreitet, Haydn sei gestorben. Nicht bloß im Auslande, namentlich in Paris und London, wurde diese Nachricht kolportiert, sondern merkwürdigerweise auch in Wien, wo man sich jedoch bald von ihrer Unrichtigkeit überzeugen konnte. In Paris aber wollte man das Andenken des vermeintlich Verstorbenen in würdiger Weise feiern. Man führte Mozarts Requiem auf, und Cherubini beeilte sich, eine Trauerkantate auf Haydns Tod zu schreiben. Die Concerts de la loge Olympique135 (ehemals »Concerts de la rue Clery«) hatten das Eröffnungskonzert in ihrem neuen Heim am 6. Februar dem Andenken Haydns widmen wollen. Es sollte eine Trauerode (wahrscheinlich die Cherubinis) aufgeführt werden, und Kreutzer hatte ein Violinkonzert fabriziert, dessen Themen alle aus Haydns Werken stammten. Da kam – kurz vor dem Konzerttage – die Nachricht, daß Haydn lebe, und nun mußten andere Stücke gewählt werden; nur Kreutzer spielte sein Konzert. Auch in England war die Todesnachricht verbreitet und geglaubt worden.The Gentleman's Magazine, January 1805, bringt in der Rubrik »Deaths« die Notiz: »At Vienna in his 97th year (!) the celebrated musical composer Haydn.« Im Februarheft kommt dann der Widerruf: »The celebrated musician Haydn (says a letter from Vienna dated Jan. 26) for whom a funeral service has been performed in France is still living, and as hearty and well as a man of 75 can be expected to be.«
Thomson, der Verleger der schottischen Lieder, beeilte sich, an das Bankhaus Fries & Co. durch dessen Vermittlung die Korrespondenz und geschäftliche Abwicklung zwischen Edinbourgh und Wien erfolgte, einen Kondolenzbrief zu schicken. Fries & Co. verständigten Thomson von der Unrichtigkeit der Todesnachricht und legten einen von Haydn diktierten Brief in französischer Sprache, außerdem ein Notenblatt bei, auf welches Haydn seinen Namen und das Datum eigenhändig geschrieben hatte, »pour mieux prouver, qu'il est encore de ce bas monde«.[235]
Haydn selbst soll die Nachricht sehr heiter aufgenommen haben, Über das in Paris abgehaltene Traueramt äußerte er: »Die guten Herren! Ich bin ihnen recht zu Dank verpflichtet für die ungeahnte Ehre. Wenn ich nur die Feier gewußt hätte, ich wäre selbst dahin gereist, um die Messe in eigener Person zu dirigieren!« Griesinger dementiert bei Breitkopf & Härtel auf das energischste die Todesnachricht, teilt mit, daß sich Haydn zwar sehr schonen, alle Anstrengung sowie kalte und feuchte Luft meiden müsse, aber ganz munter und aufgeräumt sei und hoffe, wenn es so fortgehe, im Frühjahr wieder Kräfte zum Komponieren zu haben. »Jetzt giebt er sich nur mit schottischen Liedern von Zeit zu Zeit ab.«
Diese Hoffnung, wieder Kraft zum Komponieren zu bekommen, steigert sich, als der Graf Fries ihm die Anfrage aus Paris überschickt, ob nicht für 300 bis 400 Dukaten eine Sinfonie von Haydn im Manuskript zu erhalten wäre. »Ein solches Gebot«, sagte er, »wäre wohl im stande, seinen alten Kopf zu wecken; solange er sich aber noch schwach fühle, könne er nichts versprechen. Er wolle abwarten, ob ihn die gute Jahreszeit und der Gebrauch der Bäder in Begeisterung versetzen« (Griesinger). Aus diesen Äußerungen wie aus ähnlichen ließe sich immer wieder auf Geldgier und Habsucht schließen. Es ist aber ganz gewiß, daß das Geld an und für sich Haydn, der in behaglichen, auskömmlichen Verhältnissen lebte, nicht gereizt hat. Es war nur die Eitelkeit des Künstlers (verschärft durch die des Greises), der sein Schaffen immer anerkannt und belohnt sehen will, sei es durch äußere Ehren, sei es durch Geld und Gut. Deswegen dürfte ihn der Brief, den ihm die russische Kaiserin-Witwe für die Übersendung der mehrstimmigen Gesänge schickte, und dem ein kostbarer Ring beigelegt war, gewiß doppelte Freude gemacht haben, umsomehr, als er durch Gunstbeweise welcher Art immer seitens des österreichischen Hofes nicht verwöhnt war. Der Brief lautete:
»Herr Kapellmeister Haydn:
Der Brief und die Komposition, die ihr Schüler Neukomm Mir von Ihnen überbracht hat, haben Mir viele Freude gemacht und Ich habe Mich mit Vergnügen dabey erinnert, sie in Wien persönlich gekannt zu haben136. Dieses sowohl als das Lob, welches sie dem Überbringer ertheilten, bewogen Mich, ihm sogleich vor Mir spielen zu lassen, und Ich habe seinen Lehrer in ihm nicht verkennen können. Ich danke ihnen recht sehr für die überschickten schönen[236] Gesänge, und wünsche vom ganzen Herzen, daß sie bey fortdauernder Gesundheit, noch lange von allen Musikfreunden durch ihr ausgezeichnetes Talent und ihre Meisterstücke die Bewunderung einärndten, die ihnen so rechtmäßig zu theil wird. Ich hoffe, daß das musikalische Publikum bald wieder mit einem schönen Werke von ihnen erfreut wird und bitte sie, beifolgendes Andenken als einen Beweis des aufrichtigen Wohlwollens anzusehen, mit welchem ich stets bin
ihre wohlaffectionierte
Maria.«
St. Petersburg,
den 15. Februar 1805.
Auch eine andere Huldigung, die er damals erfuhr, dürfte seinem Herzen wohlgetan haben, wenngleich sie nur ideeller Art war. Sein Geburtstag (31. März) sollte in diesem Jahre durch eine ganz eigenartige Veranstaltung gefeiert werden. Mozarts dreizehnjähriger Sohn Wolfgang, der bei Neukomm und Andreas Streicher Unterricht im Klavierspiel, bei Albrechtsberger Kompositions-Unterricht genossen hatte, sollte nach dem Plan seiner Mutter bei dieser Gelegenheit durch Haydn dem Publikum vorgeführt werden und sich hierbei als schaffender wie als ausübender Künstler zeigen. Die musikalische Akademie, deren Schauplatz das Theater a.d. Wien war, mußte auf den 8. April verschoben werden. Der Theaterzettel kündigte die Absicht des jungen Wolfgang, den Ehrentag des greisen Meisters, des Freundes seines Vaters, zu feiern, folgendermaßen an: »Er versuchte zu diesem Ende seine Kräfte an der Composition einer Cantate auf den 73. Geburtstag des Herrn Kapellmeisters Josef Haydn, überzeugt, daß er seine Laufbahn nicht würdiger als mit der einem so großen Musiker gebührenden Huldigung eröffnen könnte.« Griesinger berichtet hierüber am 16. März 1805 nach Leipzig: »Am 8ten April wird der junge Mozart zum erstenmale in einem öffentlichen Concerte auftreten. Er hat eine Cantate componiert auf J. Haydn's Geburtstag, die (unter uns gesagt) den ersten Chor ausgenommen, von mir ist. Streicher versichert mich, daß eine Arie, die darin vorkommt, selbst seinem Vater keine Schande machen würde. Haydn war zu Thränen gerührt, als wir ihm das Projekt mittheilten. Um den Eintritt des hoffnungsvollen Jünglings feyerlicher zu machen, wird sein Oncle, der Schauspieler Lang, eine kleine Anrede ans Publicum halten, und unserem Plane nach hätte ihn Haydn an der Hand dem Publicum vorstellen sollen. Der Enthusiasmus über eine solche Scene würde unbeschreiblich gewesen seyn: leider wird[237] man sie aber nicht ausführen können, weil zu befürchten ist, daß Haydn dadurch allzusehr erschüttert würde.«
Statt Haydn erboten sich sowohl der Hofschauspieler Lang, das jungen Mozarts Onkel, als auch Schikaneder, ihn auf das Podium zu führen. Um keinen von beiden zu verletzen, führte ihn die Mutter selbst nach Schluß der G-moll-Sinfonie des Vaters vor, vom vollen Theater mit aufmunterndem Beifall empfangen. Der Sohn spielte seines Vaters Klavierkonzert inC-dur, worauf dann die erwähnte Kantate, deren Text von Griesinger herrührte, für drei Solostimmen, Chor und Orchester folgte. In der zweiten Abteilung kamen Stücke aus Vater Mozarts »Idomeneo« zur Aufführung: Ouvertüre, Chor, »Placido è il mar«, Arie »Se il padre perdei«, Marsch, Quartett »Andro ramingo« und Chor »Corriamo, fuggiamo«. Zum Schluß spielte der kleine Mozart Variationen über das Menuett aus »Don Juan«. »Unser kleiner Wolfgang erregte bei seinem Erscheinen allgemeinen Enthusiasmus, welcher sich im Verlaufe des Koncertes zu wahrem Jubel steigerte; mehrere Male mußte er vor dem überaus zahlreich versammelten Publikum erscheinen [damals noch eine Seltenheit], und der Ertrag dieses Konzertes belief sich auf 1700 fl, eine – für jene Zeit – unerhörte Summe«, schreibt nach Mitteilungen von Zeitgenossen die Allg. W.M. Ztg. 1844 Nr. 111. Eine Notiz in Reichardts Berliner Musikzeitung aus dem Jahre 1805 berichtet: »Er spielte für sein Alter sehr artig: auch seine Cantate gefiel. Man kann von ihm Vieles erwarten, wenn ihn nicht zu frühes und häufiges Lob verdirbt.« Rosenbaum schreibt in sein Tagebuch: »Montag 8. April abends. Wiedner Theater. Des jungen Mozart Academie – Cantate von ihm am 73. Geburtstag des J. Haydn. Ich fühlte beim 2ten Teil Langeweile. Das Concert von dem lieben munteren Jungen gespielt und die Cantate unterhielten mich.«
Neben solchen festlichen Ereignissen waren es auswärtige Besuche, die unserem alten, stets kränkelnden Papa viel Freude machten, Besuche von Künstlern oder sonstigen Fremden von Distinktion, die Wien nicht verlassen wollten, ohne dem Meister ihre Reverenz erwiesen zu haben. Wie er diese Fremden solenn und feierlich empfing, haben Tomaschek)siehe später S. 260) und andere sehr anschaulich geschildert. Wenn die einzelnen Besuche[238] in ihren Aufzeichnungen auch nichts Neues über das Charakterbild und die künstlerische Tätigkeit Haydns zu sagen wissen, so bieten sie doch einen Überblick über die äußeren Lebensumstände des Meisters in seinen letzten Jahren und verdienen von diesem Standpunkte aus Beachtung. Einer der ersten Besuche in diesem Jahre war der der Pianistin Mme Marie Bigot geb. Kiene aus Colmar. Ihr Mann, den sie erst im vorhergehenden Jahre geheiratet hatte, führte sie nach Wien, wo sie viel Verbindungen anknüpfte und außer mit Haydn auch mit Beethoven und Salieri in Verbindung trat. Als sie das erstemal zu Haydn kam und ihm eines seiner Werke vorspielte, war er von ihrem Spiel so entzückt, daß er sie in seine Arme schloß und ausrief. »Mein liebes Kind, das ist nicht meine Komposition; das haben Sie komponirt, nicht bloß gespielt!«; und auf den Umschlag des Stückes schrieb er: »Am 20. Februar 1805 ist Joseph Haydn glücklich gewesen.« Herr und Frau Bigot spielten dann im Kunstleben Wiens noch eine ziemliche Rolle. Beethoven schenkte ihr das Autograph der »Sonata appassionata«, und ihr Mann wurde 1808 Bibliothekar des Grafen Rasumowsky.
Ein anderer Künstlerbesuch in diesem Jahre war der des Violinvirtuosen Pierre Baillot, der auf der Reise nach Rußland sich in Wien einige Zeit aufhielt und sich durch Reicha, der gerade zu dieser Zeit gleichfalls in Wien anwesend war, bei Haydn und Beethoven einführen ließ. Baillot war, als er zu Haydn kam, von dem Anblick des würdigen Greises so ergriffen, daß er ihm die Hand küssen wollte; Haydn öffnete aber seine Arme, in welche sich der Besucher mit solcher Heftigkeit stürzte, daß er dem alten Papa beinahe um die letzten zwei Zähne, die ihm noch geblieben waren, gebracht hätte. Beim zweiten Besuch, den Baillot allein bei Haydn machte, und bei welchem sie sich in italienischer Sprache unterhielten, war es, als Haydn beim Bilde seiner Frau sagte: »Das ist meine Frau, sie hat mich oft wütend gemacht.« Am 15. April empfing Haydn zum ersten Male den Besuch des Landschaftsmalers Albert Christoph Dies (geb. 1755 zu Hannover, gest. 1822 in Wien), den Anton Grassi, der schon erwähnte Bildhauer und Modellmeister der kaiserl. Porzellanfabrik, bei ihm einführte. Dies, von dem Goethe im Tagebuch seiner zweiten italienischen Reise erzählt, er sei ein geschickter Künstler, dem er eine selbst erfundene[239] und gezeichnete Landschaft zum Koloriren gegeben habe, war ein findiger Kopf, der gleich bei seinem ersten Besuch die Idee gefaßt hatte, alles Wissenswerte aus Haydn über sein Leben herauszuholen, es niederzuschreiben und zu veröffentlichen. Haydn verhielt sich zwar, als Dies ihm seinen Wunsch vortrug, zuerst widerstrebend, gab dann aber, halb unbewußt, nach, und wir verdanken den 30 Besuchen, die Dies bei Haydn vom 15. April 1805 bis 8. August 1808 machte, die Kenntnis mancher hübschen Episode aus des Meisters Leben. Vieles in diesen Aufzeichnungen stimmt nicht ganz mit der Wahrheit überein, woran teils das schwankende Erinerungsvermögen Haydns, teils die Änderungen, die Dies an den Mitteilungen Haydns gemacht hat, die Schuld tragen. Griesinger meldet beispielsweise nach dem Tode Haydns an Breitkopf & Härtel, daß die Biographie von Dies, die dem Fürsten Esterhazy dediziert wurde, diesen unverdienterweise in einem schönen Licht erscheinen lasse. Im allgemeinen sind die Aufzeichnungen Griesingers, von deren Vorhandensein Dies angeblich erst später erfuhr, viel genauer und verläßlicher, aber auch trockener, während Dies amüsant und anschaulich zu schildern versteht. Das äußere Bild des Meisters, sein Tun und Lassen, seine Lebensgewohnheiten, seine Umgebung und sein Wesen treten aus den Seiten des Diesschen Büchleins recht hübsch hervor.
Auch Pleyel, der ehemalige Schüler Haydns und sein Rivale in London, der eben den Übergang zum Musikverleger erfolgreich vollzogen hatte, kam im Frühjahr des Jahres 1805 mit seinem Sohne nach Wien und machte Haydn seine Aufwartung. Camille Pleyel, der Sohn von Ignaz, berichtet über ihren Besuch bei Haydn an seine Familie in einem Briefe vom 27. Prairial XIII (16. Juni 1805)137. Er findet ihn alt und schwach, »ein Siebziger, aussehend, als ob er mehr als 80 Jahre wäre und stets mit dem Rosenkranz in der Hand betend«. Er findet das Haus sehr hübsch und nett eingerichtet und hat den Eindruck, daß Haydn selten Besuche bei sich sehe.
Zwischendurch ereigneten sich einige Todesfälle in seinem engeren und weiteren Kreise, die ihn gewiß stark erschüttert haben, so vor allem der Tod seines Bruders Johann, des jüngsten unter den[240] drei Brüdern, der in den ersten Maitagen starb. Pohl, bei dem (Bd. 1, S. 245) alles Wissenswerte über Johann Haydn zu finden ist, nennt im Stammbaum der Haydnschen Familie den 20. Mai als Todestag; richtig soll es heißen am 10., denn Rosenbaum macht am 13. Mai in sein Tagebuch die Eintragung: »Vor Tisch war die Csek [onics] bei uns und brachte Trauer Gedichte auf den Tod des vor einigen Tagen am 10. verstorbenen Johann Haydn.« Die Fürstin Esterhazy und ihre Tochter übernahmen es, dem alten Meister, der sich selbst dem Tode so nahe glaubte, die traurige Nachricht zu überbringen, eine Rücksicht, die dem Zartgefühl der Fürstin alle Ehre macht und sich in das treffliche Charakterbild, das wir uns von ihr zu machen haben, wohl einfügt. Einige Tage vorher, am 8. Mai, war sein Freund Dr. Peter Edler von Genzinger gestorben, der seine Frau um 12 Jahre überlebt hatte. Wenige Tage darauf, am 30. Mai, verschied in Baden bei Wien sein lieber und vertrauter Freund Anton Stoll, Regenschori und Schullehrer, der Haydns Frau in ihren letzten Tagen ein Asyl bereitet und dem Meister diese Last abgenommen hatte. Man sieht, genügend Verluste für eine kleine Spanne Zeit! Dazu kamen noch die traurigen Ereignisse, die sich auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet in Wien abspielten. Napoleon begann wieder einmal gegen Österreich und Wien vorzurücken, und die unangenehmen Begleiterscheinungen des Krieges machten sich allenthalben geltend. Die Teuerung und Lebensmittelnot in Wien wuchs von Tag zu Tag, Unruhen, Plünderungen von Lebensmittelläden waren nicht selten, das Geld wurde täglich weniger wert. Griesinger berichtet sorgenvoll an seinen Freund Härtel über diese Zustände, fügt aber folgende für uns so interessanten Sätze hinzu (21. Aug. 1805):
»Die Besuche bei Vater Haydn lasse ich mir aber nicht nehmen. Seine Hülle wird leider stets gebrechlicher, und jedes rauhe Lüftchen setzt ihm zu. Er hat selbst die Hoffnung, das angefangene Quartett beendigen zu können, aufgegeben. Mit dem Catalog alles dessen, was er sich erinnert vom 18ten bis zum 73ten Jahre componiert zu haben, ist Er aber jetzt fertig. Nur die Anfangsstücke machen ein Volumen von gegen 60 Blättern. Liegt Ihnen daran, dieses in seiner Art gewiß interessante Aktenstück zu besizen, so schreiben Sie mir nur ein paar Sylben; Haydn hat mir noch[241] gestern versprochen, daß Er es für Sie abschreiben lassen würde. Unter seinen Musikalien liegt gewis noch manches, das nicht gedruckt worden ist; ich forderte ihn dringend auf, mir etwas für Sie auszusuchen, aber da braucht es schon einen Entschluß, biß sich der gute Alte aus seinem Zimmer macht, die Treppe hinunter geht und in der etwas kühleren Atmosphäre einer Kammer in den Papieren herumwühlt. Ich muß suchen, seinen Bedienten dazu zu bewegen.«
In diesem Jahre empfing Haydn noch einige sehr bemerkenswerte Besuche von Ausländern. Einer war der des Landrats Carl Bertuch, der seine Erlebnisse und Eindrücke in dem Buche »Bemerkungen auf einer Reise aus Thüringen nach Wien im Winter 1805 bis 1806« niedergelegt hat. In einer Aufzeichnung, datiert 26. Dezember 1805, läßt er sich folgendermaßen vernehmen: »Ich war mehrere Male bei dem würdigen Joséf Haydn – dem Guten Leg. R. Griesinger, welcher Freund von Haydn ist, verdanke ich die erste Bekanntschaft, welche für den Fremden schwer zu erhalten ist, da Vater Haydn die Bürde eines Alters von 73 Jahren außerordentlich fühlt und sehr hinfällig ist. Unvergeßlich ist mir der 13. Oct., wo ich das 1. Mal mit Griesinger und Medizinalrat Longermann aus Bayreuth, einem gebildeten Musikfreunde, zu Haydn fuhr. Der 13 jährige Wolfgang Mozart war bei uns. Der Besuch des jungen Mozart, den er lange nicht gesehen hatte, machte dem würdigen Greis viel Vergnügen. Mit der Zärtlichkeit eines musikalischen Freundes sprach er mit Wolfgang über seine musikalische Bildung und rühmte das Andenken seines großen Vaters, den er, so oft er in Wien war, fast täglich sah und stets in vollkommener Harmonie mit ihm lebte. Wir brachen die Gespräche, so ungern es auch geschah, nach einer 1/2 Stunde schnell ab, da Haydn davon an gegriffen wurde. Er entließ uns sehr freundlich und gab mir die angenehme Erlaubnis, ihn noch ferner besuchen zu dürfen, welche ich auch noch einigemale, aber immer nur auf kurze Zeit, benützte. Das letztere Mal, den 20. Dezember, traf ich Haydn ungewöhnlich heiter an. Er befand sich seit kurzer Zeit besser, der Kopf war ihm weniger eingenommen, sodaß er selbst wieder etwas Musikalisches unternahm. Der Zufall führte ihm nämlich eine seiner frühesten Arbeiten, eine kleine Messe (bloß für Singstimmen) in die Hände, die er 1742 noch als Chorbub[242] bei St. Stefan komponiert hatte. Diese Komposition gefiel ihm von neuem, und er setzt jetzt die Stimmen dazu, um in diesem frühesten und vielleicht letztem Produkte seines Genius, seinem Gönner, dem Fürsten Esterhazy, noch eine dankbare Huldigung zu bringen.«
Am eindruckvollsten von allen Besuchen, die Haydn in diesem Jahre empfing, war wohl der Cherubinis, der zu Beginn des Jahres so pietätvoll dem zu früh Totgesagten seine Verehrung bezeugen wollte und nun Gelegenheit hatte, dies persönlich dem noch am Leben Befindlichen gegenüber zu tun. Cherubini hatte erst in Paris, wohin er 1786 kam, Haydns Musik, besonders seine Sinfonien kennen und lieben gelernt; war er doch von allen seinen Landsleuten derjenige, der in seiner Kunst den deutschen Musikern am nächsten stand. Seine Musik, die nicht in dem Fahrwasser der landläufigen, seichten italienischen Art segelte, war von den Italienern als zu gelehrt befunden worden, und auch in Paris hatte er starke Widerstände zu bekämpfen. Mit Napoleon verstand er sich ganz und gar nicht; Napoleon schwärmte von der Musik Paesiellos und fand die Musik Cherubinis zu lärmend, »besonders im Accompagnement«. Cherubini nahm daher die Einladung des Barons Braun, des Pächters und Direktors der Wiener Hoftheater, nach Wien zu kommen, um dort ältere und neuere Opern seiner Komposition aufzuführen, gerne an. Ende Juni 1805 reiste er mit seiner Frau und seiner jüngsten Tochter über Berlin nach Wien, wo er in den ersten Augusttagen ankam. Sein erster Weg war zu Haydn, dem er das Diplom des Conservatoire zu Paris, womit Haydn als Mitglied aufgenommen wurde, und die dazu gehörige Medaille überbrachte. Die Urkunde hatte folgenden Wortlaut:
»La Conservatoire de France à Haydn. Les Membres du conservatoire de France pénétrés des plus profonds sentimens d' Estime et de vénération pour l' Immortel talent d'Haydn ont le plus vif désir d'inscrire le nom de cet artiste célèbre dans les fastes de l'établissement.
