[38] Am andern Morgen lag das bewußte Sträußchen wieder an seinem alten Platze. Es war also – während Herr und Frau Mozart in dem Hüttchen weilten und ein stilles Versöhnungsfest feierten – dem unbekannten Postillon d'amour doch gelungen, seine Aufgabe zu lösen. Aber weder er noch sie dachten an weitere Nachforschungen. Wolfgang componirte herrlicher, denn je, und Frau Constanze machte in der Stille die nöthigen Vorkehrungen zur Reise nach Prag, denn da »Don Juan« nahe zur Hälfte fertig componirt war, sollte es in wenigen Tagen nach Böhmen gehen, die Oper an Ort und Stelle zu vollenden.
Um jene Zeit machte in den höheren gesellschaftlichen Kreisen Wiens eine italienische Sängerin, Signora Mandini, außerordentliches Aufsehen, und zwar nicht nur durch ihre Stimme allein, sondern auch durch ihre blendende Schönheit. Nie hatte man hier – was doch viel sagen will – eine schönere Erscheinung gesehen. Sie war das Bild einer edlen Römerin: groß, von herrlichem Wuchs, die Augen schwarz wie die Nacht, aus welchen alle Leidenschaften blitzten und deren Funken wie griechisches Feuer unauslöschlich das Innere dessen durchbrannte, der es wagte, in sie zu schauen; dabei dunkeles, prächtiges Haar, eine kühn gebogene, ächt römische Nase, seinen Mund, schwarze, dichte Wimpern, kühn geschwungene Augenbrauen, südlichen Teint, volle üppige Formen, und eine Energie der Bewegungen, die imponirte. Dabei war Signora Mandini reich und unabhängig, da sie – in Italien hoch gefeiert – das Metall ihrer Stimme durch die[38] Begeisterung ihrer Landsleute in wirkliches Gold umgemünzt hatte. Das Alles gefiel in den höheren Kreisen Wiens sehr, nur wollte hier vielen ihrer jüngeren und älteren Verehrer die Unnahbarkeit nicht zusagen, welche die stolze Tochter Roms um sich verbreitete. Uebrigens war die Mandini erst seit ganz kurzer Zeit in Oesterreichs Hauptstadt eingetroffen und hatte durch Empfehlungen mehrerer hochadligen italienischen Häuser, auch Zutritt bei den Fürsten Gallizin und Esterhazy gefunden.
Für heute hatte sie dem Fürsten Gallizin zugesagt und – da dieser auch ein Freund und Beschützer Mozarts – war Amadeus ebenfalls eingeladen.
Mozart war ungemein gespannt, da er in den letzten Tagen viel von dieser Schönheit gehört. Als er in die Säle trat, fand er die Gesellschaft glänzender und zahlreicher, wie gewöhnlich, denn der Kaiser war erwartet, und man harrte in der That nur noch seiner Ankunft, um mit dem musikalischen Theile des Abends zu beginnen. Es sollte kein förmliches Concert geben, da Kaiser Joseph für solche Abendunterhaltungen – obgleich er sehr viel auf Musik hielt und sich als einen bedeutenden Musikkenner betrachtete – keine Geduld hatte. Nur nach seinem Wunsche sollten daher einige der hervorragendsten Musiker und Signora Mandini sich hören lassen.