L'Empression de ce Voeu porté à l'Illustre Haydn par Cherubini ne peut être que bien accueilli; les membres du Conservatoire pleins de cette confiance chargent leur Collègue de remettre an Grand homme qu'ils considèrent comme l'un des Pères de l'art Musical l'Empreinte du monument que le conservatoire espere voir elever pour consacrer l'heureuse époque de la fondation de cet Établissement–.
Puisse ce legitime hommage d'Admiration pour l'un des plus grands genies qui ont illustre la République des Arts être agnée par Haydn, il
[243] deviendra pour le Conservatoire de France un Trophée dont il s'honorera à jamais.
Au nom des Membres du Conservatoire de France
Méhul. Gossec. Cherubini. Sarrette.«
Der Avers der Medaille zeigt Apollo, in der Rechten die Lyra, in der Linken einen Lorbeerkranz haltend, oben die Buchstaben R[epublique] F[rançaise] A[n] X; in der Umschrift: Conservatoire de Musique: unten: Époque de la Paix générale. Der Revers zeigt einen Lorbeerkranz, in welchem steht: Fondé en 1789. organisé par la Loi du 18. Term. an 5. – J. Haydn.
Das Verhältnis beider Tonmeister zueinander war gleich vom ersten Augenblick an das allerinnigste. Cherubini nennt Haydn sofort seinen Vater, worauf dieser erwiderte: »Ja, in Bezug auf das Alter, aber nicht, was die Musik anbetrifft.« Zu Griesinger äußerte sich Haydn über den weltgewandten Italiener: »er ist ein hübsches Mandl, voll Art.«
In der Folge kam Cherubini, der in Wien enthusiastisch aufgenommen wurde und den ganzen Sommer hindurch seine Werke aufführte, natürlich noch oft zu dem von ihm so verehrten Altmeister, dem seinen »Wasserträger« zu widmen er seinerzeit nicht gewagt hatte, »da er noch nichts geschrieben, das eines solchen Künstlers würdig sei«. Inzwischen hatte die Kapitulation bei Ulm (17. Oktober 1805) den Franzosen den Weg nach Wien geöffnet. Am 13. November rückten sie durch die Mariahilfer Linie in Wien ein; der greise Vater Haydn mag wohl den Trommelwirbel und das klingende Spiel der einmarschierenden Truppen von seinem in der Nähe der Mariahilfer Linie gelegenen Hause aus gehört haben. Den Truppen folgte Napoleon, der seine Residenz in Schönbrunn aufschlug. Kaum hatte er von der Anwesenheit Cherubinis erfahren, ließ er ihn zu sich kommen und übertrug ihm, um ihn auszusöhnen, die Leitung der Hofkonzerte in Schönbrunn. Aber Cherubini blieb kühl und unversöhnlich, trotzdem Napoleon ihm künstlerisch nichts mehr dreinredete und ihn gut honorierte. Von Haydn hatte Napoleon während seiner bis zum 28. Dezember dauernden Anwesenheit in Wien keine Notiz genommen, wohl aber beeilten sich französische Offiziere, den berühmten Meister aufzusuchen. Unter ihnen, deren Namen Haydn in sein Fremdenbuch eintragen ließ, werden zwei bekannte französische Musiker: Marat und Soulte, genannt. Am[244] 22. und 23. Dezember dirigierte Cherubini die Akademien der Tonkünstler-Sozietät im Burgtheater, bei welchen Fragmente aus seinen Opern »Anacreon« und »Medea« aufgeführt wurden. Am 24. Dezember wurde im Redoutensaal Haydns »Schöpfung« und am 25. Dezember die »Jahreszeiten« aufgeführt. Am 24. Dezember war gleichzeitig in Schönbrunn Konzert bei Napoleon, das Cherubini leitete. Am nächsten Tage kommt Salieri zu Rosenbaum und erzählt von der gestrigen Musik, daß sie Napoleon nicht gefallen habe: »er war sehr düster und wartete nicht einmal das Ende ab.« Am 28. Dezember wurde der Friede zu Preßburg geschlossen, und am selben Tage verließ Napoleon Wien. Cherubini blieb aber noch mehr als zwei Monate in der ihm liebgewordnen Stadt, in der er am 25. Februar die Erstaufführung seiner für Wien und die Anna Milder geschriebenen Oper »Faniska« dirigierte. Am Tage vorher war er bei Haydn gewesen, der ihm die Handschrift der für London im Jahre 1795 geschriebenen Sinfonie in Es-dur schenkte, auf welcher er sich unterschrieb als »Lo Padre del celebre Cherubini ai 24to di Feb 1806«.
Kurze Zeit darauf, Mitte des Monates März 1806, verließ Cherubini Wien, hauptsächlich deshalb, weil das Wiener Klima seiner Frau, einer Pariserin, nicht zusagte. Haydn sah er beim Abschied zum letztenmal. Obzwar dem väterlichen Freunde noch drei Lebensjahre beschieden waren, gab es kein persönliches Wiedersehen mehr; aber in brieflichem Verkehr blieben sie bis zu Haydns Tode.
Von schöpferischer Tätigkeit ist um diese Zeit natürlich kaum mehr zu sprechen, wenn man von ein paar Bearbeitungen schottischer (d.h. damals waren es wallisischer) Lieder und der mühselig fortschreitenden Arbeit am letzten Streichquartett absieht. Dagegen kramt Haydn noch immer in seinen früheren Arbeiten und sucht so viel als möglich davon zu Gelde zu machen. Die Entschuldigung für seinen geschäftlichen Eifer hat er gleich bei der Hand: »seine Krankheiten kosten ihn so viel, es sey alles jetzt so theuer« u. dgl. mehr. Ein kleines Billett an Artaria, datiert 17. August (1805), spricht von 12 Musikstücken, für welche das Honorar scherzhaft als Geschenk angesprochen wird: »Stimatissimo Signor Artaria. Spero che per questi dodici pezzi di Musica il vecchio Haydn avrà meritato un piccolo regalo.« Es ist anzunehmen, daß es sich um ältere Kompositionen, vielleicht[245] um das letzte Heft der von Artaria herausgegebenen Lieder handelt, keineswegs um neue Kompositionen, sonst wäre Haydn nicht gar so bescheiden gewesen. Auch der Firma Breitkopf & Härtel bietet Griesinger Kompositionen Haydns, aus früherer Zeit, an, und zwar:, »1) eine eingelegte Opern-Arie mit dem Text: Sono le donne capriciose, 2) ein Salve regina, 3) eine Messe, die er in seinem 24. Jahre komponierte, und die sich in dem hiesigen Servitenkloster vorfand, 4) neun große Scenen aus einer Oper: Orpheo e Euridice ...Für alle 12 Stücke zusammen wünscht Haydn 100 Dukaten in Papiergelde zu bekommen ... Wenn es mit diesem Kaufe richtig werde, so wolle Er noch ein anderes ›Pakerl‹ durchsuchen, worinn Er noch verschiedenes zu finden hoffe.«
Das wichtigste Produkt dieser Rückschau ist der thematische Katalog, den er im Jahre 1805 fertigstellte. Der Katolog, dessen Original sich in Eisenstadt befand, hatte die Überschrift: »Verzeichnis aller derjenigen Compositionen welche ich mich beyläufig erinnere von meinem 18ten bis in das 73. Jahr verfertigt zu haben.« Der Titel ist ebenso wie das Verzeichnis selbst von Eislers Hand geschrieben. Über die Lücken und Ungenauigkeiten des Katalogs, der nur ein wertvoller Behelf genannt werden kann, wird sich die Gesamtausgabe der Werke Haydns aussprechen.
Zu Beginn des Jahres 1806 entschloß sich Haydn endlich, sein letztes Quartett, das er im Jahre 1803 begonnen hatte, in dem unvollendeten Zustande, in dem es sich befand, herauszugeben; er gab alle Hoffnung auf, zu den vorhandenen zwei Sätzen, einem Andante mit Variationen und einem Menuett mit Trio, noch ein Allegro hinzukomponieren zu können. Mitte Februar hatten ihn zwei russische Offiziere aufgesucht und baten ihn um eine seiner neuesten Kompositionen. Haydn bot ihnen das Quartett um 50 Dukaten, worauf die Offiziere um acht Wochen Bedenkzeit baten, da sie das Werk ihrem Kaiser widmen wollten. Griesinger wußte Haydn aber dazu zu bestimmen, daß er das Quartett, das eigentlich das erste von sechs Quartetten war, die Haydn dem Grafen Fries um 300 Dukaten komponieren sollte, der Firma Breitkopf & Härtel überließ, und am 2. April konnte Griesinger stolz Haydns »Schwanengesang, sein 83. Quartett im Original-Manuskript« überschicken. Haydn hatte also sein[246] Wort, das er im Januar 1804 Griesinger gab: »Schreiben Sie Herrn Härtel, daß er wahrscheinlich meine letzte Note bekommen wird«, gehalten. Die Erklärung, wieso der Verlag dazu kam, zu dem Quartett Haydns musikalische Visitenkarte abzudrucken, gibt die nachfolgende Stelle aus Griesingers Brief: »Zur Entschuldigung, daß das Quartett nicht vollständig ist, überschikt Ihnen Haydn seine charakteristische Visitencarte; die Worte sind von Gellert. Zwar giebt Haydn nicht alle Hofnung auf, daß Er in einem günstigen Momente noch ein kleines Rondo hinzuzufügen im Stande seyn werde. Wir wollen es wünschen, aber es ist wenig darauf zu rechnen, daß, was Haydn seit 1803 nicht vollenden konnte, jezt noch ergänzt werde. Sollte es daher nicht passend seyn anstatt des fehlenden Rondos die Visitenkarte abdrucken zu lassen? Fries ist damit ganz einverstanden; wo immer dieses Quartett ertönt, wird man sogleich aus den paar Worten erfahren, warum es nicht vollständig ist und in wehmütige Empfindungen dadurch versetzt werden.«
Als Graf Fries erfuhr, daß Breitkopf & Härtel das Quartett um 50 Dukaten erworben hätten, eilte er zu Griesinger und bot der Firma die 50 Dukaten mit Zinsen, wenn sie ihm das Werk überlassen wollten. Griesinger blieb unerbittlich, und Fries konnte nur bitten, daß die Auflage recht schön gemacht werde, ihm sogleich 12 Exemplare geschickt werden, und daß auf dem Titel das: »dédié au Conte Maurice de Fries« und auch die Bezeichnung »83me et dernier Quatour« oder auch: »Schwanengesang« (wenn der Titel deutsch sein sollte) nicht vergessen werde. Breitkopf & Härtel erfüllten alle diese Bedingungen, wie aus der Ankündigung des Werkes in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung zu entnehmen ist138.
Die Visitenkarte Haydns, welche den Anfang eines seiner mehrstimmigen Gesänge »Der Greis«: »Hin ist alle meine Kraft, – alt und schwach bin ich« als Motto enthält, war schon einige Zeit vorher angefertigt worden; sie zeugt bei aller Melancholie doch von Laune und Originalität. Haydn gab sie Freunden und Besuchern und schickte sie bei passenden Gelegenheiten gewissermaßen als Entschuldigungskarte. Fälschlich wurden die zwei Zeilen von Breitkopf & Härtel bei der Ankündigung und Herausgabe[247] des Quartetts als Kanon bezeichnet; Haydn protestierte gegen diese Bezeichnung, ebenso wie gegen die Angabe »82. Quartett«, während es das 83. war. Es wurden aber doch alle möglichen kontrapunktischen Spielereien mit diesen vier Takten, schon zu Lebzeiten Haydns und später, ausgeführt. Abt Stadler machte daraus ein kanonisch behandeltes Duett für Sopran und Tenor, indem er zwei Zeilen hinzufügte mit dem Text: »Doch, was sie erschuf, bleibt stets – Ewig lebt dein Ruhm.«
Abt Stadler behauptet139, daß Haydn, der über diese Huldigung zu Tränen gerührt gewesen sei, ihn veranlaßt habe, diese artige Arbeit zum Druck zu befördern: tatsächlich erschien sie als fliegendes Blatt bei Johann Cappi. Sie wurde dann auch ins Französische übersetzt und erschien in Paris. Stadler erweiterte sie dann auch zu einem kleinen Quartettsatz, von dem er sich schmeicheln mochte, daß er als Schlußsatz von Haydns Originalquartett gespielt werden würde; auch dieses Stück ist gedruckt und erschien in Wien bei F. Glöggl. Ein anderer Zeitgenosse Haydns, Georg Albrechtsberger, wurde durch Haydns Visitenkarte, die ihm sein Freund zum Namensfeste als Entschuldigung schickte, dafür, daß er ihm nicht persönlich gratulieren kam, angeregt, eine Antwort zu schreiben. Er sandte140 Haydn folgende launige Epistel: »Pieridum Frater! qui dudum noster Apollo diceris: hunc Canonem fecit, dedicatque Tibi vetus et sincerus Amicus Georg Albrechtsberger. 1806.
Josepho Haydn
Canone perpetuo a 4 Voci in hypodiapente, et hypodiapason
L'istesso Canone in hypodiatesseron ed hypodiapason.«[248]
Man muß sich darüber freuen, daß sich die alten Herren so über die körperlichen Beschwerden, an denen sie litten, hinweghalfen. Haydn befand sich damals wirklich recht elend; er wurde so schwach, daß man den Flügel in seinem Zimmer (den er von Erard Frères zum Geschenk erhalten hatte) gegen ein kleineres, leichter spielbares Klavier vertauschen mußte. Aber auch dieses wurde aus seinem Wohnzimmer entfernt, weil ihm der Arzt alle Anstrengung untersagt hatte und ihm jede Versuchung zum Musizieren benehmen wollte. Der rastlos weiterarbeitende Geist in diesem schon so gebrechlichen Körper wollte sich nicht zur Ruhe bringen lassen. An seinem Geburtstage, dem 74., äußerte er gegenüber Griesinger, Rückschau und Ausblick haltend, »sein Fach sei grenzenlos: das, was in der Musik noch geschehen könne, sei weit größer als das, was darin schon geschehen sei. Ihm schweben öfters Ideen vor, wodurch seine Kunst noch viel weiter gebracht werden könnte, aber seine physischen Kräfte erlauben es ihm nicht mehr, an die Ausführung zu schreiten –«. Ähnliche Äußerungen gibt Dies wieder, dem er sagte, er müsse Beschäftigung haben, müsse musikalische Ideen verfolgen; die Phantasie spiele ihn, als wäre er ein Klavier. Und dann zog es ihn selbst zum Flügel, und er spielte einfache andächtige Lieder, einen Choral: »O Herr! Wie lieb ich Dich von Herzen«, oder sein »Gott erhalte«.
Mitten im Spiel oder in der Arbeit mußte er oft abbrechen, er wurde zu schwach. Rührung und Angst übermannten ihn, und seine Umgebung zitterte für sein Leben, mehr als er selbst; denn er hatte oft erklärt: »Ich bin jeden Augenblick zum Tode bereit.« Deshalb suchte er sein Testament immer genau in Ordnung zu halten, berief oft den Advokaten, um Änderungen daran anzubringen, wenn einer der darin Bedachten gestorben war oder sonst es ihm wichtig erschien, eine geschehene Anordnung umzuändern.
Aus dem Jahre 1806 stammen einige Liedentwürfe, ehemals im Besitze des Hauses Artaria. Der erste, am weitesten fertiggestellte, ist in schöner Abschrift vorhanden, worauf von Haydns zitternder Hand notiert steht »No. 43«. Der Text des aus G-dur gehenden Liedes, das im: 3/4-Takt steht, lautet:
Bald wehen uns des Frühlings Lüfte,
bald wird der dunkle Hain belebt;[249]
es athmen schon der Kräuter Düfte,
indes sich jeder Saame regt.
Auch uns steigt Wonne heut hernieder
da wir dein Namensfest begehn,
Vernimm, o Menschenfreund, die Lieder,
der Schöpfer höre unser Flehn.
Die .....
(hier bricht es ab). Die übrigen bloß als Anfänge vorhandenen sind von Haydn selbst in sehr zitternder Schrift geschrieben und von No. 44 bis 47 numeriert. »No. 44 Andante Es-dur 3/4, Text: Ich liebe, Du liebest, er liebet; No. 45 Moderato B-dur, 2/4, Text: Drum stark vermorschte Knochen, Steine, so die Zeit gebrochen; No. 46 Allegretto C-dur 3/4 Sey'n allweil von Statsleb'n kein Pflicht möcht i eng drum geb'n; No. 47 Andante C-dur 3/4: Kein besseres Leben ist ja auf der Welt.«
Dichter, Veranlassung, weitere Schicksale dieser Lieder sind bisher unbekannt geblieben.
Aus derselben Zeit stammt auch ein Blättchen, das sich im Besitze der Familie Artaria befindet und einen Kanon enthält, der von Haydn signiert und »25ten Merz 806« datiert ist. Der Text ist: »Kenne Gott, die Welt, und dich, Liebster Freund und denk an mich.« Haydn dürfte dieses Blatt dem ehemaligen Mitinhaber der Firma, Carlo Artaria, der um diese Zeit, auf der Reise nach Italien begriffen, sich in Wien aufhielt, überreicht haben. Der Kanon ist dann unter anderen bei Breitkopf & Härtel erschienen141.
Am 1. April 1806 wurden im Burgtheater zum Besten der Theater-Armen »Die Sieben Worte« aufgeführt, bei welcher Aufführung als Solisten Mlle. Flamm, Madame Rosenbaum, Herr Saal und Herr Ehlers genannt werden; der Dirigent wird nicht genannt. Es ist sicher, daß Haydn nicht selbst dirigiert hat; wohl aber dürfte er der Aufführung beigewohnt haben. Man darf sich überhaupt nicht vorstellen, daß mit seinen körperlichen auch seine geistigen Kräfte im Schwinden gewesen wären; er hatte vielmehr für vieles und vielerlei, was mit seiner Kunst und seiner Stellung zusammenhängt, noch reges Interesse: So befürwortet[250] er beim Fürsten in einem von ihm zwar nicht selbst geschriebenen aber doch unterfertigten Briefe die Aufnahme des jungen Rupp, Sohnes eines Waldhornisten, der in der fürstlichen Kapelle mehrere Jahre diente, als Sängerknaben. Er fährt auch zu einem Instrumentenmacher, um ein neuerfundenes Orgelwerk zu hören, das unter anderm auch eine Haydnsche Sinfonie spielte. An dem großen Fest, das im April in Eisenstadt anläßlich der Vermählung der Prinzessin Leopoldine Esterhazy mit dem Fürsten Moritz Liechtenstein stattfand, konnte er leider nicht teilnehmen; es wurde auch, soweit aus dem offiziellen Programm der Festlichkeiten ersichtlich ist, kein Werk seiner Komposition aufgeführt. Dagegen wurden in Wien am 29. Juni 1806 bei einer Akademie im Augarten außer einer Kantate von Hummel, die dieser selbst dirigierte, Kompositionen von Haydn aufgeführt. »Das Privatinstitut zur Unterstützung kranker Handlungs-Commis«, zu dessen Gunsten die Akademie stattfand, dankte in der Wiener Zeitung »dem würdigen Greise Joseph Haydn und allen jenen Menschenfreunden, welche durch Kunst und Talente dieselbe verschönten«.
In den Jahren 1805–1806142 vollendet ein junger Maler, Isidor Neugaß, ein Bild Haydns, welches er dem Fürsten Esterhazy überreicht. Der Fürst wies ihm 500 fl. an und bewilligte ihm ein monatliches Stipendium von 50 fl. zur weiteren Ausbildung. Das Bild befand sich seinerzeit im fürstlichen Schlosse zu Eisenstadt.
Im Sommer dieses Jahres traf unseren Meister ein schwerer Verlust: Sein Bruder Johann Michael starb am 10. August 1806 in Salzburg »an der Auszehrung«, wie es im Sterberegister heißt. Es war dem begabten Musiker, der durch das Genie und den Ruhm seines älteren Bruders naturgemäß stark in den Schatten gestellt wurde, der auch nicht die moralische Kraft besaß, sich aus der Enge seines selbstgewählten Aufenthaltes und Tätigkeitsbereiches zu entfernen, in den letzten Monaten sehr schlecht gegangen. Joseph Haydn hatte seinen Bruder regelmäßig unterstützt, ihn auch in der Voraussetzung, daß ihn der jüngere Bruder überleben werde, zu seinem Universalerben eingesetzt. Schinn, ein[251] Schüler Michael Haydns, schreibt am heil. Schutzengelfest 1806 nach Seewalchen143: »Joseph Haydn schickte neuerdings 50 fl. an seinen kranken Bruder und schrieb dabey: Er müsse durch Andere hören, daß sein Bruder gestorben sey, man möchte ihm doch sogleich benachrichtigen, was denn an der Sache sey; denn in diesem Falle würde er sein Testament ändern, weil er ihn zum Universalerben eingesetzt habe ..... Joseph hatte also zwey Briefe nacheinander garnicht erhalten.« Die Einsetzung Michaels als Universalerben ist in dem ersten Testament Haydns nicht ersichtlich; er war darin ebenso wie der zweite Bruder Johann mit dem allerdings sehr stattlichen Legat von 4000 fl. bedacht. Im zweiten Testament sind der Witwe Michael Haydns 1000 fl. vermacht. Übrigens gab den Hinterbliebenen Michaels der Fürst Esterhazy sofort einen größeren Geldbetrag für ihm überlassene Partituren des Künstlers und bestimmte der Witwe eine monatliche Rente von drei Dukaten. Auch seinem Kapellmeister Joseph gegenüber, der seine Funktion nur noch dem Namen nach ausübte, benahm sich der Fürst jetzt sehr freigebig. Die Vermittlerin war die gütige Fürstin Maria, die, sooft sie in Wien war, es nicht unterließ, Haydn zu besuchen; auch von ihren Kindern, namentlich dem Prinzen Paul, dem zukünftigen Senior des Hauses, hören wir, daß er Haydn oft besucht und ihn verehrungsvoll behandelt habe. Der Fürstin vertraut Haydn an, daß ihn seine Krankheiten viel Geld kosten, daß er bereits mehr als 2000 fl. aus eigenem habe zusetzen müssen, wodurch seine Verwandten in ihrem Erbteile verkürzt würden. Auf Fürsprache der Fürstin erhöht der Fürst Haydns Bezüge um 600 fl. jährlich vom November an, so daß Haydn insgesamt jetzt 2300 fl. bezieht. Er dankt dem Fürsten submissest für das gnädige Handschreiben, mit welchem ihm die Gehaltszulage bekanntgegeben wurde, in einem Briefe, datiert Eisenstadt 1. Dezember 1806 (eine Datierung, die aber nachträglich erfolgt sein dürfte und sich auf die fürstliche Resolution bezieht, da Haydn keineswegs um diese Zeit in Eisenstadt war):
»Durchlauchtigster Fürst
Gnädigster Herr!
Ich finde nicht Worte genug, die Rührung und Freude zu schildern, welche Euer Durchlaucht durch Dero allergnädigst an[252] mich erlassenes Handbillet in meinem Innersten hervorbrachten, und eben so wenig bin ich im Stande meine innigsten Dankgefühle für diese mir alten kraftlosen Diener erwiesene allerhöchste Gnade auszudrücken.
Euer Durchlaucht gaben hiedurch neuerdings den Beweis, wie großmüthig Euer Durchlaucht den Künstler auch dann noch zu belohnen gewohnt sind, wenn er schon durch hohes Alter und Entkräftung Dienste zu leisten nicht mehr vermag.
O! möchte mir der Schöpfer nur noch vor meinem Ende so viel Kraft verleihen, um jene Gefühle, welche diese unverdiente allerhöchste Gnade in mir erregten, in Musik setzen zu können.Ich ersterbe in tiefster Ehrfurcht
Euer Durchlaucht
Unterthänigst gehorsamster Diener
Joseph Haydn.«
Der Fürst erlaubt ihm auch, aus seinem Keller Wein zu beziehen, namentlich Tokayer und Malaga, die Haydn als Herzstärkung verordnet sind; ferner bot ihm der Fürst seine Equipage an, ein Anerbieten, von dem Haydn vielleicht hie und da Gebrauch gemacht hat.
Denn vor allem waren es die geschwollenen Beine, die ihm so große Beschwerden verursachten und ihn am Gehen hinderten. Um Linderung seines Leidens zu finden, ließ er sich im Jahre 1807 und ebenso im darauffolgenden Jahre 1808 am Tage des heil. Peregrinus (27. April) in das Servitenkloster in der Vorstadt Rossau fahren, wo sich eine Kapelle dieses heiligen Wundertäters befindet. Dagegen ist es fraglich, ob er einer am 17. Mai 1807 im Burgtheater stattgefundenen Aufführung der »Jahreszeiten« noch beigewohnt hat.
Sein Haus in der Steingasse verließ er nur selten; von irgend einem Sommeraufenthalt oder der Fahrt nach Eisenstadt ist nicht mehr die Rede. Er wohnte daher der ersten Aufführung von BeethovensC-dur-Messe in Eisenstadt, die der Fürst für das Namensfest der Fürstin bestellt hatte, und die am 13. September 1807 in der Eisenstädter Schloßkirche stattfand, nicht bei. Dem Werk war beim Fürsten und auch sonst kein großer Erfolg beschieden, die Musik war für die damaligen und dortigen Verhältnisse schon zu neuartig, so einfach sie uns auch heute anmutet.[253] Der Fürst sagte: »Aber lieber Beethoven, was haben Sie wieder gemacht!« Und Rosenbaum spricht in seinem Tagebuch von der »verunglückten Musik« Beethovens.
Über Haydns Leben, das jetzt einförmig dahinfloß, haben wir aus dem Herbst 1807 wieder den Bericht eines Besuchers. Gottlob Benedict Bierey, ein Dresdner Komponist, Verfasser gefälliger, bei seinen Zeitgenossen beliebter kleiner Opern, auch anderer Werke, war im Jahre 1807 wegen der Aufführung seiner Opern nach Wien gekommen. In der Nachschrift eines an Breitkopf & Härtel gerichteten Briefes schreibt er:
»Den 2ten 9br heute war hier der glüklichste Tag meines Lebens. Der Herr Sekretair Griesinger kam zu mir, holte mich ab, und führte mich zum Vater Haydn. Ich kan Ihnen unmöglich die Empfindung beschreiben, als ich diesen merkwürdigen Man von Angesicht sah. Trotzt seines Alters (auf den April wird er 77 Jahre) und seiner körperlichen Schwäche, strahlet noch ein Feuer in seinen Augen, verbunden mit einer liebenswürdigen Jovialität die Jedermann entzücken muß. Er erzählte mir unter andern, wie er in Dresden um Naumanns Bekantschaft gekommen sei. Meinen Auftrag von Ihnen habe ich ihm ausgerichtet, er wünschte gern Sie persönlich kennen zu lernen, und erkundigte sich bei mir, ob den nicht wenigstens Ihr Portrait in Kupferstich existirte. Er läßt sich Ihnen vielmals empfehlen. Haydn mochte wohl beim Abschied sehen, wie gerührt ich war, ich konte kaum sprechen, er reichte mir die Hand, drükte sie, sah mir dabei ins Auge, u. sprach: ›Geben Sie mir ein Bussel.‹ Diesen merkwürdigen Augenblick gebe ich um viele Schätze nicht hin, und ich danke Ihnen von Herzen, daß Sie mir durch H. Griesinger dazu geholfen haben.«
Am 22. Dezember wurde wieder die »Schöpfung« im Redoutensaale aufgeführt, wobei gleichzeitig eine die Akustik des Saales verbessernde Resonanzkuppel zum erstenmal in ihrer Wirkung ausgeprobt wurde.
Der Jahresschluß bringt Haydn Freundliches, aber auch einen Verlust. Am 30. Dezember 1807 ernennt ihn die seit dem Jahre 1741 bestehende Société académique des enfans d'Apollon in Paris zu ihrem Mitgliede, gleichzeitig mit Giovanni Paesiello, und übersendet dem einen wie dem andern ihre goldene Ehrenmedaille[254] (Avers: Ein Lorbeerkranz, in dessen Mitte der Vers von Ovid »Emolit mores, nec sinit esse feros«, darüber die strahlende Sonne und die Jahreszahl 1807. Revers: die siebensaitige Lyra, durchflochten von zwei Lorbeerzweigen, auf der Lyra sitzt eine Taube. Umschrift: »Société Académique des Enfans d'Apollon.)« Haydn antwortet auf die Zuschrift der Gesellschaft am 7. April 1808, welche Antwort vervielfältigt und an die Mitglieder versendet wurde144. Ein Brief der Gesellschaft an Paësiello, datiert 14. April 1808, worin sie Kopien des Haydnschen Briefes schickte, beginnt145:
»La société attachait un grand poid à votre inscription au tableau de ses membres, et à celle du célèbre Monsieur Joseph Haydn. Votre réponse et la sienne qui lui sont pervenues le même jour ont produit la sensation la plus satisfaisante. Chaque membre a désiré en avoir une copie et l'impression en a été ordonné. Jai l'honneur de vous en adresser quelques exemplaires. Elle a pensé qu'il vous serait agréable du connaitre aussi les sentimens de l'illustre vieillard qui partage avec vous l'hommage qui elle s'est empressée de rendre au génie.«
Am selben 30. Dezember, da die Pariser Gesellschaft ihm ihr Diplom ausfertigte, besuchten ihn einige seiner Verehrer, um ihm zum bevorstehenden Jahreswechsel ihre Glückwünsche darzubringen; es war die Witwe Mozart, der Sänger Johann Gänsbacher und noch ein dritter ungenannter Künstler. Gänsbacher erzählt darüber in seinen »Denkwürdigkeiten aus meinem Leben«: »Am Vorabend des neuen Jahres 1808 machte ich mit der Witwe Mozart und noch einem Künstler dem Jos. Haydn in seiner Wohnung in Gumpendorf einen Besuch. Wir fanden ihn sehr nett angezogen mit einer ganz neu frisirten Perücke an einem Tische sitzend, worauf sein dreieckiger Hut und Stock lag, als hätte er die Absicht, sogleich auszufahren. Im ganzen Zimmer hingen kleine Täfelchen mit schwarzen Rahmen herum. Als Haydn bemerkte, daß wir darauf aufmerksam wurden, und sie näher betrachten wollten, versicherte er: dies wären seine Kupferstiche; es waren nämlich geschriebene Canons und einzelne Gesänge von seiner Composition. Schmerzlich bedauerte er, daß er zu schwach war, um noch zu componieren, obschon es ihm nicht an Ideen fehle. Von Mozart sprach er mit großer Verehrung. Besonders erfreute ihn[255] die von unserm Gefährten gegebene Nachricht, daß so eben alle seine Quartette in Paris in einer Auflage erschienen, wo man nie umzuwenden brauchte. Haydns Bekanntschaft hatte ich schon vor mehreren Jahren durch meinen Freund Neukonn [!], seinen Schüler, gemacht; indem mich dieser zur ersten Probe von Haydns noch nicht erschienenen Sing-Quartetten und Terzetten mit Clavierbegleitung mitnahm, wo ich bei dem Terzett den 2. Tenor singen mußte und manches lehrreiche Wort aus Haydns Mund vernahm. Bei den Quartetten sang Saals Tochter den Sopran, Simoni den Tenor und Saal den Baß, der Name der Altistin ist mir entfallen.« Bei diesem Besuche soll auch die Rede auf Mozart gekommen sein, wobei Haydn in Tränen ausbrach und sagte: »Verzeihen Sie, ich muß immer weinen beim Namen meines Mozarts.« (Die Wiener Zeitung f. Theater, Musik und Poesie, sogenannte Bäuerlesche Theaterzeitung, bringt in ihrer Nummer vom 13. April 1808 einen etwas konfusen, gegen den übertriebenen Mozartkultus polemisch gehaltenen Bericht über diese Äußerung.)
Am 31. Dezember starb der Bildhauer Anton Grassi (auch Grassy), der viel mit Haydn verkehrt hatte und ihn wiederholt porträtierte. Sein Verlust muß den alten Mann, dem seine Freunde und Verwandten alle langsam wegstarben, tief berührt haben.
Am 27. März 1808 fand im Universitätssaale die denkwürdige, oft beschriebene Aufführung der »Schöpfung« statt, die letzte, welcher der greise Meister beiwohnte, überhaupt sein letztes Erscheinen in der Öffentlichkeit. Die Aufführung mit allen Begleitumständen ist deshalb besonders bemerkenswert, weil wir nicht bloß detaillierte Berichte von Zeitgenossen darüber besitzen, sondern auch eine sehr hübsche bildliche Darstellung, und weil die Örtlichkeit, wo sich die ganze eindrucksvolle Episode abspielte, nahezu unverändert noch heute besteht. Eingehende Schilderungen dieser Begebenheit, die auf alle Anwesenden tiefen Eindruck machte, findet man außer in den biographischen Werken von Dies, Grisinger, Carpani, Bombet usw. in der Allgemeinen Musikzeitung vom 20. April 1808, S. 479 f., weiter in Stolls »Prometheus«, in der »Zeitung f.d. elegante Welt« vom 15. April 1808 und in J.F. Mosels »Vaterländischen Blättern«, Wien 1808, S. 141. Über die Institution der »Adeligen Liebhaberkonzerte« teilt Hanslick[256] in der »Geschichte des Concertwesens in Wien« mit, daß Bankier v. Herring ihr Begründer, Fürst Trautmannsdorf ihr Schützer und Graf Moritz v. Dietrichstein ihr artistischer Leiter war. Sie fanden ursprünglich im Gasthause zur Mehlgrube, dann im prächtigen Festsaale der Universität an Sonntagen von 12 bis 2 Uhr mittags statt. Chor und Orchester (letzteres bis auf einige Blasinstrumente) bestanden aus geschulten Dilettanten, die Solopartien sangen gewöhnlich Mitglieder des Hoftheaters.
Als letztes Konzert der Wintersaison 1807/08 war eine Aufführung von Haydns »Schöpfung« (in der italienischen Übersetzung von Carpani) unter Salieris Leitung angesetzt. Magdalena v. Kurzböck146, eine ausgezeichnete Klavierspielerin, die in den letzten Jahren viel um Haydn war, wußte unseren Meister dazu zu bewegen, daß er dieser Aufführung beiwohne. Im Wagen des Fürsten Esterhazy holte sie ihn von seiner Wohnung ab und geleitete ihn zum Universitätsgebäude, bei dessen Eingangsportale der Rektor, der Graf von Herschan, einer der Vorsteher der Konzertgesellschaft, und einige Musiker, darunter Beethoven, ihn empfingen. Mit einem Tusch der Blasinstrumente und jubelnden Beifallsbezeugungen der Zuhörer wurde der verehrte Greis empfangen, als er in den Saal getragen wurde; die Damen der höchsten Aristokratie nahmen ihn in ihre Mitte und beeilten sich, ihn mit ihren kostbaren Tüchern zu bedecken, damit er keine Kälte verspüre, und Fräulein v. Kurzböck sowie die Baronesse von Spielmann überreichten ihm je ein Gedicht, und zwar ein italienisches Sonnett[257] von Carpani und ein Gedicht von Collin147. Letzterer hat dann noch die ganze Szene in einem längeren Gedicht dargestellt, das er in die Sammlung seiner Gedichte148 aufgenommen hat. Die Mitwirkenden bei der Aufführung waren unter Salieris Leitung: Kreutzer am Flügel, Frl. Fischer, die Herren Weinmüller und Radichi, alle drei vom Hoftheater, als Solisten, ein Orchester von zirka 50 Musikern (meist Dilettanten), mit Clement als Konzertmeister am ersten Pult und einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Chorsängern (Stoll spricht von zweiunddreißig). Als bei der Stelle »Und es ward Licht« das Publikum, gleich seiner Gewohnheit bei den vorhergegangenen Aufführungen, in lauten Beifall ausbrach, hob der greise Meister, wie oft erzählt, seine Hände inbrünstig gen Himmel und sprach die Worte: »Nicht von mir, von dort oben kommt alles.« Nach dem ersten Teile verließ Haydn den Saal; er selbst war nicht minder bewegt als alle Anwesenden, die ihn tiefgerührt aus ihrer Mitte tragen sehen149. Die Fürstin Esterhazy ließ die ganze denkwürdige Szene bildlich verewigen. Der Maler Balthasar Wigand wurde mit der Aufgabe betraut, den Augenblick, da Haydn, umgeben von seinen Verehrern, erscheint, festzuhalten, und tat dies durch ein Miniaturbild150, das die Fürstin als Deckel einer schönen Schatulle montieren ließ. Die Schatulle schenkte sie Haydn, der sie hoch in Ehren hielt. Im Inventar seines Nachlasses findet sie sich verzeichnet und ist auf 200 fl. geschätzt; beim Verkauf erzielte sie 400 fl., um welchen Preis die Fürstin Maria Esterhazy sie wieder zurückkaufte. Die Fürstin übergab die Kassette dann später bei passender Gelegenheit Franz Liszt mit dem Beifügen, »sie wisse sie in keine würdigeren Hände zu legen«. Liszt schenkte sie Haslinger, aus dessen Besitz sie in das [258] Museum der Stadt Wien gelangte, wo sie sich derzeit noch befindet151.
Diese denkwürdige Aufführung wurde übrigens in derselben Besetzung (gleichfalls in italienischer Sprache) am 12. April im Theater a.d. Wien wiederholt.
Im Mai 1808 kam die ganze Esterhazysche Kapelle nach Wien. Der Fürst hatte sie zu der Heiligsprechungsfestlichkeit, die am 22. Mai im Ursulinerinnen-Kloster in der Johannesgasse stattfand, gesandt, damit sie durch ihre Mitwirkung den Glanz der Feierlichkeit erhöhe; zur Aufführung gelangte eine Messe von Hummel und eine Vesper von Fuchs. Es war ein stattlicher Zug, der nach Wien fuhr: insgesamt 63 Personen in 10 vierspännigen Wagen. Im ersten Wagen fuhren nur Vize-Kapellmeister Fuchs und Madame Sieß, die erste Sopranistin; in den übrigen folgten die anderen Kapellmitglieder zu 4 oder 6 Personen, zwei Wagen waren sogar mit je 12 Personen besetzt. Da gerade Markt in Wien war und wenig Quartiere frei waren, gibt der Fürst jedem »Capellindividuum« 5 fl. täglich, um sich unterzubringen und zu verköstigen. Auf Bitten der Oberin des Klosters erklärte sich der Fürst bereit, eine Wiederholung dieser »Solemnität« zu bewilligen, welche am 29. Mai stattfand. Bei der ersten dieser beiden Kunstfahrten war es, als die Kapelle in kleinen Abteilungen ihre Aufwartung bei Haydn machte. Hummel kam mit den Sängerknaben und ihrem Chormeister. Haydn saß an einem Tisch in schwarzem Kleide, die Perücke auf dem Kopfe, die Hand mit schönen Manschetten geziert, auf dem Tische lagen Handschuhe, sein Stock mit goldenem Knopf und der Hut. Auch die Kapelle erschien in ihren neuen Uniformen: grüner Rock mit schwarzen Aufschlägen, mit Gold besetzt und mit goldenen Knöpfen geziert, Weste, Kniehose und Strümpfe weiß, dazu ein Hut mit Federbusch. Zu Hummel sagte er: »Nun, lieber Hummel, ich hörte schon, daß Du eine so schöne Messe schriebst und freute mich darüber. Ich habe Dir's ja öfter gesagt, aus Dir wird was Rechtes. Fahre nur so fort und denke alles Schöne und Gute kommt von oben152.«[259]
Diesem Besuch der Kapellmitglieder reihten sich noch manche andere Besuche an, deren schriftlich festgehaltene Schilderung uns das Bild des Meisters in seinen letzten Lebensjahren lebhaft vor Augen führt. Wenn diese Berichte sich auch ziemlich gleichen, so enthält doch jeder irgendein anderes, vielleicht nebensächlich erscheinendes Detail, wodurch das Gesamtbild, das wir uns von des Meisters Persönlichkeit und seinen letzten Erdentagen zu machen haben, manchmal wesentlich bereichert und ergänzt wird. So seien sie auch unverkürzt hier wiedergegeben. Vorerst der Bericht Joh. Wenzel Tomascheks153, der im Sommer 1808 durch Domkapellmeister Preindl bei Haydn eingeführt wurde (Libussa, Jahrbuch für 1846, S. 330): »Haydn sitzt im Sorgenstuhl, sehr geputzt. Eine gepuderte, mit Seitenlocken gezierte Peruque, ein weißes Halsband mit goldener Schnalle, eine weiße reichgestickte Weste von schwerem Seidenstoff, dazwischen ein stattliches Jabot prangte, ein Staatskleid von seinem Kaffeebraunen Tuche, gestickte Manschetten, schwarzseidene Beinkleider, weißseidene Strümpfe, Schuhe mit großen über den Rist gebogenen silbernen Schnallen, und auf dem zur Seite stehenden Tischchen nebst dem Hut ein Paar weißlederner Handschuhe, waren die Bestandstücke seines Anzuges ... Haydn klagte in weinerlichem Ton über sein dahinschwindendes Gedächtniß, weshalb er das Componiren ganz aufgeben mußte; er vermochte keine Idee mehr bis zu ihrem Aufschreiben im Kopfe festzuhalten. Preindl erzählte mir, daß er und Salieri für das Leopold-Orden-Ritterkreuz vorgeschlagen sind, worüber er sich kindisch freute. Leider blieb es nur bei der Erzählung: Haydn forderte uns auf, mit ihm ins nächste Zimmer zu gehen, um seine von allen Musik-Vereinen und gekrönten Häuptern ihm zugeschickten, meist in goldenen Medaillen bestehenden Geschenke für die Schöpfung anzusehen. Eine Büste von Gyps, die mir beim Eingang des Zimmers auffiel, veranlaßte mich, Haydn zu fragen, wen sie darstelle? Der Arme, in Weinen ausbrechend, winselte mehr als er sprach: ›Meinen besten Freund, den Bildhauer Fischer, o! warum nimmst mich nicht zu Dir!‹«
Zu der Haydn in Aussicht gestellten Verleihung des damals neu gestifteten Leopolds-Ordens wird erzählt154, daß Haydn[260] sich darauf vorbereitet hatte, dem Kaiser Franz bei der Dankaudienz zu sagen, daß von allen seinen Kompositionen, die größten und gefeiertsten nicht ausgenommen, ihm stets das Lied »Gott erhalte« das liebste gewesen sei. Er ist jedoch nicht in die Lage versetzt worden, diese Dankesworte zu gebrauchen.
Weit eingehender ist die Schilderung, die wir von dem Besuche Aug. Wilh. Ifflands bei Haydn besitzen. Die Darstellung Ifflands existiert in zwei Fassungen, eine erschien im »Almanach fürs Theater«, Berlin 1811 bei C. Saalfeld, und die zweite in Form eines Briefes, abgedruckt in Heinrich Schmidts, des damaligen Begleiters Ifflands, »Erinnerungen eines weimarischen Veteranen aus dem geselligen, litterarischen u. Theater-Leben, Leipzig 1856«155.