Ungeduldig wartete man auf die Letztere, als sie – fast zu gleicher Zeit mit dem Kaiser – eintrat. Mozart war überrascht. Das war ein wundervolles Weib! – ein Weib, wie er noch keines gesehen .... wie er sich in seinen schönsten und kühnsten Träumen Donna Anna gedacht. Welch' ein Feuer, welch' eine Gluth des Südens! Und diese Büste! Sie trug ein weit ausgeschnittenes Kleid von schwarzem Atlas mit schwarzen Spitzen besetzt und einen Schmuck von Perlen, die sich, wie trunken vor Seligkeit, auf dem herrlich geformten vollen Busen wiegten. Ihre Züge, die für Mozart etwas räthselhaft Bekanntes hatten, sprachen einen gewissen verhaltenen Lebensübermuth aus, den die leidenschaftlich blitzenden Augen und frischrothen, leicht geschwellten Lippen unterstützten. Uebrigens war Mozart im Anfange zu weit von ihr entfernt, um sie genauer beobachten zu können. Vergeblich mühte er sich dabei ab, sich zu erinnern: wo er dieses Gesicht – oder vielleicht auch ein ähnliches – gesehen haben möge.[39]
Der Kaiser schritt jetzt, in Begleitung des Fürsten durch die Säle, bald hier bald dort mit besonders Begünstigten einige Worte wechselnd. Plötzlich blieb er mit erheitertem Angesichte vor einem schlichten älteren Manne stehen. Es war der originelle Virtuose und Componist Ditter von Dittersdorf.18
»Was Tausend!« – rief Joseph freudig, dem alten Herrn vertraulich die Hand reichend – »Sie hier?«
»Die Gnade des Fürsten .....«
»Ihr Oratorium ›Hiob‹« – fuhr der Kaiser munter fort, ihm in die Rede fallend – »hat mir außerordentlich zugesagt. Ich habe mir daher die Partitur abschreiben lassen. Sie werden doch nichts dawider haben?«
»Der Beifall eines so großen Kenners« – entgegnete Dittersdorf sich verbeugend – »macht mich glücklich!«
»Nicht schmeicheln!« – sagte Joseph mit einer Falte auf der Stirne. – »Ich liebe die Wahrheit.«
»Desto besser!« – versetzte der Angeredete, – »denn ich habe Wahrheit gesprochen.«
»Sie sind gern in Wien!« – fuhr der Kaiser fort – »ich weiß es. Wir haben hier bald eine ganze Welt von Künstlern.«
»Und können stolz darauf sein: Gluck, Haydn, Salieri, Mozart!«
»Glucks Zustand gefällt mir nicht!« – bemerkte Joseph – »ich fürchte für ihn.19 Aber da haben wir auch im Augenblicke ein wahres Siebengestirn von Virtuosen auf der Violine hier. Haben Sie den einen oder den anderen gehört?«
»Alle sieben!« – entgegnete Dittersdorf lächelnd –: »Jarnowich, Frenzel, Scheller u.s.w.«
»Da Sie selbst ein großer Virtuos auf der Violine sind .....«
»Gewesen vielleicht, Majestät! ... gewesen, aber jetzt nicht mehr .....«
»Warum nicht?«
»Weil ich seit einigen Jahren nicht mehr spiele.«
»Gleichviel! Dennoch sind Sie immer judex competens. Welcher ist der Beste unter den sieben?«
[40] Dittersdorf zuckte die Achseln.
»Sprechen Sie!« – sagte der Kaiser.
»Ich möchte nicht gern Einen auf Unkosten der Anderen loben. Ich will daher sagen, daß Jeder etwas Gutes hat: Einer in diesem, der Andere in jenem.«
»Virtuosen-Modestie!« – sagte Kaiser Joseph mit dem Zeichen der Ungeduld. – »Ich will genau wissen, welcher Ihnen am Besten gefallen hat.«
»Jarnowich!«
»Nun, was hat denn dieser Gutes?«
»Er zieht einen schönen Ton aus seinem Instrumente – hat eine reine Scala – spielt sein Allegro mit Präcision – singt vortrefflich im Adagio – .....«
»Und ist kein solcher Faselhans, wie Lolli .....« – rief der Kaiser eifrig.
»Und was das Schönste ist« – fuhr Dittersdorf fort: – »Er spielt degagirt, ohne zu grimassiren. Mit einem Worte: Er spielt für Kunst und Herz.«
»Er spielt so« – sagte der Kaiser mit einem wunderbar freundlichen Blick aus seinen schönen blauen Augen – »wie Dittersdorf einst spielte. Nun! das ist mir lieb, daß Sie gerade der Meinung sind, der ich bin. Was halten Sie aber von Scheller?«20
Dittersdorf war betroffen. Er blickte verlegen auf die Umstehenden, die freilich sich einige Schritte zurückgezogen hatten, aber doch jedes Wort verstehen konnten.