Iffland hatte schon im Jahre 1801 in Wien gastiert; er war da im Juni zwanzigmal im Burgtheater aufgetreten, hatte großen Erfolg und erhielt hohe Honorare. Schon damals hatte Iffland den Wunsch gehegt, Haydn kennen zu lernen, ein Wunsch, der wegen Abwesenheit Haydns (er befand sich in Eisenstadt) nicht zur Erfüllung kam. Als Fürst Nikolaus (II.) Esterhazy zum Präsidenten der beiden Wiener Hoftheater und des Theaters a.d. Wien gewählt worden war, nahm er den Direktor seines Eisenstädter Theaters, Heinrich Schmidt, der sich der Empfehlung Goethes erfreuen konnte, als Hilfskraft mit sich nach Wien. Schmidt, der die Aufgabe hatte, neue künstlerische Kräfte für die vereinigten drei Wiener Theater zu verpflichten, gelang es, Iffland zu gewinnen, zwar nicht als Direktor, wie man gewünscht hätte, aber doch für ein längeres Gastspiel. Iffland traf Mitte August in Wien ein und äußerte bei seinem Hiersein wiederholt den Wunsch, Haydn persönlich kennen zu lernen. Am 8. September156 führte ihn Schmidt bei dem verehrten Meister ein. Die erste ausführliche Schilderung dieses Besuches aus der Feder Ifflands möge hier Platz finden:
[261] »Almanach für Theater 1811 von Aug. Wilh. Iffland.
Berlin 1811 bei C. Salfeld. S. 181.
Als der Herausgeber vor zehn Jahren das Erstemal in Wien war, trug er ein inniges Verlangen, den großen Mann, dem er so viele schöne Lebensstunden verdankt, in der Nähe zu sehen.
Durste er sich das Zeugnis geben, daß er die himmlische Kunst empfindet, so schmerzte es ihn doch, daß er nicht des Künstlers würdig, zu ihm von dem zu reden verstand, was ihn so hoch erfreut hätte.
In dieser Verlegenheit vergingen die ersten Wochen, und als er sie überwunden hatte, erfuhr er: Haydn sey auf dem Lande, beschäftigt eine große Arbeit zu vollenden, und ungern werde er darin unterbrochen, besonders von Leuten, die ihm völlig fremd wären.
Er sah ein, daß er seinen Wunsch aufgeben müsse, und that es sehr ungern. Mit aufrichtigen Wünschen und Empfindungen herzlichen Dankes, ist er an seiner damaligen ländlichen Wohnung vorübergegangen.
Umso fester stand nun, bei der Anwesenheit in Wien vor zwei Jahren der Entschluß, diese Stadt nicht zu verlassen, ohne den geliebten Dichter von Angesicht gesehen zu haben.
Auf vorläufige Erkundigungen, bei seinen Bekannten, erging die Antwort, daß, obschon er nicht eigentlich krank sey, die Schwäche seines Befindens doch Aufschub mache.« (In der Zwischenzeit besucht Iffland den Maler Maurer und den Bildhauer Fischer.)
S. 190. »In der Stimmung, welche er hier empfangen hatte, ward dem Herausgeber die Nachricht, daß Haydn sich etwas gestärkter befinde, daß man nicht zuvor bei ihm genannt noch angesagt werde, sondern am besten Vormittags den Versuch mache, sich ihm nennen zu lassen. (Herr Schmid, Vorsteher des Fürstlich-Eszterházischen Theaters zu Eisenstadt, Haydn persönlich bekannt, hatte dem Herausgeber die Einführung zugesagt.) Beide freuten sich von ganzem Herzen auf den Augenblick, den geliebten Mann zu sehen und wiederzusehen. Mittwoch Vormittag, der 7. Sept., ward zu diesem Gange ausersehen. Es war Marientag, heiteres Wetter, das gute, treue frohsinnige Volk wallte in Menge aus den Kirchen heim zu den Seinen. Andere Schaaren zogen erst aus, hin in die Tempel, aus deren weit offenen Thüren die Menschenmasse, der herzerhebende Gesang, die Weihrauchwolken hervorquollen und das Herz in freudige, fromme Bewegung setzten.
So kamen wir aus den wallenden Zügen der feierlich gestimmten Menge nach und nach in den ruhigeren Lebensverkehr und so allmählig in die stille Gasse, wo Haydn wohnte. Als wir vor der Hausthüre angekommen waren, sahen wir genau umher, wie die Stelle umgeben ist, welche Haydn ausgewählt hat, um zu ruhen nach des Tages Last und Hitze. Friede – Ruh – Stille! Außerdem die gewöhnliche Lebensumgebung arbeitsamer Menschen. Vermuthlich hat er diesen Platz gewählt, den nichts auszeichnet, weil er denen bequem gelegen ist, die ihn lieben und die er liebt. Vielleicht haben seine Freunde ihn bestimmt, hier seinen Aufenthalt zu wählen, weil er hier Stille findet, die er sucht und schnell Hülfe finden kann, wenn er ihrer bedarf. Wir traten in ein helles, freundliches Haus, wir werden zutraulich begrüßt. ›Der Herr sei daheim‹ sagt die Magd; ›wir mögen nur oben etwas verziehen, er komme eben mit dem Diener aus dem Garten. Sobald er herausgekommen, wolle sie anfragen. Sein Gang sey eben etwas langsam, wir mögen uns gedulden.‹ Wir werden in ein Zimmer geführt, neben welchem ein anstoßendes[262] Kabinet, mit kleinen Notenstücken von seiner Hand und Dichtung, mit Blumenkränzen jedes eingefaßt, ausgeziert ist. Eine kostbare Wand – die einst, sagten wir schmerzlich – noch höheren Preis haben wird! Im Zimmer daneben war sein Gemälde zu sehen, wie er einst war. Ein durchdringender weit hinaus reichender Blick! Nach einer Weile tritt die Magd ein und sagt sehr freundlich: Der Herr sey nun oben, er warte unserer. Wir treten in einen Saal. – Haydn saß, das Gesicht nach dem Fenster gerichtet, völlig gekleidet, den Hut in einer Hand, den Krückstock und einen Blumenstrauß in der andern. Der Diener stand hinter seinem Stuhle, vor welchem Stühle für uns gesetzt waren. Er trug ein braunes Kleid, grauen Überrock darüber und zierlich frisirte Beutelperücke. Er machte eine Bewegung aufzustehen. Der Bediente half ihm dazu und so trat er uns, die Hand über die Augen gehalten, einige kurze Schritte entgegen, wobei er die Beine, mit dem Willen schnell zu seyn, etwas mühsam auf dem Boden nach sich zog. Er reichte dann Herrn Schmid die Hand und neigte den Kopf mit freundlicher Miene gegen den Herausgeber, den er zu einem Sitze führte. Wir nahmen alle Platz. Das Athem nehmen ward ihm schwer; wir suchten also ein gleichgültiges Gespräch anzufangen, worauf es seiner Seite keiner Antwort bedürfen konnte, damit er Zeit gewinne sich zu sammeln. Er sah oft auf die Blumen in seiner Hand und nahm sichtbar Erquickung von ihrem Duft. ›Ich habe heute meine Andacht in der Natur gehalten!‹ sagte er. ›Ich kann nicht anders‹. Hier zogen sich seine Augen zum Weinen zusammen. ›Es ist auch so am besten‹, setzte er, mit aufgerichtetem Blick an den Himmel, hinzu. Unsere Antworten sind von keiner Bedeutung. Bei dieser Stelle kamen wir darauf, wie er so innig und herrlich die Natur geschildert habe, wie treulich er ihr gelebt haben müsse. Die Jahreszeiten – ›Ja, die Jahreszeiten!‹ – so fiel er mit einer Gattung Heftigkeit in die Rede. ›Die Jahreszeiten haben mir den Rest gegeben. Ich wollte doch –‹ Hier suchte er nach Ausdrücken und bewegte sich lebhaft hin und her. – ›Aber die Worte sind auch gar zu wenig! Nein, sie sind wahrlich zu wenig! Ganze Tage habe ich mich mit einer Stelle plagen müssen, und dann – dann – nein, das glauben Sie nicht, wie ich mich gemartert habe.‹ Hier stieß er mit dem Stock auf den Boden. – Der Bediente sah ihn freundlich bittend an. ›Hm! es ist wahr!‹ sagte er; ›Du hast Recht, es ist ja vorbei und abgethan.‹ – Darauf setzte er sich wieder in seine vorige ruhige Lage. ›Ja, ja, es ist vorbei, wie Sie sehen, und die Jahreszeiten sind schuld daran. – Ich habe überhaupt in meinem Leben viel und schwer arbeiten müssen.‹ Eine Weile nachher: ›Ich habe nicht leicht gearbeitet; nein, nicht leicht. Meine Jugend war sehr schwierig.‹ Er erzählte dann, wie er in seinen frühen Jahren auf dem Platze bei den Michaelern sehr hoch gewohnt und eine große Stufenzahl – die er nannte – täglich gar oft habe auf und nieder steigen müssen. Indem er auf die Brust deutete: ›Sehen Sie, das kommt nun nach und wirst mich nieder! Aber es ist eine Niederlage mit Ehre – es war saure Arbeit, allein Gott hat geholfen.‹ Er kam dann auf die Theater, wie es ihn schmerze, nichts Neues mehr hören zu können. Aber – es gehe durchaus nicht mehr an. Hierauf sagte er dem Herausgeber etwas Verbindliches, wie er ihn vor acht Jahren gesehen habe – ein Wort über seine Arbeiten – er sah ihn eine kleine Weile an und dabei nickte er ihm etlichemale überaus freundlich zu. Dieser bat ihn, zu gestatten, daß er die geliebte Hand, welche der verehrte Greis ihm eben darreichte, auf sein Herz legen dürfe. – Rasch reichte jener beide Arme dar – küßte ihn und weinte[263] von Herzen. ›Mir ist wohl – recht wohl!‹ – sagte er. ›Aber ich kann jetzt nicht mehr anders; wenn mich etwas erfreut, muß ich weinen. Das will ich nicht, ich kann es aber nicht hindern.‹ ›Ehedem war es anders! – Ehedem!‹ Dabei sah er wie in weite Ferne nach dem Fenster hin und seufzte! – Sie kamen dann nach und nach auf eine fürtreffliche Messe von Haydn, die wenige Tage zuvor in Eisenstadt, von der Fürstlich Esterhazischen Kapelle, trefflich ausgeführt worden war. Besonders hatte das ›Credo‹ in dieser Messe den Herausgeber hingerissen. Haydn sprach mit großer Lebhaftigkeit von seiner Kirchenmusik überhaupt zu Herrn Schmied, der ihm mit Kenntnis, Gefühl und Liebe antwortete. Der treffliche Künstler war unbemerkt in solche Lebendigkeit gerathen, daß er, ohne es zu wissen, Hut und Stock weggegeben hatte und mit solchen schnellen Gesticulationen redete, – daß man hätte glauben sollen, man sähe ihn wieder an der Spitze seines Orchesters. Sein Auge glänzte für Wonne – aber allmählig mahnte ihn seine Schwäche wieder – er sah den bekümmerten Diener an – nickte ihm zu, nahm Hut und Stock aus seinen Händen zurück – ließ uns dann eine Weile fortreden und sah indeß sich wieder zu sammeln, ruhig an den Boden. Er kam dann auf die Esterhazische Kapelle zu sprechen – that Fragen nach diesen, nach jenen seiner Bekannten, nach den neuesten Musiken, welche zu Eisenstadt gegeben worden wären, und hörte die Antworten mit besonderer Theilnahme. Er sprach von dem regierenden Herrn, von dem Wohlwollen, welches ihm dieser bewiese, von den Verdiensten des Esterhazischen Hauses um die Künste. Was er über diesen Gegenstand sagte, hatte den Ausdruck inniger Erinnerung und Liebe.
Die Aufführung der ›Schöpfung‹ in Wien, bei welcher er vor nicht langer Zeit selbst gegenwärtig gewesen, hatte dieses gute, enthusiastische, seinen großen Künstlern überhaupt so dankbare Volk, in das herzlichste Entzücken versetzt. Es sprach damals noch Jedermann mit wahrer Wonne von jenem unvergeßlichen Abend. Man hatte in der Mitte der Aufführung die Besorgnis empfunden, der geliebte Greis könne vom Luftzuge leiden; da gaben die Damen aus den ersten Häusern ihre Shawls, um ihn selbst gegen alle Gefahr gemächlich, zart und anständig zu beschützen. Der laute, anhaltende Jubel begleitete diese Handlung, welche einen Beweis der Verehrung für den großen Mann auf eine so liebenswürdige Weise ablegte.
Wir wollten nicht an diesen Abend erinnern, sein Gefühl nicht aufzuregen – aber indem wir von der Schöpfung überhaupt sprachen, setzte er hinzu: ›An dem Abende, wo ich zuletzt gegenwärtig war, habe ich die beste Aufführung davon gehört‹. – Er faltete die Hände in seliger Erinnerung, und da er in unserem Auge Beweise des Gefühles sah, das wir nicht zurückhalten konnten, fuhr er fort: – ›Man hat zu viel für mich gethan! – Zu viel – zu viel! – Aber welch ein gutes, gutes Volk!‹ – Dies sprach er mit dem Tone der Begeisterung, mit aufgerichteter Brust und fast mit starker Stimme. – Der Herausgeber erzählte ihm von der Freude, welche dieses Meisterwerk auch in Berlin gewährt habe, und wie einst die Vorstellung für eine fromme Stiftung über zweitausend Thaler eingetragen. Er sah hoch auf – und wiederholte langsam und mit strahlender Freude – ›Über zweitausend Thaler – für die Armen! Über zweitausend Thaler? – Hörst du das wohl‹ – hier wandte er sich nach dem Bedienten um – ›meine Schöpfung hat in Berlin über zweitausend Thaler eingetragen für die Armen!‹ Hier legte er sich ganz zurück in den Stuhl und ließ den Thränen der Freude[264] freien Lauf. – ›Für die Armen! Meine Arbeit hat den Armen einen guten Tag gegeben. Das ist herrlich, das ist tröstlich.‹ Nach einer Weile richtete er sich wieder auf und sagte etwas trübe: – ›Das ist nun vorbei – ich .... nicht mehr. Aber‹ – indem sah er freundlich auf jeden der Anwesenden hin – ›es ist doch gut gegangen – nicht wahr? – Wieviel hat die Schöpfung den Armen eingetragen? – Merke es dir – ich werde mich daran erfreuen!‹ – Er war nun wieder eine Weile recht herzlich froh und sagte dann: ›Sie werden wohl auch meine Ehrensachen sehen wollen? – Hohle sie herein!‹ Der Bediente brachte die Medaillen herein, welche zu Paris, Petersburg und London auf ihn geprägt worden waren. Er zeigte uns jede selbst und legte sie dann neben sich nieder. ›Ich habe große Freude empfunden, da ich diese Beweise des Wohlwollens empfangen habe, und ich freue mich noch manchmal, wenn ich sie mit meinen Freunden betrachte. – Sie werden sagen, das sind die Spielzeuge der alten Männer! – Für mich ist es aber doch mehr – ich zähle daran mein Leben rückwärts und werde auf Augenblicke wieder jung! Alle diese Sachen sollen nach meinem Leben in werthen Händen bleiben.‹ Wir erwiederten darauf nach unserm tiefen Gefühl für ihn und hielten dieses zurück, so gut wir nur konnten. Nach einiger Zeit fuhr er fort: ›Ich sollte Ihnen doch etwas vorspielen! Wollen Sie etwas von mir hören?‹ Es war unser lebhafter Wunsch; aber wir wagten es nicht, ihn auszusprechen. Er sah sich nach dem Instrument um. ›Ich kann freilich wenig mehr. – Sie sollen meine letzte Composition hören. Ich habe sie gesetzt, eben als die Französische Armee vor drei Jahren auf Wien vordrang.‹ Er stand auf, reichte dem Bedienten den Arm. Wir geleiteten ihn alle drei in unsern Armen zum Pianoforte. Er setzte sich daran nieder und sagte: ›Das Lied heißt: – Gott erhalte Franz, den Kaiser!‹ Er spielte hierauf die Melodie ganz durch und zwar mit unerklärbarem Ausdruck, mit innigem Halten, welche sein schwimmendes Auge ausfüllte. Nach Endigung des Liedes blieb er noch eine Weile vor dem Instrumente stehen – legte beide Hände darauf und sagte mit dem Tone eines ehrwürdigen Patriarchen: ›Ich spiele dieses Lied an jedem Morgen, und oft habe ich Trost und Erhebung daraus genommen, in den Tagen der Unruhe. – Ich kann auch nicht anders, ich muß es alle Tage einmal spielen. Mir ist herzlich wohl, wenn ich es spiele und noch eine Weile nachher.‹ Er zeigte an, daß er zu seinem Sitze am Fenster zurückwolle. Wir wollten ihn dahin geleiten – aber mit eigener Geschäftigkeit machte er vorher selbst das Instrument wieder zu, und es war deutlich zu sehen, daß er dabei keine Hülfe annehmen wolle. Still und mit etwas hängendem Kopfe ging er alsdann in unsern Armen zu seinem Sitze zurück. Auf seinem Gesicht war viel Bewegung zu sehen, die er nicht ausbrechen zu lassen, sich an strengte. Der Bediente gab uns, ohne daß Haydn es gewahr werden konnte, freundlich und mit Gefühl der Ehrfurcht und Liebe für seinen Herrn ein Zeichen, daß wir abbrechen möchten. Wir traten einen Schritt zurück. – Er sah uns an und sagte: ›Gott sey mit Ihnen – ich tauge heute nicht viel mehr! – Es gehe Ihnen gut! Adieu!‹ Er stand auf. Wir umarmten ihn und sagten wenig Worte.. Er setzte sich nieder und griff nach dem Blumenstrauße, der vor ihm auf dem Stuhle lag. Der Herausgeber bat ihn um eine Blume zum Andenken. Haydn sah ihn gütig an – ließ sein Gesicht ganz in den Strauß sinken, reichte diesen dann mit beiden Händen dar und schloß den Reisenden fest in seine Arme. ›Adieu!‹ rief er mit sanfter, gebrochener Stimme, wandte sich ab, setzte sich und wir schieden mit Empfindungen[265] von ihm, die Jeder mit uns theilen wird, ohne daß sie ausgesprochen sind. Wir konnten uns von den hohen Gefühlen nicht losmachen, die wir im Anblick dieser scheidenden Sonne empfangen hatten, und wir wollten es auch nicht.
Mit treuen feurigen Wünschen sind die Tage des großen, herzlichen und bescheidenen Mannes gezählt, und ein tiefer Schmerz, eine innig empfundene Trauer kam über uns Alle, als die Kunde sich verbreitete: – Er ist nicht mehr!
Geliebter, vaterländischer, großer Mann! Du hast es noch erlebt, daß die Flamme des Krieges bis zu deiner freundlichen Wohnung drang. Mögen deine Freunde es uns sagen, wann du dein Schwanenlied zuletzt angestimmt hast! – Ach, wenn auch kein Saitenton dein Lied mehr geleiten konnte; so ist doch gewiß deine Seele in dieser starken Empfindung hinübergegangen zu ewiger Harmonie.
Auch Haydn's Blumenstrauß – ein theures Andenken des Verewigten! – soll einst in werthe Hände kommen.«
Ein zweiter Besuch Ifflands bei Haydn (sein Abschiedsbesuch) hat am 26. September stattgefunden. In August Wilhelm Ifflands Tagebuch (veröffentlicht von Hermann Uhde, Gartenlaube 1869) steht auf dem allerletzten Blatt die Eintragung: »Wien, 26. September 1808 Joseph Haydn.«
Noch zwei eingehende Darstellungen von Besuchen bei den: Altmeister aus dieser Zeit sind erhalten: von Johann Friedrich Reichardt, der in seinen »Vertrauten Briefen geschrieben auf einer Reise nach Wien« seine Begegnung mit Haydn schilderte, und von Joh. Nisle, der in seinen »Erinnerungen aus Wien, Ungarn, Sizilien und Italien«, erschienen in der Berliner Allg. Mus. Zeitung 1829, das gleiche tut.
Joh. Fr. Reichardt, der am 24. November 1808 in Wien ankam, schreibt:
»Mich hat schon recht nach dem ganz freien ruhigen Moment gebangt, Dir eine rührende Scene, die ich mit dem alten Haydn gehabt, treu zu beschreiben. Das Fräulein von Kurzböck, das er väterlich liebt, und Frau von Pereira, für ihn, wie für alles Große und Schöne, voll Enthusiasmus, führte mich hinaus. Vorher ließ mich die erste, gleichsam als würdige Ouvertüre zu der Scene, eine große schwere Sonate von unserem verewigten Prinz Louis Ferdinand auf ihrem Fortepiano hören. Sie spielte sie ganz meisterhaft, mit eben so zartem Ausdruck, als mit der vollendetsten Exekution, die an Reinheit und Deutlichkeit durchaus nichts zu wünschen übrig ließ. Sie ist eine Schülerin von Clementi.
In einer der entferntesten Vorstädte hatten wir bis in die hintersten Gäßchen und Winkel fast eine Stunde zu fahren. Da fanden wir den herrlichen Alten in einem kleinen, aber doch ganz artigen Gartenhause, das ihm gehört, eine Treppe hoch, in einem kleinen Zimmer, an einem mit grünem Tuch überdeckten Tische sitzen, ganz angekleidet in einem einfachen, aber reinlichen grauen Tuchkleide mit weißen Knöpfen und einer zierlich frisirten und gepuderten
[266] Lockenperrücke, saß er sehr steif und fast starr, dicht an den Tisch gerückt, beide Hände auf dem Tische, einem lebhaften Wachsbilde nicht unähnlich. Das Fräulein von Kurzböck erklärte ihm erst, daß sie mich ihm gerne vorstellen wolle; ich besorgte fast, er würde meinen Namen nicht kennen, oder sich dessen doch in diesem Zustande der Apathie nicht erinnern und ward wirklich betroffen und ich kann aufrichtig sagen beschämt, als der alte Held seine immer noch lebhaft blitzenden Augen weiter auftat und sagte: ›Reichardt? ein – Mann! wo ist er?‹ ich war eben hereingetreten, und er rief mir mit über den Tisch hin ausgestreckten Armen zu: ›Bester Reichardt, komm doch! ich muß dich ans Herz drücken!‹ Und nun küßte er mich mit heftigem, krampfigem Händedruck. Dann fuhr er mir drei-viermal mit der dürren Hand über beide Backen und sagte zu den Andern: ›was mich das freut, daß der – – Künstler auch solch ehrliches, gutes Gesicht hat.‹ Ich setzte mich neben ihn und behielt seine Hand in der meinen. Er sah mich eine Weile gerührt an und sagte dann: ›noch so frisch! ach ich hab' zuviel den Geist angestrengt, ich bin schon ganz Kind,‹ und weinte bittere Tränen. Die Damen wollten abbrechen, um ihn zu schonen. ›Nein, laßt mich Kinder,‹ rief der liebe Alte, ›das tut mir wohl, es sind wahrhaftig Freudentränen über den Mann da, dem wird's besser ergehn.‹ Ich konnte selten ein herziges dankbares Wort hervorbringen, konnte ihm nur recht herzlich die Hand küssen.