»Nun?« – rief Joseph, den die Verlegenheit des Mannes amüsirte – »Heraus mit der Katze aus dem Sacke!«
»Wenn Majestät ausdrücklich befehlen?«
»Ja, ja!«
»Nun denn! – Trotz seiner langen Haare, die, ungekämmt bis auf die Schultern herabhängend, Genialität bekunden sollen; – trotz seiner Grimassen und Kopfschwenkungen, macht er mir mit seinen Doppelgriffen und Arpeggios, mit denen er beständig leiert, Ekel und Langeweile.«
»Bravissimo!« – rief Kaiser Joseph lachend, – »das nämliche habe ich auch gesagt; wahres Künstlerthum läßt sich nicht affectiren, und dennoch soutenirt ihn Greybig per la vita, und disputirt beständig deswegen mit mir. Aber heute[41] noch will ich ihn still machen, und ihm sagen, daß ich Sie zum Schiedsrichter gemacht hätte, und daß Sie gerade wie ich entschieden hätten.«
»Behüte Gott!« – rief Dittersdorf in Laune – »Da würden mir ja Ew. Majestät den Greybig auf den Hals hetzen.«
»Sie werden sich doch nicht vor dem Narren fürchten?«
»Doch! doch, Majestät! Denn wenn er gewahr wird, daß ich nicht seiner Meinung bin, so wird er mit mir umgehen, wie mit Haydn und Mozart.«
»Ihr Urtheil ist längst gefällt.«
»Dann wehe mir!«
»Es ist nicht so schlimm, als Sie befürchten. Wollen Sie es hören?«
»Ich bin begierig!«
»Er sagt: Als Violinist gleichen Sie einem guten Prediger, der aber mehr Belesenheit in dem alten, als in dem neuen Testament zeige.«
»Satyrisch genug!« – meinte Dittersdorf lachend.
»Dagegen sagt er von Ihrer Composition: Sie ist eine wohlbesetzte und zierlich angerichtete Tafel. Die Speisen sind alle schmackhaft bereitet, man kann von jeder Schüssel eine gute Portion genießen, und riskirt doch keine Indigestion. Und er hat vollkommen recht.«
»Zu gnädig, Majestät!«
»Nein!« – sagte der Kaiser kopfschüttelnd und mit edlem Ernste: – »Einem Manne Gerechtigkeit widerfahren lassen, ist keine Gnade! – Sind Sie noch immer in Schlesien angestellt?«
»Ja, Ew. Majestät!«
»Als was?«
»Als Amthauptmann und Regierungsrath.«
»Was für Geschäfte haben Sie dabei zu besorgen?«
»Publica, Politica et Judicicalia.«
»So?« – frug hier der Kaiser erstaunt. – »Haben Sie aber auch hinlängliche Fähigkeit dazu?«
»Ich stehe schon dreizehn Jahre an diesem Posten, und habe noch keine Ausstellung bekommen.«
»Das freut mich!« – rief Joseph. – »Aber wo tausend haben Sie die Kenntnisse zu Ihrem Amte gesammelt?«[42]
»Es wäre mir eine unauslöschliche Schande, Sire!« – entgegnete Dittersdorf – »wenn ich, in Wien geboren und erzogen, nichts anderes als Violin spielen gelernt hätte.«
»Hm!« – sagte der Kaiser, beifällig mit dem Kopfe nickend. – »Ihre Antworten sind sehr rund. Ich liebe das. Haben Sie Mozart spielen gehört?«
»O gewiß, schon dreimal.«
»Wie gefällt er Ihnen?«
»Wie er jedem Kenner gefallen muß ...... ausgezeichnet.«
»Haben Sie auch Clementi gehört?«
»Ja, Sir!«
»Einige ziehen ihn dem Mozart vor, – Greybig und Salieri à la tête! Was ist Ihre Meinung? Gerade heraus!«
»In Clementi's Spiel herrscht blos Kunst, in Mozarts Spiel aber: Kunst, Seele und Geschmack.«