Frau von Pereira, die er mit seinem schwachen Gedächtnis anfänglich nicht erkannte, erinnerte ihn im kindlichen, spielenden Ton an allerlei Späße, und er kam bald auch mit ihr in diesen Ton, den er immer sehr geliebt haben soll. Nun meinten die Damen aber, wir müßten den schwachen Alten verlassen, es griffe ihn doch am Ende zu sehr an und nahmen Abschied. Kaum waren wir aber zur Stubentür hinaus, so rief er uns zurück und sagte: ›ich muß dem Reichardt doch auch meine Schätze zeigen.‹ Da brachte eine Aufwärterin allerlei schöne, zum Teil kostbare Sachen herbei. Das Interessanteste darunter, war eine ziemlich große flache Cassette, welche die Fürstin Esterhazy, die Gemahlin des jetzt regierenden Fürsten, Sohns des fast lebenslangen Herrn unseres Haydn, ihm hatte nach ihrer eigenen sorgfältigen Angabe machen lassen. Sie war von schwarzem Ebenholz, stark in Gold gefaßt und mit goldnen Basreliefs verziert. Auf dem Deckel war die rührende schöne Scene im Akademiesaal gemahlt, die bei der letzten großen Aufführung von Haydn's Schöpfung zur wahren Apotheose für den Künstler wurde. –:Collin sagte mir letzt auch ein recht schönes beschreibendes Gedicht über diese Scene vor) In der Cassette lag ein großes prächtiges Stammbuch, auch schwarz mit Gold, der Fürstin Namenszug darauf und inwendig die herzlichsten Inschriften von der ganzen fürstlichen Familie. Ich müßte der erste Künstler sein, der sich einschriebe, sagte mir der liebe Alte; er würde mir's schicken. Die ganze Cassette war übrigens zu beiden Seiten mit dem zierlichsten Schreibzeuge und allerlei kleinen angenehmen und nützlichen Instrumenten von seiner Englischer Stahlarbeit und Gold angefüllt.
Dann zeigte er mir noch eine große Anzahl goldener Medaillen von der Petersburger musikalischen Gesellschaft, von dem Pariser Konzert, für welches er mehrere Symphonien eigens komponiert hat, und von vielen Anderen; auch einen ganz herrlichen Ring vom Russischen Kaiser; Diplome vom Pariser Nationalinstitut, vom Wiener Bürgerrecht und viele andere dergleichen Dinge noch. Der gute Alte schien recht froh darin zurückzuleben. Als wir denn nach einer guten Stunde wirklich Abschied nahmen, behielt er mich allein noch fest an der Hand und sagte mir unter vielen Küssen, ich müßte ihn, so lange ich hier bliebe, wenigstens einmal die Woche besuchen. Mit kleinen ängstlichen
[267] Zügen des Geizes, mitten unter seinen Reichtümern, die er nicht einmal mehr benutzen konnte, mag ich diese Erzählung nicht beschmutzen; es ging mir aber durch die Seele.«
Nisles Bericht über seinen Besuch bei Haydn anläßlich seines Wiener Aufenthaltes lautet:
»Hier, bester Freund, hätte ich Ihnen gewünscht, Augen- und Ohrenzeuge sein zu können. Die gutmütig heitere Miene, mit der Papa Haydn selbst trübe Bilder der Vorzeit vergegenwärtigte – der fromme demutvolle Ton seiner Stimme – wie er all sein Wirken nur der Gnade Gottes beimaß – sogar seine kindlich freudige Erinnerung erhaltener Ehrenbezeugungen und Geschenke – – es war ein herrlicher Morgen. Sein ganzes Wesen schien im schönsten Einklang mit seinen Werken. So war's mir auch wirklich, je nachdem sein Ideengang mir Scenen seines Lebens vormalte, als hörte ich im Geiste sanft mitertönen: bald ein gemütliches Andante aus seinen Sinfonien, bald eins seiner muntern Rondo's oder scherzenden Menuetten und Trio's; oder wenn sein schön religiöses Gefühl vorherrschte, irgend ein Bruchstück seiner trefflichen Messen – seiner sieben Worte des Erlösers. – Besonders gefiel er sich, in seiner Jugendzeit zu verweilen und mir zu erzählen, mit welchen Schwierigkeiten er oft zu kämpfen gehabt; wie er sich plagen, oft kümmerlich behelfen müssen. Die gute Haushälterin, die wohl diesmal etwas mehr als nötig die bunten Tassen und schön geschliffenen Gläser der glänzenden Möbeln abwischte, war wie auf Kohlen, wenn der große Meister gegen einen Fremden so klein tat, ließ dann einigemal die geschäftige Hand ruh'n, und brach in die Worte aus: Aber jetzt – (denken Sie sich dabei eine Miene, deren Wichtigkeit Haydns kindlich unbefangener aufhelfen sollte und das Jetzt wenigstens als Vierviertelnote im Moderato) ›I nun‹, versetzte dann Haydn, leicht hingeworfen, ›jetzt habe ich durch Gottes Hilfe mein Auskommen.‹ Ach, dachte ich, guter Mann, möchtest Du es nur noch recht lange genießen! Unter seine Leiden zählte er auch, daß ihn die Rezensenten oft hart mitgenommen hätten, und daß es ihm überhaupt unmöglich geschienen, Alle zu befriedigen; ›doch‹ setzte er gelassen hinzu, ›später beruhigte ich mich mit dem Gedanken: Du willst schreiben, wie es dir dein Herz diktirt; und ich befand mich wohl dabei.‹ Bei solchem Talent und reinem Sinn für das Schöne, gewiß der beste Ausweg. Nach manchen mir höchst interessanten Bemerkungen überhaupt, als auch hinsichtlich meiner eigenen Versuche, schloß Haydn die letzte Unterredung mit den Worten: Ja, junger Freund, so weit habe ich es gebracht, jetzt – (doch nein – Alles, werter Freund, kann ich nicht wieder erzählen. Das hier Fehlende – vielleicht weiterhin.) Kein Vater konnte seinen Sohn herzlicher entlassen, als der traute Haydn mich. Indessen kam es mir vor, als bemerkte ich einige Beklommenheit während seines freundschaftlichen Abschieds; seine Hand, die mit jugendlicher Wärme die meinige gefaßt hatte, rückte, mit etwas gehemmtem Fluß der Rede, nach und nach bedeutsam, ängstlich in die Höhe – ich ahnete nicht in der Ferne sein Begehren – Endlich, gleichsam sich Luft machend, weckte er mich, den Zerstreuten, aus dem Traume; ›Ach so einem alten Manne, wie mir, könnten Sie wohl die Hand küssen!‹ ›Bester Vater Haydn, mit welchem Vergnügen‹; Ich drückte die Hand, durch deren rastlosen Tätigkeit sein schöner Geist so viel Herrliches wirkte, an meine Lippen. – Jetzt fiel er mir um den Hals – küßte mich – (›Aber,‹ werden Sie sagen, ›wußten Sie denn nicht, daß faßt alle junge Komponisten, ihn Vater Haydn nennend, die Hand küßten?‹«[268]
Diese kindliche, zärtliche Verehrung, die alle jüngeren Komponisten, ihm, ihrem Vater – zollten, geht rührend schön aus nachstehendem Schreiben, das Cherubini aus Paris an ihn sandte, hervor.
»Carissimo e riveritissimo Padre. Sono a incommodaria de' miei caratteri, per pregarla di farmi un piacere.
Un Mercante e Edittore di Musica mi propone di fare una nuova edizzione in Parigi di tutti i suoi divini Quartetti. Come non puo far detta impresa, che prendendo i medesimi di varie altre edizzioni, le quali sono molto incorretti, egli mi ha marcato sul piccolo quinterno di musica, che proverà qui annesso, tutti i cosi dubiosi che egli crede incorretti. Prego dunque l'Illustre e caro Padre Haydn, di aver la bontà di dare un occhiata a questi framenti, per vedere se son corretti e conformi all'originale, e di correggere i mancamenti ove cara necessario, se ve ne sono.
Domando, ancora perdono della liberta ch'io prendo, e della pena ch'io le reco, pregandolo di occuparsene quanto prima.
Dopo che ho avuto il dispiacere di lasciarla, caro Padre, sono stato e sono sempre ammalato di attachi di Nervi, e ciò mi ha impedito di travagliare, e di cercare ad imitarla, oh caro maestro di tutti.
Abbiamo appreso con un indicibile soddisfazzione in Parigi, gli onori che le sono stati resi all' Università di Vienna, il giorno che hanno esignita la sua immortale Creazione. Ho pianto di piacere a tal nuova, ed ho desiderato di trorarmi presente, per offrirle la mia porzione d'incenso.
Addio carissimo Padre, mia moglie lo abbraccia teneramente. Io faccio l'istesso e con rispetto mi dico
Il suo affmo Figlio
Parigi, 26. Aprile 1808.
e ammiratore L. Cherubini.«
Die Philharmonische Gesellschaft in Petersburg, zu deren Gründung die erste dortige Aufführung der »Schöpfung« (1802) die Veranlassung gegeben hatte, ließ im Jahre 1808 durch Karl Leberecht eine Medaille prägen, deren erstes Exemplar in Gold, 42 1/2 Dukaten schwer, sie mit einem Ehrendiplom an Haydn schickte. Der Meister war schon vorher von seinem Schüler Neukomm durch nachstehenden Brief von dieser Ehrung verständigt worden.
»St. Petersburg am 16. Juni 1808.
Theurester Papa!
Dieß ist der letzte Brief, den ich von hieraus an Sie schreibe; übermorgen reife ich ab, und hoffe im September in Wien einzutreffen. Ich mache einen sehr großen Umweg, und durchreise einen großen Theil von Deutschland in nord-west-östlicher Richtung. Meine Reise nach Deutschland wird mir nur interessant, weil ich so glücklich seyn werde, Sie wieder zu sehen.
Die philharmonische Gesellschaft in St. Petersburg hat Ihnen zu Ehren eine Medaille prägen lassen, und an Sie durch den in Wien befindlichen russischen[269] Ambassadeur geschickt. Die Herren Directoren der Gesellschaft wollten sie mir mitgeben, allein ich lehnte es ab, weil ich erst in drey Monathen nach Wien kommen. und weil es Ihrer würdiger ist, wenn sie von dem Herrn Ambassadeur übergeben wird. Auch bathen mich die Herren Directoren, Ihnen zu bemerken, daß die Jahreszahl 1802 das Stiftungsjahr der Gesellschaft sey, und weil Ihr allgemein bewundertes Meisterwerk: ›die Schöpfung‹ den Grundstein zu dem Gebäude legte, so glaubte die Gesellschaft, dieß für sie so merkwürdige Jahr am besten dadurch bey der Nachwelt im Andenken zu erhalten. Die Medaille wiegt 421'2 Dukaten.
Ihr Diplom als Ehrenmitglied dieser Gesellschaft ist noch nicht ausgefertigt. Bald werde ich so glücklich seyn, Sie wieder zu sehen. Leben Sie recht wohl mein theuerster Papa, und erhalten Sie mir Ihre Liebe, das einzige, welches mein Loos beneidenswerth, und mich zu dem glücklichsten auf Erden macht
ewig
Ihr dankbarer Sohn
Neukomm.«
Das Ehrendiplom lautete folgendermaßen:
»Wohlgebohrner Herr!
Höchstverehrter Herr Kapellmeister!
Die Vorsteher der hiesigen philharmonischen Gesellschaft eilen, sich eines Auftrages zu entledigen, den sie zu den angenehmsten und ehrenvollsten ihres Lebens rechnen. Sie sollen dem unsterblichen Schöpfer der erhabensten Tonstücke einen Beweis der unbegränzten Verehrung, die sie, wie jeden Freund der Musik bey dem Nahmen Haydn durchglüht; aber auch zugleich einer Dankbarkeit überreichen, die selten gerechter und nie aufrichtiger und gefühlter seyn kann.
Die philharmonische Gesellschaft ist ihre Entstehung dem menschenfreundlichen Eifer einiger Verehrer der Tonkunst schuldig, sie waren so glücklich, ihre kühnsten Wünsche bald und schöner als sie kaum zu hoffen wagten, erfüllt zu sehen, und so entstand eine Verbindung, der schon jetzt eine nicht unbedeutende Anzahl von Witwen ein kummerfreyes Alter verdankt, und die, von unserm menschenliebenden Kaiserhause und einem wohltätigen Publikum großmüthig unterstützt, sich den schönsten Hoffnungen für die Zukunft überlassen darf.
Und diesen schönen Erfolg verdanken wir dem überall gefeyerten Meisterwerke der Tonkunst, wir verdanken ihn Ihrer Schöpfung. Genehmigen Sie daher, ehrwürdiger Mann, das Opfer der gerechtesten und größten Dankbarkeit, welches Ihnen diese Gesellschaft in beyfolgender Medaille darbringt. Empfangen Sie es mit der allen großen Männern und Ihnen so vorzüglich eigenen Güte, und schenken Sie für die Zukunft einer Gesellschaft Ihr Wohlwollen und Ihre Theilnahme, die Sie als Ihr Werk betrachten dürfen, und deren segenreiche Wirkungen auch Segnungen auf den heiteren Abend Ihres zur Freude der Menschheit thätigen Lebens herabrufen.
Wir unterzeichnen uns mit der innigsten Verehrung
St. Petersburg am 29. May 1808.
Ew. Wohlgebornen
ergebenste Diener
(folgen die Unterschriften)«[270]
Der Fürst Kurakin, damals kaiserl. russ. Botschafter in Wien, übersendet Medaille und Diplom am 25. Juli an Haydn: »Die philharmonische Gesellschaft von St. Petersburg wünscht, dem Doctor der Tonkunst, dem Vater der Harmonie, dem unsterblichen Haydn beiliegende Medaille zu übermachen. Mit dem größten Vergnügen übernehme ich diese Sorge, welche mir eine so schöne Gelegenheit darbot, dem Urheber der Schöpfung, der Jahreszeiten und so vielen großen Werke die Gefühle meiner steten Bewunderung so wie meiner unbegrenzten Achtung zu bezeugen.«
Haydn dankte für die ihm zuteil gewordene Ehre in folgendem Schreiben, das im Archiv der Petersburger Gesellschaft aufbewahrt wurde:
»Wohlgeborene Herren! Verehrtester Vorsteher der Philharmonischen Gesellschaft!
Es wird mir schwer, Worte zu finden, um Ihnen die Empfindungen des gefühlvollsten Dankes auszudrücken, wozu mich Ihre schätzbarste Zuschrift vom 29. Mai d.J. und die derselben beigeschlossene Medaille verpflichtet. Seien Sie versichert, daß ich stolz darauf bin, zu wissen, daß meine Arbeiten auch von den Bewohnern Ihrer großen und berühmten Kaiserstadt mit Beifall aufgenommen sind, und daß ich einen solchen Werth auf das Zeugniß lege, womit mich eine Gesellschaft von Kennern u. Liebhabern der Kunst, welcher ich mein Leben widmete, beehrt. Sie haben dadurch meine sinkenden Kräfte aufs neue belebt und mir durch das Bewußtsein, wenngleich auf eine entfernte Weise, dazu beigetragen zu haben, daß Unglückliche getröstet und Thränen der Witwen und Waisen getrocknet werden, manche frohe Stunde in meinem hohen Alter bereitet.
Möge ein zu so schönen Zwecken vereinigtes Institut sich in immer steigendem Flor erhalten! Möge es ihm gelingen, Talente zu entwickeln, die Ausbildung der Tonkunst zu befördern und gutgesinnte Menschen ferner zur Wohltätigkeit zu ermuntern!
Mit diesen aufrichtigsten Gesinnungen, welche ich allen Mitgliedern der Philharmonischen Gesellschaft mitzutheilen bitte, verharre ich, Wohlgeborne Herren u. Gönner, dero dankbarster Verehrer
Jos. Haydn.
Wien, d. 28. July 1808.«[271]
Die Medaille zeigt auf dem Avers eine viersaitige Lyra, über dieser den Namen: Haydn von einem Lorbeerkranz umgeben, darunter die Jahreszahl 1802; auf dem Revers die Inschrift: Societas Petropolitana Orpheo redivivo.
Im Herbst des Jahres 1808 kam Neukomm von Petersburg zurück; er betreute Haydn in den letzten Lebenstagen mit rührender Sorgfalt und Anhänglichkeit. Er schreibt in seinen Notizen zu Dies (S. 109):
»Nach meiner Rückkehr aus Rußland 1809 [er kam schon Ende 1808] hielt ich mich den ganzen Winter über in Wien auf um meinen theueren Vater Haydn täglich sehen zu können; ich wählte zu meinem Besuch die späten Nachmittagsstunden, nachdem er von seinem Nachmittagsschläfchen etwas gestärkt wieder aufgestanden und, wie Dies erzählt, wieder angekleidet war. Eines Tages erschien ich etwas später als gewöhnlich. Haydn kam mir recht heiter entgegen und sagte mir mit triumphirender Miene: Weißt Du wohl, daß ich heute mein Gebet (so pflegte er in der letzten Zeit sein Lied ›Gott erhalte‹, das er täglich spielte, zu nennen) recht brav, ja recht brav gespielt habe? Ich konnte mich nicht der Thränen enthalten über diesen Ausbruch von Selbstzufriedenheit des erhabenen Schöpfers von so vielen Hunderten von unerreichbaren Meisterwerken, der kaum zehn Jahre früher mir nicht erlauben wollte, ihm gelegentlich meine Bewunderung über Stellen aus seiner ›Schöpfung‹ oder den ›Jahreszeiten‹ auszudrücken.«
Neukomm überredete den greisen, nicht mehr ganz urteilskräftigen Meister, in eine Wiener Aufführung des Oratoriums »Il ritorno di Tobia«, das Neukomm schon seinerzeit für Rußland einer Umarbeitung unterzogen hatte, in dieser gekürzten Form zu willigen. Die Aufführung wurde am 22. und 23. Dezember 1808 von der Tonkünstler-Sozietät veranstaltet und enthielt außer dem Haydnschen Oratorium noch eine Haydn gewidmete Orchester-Fantasie von Neukomm. Die Aufführung brachte dem Altmeister keinen sonderlichen Erfolg. Reichardt schreibt in seinen »Vertrauten Briefen«, daß man den »Tobias« wohl eben »nur heranzog, um auch damit noch sein höchstes Alter zu ehren«, und Rosenbaum merkt in seinem Tagebuch in seiner lakonischen Art an: »uraltes Machwerk, das nicht gefiel.« Dieses Konzert, in welchem eine italienische Kontra-Altistin, Mlle Marconi, durch die Schönheit ihrer[272] Stimme auffiel, war die letzte in italienischer Sprache gesungene Aufführung der Tonkünstler-Sozietät. Am 22. Dezember wurde der I. Teil, am 23. Dezember der II. Teil gegeben, und an beiden Abenden die Fantasie von Neukomm, der das Konzert auch leitete. Der von Haydn als Dirigent seiner Werke so geschätzte und bevorzugte Paul Wranizky war leider einige Zeit vorher, am 26. September 1808, erst 52 Jahre alt, gestorben. Am ersten Aufführungstage (22. Dezember 1808) gab übrigens Beethoven gleichzeitig seine Akademie im Theater a.d. Wien, wobei die »Pastorale« und dieC-moll-Sinfonie, die Chor-Fantasie und drei Sätze aus der C-dur-Messe aufgeführt wurden.
Der Fürst Esterhazy bemühte sich jetzt auch, seinem Kapellmeister die letzten Lebenstage möglichst sorgenfrei zu gestalten. Ein Beleg des fürstlichen Zahlamtes aus dem Jahre 1808 lautet:
»In der Anlage werden die für
den Kapellmeister Haydn aus
der Apotheke zum goldenen Kreuz
zu Mariahilf im Monat März l. J.
verabfolgten Medicamenten in
einem Betrag von 45 f. 45
dann die vom Herrn Doctor Franz
Edler v. Hohenholz vom 1. Jän. bis
Ende März angerechneten Visiten pr. 189 f.
––––––––
zusammen 234 f. 45 x.
zur hohen Passirung hiemit unterthänigst unterbreitet.
Wien am 8. April 808
wurde für zahlbar passirt
Pest 6. Juny 808
F. Esterhazy mp.«
Man entnimmt daraus den Namen des unseren Meister in seiner letzten Zeit behandelnden Arztes Hohenholz. Diese Begleichung der ärztlichen und Apothekerrechnungen aus der fürstlichen Kasse dürfte das ganze Jahr hindurch stattgefunden haben, wie das nachstehende Dankschreiben Haydns angibt:
»Durchlauchtigster Fürst
Gnädigster Fürst und Herr!
Ew. fürstl. Durchl. lege ich für die gnädigste Bewilligung meines Gesuches um die huldreichste Übernahme meiner jährlichen Ausgabe für den Arzt und für die Apotheke meinen unterthänigsten Dank zu Füßen. Durch diese neue Wohlthat haben mich Ew. fürstl Durchlaucht von einer drückenden Sorge befreit und mich in den[273] Stand gesetzt, dem Ende meiner irdischen Laufbahn heiter und ruhig entgegen zu sehen.
Möchte der Himmel meine eifrigsten Wünsche für Ew. fürstl. Durchl. ununterbrochenes Wohl und den immer steigenden Flor Höchstdero erlauchten Familie erhören!