»Eben das habe ich auch gesagt. Ist es doch gerade, als wenn wir Beide aus einerlei Buch studirt hätten.«
»Das haben wir auch, Majestät, aus dem großen Buche der Erfahrung!«
»Was sagen Sie zu Mozarts Compositionen?«
»Alle Achtung!« – rief Dittersdorf mit hohem Ernste. – »Er ist unstreitig eines der größten Originalgenies, und ich habe bisher noch keinen Componisten gekannt, der einen so erstaunlichen Reichthum von Gedanken besitzt. Kaum will man einem schönen Gedanken nachsinnen, so steht schon wieder ein weit herrlicherer da. Er ist eine Perle für Wien und Ew. Majestät! Mich wundert, daß er noch keine Anstellung hat?«
Kaiser Joseph zuckte die Achseln. – »Ich liebe und verehre ihn; aber es hat so sein Häkchen.«
»O Verleumdung, Majestät!« – rief Dittersdorf warm.
Aber der Kaiser wandte sich in diesem Augenblick zu dem dicht hinter ihm stehenden Fürsten Gallizin und frug:
»Ist Mozart zugegen?«
»Zu dienen, Majestät!« – entgegnete der Fürst, der bis dahin – ob des langen Gespräches des Kaisers mit Dittersdorf – auf glühenden Kohlen gestanden, mit einer tiefen Verbeugung: – »Mozart und die Signora Mandini!«[43]
»Ach! die Mandini!« – rief jetzt Joseph, indem er sich plötzlich erinnerte, wo er war. – »Das hätte ich in der That beinahe vergessen! Nun ja, – da wird mir die Schönste der Schönen gewaltig zürnen. Wo ist sie?«
Und der Fürst beeilte sich, die Sängerin Seiner Majestät vorzustellen. Der Kaiser unterhielt sich freundlich mit ihr. Als er sie dann bat, etwas zu singen, war sie mit Freuden bereit.
»Und wer wird Sie begleiten?« – frug Joseph.
»Ist nicht Maestro Mozart hier?« – frug die Signora im schönsten Italienisch, denn sie wußte sich nur in dieser Sprache auszudrücken.
»Gewiß!« – versetzte der Fürst und gab einem der Diener ein Zeichen: Mozart herzubitten.
Niemand hatte indessen bemerkt, daß bei der Frage nach dem Maestro eine flüchtige Röthe über das Antlitz der schönen Frau geglitten war.
Der Kaiser nahm auf dem für ihn bereit gehaltenen Sessel Platz, die Uebrigen folgten und Mozart trat heran. Aber in demselben Augenblicke ward auch er feuerroth. Den Busen der Signora zierte ein Sträußchen, genau wie diejenigen, die er alle Morgen auf seinem Arbeitstische fand: in der Mitte die ebenso räthselhaften als bedeutungsvollen Granat- und Oleanderblüthen.
Mozart war frappirt: das Bouquet – die bekannten Züge – – diese Blicke voll wunderbarer Gluth – das süße, zauberhafte und doch auch wieder fast spöttelnde Lächeln um den reizenden Mund ... er wußte nicht was er denken, was er sagen sollte! Er hatte das alles schon gesehen; .... aber wo? an wem?
Und als die Signora ihn, den großen herrlichen Maestro, nun in den schmeichelhaftesten Ausdrücken begrüßte und bat, sie zu jener wundervollen Arie zu begleiten, die er einst für die Bernasconi geschrieben und ihm auch die Stimme etwas unendlich Bekanntes, Heimisches hatte, da verlor Mozart in der That beinahe die, ihm sonst immer so eigene, Geistesgegenwart. Es kam ihm vor, als sei er bezaubert.