Ich verharre in schuldigster Ehrfurcht
Ew. fürstl. Durchlaucht
Wien den 22ten Dec. 1808
unterthänigster Diener
Joseph Haydn.«
Im Jahre 1809, dem Sterbejahre unseres Meisters, war das gewaltige Ringen Österreichs zur Behauptung seiner Macht gegenüber dem französischen Vordringen wieder auf einen kritischen Punkt angelangt. Der Krieg wurde in das Herz Österreichs getragen; in unmittelbarster Nähe der Hauptstadt spielten sich die Entscheidungskämpfe ab. Wohl gelang es den Österreichern, einzelne Siege zu erfechten, wohl konnte dem ungestümen Vormarsche Napoleons teilweise Einhalt geboten werden; zum Schlusse blieb er doch Sieger, und Östereich mußte kapitulieren. Daß in diesen Frühlingstagen, die für Wien keine sonnigen waren, wenig Lust bestand, künstlerische Veranstaltungen durchzuführen, ist begreiflich. Um so bemerkenswerter ist es, daß die einzigen großen Konzerte, die damals stattfanden, Aufführungen Haydnscher Werke brachten: am 25. März im Theater in der Leopoldstadt die »Sieben Worte« und am 26. und 27. März im Burgtheater die »Schöpfung«. Auf Haydn selbst, seine körperliche und seelische Verfassung, machten die unseligen Kriegsereignisse furchtbaren Eindruck, um so mehr, als auch einiges ihn persönlich Betrübende dazu kam. Neukomm, den er stets sehr geliebt hatte, verließ ihn am 16. Februar, wobei Haydn ihm zum Abschied das Autograph seiner letzten Messe, der in B-dur, der sogenannten »Harmoniemesse«, schenkte. Auch Griesinger, mit dem Haydn so gerne verhandelte und handelte, verließ die Kaiserstadt am 3. Mai. Schon vorher, am 7. März, war Joh. Georg Albrechtsberger, sein lieber Freund und Kunstbruder, ihm im Tode vorausgegangen. Immer einsamer wurde es um den alten Mann, der wie ein entlaubter Baum allein auf weiter, trostloser Heide stand. Er selbst hatte mit dem Leben abgeschlossen. Er hatte nochmals seine letztwilligen Verfügungen revidiert und schloß sein zweites und letztes Testament am 7. Februar[274] 1809 ab. Immer war er darauf bedacht, seinen Verwandten, Dienstleuten und sonstigen Nahestehenden möglichst viel zu hinterlassen, aus dem Bedürfnis heraus, Gutes zu tun, und in dem Bestreben, auch menschlich sich ein gutes Andenken zu sichern. Er rief noch einige Wochen vor seinem Tode seine Dienstleute zusammen und las ihnen seine letztwilligen Anordnungen vor, um zu erfahren, ob sie damit zufrieden seien. Mit Tränen in den Augen dankten ihm die Leute für seine fürsorgliche Güte. Vielleicht ist der Verkauf seines englischen Flügels auch auf den Wunsch zurückzuführen, seinen Erben möglichst viel Bargeld in den damaligen, so unruhigen Zeiten zurückzulassen; ein einzelnes Blatt (in der Wiener Nationalbibliothek), eine Seite eines Ausgabenbuches, enthält von der Hand Haydns mit zitternder Schrift geschrieben die Notiz: »Heute den 1. April verkaufe ich mein schönes Fortepiano um 200 Jos. Haydn im 78. Jahr.«
(Es trug die Firmenbezeichnung »Bucket Shudi et Johannes Broadwood Londini fecerunt 1775 Patent Nr. 762.«)
Die Franzosen waren inzwischen in Wien eingerückt. Am 9. Mai reichten die Vorposten des Marschalls Lannes bis nach Hütteldorf. Am 10. Mai besetzten die Franzosen die Vorstädte im weiten Umkreise von Döbling bis Simmering; das Hauptquartier schlugen sie in Schönbrunn auf. Am 11. Mai, abends 9 Uhr, begann das Bombardement der Stadt aus 20 Haubitzen. Ein Kartätschenschuß fiel am nächsten Morgen in der Nähe von Haydns Haus nieder, als er gerade beim Ankleiden war. Der alte zitternde Greis war mutiger und gefaßter als seine geängstigten Hausgenossen; hatte er doch auch eine Einladung des Fräulein von Kurzböck, zu ihr in die innere Stadt zu ziehen, als die Franzosen sich näherten, abgelehnt.
»Kinder, fürchtet Euch nicht, wo Haydn ist, kann Euch kein Unglück treffen«, hatte er seinen Leuten aufmunternd und selbstbewußt gesagt. Am 12. Mai kapitulierte die Stadt, und am 13. Mai früh 7 Uhr rückten die Franzosen ein. Napoleon soll Haydn eine Ehrenwache vors Haus haben stellen lassen. Angeblich soll Napoleon vor dem ersten Attentatsversuche des jugendlichen Hamburger Pastorensohns Friedrich Staps dadurch bewahrt worden sein, daß er abends zur Aufführung eines Haydnschen Werkes ins Operntheater fuhr, was der alte Meister, den Staps besuchte,[275] diesem mitgeteilt hätte157, worauf der Attentäter mit Rücksicht auf Haydn von seinem Plan abließ. Staps hat dann am 11. Oktober tatsächlich ein Attentat auf Napoleon versucht und büßte sein mißglücktes Vorhaben mit dem Tode.
Ein französischer Husarenoffizier italienischer Herkunft, Clement Sulemy, besuchte den Meister noch wenige Tage vor seinem Tode (nach Griesinger am 17. Mai, nach Dies am 26. Mai) und sang ihm die Arie »Mit Würd' und Hoheit angetan« aus der »Schöpfung« vor. Es war der letzte auswärtige Besucher, den Haydn empfangen hat. Am 27. Mai, so berichtet sein treuer Diener Elßler an Griesinger, konnte der Greis nicht mehr aufstehen; er blieb im Bett liegen, bei zwar geschwächtem, aber noch vorhandenem Bewußtsein. Ruhig und willig ließ er alles mit sich geschehen, und auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet er stets: »Kinder, seid getröstet, es geht mir gut.« Am 29. Mai baten die Hausleute den HausarztDr. Hohenholz, noch einen anderen Arzt zu einem Konsilium zu berufen. Mit Zustimmung Haydns wurde Dr. Böhm dazu ausersehen, der am 30. morgens erschien. Auch er konnte nicht mehr helfen. Haydn wurde immer schwächer und matter: vier Stunden vor seinem Tode sprach er zum letztenmal, zehn Minuten vor seinem Ende war er noch bei Bewußtsein und drückte seiner alten getreuen Köchin Nannerl die Hand. Kurz nach Mitternacht, am 31. Mai, 20 Minuten vor ein Uhr früh, verließ er sanft und schmerzlos seine sterbliche Hülle. An seinem Sterbebette standen nur seine Hausleute und ein Nachbar, der auch als Zeuge auf seinem Testament unterschrieben ist. Das Totenprotokoll der Pfarre Gumpendorf, ebenso Rosenbaum in seinem Tagebuch, geben »Entkräftung« als Todesursache an. Auf Veranlassung des Malers Dies nahm der treue Elßler seinem von ihm abgöttisch verehrten Herrn die Totenmaske ab und bewahrte sie auf158.
Über das Begräbnis, welches nach dem ausdrücklichen Wunsche Haydns »erster Klasse«, d.h. mit allem Pomp stattfinden sollte,[276] liegt eine einzige authentische Mitteilung vor, die Aufzeichnungen Rosenbaums in seinem Tagebuche. Er schreibt: »Fronleichnamstag 1. Juni. Ein heißer Tag, erstickender Staub. Keine Prozession. Nachmittag 5 Uhr Leichenbegängnis des großen unsterblichen Sängers der Schöpfung und der Jahreszeiten Joseph Haydn. Alle Theater sind geschlossen. Alle Marschälle und Generäle sind abgereist. Nachmittag um 4 Uhr mit der Rodler zum Leichenbegängnis Haydns. Er lag in seinem großen Zimmer schwarz gekleidet, gar nicht entstellt, zu seinen Füßen lagen die sieben Ehren-Medaillen von Paris, Rußland, Schweden und die hiesige Bürger-Medaille. Nach 5 Uhr wurde Haydn in einem eichernen Sarg in die Gumpendorfer Kirche geführt, da dreymal herumgetragen, eingesegnet und in den Kirchhof vor der Hundsturmer Linie geführt. Nicht ein Kapellmeister Wiens begleitete seine Leiche. Vom Fürsten war Grell, Möglich, Pölt, die Stocklaß, Desmith und Kerner. Er liegt dem Löschenkohl159 zur Rechten, an dessen linker Seite die Roose160 ruht.«
Der schmerzliche Vorwurf Rosenbaums: »Nicht ein Kapellmeister Wiens begleitete seine Leiche«, findet seine Bestätigung in einer Stelle eines Briefes von Schindler an Moscheles (11. April 1827), worin Schindler schreibt: »Hätte die [Londoner] philharmonische Gesellschaft durch ihr edles Geschenk nicht den Impuls gegeben und die Wiener aufgeregt, Beethoven wäre gestorben und so begraben worden wie Haydn, hinter dessen Bahre fünfzehn Menschen gingen.« Daß die Teilnahme der musikalischen Kreise und der Bevölkerung überhaupt ausblieb, hat ausschließlich in der Besetzung der Stadt durch die Franzosen und in den strengen Überwachungsvorschriften seine Ursache gehabt; erfuhren doch die nächsten Freunde des Meisters die Nachricht von seinem Tode erst nach dem Begräbnis. Andreas Streich er, der die Trauernachricht Griesinger brieflich mitteilte und ihm gleichzeitig ein Schreiben Elßlers übermittelte161, worin die letzten Stunden von Haydns Erdendasein beschrieben werden, schrieb daher: »Wären die gegenwärtigen Umstände nicht, so würde Haydns Leichenbegängnis[277] ein Trauerfest geworden sein, desgleichen man in Wien nie sah.«
Die französischen Besatzungsbehörden, die dem lebenden Meister alle mögliche Aufmerksamkeit erwiesen hatten, verabsäumten nicht, auch dem Toten ihre Achtung zu bezeugen. In der amtlichen Wiener Zeitung, die unter französischer Kontrolle stand, wurde der Tod Haydns angezeigt; als am 15. Juni eine Totenfeier für Haydn in der Schottenkirche stattfand, bei der Mozarts Requiem aufgeführt wurde, nahmen daran die hohen französischen Würdenträger teil, und französisches Militär machte abwechselnd mit den »schönen Grenadieren des 2. Regiments der Stadtmiliz« Spalier in der Kirche und umgab »das in der Mitte derselben aufgerichtete Trauergerüst«162. Eybler dirigierte, Mad. Campi, Mlle. Marconi, die Herren Pfeiffer und Frühwald sangen die Soli. Die Aufführung war, nach Rosenbaums Aufzeichnungen zu schließen, nicht hervorragend, das äußere Bild dürfte aber wenigstens entsprechend gewesen sein; Rosenbaum schreibt: »Wiens ganze schöne Welt erschien, die meisten in Trauer. Das Ganze war sehr feyerlich und Haydns würdig.«
Über Haydns Nachlaß gibt uns die im Landesgerichte Wien noch erhaltene, sogenannte Sperr-Relation sowie das Inventar- und Schätzungsverzeichnis Aufschluß. Demnach hinterließ der Meister 14800 fl. in öffentl. Fondsobligationen, dann private Schuldscheine auf insgesamt 650 fl. lautend; dazu kam das Haus mit seiner Einrichtung, das einen ziemlichen Wert repräsentierte. Alles in allem war der Nachlaß nicht unbedeutend, und die zahlreichen Legate, die Haydn testamentarisch festgesetzt hatte, konnten alle ausbezahlt werden, wobei ein stattlicher Betrag als reine Erbschaft für den Universalerben, seinen Neffen Mathias Fröhlich, verblieb. Einen speziellen Platz im Nachlaß nahmen die Kunstsachen und Musikalien ein, welche von Ignaz Sauer, Kunsthändler und beeideten Schätzungskommissär, am 26. Dezember 1809 katalogisiert und geschätzt wurden. Der Katalog wurde von Sauer dem damaligen Hofkapellmeister Joseph Eybler behufs Vorlage an den Kaiser zum Zwecke eventueller Ankäufe überreicht; gekauft wurde nichts, der Katalog aber ist in der ehemaligen k. u. k.[278] Familien-Fideikomißbibliothek (jetzt mit der Wiener Nationalbibliothek vereinigt) noch erhalten.
Dieser Katalog ist aber nur ein Teil des Verzeichnisses aller zur Versteigerung gebrachten Nachlaßgegenstände, unter welchen sich selbstverständlich auch die übrigen Einrichtungsgegenstände des Hauses sowie Haydns Kleider und Wäsche befanden. Wir ersehen daraus, daß Haydn eine reiche Garderobe hatte; 15 verschiedene Röcke (die meisten mit dazugehörigem Beinkleid) darunter ein »feiglblautuchener schmall mit Gold gestickt«, ein braun-samtener mit Seide gestickt, ein stahlgrauer, ein blauer, ein rehfarbtuchener, ein stahlgrüner, ein »grüner Glappensrack«, dann noch vier verschiedene Klappenfracks, dazu mehrere Überröcke, 29 verschiedene Westen, davon eine »reich mit Gold und Silber gestickt«, 11 Beinkleider, dann 30 Hemden, mehrere Spitzenmanschetten usw. zeigen, daß unseres greisen Meisters Ausstattung eine ungewöhnlich reichhaltige war, und daß er Freude an gewählter Kleidung hatte.
Die Versteigerung der Fahrnisse begann am 22. Dezember 1809 mit den Kunstsachen. Die Gegenstände, die Haydn dem Fürsten Esterhazy vermacht hatte, die Musikalien, Medaillen und Diplome, waren von der Feilbietung ausgeschieden worden. Es blieben aber noch immer genug andere Sachen, die das große Interesse des kauflustigen Publikums erregten. Die Allg. Musik Zeitung (Jahrg. XII, Juni 1810, S. 590) schreibt: »Bei dem Verkaufe seiner [Haydns] Effekten war eine ganz ungewöhnliche Steigerung; selbst Leute von niederem Stande überboten und rissen sich darum, wie um Reliquien eines Heiligen. Insgesammt brachten die Fahrnisse einen Erlös von 23163 fl. 24 x. Zum Schluß, am 30. April 1810, kam das Haus daran. Es wurde dem Kunsthändler Ludwig Maisch und seiner Ehegattin um 17100 fl. zugeschlagen.« Merkwürdig ist, daß unter den Passiven auch ein Betrag von 1092 fl. vorkommt »für Auslösung der im k.k. Versatzamte zur Zeit des Todes des Erblassers versetzt gewesenen Preziosen samt Interessen«. Erst am 30. Januar 1816 wurde die Angelegenheit der Hinterlassenschaft Haydns vom Gerichte als beendet erklärt, nachdem noch am 9. Januar 1816 Aloysia Polzelli gerichtlich die Erklärung abgegeben hatte, daß sie »über die erhaltene Befriedigung keinen Anspruch mehr an die Haydnsche Verlassenschaft zu stellen habe«.[279]
Durch eine Gewalttat, eine Leichenschändung abscheulichster Art, die zu ihrer Entschuldigung wissenschaftliche Gründe heranzieht und sich auf begeisterte Verehrung beruft, wurde der Leichnam unseres Meisters kurz nach seiner Beisetzung seines Schädels beraubt163. Von den zwei Männern, die diese Tat ausheckten und ausführten, stand der eine Haydn zu dessen Lebzeiten sehr nahe: es war Karl Rosenbaum, der Gatte der Therese geb. Gaßmann, ehemaliger fürstl. Esterhazyscher Sekretär, von dem in diesem Buche schon wiederholt die Rede war. Der zweite Täter war sein Freund Johann Nep. Peter, Verwalter des k.k. n. ö. Provinzialstrafhauses, der damals die fiskalische Unschlittschmelze leitete. Beide waren durch die Schädellehre Galls dazu angetrieben worden, sich auf jede mögliche Weise in den Besitz von Schädeln eben Verstorbener zu setzen; insbesondre solcher, die im Leben durch Begabungen irgendwelcher Art sich hervorgetan hatten, und die sie im Leben kannten, deren Knochengebilde sie daher »nach ihrem Tode mit ihren geistigen Eigenschaften und den von Dr. Gall angegebenen Sitzpunkten im Knochengebilde ihrer Hirnschädel« vergleichen konnten.
Kurze Zeit vor Haydns Tod hatten die beiden Pseudo-Wissenschaftler das Grab, welches später das Nachbargrab von Haydns Leichnam wurde, das der jung verstorbenen hochbegabten Schauspielerin Betty Roose, geöffnet und den Schädel geraubt. Sofort nach Haydns Tode war in den beiden (Peter nennt übrigens noch zwei gleichgesinnte Freunde: Michael Jungmann, Taxator im Magistratstaxamt von Wien, und Ignaz Ullmann, ersten Amtsoffizier im Unterkammeramt der Stadt Wien) der Entschluß gereift, sich des Schädels zu bemächtigen, um ihn zu untersuchen. Beide bemühen sich auch, als Hauptmotiv für ihre Tat die »Verehrung« für den großen Mann hinzustellen, da sie die knöcherne Kammer seines Geistes nicht von Würmern oder Maden vernichtet sehen oder »Halbmenschen, Afterphilosophen oder lose Buben damit Gespött treiben sehen wollten (wovon ich oft, da ich mich[280] viel auf Leichenhöfen herumtrieb, Augenzeuge war, wie die Knochen der Verwesenen ausgegraben, um neue Körper in selbe Grube zu legen«164. Vom Rechtsstandpunkte aus war ihre Verantwortung: »Da dieser große Mann der Erde zur Verzehrung auf dem Leichenhofe außer der Linie Hundsthurm übergeben und somit frei gelassen war, so gab es nach dem Gesetz selbst kein Hindernis mehr das Herrenlose zu ergreifen.«
Die Darstellung Rosenbaums in seinem Tagebuche weicht von der Peters in seiner Denkschrift165 etwas ab, so daß sich Zweifel ergeben könnten, ob der von beiden ängstlich gehütete Schädel, der dann im Laufe der Zeiten in den Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien überging, wirklich der rechte sei. Tandler weiß aber diesen Zweifel zu entkräften, und da die Kette der jeweiligen Besitzer lückenlos bis zu Rokitansky geht, der die Reliquie der Gesellschaft der Musikfreunde schenkte, so hat man es hier tatsächlich mit einem Teil der sterblichen Überreste des großen Meisters zu tun. Die Tat der beiden anatomischen Dilettanten wurde schon zu deren Lebzeiten entdeckt. Der Fürst Esterhazy hatte bald nach Haydns Tode den Entschluß gefaßt, den Leichnam nach Eisenstadt überführen, dort in der Franziskaner-Gruft beisetzen zu lassen und bei dieser Gelegenheit ein feierliches Requiem zu veranstalten. Der Fürst war auch dieserhalb bei der niederösterr. Landesregierung eingeschritten166, von welcher folgendes Dekret erfloß:
»Dem Herrn Fürsten wird in Erledigung seines Gesuches vom 1. d.M. die angesuchte Bewilligung, den am Leichenhofe außer der Hundsthurm Linie in einem besonderen Grabe liegenden Leichnam des Tonkünstlers Joseph Haydn ausgraben und nach Eisenstadt transferieren zu dürfen, gegen dem hiermit erlaubt, daß der Sarg, worin die Leiche ruht, in einem zweiten Sarg aus Holz oder Metall mit der gehörigen Länge und Weite verfertiget, der ausgegrabene Sarg gleich am Rande des Grabes in diesen Übersarg hineingelegt, sodann wohl verschlossen und zugedeckt[281] mittels des schon auf dem Leichenhofe in Bereitschaft stehenden Wagens an seinen Bestimmungsort gleich auf der Stelle abgeführt, endlich sich von Seite des Herrn Fürsten zwei Tage vor der Ausgrabung und Abführung der Leiche an den Sanitätsmagister Böhm wegen Verabredung der diesfälligen Stunde und wegen Sicherstellung der Gesundheit der damit beschäftigten Personen, sich verwendet werde.
Von der k.k. n. ö. Landesregierung
Wien, den 3. Dezember 1809.«
Der Fürst war aber durch Geschäfte politischer Natur so in Anspruch genommen, daß er dieses ursprünglich von ihm selbst gewünschten Pietätsaktes nicht mehr gedachte; der bereits bestellte eiserne Sarg blieb im Wiener Palais unbenützt stehen, so daß im Jahre 1811 der Häuserinspektor von Wien anfragt, »was mit der eisernen Todtentruchen, welche für den verstorbenen Kapellmeister Joseph Haydn bestimmt ist und welche dermal bei der Küche nur im Wege steht, vorzukehren sei«. Niemand kümmerte sich um des großen Meisters Ruhestätte am Hundsthürmer Friedhof, bis sein Schüler Neukomm, der – Künstler und Diplomat zugleich – im Gefolge des französischen Staatsministers Talleyrand 1814 am Wiener Kongresse teilnahm, sich des verwaisten Grabes annahm Er ließ auf seine Kosten an der Friedhofsmauer über dem Grabe eine einfache Tafel aus gelbem Schiefer, ungefähr zwei Fuß im Umfang, mit einer Einfassung aus Sandstein anbringen, in welche er folgende Inschrift schneiden ließ, die einen Rätselkanon über das auf Haydn so eindrucksvoll wirkende Wort von Horaz enthält167
HAYDN
Natus MDCCXXXII
OBIIT MDCCCIX
CAN. AENIGM. QVINQE VOC.
D. D. D.
Discip. Eius Neukomm Vindob. Redux.
MDCCCXIV[282]
Der ursprüngliche Grabstein ist nicht mehr erhalten, sondern nur ein an dessen Stelle im Jahre 1842 vom Grafen Stockhammer gesetztes Denkmal. Abbildungen des ursprünglichen Grabmales existieren aus dem Jahre 1830 (anonyme Lithographie, bei Diabelli erschienen) und 1841 (von M. Aigener in Kupfer gestochen, Beilage der Wiener Mus. Ztg. 1841).
An seine ursprüngliche Absicht, Haydn in Eisenstadt eine Grabstätte zu widmen, ward der Fürst Esterhazy erst erinnert, als im September des Jahres 1820 Herzog Adolf Friedrich von Cambridge als Gast des Fürsten in Eisenstadt weilte und unter anderen festlichen Veranstaltungen eine Aufführung der »Schöpfung« das besondere Entzücken des englischen Prinzen erregte. Bei einem der Aufführung folgenden Mahle brachte der fürstliche Gast einen Trinkspruch auf den unsterblichen Meister aus, gedachte der Anerkennung, die dieser in England gefunden, und schloß, zum Fürsten Esterhazy gewendet: »Wie glücklich war der Mann, der diesen Haydn im Leben besessen und noch im Besitze seiner irdischen Reste ist.« Der Fürst enthielt sich einer Aufklärung über die tatsächliche gegenwärtige Ruhestätte der Gebeine Haydns, ordnete aber unmittelbar darauf auf Grund der ihm seinerzeit erteilten Bewilligung deren Exhumierung und Überführung nach Eisenstadt an.
Als man das Grab geöffnet hatte und die Gebeine in den vom Fürsten bestellten Metallsarg legen woll te, kam es an den Tag, daß der Kopf fehlte; nur die Perüche war noch da.
Der Hergang der Uberführung nach Eisenstadt, Beisetzung daselbst, Nachforschung nach dem Schädel und Hinzufügung des vermeintlich echten Schädels zu den übrigen Gebeinen war nach den Aufzeichnungen Peters, Rosenbaums nach den fürstlich Esterhazyschen Akten und nach sonstigen Berichten ungefähr der folgende:
Als man bei der am 30. Oktober erfolgten Exhumierung, bei welcher der Fürst gegenwärtig war, fand, daß der Sarg Haydns noch völlig unversehrt sei, und daß darinnen die Knochen mit den Kleidern und Perücke, jedoch ohne Kopf enthalten seien, erkannte man sofort, daß es sich hier um einen bewußten und noch vor dem Begräbnisse ausgeführten Schädelraub handle. Der Fürst, beschämt und erzürnt über diese Blamage, die nicht unbekannt bleiben konnte und ihn zur Zielscheibe des bekannten Spottes[283] der Wiener machen mußte, verlangte vom Polizeidirektor Grafen Sedlnitzky Ermittlung und Bestrafung der Schuldigen. Die Wiener Polizei scheint den Fall weniger tragisch genommen zu haben; sie wußte wahrscheinlich schon längst um diese Sache, war doch die Gattin eines Hofrates bei der Polizeidirektion, eine Frau v. Ohms, mit Peter gut bekannt, und hatte – wie verschiedene andere Leute – den Schädel Haydns oft in Peters Hause gesehen. Peter hatte den Schädel lange Zeit in sehr auffallender und, wie er glaubte, sehr pietätvoller Weise aufbewahrt. Er hatte ein schwarz poliertes hölzernes Gehäuse in der Form eines römischen Sarkophages, geziert mit einer goldenen Lyra, machen lassen, in dessen Innern auf einem weißseidenen, mit schwarzem Samt drapierten Kissen der Schädel ruhte. Als Peter seine Stellung veränderte, verteilte er seine Schädelsammlung an seine Freunde mit Ausnahme zweier Schädel, die er noch bei sich behielt. Den Schädel Haydns gab er an Rosenbaum, der die Absicht hegte, in seinem Garten ein eigenes Monument dafür zu errichten. Die Polizei brauchte also nicht lange zu suchen, sondern erschien zuerst bei Peter und verlangte von ihm die Auslieferung von Haydns Schädel. Peter beteuerte, denselben nicht mehr zu besitzen, und ließ sich das Geständnis entlocken, daß die gesuchte Reliquie bei Rosenbaum sei. Die Polizei wandte sich nun an diesen, nicht ohne vorsichtsweise die beiden bei Peter aufgefundenen Schädel mitzunehmen. Die Hausdurchsuchung bei Rosenbaum verlief ergebnislos; denn Rosenbaums Frau hatte den Sarkophag in den Strohsack ihres Bettes versteckt und sich bei Ankunft der Polizeibeamten rasch ins Bett gelegt, dabei die Worte zu ihrer Entschuldigung vorbringend, die nach dem Bibeltext »Rahel zu ihrem Vater Laban sprach, als sie seine Götzenbilder unter dem Sattel des Kameles gelegt und sich auf denselben gesetzt hatte«.
Inzwischen waren die übrigen irdischen Überreste unseres Meisters nach Eisenstadt gebracht worden. Der Fürst Esterhazy hatte unterm 4. November 1820 an den fürstl. Güterdirektor Johann von Szentgaly ein Reskript erlassen, demzufolge mit der Leiche von Wien am 6. November abends aufgebrochen werden solle und dieselbe am 7. früh in Eisenstadt eintreffen werde, hier feierlich beizusetzen sei, wobei das Mozartsche Requiem zu exekutieren sei. Szentgaly fordert mittels Circulaudum alle fürstlichen[284] Angestellten auf, diesen Feierlichkeiten beizuwohnen, »und sogestaltig diesem berühmten Doctor der Tonkunst die letzte Ehre zu zollen«. Nach dem Bericht Szentgalys an den Fürsten und nach einer ausführlichen Beschreibung im Wiener Conversationsblatt vom 7. November 1820 gingen die Feierlichkeiten programmgemäß und eindrucksvoll vor sich. Aber – der Schädel fehlte, das wußten viele, wenn auch nicht alle, und vor allem ärgerte es den Fürsten Esterhazy maßlos, so von der Laune kleiner unbedeutender Personen abhängig zu sein. Was er durch Gewalt nicht durchsetzen konnte, wollte er durch Bestechung erreichen. Er sandte seinen Leibarzt, einen Dr. v. Guldner, zu Peter und ließ diesem alle möglichen Vergütungen und Belohnungen versprechen, falls der Kopf wieder zur Stelle geschafft werde. Peter ließ sich durch die Versprechungen beeinflussen und suchte nun auf Rosenbaum einzuwirken, daß dieser den Kopf hergebe. Rosenbaum war aber nicht geneigt nachzugeben, sondern gab irgendeinen Schädel, der ihm gerade zur Hand war, als den Haydns her. Die Polizei soll nun, wie erzählt wird, diesen Schädel dem Anatomen Meyer der Wiener Universität zur Prüfung übergeben haben, welcher erklärte, der abgelieferte Schädel sei der eines höchstens zwanzigjährigen Mannes. Rosenbaum wurde daher nochmals angegangen und gab jetzt den Schädel eines Greises, welcher nunmehr dem Fürsten Esterhazy abgeliefert wurde168. Auf jeden Fall war der von Rosenbaum abgelieferte Schädel nicht der Haydns; als dann die vom Fürsten dem Peter zugesagte Belohnung ausblieb, hatten die beiden Gesellen wenigstens die Genugtuung, den Fürsten hinters Licht geführt zu haben. Der von der Polizei den beiden abgenommene Schädel wurde dem Fürsten übermittelt, welcher seinem Kaplan, dem Probst Philipp Frankl, den Auftrag gab, den Sarg ganz in der Stille nur mit Zuziehung des Kirchendieners zu öffnen und den Kopf an seinen Platz zu den Gebeinen des Verstorbenen zu legen. Probst Frankl führte diesen Auftrag, wie er am 4. Dezember dem Fürsten mitteilt, am 29. November aus. Den echten Schädel Haydns aber übergab Rosenbaum vor seinem Sterben wieder dem Peter mit der Bedingung, ihn dem Wiener Konservatorium, d.h. der Gesellschaft der Musikfreunde, zu hinterlassen.[285] Nach Peters Tode übergab dessen Witwe den Schädel Haydns ebenso wie den der Schauspielerin Roose, um allen Unannehmlichkeiten auszuweichen, dem behandelnden Arzte Dr. Karl Haller, welcher die beiden Schädel dem berühmten Anatomen Rokitansky schenkte, dessen Söhne den Schädel Haydns schließlich der Gesellschaft der Musikfreunde übergaben, wo er im Museum als kostbare Reliquie aufbewahrt wird.
Wie der Meister sein Leben und Wirken zwischen Wien und Eisenstadt teilte, so birgt auch jeder dieser beiden Orte nunmehr einen Teil seiner irdischen Reste.
1 Vgl. Otto Erich Deutsch, Haydn und Kaiser Joseph, Musikbuch aus Österreich 1910.
2 Es existieren drei Tagebücher Haydns aus der Londoner Zeit: Zwei vom ersten Aufenthalt in der Wr. Nationalbibliothek und eines vom zweiten Aufenthalt in der Bibliothek des Salzburger Mozarteums (das letztere in einer äußerst fehlerhaften Neuausgabe von Joh. E. Engl, Leipzig, 1909). Sie enthalten ganz ungeordnet und in keiner chronologischen Reihenfolge Aufzeichnungen über Land und Leute, Theater- und Konzertbesuche, auch Verse, Anekdoten, Kochrezepte u.a. Von der zweiten Reise muß außer dem in Salzburg vorhandenen noch ein anderes existiert haben, aus dem sich Griesinger Exzerpte machte. Es ist aber nicht mehr aufzufinden und höchstwahrscheinlich durch ein Mißverständnis vernichtet worden. Die Wiedergabe der Tagebuchaufzeichnungen erfolgt hier und später wortgetreu in des Meisters eigener Rechtschreibung, aber ohne Wechsel zwischen deutscher und lateinischer Schrift, weil für die ganze Beurteilung belanglos.
3 Ausführlicheres über Lebenslauf und Künstlerschaft dieser wie der anderen hier genannten Künstler bei Pohl, Haydn in London.
4 Haydn schrieb von London aus an dessen Vater:
»Werthester Freund!
Ich danke Ihnen vom Herzen, daß Sie sich in dem letzten Schreiben an Ihren Herrn Sohn auch zugleich meiner erinnern wollten; ich verdopple dafür mein Gegenkompliment, und schätze mich glücklich, Sie zu versichern, daß Sie den rechtschaffensten, gesittetsten und in der Tonkunst den vortrefflichsten Mann zum Sohne haben.
Ich liebe denselben ebenso, wie Sie, weil er es ganz verdient. Geben Sie ihm dann den väterlichen Segen, so wird er stets glücklich seyn, welchen ich ihn wegen seiner großen Talenten herzlich wünsche.
Ich bin mit aller Hochachtung Ihr aufrichtigster Freund
Joseph Haydn.
London, den 26. Februar 1792.«
5 Vgl. über diese Zweiteilung auch G. Schünemann, Gesch. des Dirigierens. Leipzig, B & H 1919, p. 117 ff.
6 Von Th. v. Karajan in der Broschüre »Joseph Haydn in London, 1791–1792« Wien 1861 veröffentlicht.
7 Siehe Anhang. Es erschien in »The Monthly Revue« or »Literary Journal«, London, 1791, Vol. 5, pag. 223, F. Die Haydn zunächst betreffenden Stellen sind abgedruckt in Pohls, »Haydn in London, S. 361 f., Ein Separatdruck des Gedichtes aus Haydns Nachlaß fand sich in Eisenstadt vor.
8 Der ganze Brief lautet:
London ai 4tro di
Marzo 791
Stimatissima Polzelli.
Le tue circostanze mi fanno pietà, ed aspetto ogni momento la morte del tuo povero Marito. tu hai fatto bene di mandarlo all'ospitale per conservar la tua vita. io spero, che mio Pietro si troverà meglio, io li fo dire che badi meglio alla sua salute. e che sia ubbidìente alla sua Madre. cara Polzelli. tu riceverai dal cameriere del Principe Mons. Pierre cento fiorini. quando avrò dato il mio benefizio, allora ti manderò di più, io ho scritto al Mons. Pierre, che tua Sorella ti mandi questo denaro, perchè non voglio, che lui lo sappia che venga da me. tua sorella m'ha detto, che ti manderà ancora qualche cosa. è un pezzo che l'ho veduta. perche io ho troppo da fare coi concerti, e col opera, ed ogni momento vengo seccato colle Academie, fin adesso non è stato aperto il nostro Teatro. e quando il Rè non darà licenza, il Signor Gallini l'aprirà in maniera d'una Sottoserizione, se no, lui perde venti mila lire Sterline io non perderò niente. perchè il Banchiere di Fries a Vienna ha gia ricevuto il mio denaro; la mia opera intitolata l'anima del filosofo andarà in scena nel ultimo. di Maggio, io ho già terminato il secondo Atto, ma sono cinque Atti, e gli ultimi sono assai curti; il Signor Gallini per poter mostrare al publico suo Teatro e l'Opera ed il Ballo, ha preso questa finezza, ed egli ha fatto questi giorni la Sera la prova generale in tal maniera, siccome fosse fatta la 1ma produzione; egli ha distribuito quatro mila Biglietti. ed erano più che cinque mila Persone l'Opera intitolata il Pyhro del Paisiello ha piaciuto assai. solamente la nostra lma donne è un Salame, ed io non la pigliero per l'opera mia il Ballo è andato alle Stelle. adesso aspetteremo dal Rè un Si o un No, e quando s' aprirà nostro Teatro, l'altro Teatro cioè i nostri opponenti bisogna che resti chiuso, perchè il castrone e la prima donna sono troppo vecchi, e l'Opera di loro non ha piaciuto niente affatto. nel 1mo concerto del Signor Salomone io ho fatto un furore con una nuova Sinfonia, loro hanno fatto replicare l'adagio; questo no e mai successo in Londra, figurati, che chiasso, a sentire questo di una bocca d'un Inglese. Scrivámi presto cara Polzelli, arricordati di me io sono e sarò sempre tuo
sincerissimo amico
Giuseppe Haydn.«
[Adresse auf dem Umschlag] Madame Polzelli à Vienna im Starnbergischen Freyhaus auf der Wieden Nr. 161 [Von der »Hand der Polzelli ist der Adresse, mit Bleistift geschrieben, beigefügt: er wird Sterben – ein Feind hat den Haydn in London verfolgt ihn zu stürzen«].
9 Franz Clement, geb. zu Wien den 17. November 1780, wurde von seinem Vater Joseph, Geiger in der Kapelle des Generals Harsch, im Violinspiel unterrichtet, spielte schon mit fünf Jahren Solo, mit sieben ließ er sich im Burgtheater zum erstenmal öffentlich hören, neun Jahre alt trat er mit seinem Vater eine Konzertreise an, die vier Jahre dauerte. Er ging über Brüssel nach England, wo er bei Hofe und in verschiedenen Konzerten spielte. Von England reiste er über Holland und Deutschland nach Österreich zurück und ließ sich in Wien nieder. Neunzehn Jahre alt wurde er als Solospieler ans Hoftheater engagiert, fungierte auch als Adjunkt des Kapellmeisters Süßmeier. 1803 wurde er Orchesterdirektor im Theater an der Wien, blieb dort bis 1811, reiste dann nach Rußland. Nach verschiedenen Zwischenfällen und Reisen, die ihn durch Polen, Ungarn und Deutschland führten, nahm er 1817 zum zweiten Male das Engagement am Theater an der Wien an. Dann reiste er mit der Catalani, deren Konzerte er dirigierte, und kam später wieder nach Wien, wo er am 3. November 1842 starb. Ihm hat Beethoven sein Violinkonzert gewidmet. Er hinterließ ein sehr interessantes Stammbuch (Wien, Nat. Bibl.) mit Eintragungen aller Personen, die ihm auf seinem Lebenswege begegneten: Haydn ist darin mit folgender Eintragung vertreten, die wohl auf das Konzert mit den »Sieben Worten« Bezug nimmt:
London, d. 22. Junij Ao: 1791.
Joseph Haydn
dein ächter Freund
[Die nächste Eintragung lautet:
Es ist vollbracht! singt Vater Haydn
Was läßt sich nun noch weiter schreiben?
Aachen, d. 28. September 91.
Des bewunderungswürdigsten Kleinen aufrichtige
Gönnerin Maria Catharina Scholl.]
10 Eingehende Schilderung bei Pohl, H. in London, S. 231 ff.
11 Joseph Diettenhofer, geb. 1743 zu Wien. Von ihm erschienen 1781 in England als Op. 1 und 2 je 6 Sonaten f. Pfte. mit obl. Violine, ferner 1782 Haydns Klavierkonzert G-dur, »arrangiert für 2 Pfte. ohne weitere Begleitung«, sämtlich bei T. Skilbern.
12 Vgl. hierzu Händels Salomo, Nr. 52, Rezitativ der Königin von Saba: Thy harmony's divine, great King!
13 Karajan, J. Haydn in London, Wien 1861 S. 92 f.
14 Vgl. dazu den Brief, den Dr. Charles Burney im Sommer 1799 an Haydn schrieb, als dieser ihn um seinen Beistand wegen der Subskription auf Schöpfungspartituren bat (abgedruckt bei Pohl, Haydn in London):
»Chelsea College August 19, 1799.
My dear and much-honoured friend,
The reverence with which I have always been impressed for your great talents and respectable and amiable character renders your remembrance of me extremely flattering. And I am the more pleased with the letter with which you have honoured me, of July 15th as it has pointed out to me the means by which I may manifest my zeal in your service, as for as my small influence can extend. I shall, with great pleasure, mention your intention of publishing your oratorio Della Creazione del Mondo, by subscription, to all my friends but you alarm me very much by the short time you allow for solicitation. In winter it would be sufficient, but now (in Aug.) there is not an single patron of music in town. I have been in Hampshire myself for three weeks, and am now at home for two or three days only, in my way to Dover, where I shall remain for a month or six weeks, and where I shall see few or none of the persons whom I mean to stimulate to do themselves the honour of subscribing to your work. I wish it were possible to postpone the delivery of the book in England till next winter. The operas, oratorios, and concerts, public and private, seldom begin in London till after Christmas nor do the nobility and gentry return thither from the country till the meeting of Parliament about that time. Now, three months from the date of your letter, my dear Sir, will only throw your publication to the middle of October the very time in the whole year when London is the most uninhabited by the lovers of field sports, as well as music.
I had the great pleasure of hearing your new quartett (opera 76) well performed before I went out of town, and never received more pleasure from instrumental music: they are full of invention, fire, good taste, and new effects, and seem the productions not of a sublime genius who has written so much and so well already, but of one of highly-cultivated talents, who had expended none of his fire before. The Divin Hymn, written for your imperial master, in imitation of our loyal song ›God save great George our king‹, and set so admirably to music by yourself, I have translated and adapted to your melody, which is simple, grave, applicating and pleasing. La cadenza particolarmente mi pare nuova e squisitissima. I have given our friend, Mr. Barthelemon, a copy of my English translation to transmit to you, with my affectionate and best respects. It was from seeing, in your letter to him, how well you wrote English, that I ventured to address you in my own language, for which my translation of your hymn will perhaps serve as an exercise; in comparing my version with the original, you will perceive that it is rather a paraphrase than a close translation; but the liberties I have taken were in consequence of the supposed treachery of some of his Imperial Majesty's generals and subjects during the unfortunate campaign of Italy of 1797, which the English all thought was the consequence, not of Buonaparte's heroism, but of Austrian and Italian treachery.
Let me intreat you, my dear Sir, to favour me with your opinion of my proposition for postponing the publication of your oratorio, at least in England, till March or April 1800. But whatever you determine, be assured of my zeal and ardent wishes for your success, being, with the highest respect and regard,
Dear Sir,
your enthusiastic admirer and affectionate servant
Charles Burney.
Al Celeberrimo Signore Giuseppe Haydn, in Vienna.«
15 Guild-Hall faßt 6-7000 Personen. Hier wurden die Inaugurations-Diners des Lord-Mayors seit 1501 abgehalten.
16 Die Billington wurde von Reynolds als Heilige Cäcilia, die den Chören der Engel in den Lüften zuzuhorchen scheint, gemalt. Haydn betrachtete das Bild und rief dann zur Sängerin: »Das Bild hat einen großen Fehler. Sie sind hier gemalt, als hörten Sie den Engeln zu; er hätte Sie malen sollen, wie die Engel Ihnen zuhören.« (Vgl. Wurzbach, H. und sein Bruder Michael, S. 20, »Entreacte« 1838, Nr. 64, u. Pohl l. c., S. 325 f.)
17 Dasselbe sagte übrigens unser galanter Meister noch von einer anderen Dame, Mrs. Hodges. In Eisenstadt befand sich ein Lied mit folgendem Text:When from thy sight I waste the tedious day a thousand schemes I form and things to say But when thy presence gives the time I seek My heart so full I wish but cannot speak. Darunter von Haydns Hand: »Dieses Lied ist von Mrs. Hodges, daß schönste Weib, so ich zeitlebens gesehen, eine große Clavierspielerin. Text und Musik von Ihrer Composition.« Weiter unten mit zitternder Handschrift: »Requiescat in pace J. Haydn.«
18 Vgl. früher Bd. II, S. 321.
19 Bd. II, S. 236, 325.
20 Vgl. hierüber Musical Times 1909, S. 300.
21 Vgl. über ihn Pohl, Haydn in London, S. 347 ff. ferner Studien f. Tonkünstler u. Musikfreunde, herausgegeben von F.A. Kunzen u. J.F. Reichardt, Berlin 1793 u. Allgem. Musikal. Zeitung vom 13. Oktober 1875.
22 Der langsame Satz des fis-moll Trios erscheint mit kleinen Abänderungen als Adagio in derB-dur-Sinfonie, komponiert 1795 für Salomon (Ges. Ausg. Nr. 102).
23 Mrs. Hunter dichtete auch wallisische Lieder, deren eines, »Die Aeolsharfe«, sich unter den von Beethoven bearbeiteten wallisischen Liedern befindet.
24 Vgl. Musical Times 1909, S. 299.
25 Vgl. Musical Times 1909, S. 299.
26 Karajan setzt Haydns Besuch bei Herschel irrtümlich in das Jahr 1791.
27 Vgl. Musik. Korrespondenz der Teutschen Filarm. Gesellschaft, 1792, Nr. 30.
28 Über das Verhältnis Beethovens zu Haydn vgl. Briefe Louis Drouets, veröffentl. von Joh. Fr. Kayser in »Zeitung für Gesangvereine und Liedertafeln« (Hamburg 1858), Bd. II, S. 67, 68, teilweise abgedruckt in Thayer-Riemann II S. 197 ff.
29 Vgl. Riemann-Thayer I S. 349 ff., ferner Nottebohm, Allg. Mus. Zeit. 1863, 1864, Beethoveniana I u. Beethovens Studien.
30 Schenk in seiner Selbstbiographie gibt statt des Jahres 1793 das Jahr 1794 an; das ist ein Irrtum, denn im Jänner 1794 reiste Haydn bereits nach London.
31 Vgl. über Zinzendorf und sein Tagebuch: Bd. II, S. 22.
32 Wie oben erwähnt, waren von der früheren Esterhazyschen Kapelle nur ein Teil der Bläser, »die Feldharmonie«, in fürstlichen Diensten belassen worden, für die diese Divertimenti gewiß bestimmt waren.
33 Autograph in der Nat.-Bibl. zu Wien; erschien später bei Artaria als op. 83 dedié a Mad. la Baronne de Braun.
34 Jetzt Haydngasse Nr. 19.
35 Vgl. Riemann-Thayer I., S. 386.
36 Die Angabe auf der Mrs. Bartolozzi gewidmeten Klaviersonate in C-dur »to be had of the Propietor 82 Wells Street« bezieht sich nicht auf Haydn, sondern wohl auf Bartolozzi, denn die Adresse des Verlegers Caulfield ist mit 36 Piccadilly angegeben.