Die Mandini aber blieb ruhig, fremd und gemessen, nur das Lächeln schien sich bei seiner Verlegenheit zu steigern. Indeß das war alles Sache weniger Momente. Augenblick und Situation ließen keine Zeit zum Nachsinnen oder Fragen.[44] Der Kaiser und der ganze hohe Adel Wiens waren zugegen. Mozart setzte sich an das Instrument, und mit dem ersten Accord war er wieder er selbst. Er spielte prachtvoll und die Mandini sang zum Entzücken. Ja, als auf den Wunsch des Kaisers beide weiter musicirten, steigerten sich ihre gegenseitigen Leistungen von Minute zu Minute. Jedes wollte das andere überbieten. Man hatte in Wien etwas so Vollkommenes noch nicht gehört, und als sie geendet, war alle Welt mit des Kaisers Ansicht einverstanden: man dürfe diesen Eindruck durch keine andere Musik verwischen.
Wie es sich von selbst versteht, ernteten die Künstler nun den lebhaftesten Beifall. Signora Mandini ward von jungen Enthusiasten völlig umstrickt, und Mozart war unvermögend, noch einmal zu ihr zu gelangen.
Und doch, wie gerne hätte er einige Worte mit ihr gewechselt – sich Gewißheit über das Sträußchen und seine Zweifel bei ihr verschafft. Plötzlich war sie, kurz nachdem der Kaiser die Säle verlassen hatte, verschwunden. Jetzt war aber auch für Mozart kein Bleiben mehr.
In tiefe Gedanken verloren, stieg er die große Treppe hinunter; ja er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, daß er gar nicht gewahrte, wie ein fremder Diener, sobald er seiner ansichtig wurde, nach der Straße winkte und eine Equipage vorfuhr. Gewohnt, zu solchen Soireen im Wagen abgeholt und heimgebracht zu werden, ließ er sich denn auch ganz ruhig in die geöffnete Equipage schieben, der Schlag fuhr zu und die Pferde brausten von dannen.
Erst als der Wagen wieder hielt und Mozart bei dem Aussteigen gewahrte, daß er vor einem ganz fremden Hause stehe, kam er zu sich.
»Was ist das?« – rief er – »wo habt Ihr mich hingefahren? Kennt Ihr denn mein Haus nicht mehr?«
Aber statt des bekannten fürstlich Gallizinschen Dieners, öffnete ihm schweigend eine ganz fremde Livree-Seele eine kleine Pforte.
»Holla!« – rief Mozart – »ist denn heute Alles toll? Ich glaube, Ihr habt mich für Euren Herrn genommen?«
»Nein!« – entgegnete der Diener italienisch. – »Treten Excellenz nur ein.«
»Was Excellenz! Ich bin Capellmeister Mo zart!«
Der Diener nickte: »Maestro Mozart!«[45]
»Und wer ist Eure Herrschaft?«
Da griff der Diener in seine Brusttasche und reichte Mozart das bekannte Sträußchen.
»Signora Mandini?« – rief starr vor Staunen Amadeus.
»Si Signore!«
»Und Ihr seid der Signora Diener?«
»Si Signore!«
»Habt Ihr vielleicht schon öfter solche Sträußchen bestellt?«
Der Diener nickte.
»Bei wem?«
»Bei Maestro Mozart.«
»Bei mir?«
»Alle Morgen!«
»Und was soll ich hier? – Wer ist Signora Mandini?« – rief Mozart, der nicht wußte, ob er wache oder träume.
Der Diener aber machte ein abwehrendes Zeichen, als wolle oder dürfe er hier keine Auskunft geben. Dann sagte er höflich:
»Folgen Sie mir, Maestro, und Sie werden Alles erfahren.«
Was war zu machen? Der Italiener hatte längst die Thüre hinter sich und Mozart zugedrückt und geschlossen. Auch trieb diesen Ueberraschung, Neugierde und ..... der verführerische, wahrhaft berauschende Gedanke, daß die täglich ihm zukommenden Liebesboten aus Flora's Reich von der göttlichen Mandini seien, diese ihn also lieben müsse!