37 Daß die Engländer Haydn schon als den Ihrigen ansahen, ergibt sich aus der Einschaltung seines Namens im »Musical Directory for the year 1794«; dort steht: »Haydn Dr. Joseph Composer, Pia Forte, Prof. Con. (Professional Concerts), Oper, Sol. Con. (Salomon Concerts), Nr. 18 Gt. Pulteney Street, (seine erste Londoner Adresse, nicht seine diesmalige)«.
38 Abgedruckt in Musical Times 1909, 1. Dez., S. 773.
39 Dieses Quintett war aber wahrscheinlich von Michael Haydn.
40 Pohl hatte das noch erhaltene Tagebuch seiner zeit nicht selbst zu Gesicht bekommen, weshalb sein ›Haydn in London‹ diesfalls zu ergänzen und zu berichtigen ist.
41 Saddlers Wally, eigentlich Saddler Wells, war ein kleines, sehr kitschiges Vorstadttheater in London.
42 Vgl. auch über das Folgende: Musical Times 1909, S. 697 ff.
43 Vgl. über ihn Pohl, Haydn in London, S. 272 ff.
44 Vgl. Shield, Introduction of Harmony, und Schölcher, Life of Handel, S. 309.
45 Vgl. Musical Times 1909, S. 774.
46 Jansen?
47 Händel schrieb dies Oratorium, das einzige von ihm auf einen deutschen Text, in Hamburg. Der Text ist von Brookes. Die Breitkopf & Härtelsche Musikhandlung besitzt es.
48 Beethoven I, S. 413.
49 Bd. I S. 17.
50 Ich weiß nicht mehr, bey welchem Besuche ich bey Haydn ein kleines Modell in Gips von diesem Monumente sah; die zwey noch leeren Tafeln reitzten mich und es entstand folgendes Sinngedicht:
Dem Nahmen Haydn giebt kein todter Marmor Leben;
Unsterblichkeit muß er vielmehr dem Marmor geben.
Haydn suchte mit Bescheidenheit das Lob von sich abzulehnen. »Das ist zu viel; so viel verdiene ich nicht!« sagte er.
51 In der L. Mus. Zeitung befindet sich, nebst der Beschreibung, auch die Abbildung des Monuments.
52 Der 1. April ist unrichtig als Haydns Geburtstag angegeben, und ist dafür der 31. März zu lesen.
53 Das Monument wurde im Jahre 1887 im Auftrage des Grafen Johann Harrach renoviert und auf einen anderen Platz versetzt. Auf die Vorderseite des kleinen Sockels, welcher die Büste trägt, wurden Worte und Melodie des »Gott erhalte« auf einer Marmortafel eingefügt.
54 Im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
55 C.M. v. Weber hat sich mit dem gleichen Stoff beschäftigt und beabsichtigte, eine Oper »Alfred« zu schreiben, für welche ihm F.W. Gubitz den Text fertiggestellt hatte. Die Ouvertüre zu dieser Oper war nach einer Äußerung Webers zu Gubitz im Kopfe vollständig fertig.
56 Vgl. Österreichische Nationalenzyklopädie II, S. 82.
57 Jetzt leider nicht mehr dort.
58 Antonio Canova, geb. 1. November 1757, gest. 13. Oktober 1822.
59 Franz Roesler, geb. 1755 zu Wien.
60 Ihr widmete Beethoven seine drei vierhändigen Märsche Op. 45; über sie vgl. Adam Wolf, Fürstin Eleonore Liechtenstein. Nach Briefen und Memoiren ihrer Zeit. Wien 1875.
61 Vgl. Pohl, »Zur C-dur-Messe von Beethoven«, im »Grenzboten« 1868, S. 246.
62 Berlin, Staatsbibliothek.
63 Joseph Haydn, S. 118, und Zeitschrift der J.M.G., 1914, Heft 12.
64 Bei diesen letzten zwei Wiederholungen wurde von der Haydnschen Sinfonie nur »das beliebte Andante« aufgeführt.
65 Für Freunde der Tonkunst I, S. 122.
66 II. Bd., S. 96 f.
67 Abschrift in der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde.
68 Über die Entstehung des »Gott erhalte« vgl. u.a. Neues Fremdenblatt, Wien, 12. April 1868; Fremdenblatt, Wien, 21. Mai 1875; Ludwig Nohl, Wiener Abendpost, 22. Sept. 1879; Aug. Schmid, Allg. Wiener Mus. Ztg., 1842, Nr. 126; Katholische Blätter, herausg. vom Kath. Centralverein in Linz, Jahrg. 1858, Nr. 16 und 17; Rheinische Blätter, Mainz, 1857, Nr. 139, 143; Neue Salzburger Zeitung, 1857, Nr. 37; Schlesische Ztg., 1861, Nr. 190; ferner Schnerich, Die Kaiserhymne, Zeitschrift f. Musikwissenschaft, Jahrg. 1; Teubner & Schöchiner, Unser Kaiserlied, Wien, 1897 etc. etc.
69 Der Künstler dankte dem Grafen Saurau, der ihm das kaiserliche Geschenk übermittelte, in seiner bescheidenen Weise:
»Exzellenz!
Eine solche Überraschung, und So viel Gnade, besonders über das Bild meines guten Monarchen hab ich in Betracht meines kleinen Talents, noch nie überlebt. Ich danke Euer Exzellenz von Herzen und bin erbietig in allen Fällen Euer Exzellenz zu dienen. Bis 11 Uhr werd ich den Abdruck überbringen.
Bin in tiefster Ehrfurcht
Unterthänigster gehorsamster Diener
Jos. Haydn.«
70 Vgl. über die, »Armida« Bd. II, S. 201 u. 356. Einladung und Ankündigung für obige Aufführung im Archiv der Gesellschaft d. Musikfreunde.
71 Silverstolpe, Några Återblicker, Stockholm 1841. Silverstolpe behauptet, daß Haydn erklärt habe, »hier in diesem Zimmer ist Mozart gestorben«; das war entweder ein Irrtum Haydns oder Silverstolpes.
72 So sagt die Wiener Zeitung: Dagegen nennt Rosenbaum den siebenjährigen Karl Böhm (nicht zu verwechseln mit Josef Böhm, geb. 1775, nachmals in der Hofkapelle) als Solisten.
73 Vgl. Pohl, Denkschrift aus Anlaß des hundertjährigen Bestandes der Tonkünstler-Sozietät Wien 1876, u. Biographie II, S. 84 f.
74 Vgl. auch Signale 1865, Nr. 47.
75 Vgl. Anton Morath, »Die Pflege der Tonkunst durch das Haus Schwarzenberg«, »Das Vaterland« v. 10. März 1901.
76 Die Angaben in Hanslick, Geschichte des Concertwesens, S. 25, sind falsch.
77 Von dem fürstlich Schwarzenbergschen Archiv zu Raudnitz freundl. zur Verfügung gestellt.
78 Exemplar in der Nationalbibliothek und in der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
79 Die Behauptung, daß sie zur Krönung Josephs II (1764!) geschrieben wurde, ist ebenso falsch wie die andere, daß sie zur Verherrlichung des Nelsonschen Sieges bei Trafalgar (21. Oktober 1805!) bestimmt war. Die Gärtner in Erdberg (eine Vorstadt Wiens) ließen diese Messe bis vor kurzem alljährlich als Dank für den ihnen gegebenen Sandboden aufführen, weshalb sie sie als »Mehlsandmesse« bezeichneten.
80 Seinerzeit im Nachlasse Kafkas, 1887 versteigert.
81 Zuletzt in Besitze von Charles Malherbe in Paris.
82 Vgl. Hermann v. Hase, Joseph Haydn und Breitkopf & Härtel, Leipzig 1909.
83 l. c.
84 Vgl. Haddon »George Thomson«, London 1902, und Botstiber, »Zur Entstehung der schottischen Lieder v. Joseph Haydn«, »Der Merker« I. 19, S. 769.
85 Es existiert ein Porträt von ihr, gemalt von Füger, derzeit in der Galerie des 19. Jahrhunderts in Wien, reproduziert in dem Werk über den Wiener Kongreß.
86 Der Eipeldauer hat halt den rechten Eingang nicht gefunden, sonst hätt er schon einen bessern Platz kriegt.
87 Vgl. Artaria-Botstiber, S. 72 ff.
88 Nationalbibliothek Wien.
89 Berliner Staatsbibliothek.
90 Vgl. Hase, Jos. Haydn und Breitkopf & Härtel, S. 12.
91 Vgl. Haydn und die Schlesier, Neue Musikzeitung, Stuttgart, 27. Mai 1909, S. 371.
92 Vgl. Pohl, Haydn in London, S. 358 f., und oben S. 31 f.
93 Vgl. Vogel, Haydn-Porträts, Peters-Jahrbuch, 1898, S. 24.
94 Allg. Wiener Mus. Ztg. 1841 Nr. 112.
95 Vgl. dazu »Ein erstes Debut« von E.P., Wiener Fremdenblatt vom 19. März 1872.
96 Erwähnt bei ihrem Wiener Besuch Bd. II, S. 183.
97 Exemplar seinerzeit in Eisenstadt.
98 Archiv d. Landesgerichtes Wien.
99 Die Kaffeesieder schenkten einfachen u. Doppel-Kaffee (d. bessere Sorte) aus.
100 Keesbacher, »Die Philharmonische Gesellschaft in Laibach« (S. 30) gibt irrtümlich das Jahr 1797 an, es soll aber heißen 1800. Im selben Jahre hatte die Laibacher Philharmonische Gesellschaft Haydn zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt.
101 Walter Sichel, Emma Lady Hamilton, London 1907.
102 Vgl. über die näheren Einzelheiten dieser Aufführung: Dr. Charles Malherbe, »Joseph Haydn und die Schöpfung«, Musikalisches Wochenblatt 1909, S. 230 u. 251, ferner Gathy, »Haydns Schöpfung in Paris«, Monatsschrift f. Theater und Musik, Wien 1853, S. 412 ff.
103 l. c. S. 254.
104 Die Vokalstücke wurden von Paer und Conti dirigiert.
105 1801, 23. Heft, 2. Brief, S. 19.
106 Josefine Hammer war Kontra-Altistin in der Esterhazyschen Kapelle von 1798 bis 1819. Das Interesse, das Haydn an ihr nach Rosenbaums Aufzeichnungen zu nehmen schien, ist nirgends sonst erwähnt.
107 »Mad. Rosenbaum, Mlle. Hammer, Weinmüller und Hüller« sangen die Soli.
108 Longman & Broderip in London.
109 Die Stimmung der Wiener war damals sehr gedrückt, denn Erzherzog Karl, von dem man die Rettung Österreichs vor der napoleonischen Gefahr erhoffte, war schwer erkrankt, und man zweifelte an seinem Aufkommen. Die sommerlich vorgeschrittene Jahreszeit mag gleichfalls an dem schwachen Besuch mit schuld gewesen sein.
110 Sie betrugen 3209 fl.
111 Vgl. Wr. Abendpost vom 20. April 1901.
112 Das erste und zweite Testament Haydns veröffentlicht von Mencik in »Die Kultur« 1908, S. 81 ff.
113 Kuffner hatte für Beethoven auch einen großen Oratorientext »Saul« verfaßt. »Die vier letzten Dinge« wurden dann von Eybler komponiert.
114 Vgl. Castelli, Memoiren 3, S. 235.
115 Vgl. Deutsche Zeitung, Wien, 1873, 23. Dezember, S. 3, u. Allg. Mus. Ztg., 1874, Nr. 3, S. 41 f.
116 Vgl. Biographische Skizze von Michael Haydn, Salzburg, 1808 (verfaßt von Schinn und Otter); Benedict Pillwein, Lexicon Salzburgischer Künstler, Salzburg, 1821; Biographien Salzburger Künstler, Salzburg, 1845; Allg. Mus. Ztg., 1801, IV, S. 126.
117 Michael Haydn, Biogr. Skizze von Wurzbach, S. 28.
118 Vgl. Hase l. c., S. 24 ff.
119 Die sogenannte »kleine Orgelmesse«.
120 Johann Fuchs, 1788 als Geiger engagiert, war später Klavierlehrer der Fürstin Leopoldine, Schwester des Fürsten Nikolaus II., und dann auch von des letzteren Kindern, wurde nach Haydns Tod Kapellmeister, starb 29. Oktober 1839 und wurde in derselben Gruft wie Haydn beigesetzt.
121 Vgl. hiezu A.M.Z. 1844 S. 145 Nr. 9, u. Nohl, Musikbriefe 168 Nr. 79.
122 Friedrich Heinrich Himmel, geb. 1765 zu Treuenbritzen, war in Dresden Schüler von Naumann, ging dann nach Berlin, wo er der Lieblingskomponist des preußischen Hofes wurde. Nach kurzen Reisen kehrte er wieder nach Berlin zurück, wo er 1814 starb.
123 Veröff. von Niecks in The Monthly Musical Record, 1. Sept. 1885.
124 Im Faksimile reproduziert in »Echo«, Berliner Musikzeitung 1856, Nr. 11, S. 81.
125 Vgl. Mencik, Beiträge, Musikbuch aus Österr. 1909.
126 Nach der Inschrift »Salvator mundi« so genannt.
127 Auch bei Nohl, Musikerbriefe, S. 170, und bei Dies, S. 189.
128 Auch Ihrwach geschrieben. Vgl. über ihn das Buch von Hermann Burg über Zanner (Wien 1915), ferner »Monatsblatt des Altertumsvereins« Wien 1915, Nr. 11.
129 Das Orgelkonzert hatte er 1756 anläßlich der Einkleidung seiner Schwägerin (Klostername Josepha), der eigentlich seine erste Liebe gegolten hatte, und die seine Liebe erwidert haben soll (vgl. Bd. I, S. 195), komponiert. Es war 1763 von Breitkopf & Härtel als Klavierkonzert Nr. 1 herausgegeben worden.
130 Das Konzept des obigen Briefes in der Wiener Nationalbibliothek enthält noch den Anfang eines Briefentwurfes: »Wienn, den 25ten February 1804. Hochzuverehrende Frau! Es gab eine Zeit ...« Weiter auf der Rückseite den Entwurf eines Schreibens an den Fürsten Esterhazy, worin ein Bittgesuch des Tenoristen Joseph Richter befürwortet wird. Endlich den nachstehenden sicherlich an Thomson in Edinburgh gerichteten Brief:
»Stimatissimo Amico mio
Vi mando finalmente tutto il resto delle Ariette Scozzese le quale mi costavano molta pena, poiche son stato alcun tempo assai male mà con tutto cio spero, che darenno alcun piacere, benche è difficile che un uomo di settanta tre anni pùo contentare il mondo. Sia come si sia, io ho fatto tutto il mio possibile per non disgustarvi caro amico. Fra poco io vi mandarò il mio brutto ritratto in due maniere semplici per la vostra cara e bella figlia, alla quale io fo bacciare le mani. Iddio vi conservi tutti, io vi amo e stimo senza aver l'onore di conoscervi, valete mi bene; sono carismo amico
vostro e sincerissmo
amico e
Servitore Gius. H.«
131 Bezieht sich auf die Rezension der Schöpfung in der Leipziger A.M.Z. 1802, S. 390 f.
132 Soll wohl heißen: Gattin.
133 Vgl. Musical Times 1909. p. 774 f.
134 Würth, halb Liebhaber, halb Unternehmer, veranstaltete mehrmals im Jahre Orchesterkonzerte unter der Leitung Clements.
135 Vgl. Berl. Mus. Zeit. 1805, Nr. 29, S. 115 f.
136 Vgl. Bd. II, S. 1883.
137 Mitgeteilt im Ménestrel von Oskar Comettant; vgl. auch the Monthly Musical Record 1. Sept. 1885.
138 Hase l. c., S. 55.
139 Selbstbiographie. Ms. Musikverein.
140 Vgl. Albrechtsberger, Generalbaß, herausgegeben von Jg. R. v. Seyfried, III, S. 154 f.
141 Vgl. Artaria-Botstiber, S. 91.
142 Emil Vogel, Joseph Haydn-Porträts, Peters-Jahrbuch 1898, gibt irrtümlich das Jahr 1801 an. Am Bild selbst steht die Datierung: peint per J. Neugaß 1805. Das Ansuchen des Malers um Übernahme seines Bildes ist vom 7. Dezember 1806 datiert.
143 Vgl. Mich. Haydn. Biographische Skizze, S. 43.
144 Siehe Nohl, Musikerbriefe, S. 174.
145 Della vita e degli studi di Giovanni Paisiello ragionamento del Conte Folchino, Milano 1833.
146 Sie war die Tochter des Buchdruckers und Schriftstellers Josef Kurzböck (auch Kurzbeck), den Kaiserin Maria Theresia für seine Verdienste in den Adelstand erhoben hatte. Magdalena v. Kurzböck war eine der beliebtesten Pianistinnen Wiens. Schönfeld hebt ihr vorzügliches Gedächtnis hervor. Reichardt in seinen »Vertrauten Briefen« (I. S. 162) erwähnt sie lobend als Schülerin Clementis, die Allg. Mus. Zeitung vom Jahre 1799 schreibt anläßlich der Wiedergabe einer Haydnschen Sonate von ihrem ausdrucksvollen Vortrag, ihrer seltenen Präzision; im Jahre 1805 (April S. 469) berichtet die Allgem. Mus. Zeitung: »Frl. Kurzböck spielte ein Mozart'sches Clavierconcert C-dur mit jener Delikatesse, Anmuth u. Zierlichkeit, die man an ihrem Vortrag so sehr liebt, welchen etwas mehr Schatten, Sicherheit und Kraft zum Vortrefflichen erhöhen könnten.« Haydn widmete ihr seine letzte Klavier-Sonate Op. 82 Es-dur, erschienen bei Araria 1798, und sein Trio Es-moll (erschienen bei Traeg als Op. 101, angekündigt in d. Wr. Zeitung am 27. August 1803.).
147 Beide Gedichte abgedruckt im Anhang.
148 Gedichte von H.J. Collin, Wien 1812, im Verlag bei Anton Strauß.
149 Rosenbaum schreibt in seinem Tagebuch am Schlusse der knappen Aufzeichnungen über diese eindrucksvolle Begebenheit: »Haydn ehrte man doch noch im Leben in etwas.« Am 27. März 1908 veranstaltete die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien als Erinnerungsfeier eine Festaufführung der »Schöpfung« im selben Saale, heute Festsaal der Akademie der Wissenschaften, der noch vollkommen so erhalten ist, wie er zur Zeit Haydns bestand.
150 Schnerich, Biographie, S. 163 f. irrt, wenn er meint, daß die Darstellung auf dem Bildchen unrichtig ist. Die Personen, welche zwischen Haydn und dem Orchester stehen, sind die Chorsänger, das Publikum ist im Rücken Haydns anzunehmen.
151 Anläßlich der Haydn-Zentenarfeier (1909) ließ die Gemeinde Wien farbige Reproduktionen herstellen, die glänzend gelungen sind und das Original naturgetreu wiedergeben.
152 Seine Äußerungen zu den Sängerknaben siehe im I. Band, S. 68.
153 Joh. Wenzel Tomaschek, geb. 17. April 1774 zu Skutsch in Böhmen, gest. 3. April 1850 zu Prag.
154 Ed. Hanslick in der »Presse« vom 11. März 1862.
155 Vgl. hierzu: Max Unger, Joseph Haydn u. August Wilhelm Iffland. (Die Musik, VIII. Jahrg., S. 232 ff.).
156 Im Gegensatz zu Unger stelle ich dieses Datum fest, da Iffland ausdrücklich davon spricht, daß es Marientag war und das Volk aus den Kirchen heimwärts strömte. Der 8. September ist Mariä Geburt.
157 Die ganze ziemlich unglaubhafte Episode steht in dem historischen Roman »Napoleon I. in Wien« von Braun von Braunthal, Wien 1860.
158 Von dieser Totenmaske wurden später durch den Bildhauer Fernkorn einige Abgüsse gemacht. Das Original soll zugrunde gegangen sein. – Die im Museum der Stadt Wien aufbewahrte, aus dem Besitz der Tänzerin Fanny Elßler, der Tochter Joseph Elßlers, stammende Maske dürfte einer dieser Fernkornschen Abgüsse sein.
159 Johann Löschenkohl, Kupferstecher.
160 Betty Roose, Schauspielerin am Burgtheater, vergötterter Liebling des Wieners Publikums, war am 8. Oktober 1808 gestorben.
161 Beide abgedruckt im Anhang.
162 Vgl. Der Sammler, 17. Juni 1809, vgl. auch Briefe des jungen Eipeldauers 1809, 6. Heft, 3. Brief, S. 25, und Allg. Mus. Ztg., Jahrg. XII, S. 39.
163 Über das Schicksal von Haydns Schädel vgl. Ludwig Aug. Frankl, »Joseph Haydn ohne Kopf«, N. Fr. Presse vom 10. April 1864 (auch erschienen in den Signalen 14. April 1864). Ferdinand Raab, »Aus dem Tagebuch eines Alt-Wieners«, N. Fr. Presse v. 8. Juni 1876, und besonders Jul. Tandler, »Über den Schädel Haydns«, Mitteilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft, Bd. 39, Wien, 1909.
164 Schreibt Peter in seiner Rechtfertigung, vgl. Tandler, S. 16.
165 Veröffentlicht bei Tandler, S. 15 ff.
166 Eisenstadt, Hauptarchiv 1809, Nr. 4044 »Regierung«. Nikolaus Fürst v. Est. bittet um Bewilligung den am Leichenhofe außer der Hundsthurm beerdigten Joseph Haydn aus innengeführten Rücksichten mit allen Sanitätserfordernissen ausheben und nach Eisenstadt transferieren zu lassen.
167 Vgl. über Haydns Grabstein Allg. Mus. Ztg. 1814 Nr 49, ferner allg. Wr. Mus. Ztg. 1841 Nr. 45, 1842 Nr. 7 und 149, 1843 Nr. 114, und Gazette musicale, Paris 1843 Nr. 2.
168 Von dieser letzteren Episode, die L.A. Frankl erzählt, berichtet Rosenbaum in seinem Tagebuche nichts.
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