Der Gedanke machte ihn im Tiefsten erbeben; – er hätte es bei Jedem gethan, der von Fleisch und Blut. Nur konnte er nicht begreifen, woher ihn die Mandini kenne, da sie erst seit ganz Kurzem in Wien angekommen. Kaum einige Tage früher, als bei ihm die Granat- und Oleanderblüthen. Granat- und Oleanderblüthe! – »Einen Kuß von deinen Lippen und ich bin selig!« und »Treu bis in's Grab!«
Mozart folgte rasch dem Diener, der durch einen langen, schwach erhellten Gang voranschritt. Es war augenscheinlich, daß sie sich in dem Hintergebäude irgend eines großen Hauses befanden. Endlich hielt er an, öffnete eine Thüre und ließ Mozart eintreten.
Es war ein großes, aber sehr vernachlässigtes Zimmer, dessen moderige, verdumpfte Atmosphäre darauf hinwies, daß[46] es lange Jahre nicht gebraucht worden. Die Tapeten waren zum Theil zerrissen und mit dickem Staub bedeckt, die Meubles alt und unscheinbar.
Mozart stutzte.
»Was soll Ich hier?« – frug er fast barsch seinen Begleiter.
»Nichts, Maestro!« – versetzte jener ruhig – »gehen Sie nur weiter: im dritten Zimmer werden Sie sich zurechtfinden.«
»Und finde ich die Signora?«
»Si Signore.«
Aber wer beschreibt sein Staunen, als er nun in das dritte Zimmer trat.
»Wache ich oder träume ich?« – rief er aus und fuhr mit der Hand nach der Stirne, denn plötzlich war er in eine Höhle versetzt. Sie war künstlich bereitet, das sah er auf den ersten Blick, mit Verzweigungen nach mehreren Seiten. Nächtliches Halbdunkel hob dabei das Geheimnißvolle.
Auch diese Höhle war Amadeus bekannt. Mit ihrem Anblick dämmerte es wunderbar in seiner Seele! – immer heller und heller!
»Richtig!« – rief er plötzlich mit fast kindlicher Freude – »sie ist es! sie ist es! – – da steht ja der Altar mit der heiligen Cäcilie! ..... und die herrlich weiche Moosbank, auf der ich mit Giuditta gesessen!«
Aber kaum hatte er den Namen Giuditta genannt, als – die Hand sinnend an die Stirne gelegt – seine in die Ferne starrenden Augen sich weit öffneten und es wie Schuppen von seiner Seele fiel. Das Bild der lieblichen Giuditta stand im Geiste vor ihm, und neben diesem das Bild – der Mandini!
»Bei Gott und allen Heiligen,« – rief er jetzt – »Ja, ja! es sind ihre dunkele Gluth sprühenden Augen, – ihre Perlenzähne, ihre Züge; – – es ist ihre Gestalt, nur voller und reifer; – – es sind ihre kühnen, energischen Bewegungen – – es ist ihr toller Lebensmuth, der aus den Augen blitzt, und um die Lippen spielt! – – ja, ja! – es ist Giuditta!«
Aber der Ruf war noch nicht verhallt, als, nicht weit von ihm dasselbe Lied erklang, das ihn vor siebenzehn Jahren in der Höhle der heiligen Cäcilie so freudig aus seinen Träumen geweckt. – Noch einmal rief er aufjauchzend: »Giuditta!« – und sie lag in seinen Armen, seine erste Jugendliebe –[47] sein Schutzgeist – die reizende Tochter Uslinghi's, in ihrer damaligen Tracht – – aber jetzt eine reife volle Schönheit – sie – die herrliche, die feurige, die göttliche Mandini! Welch' ein Augenblick! – welch' ein Wiedersehen! – – –
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