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Salzb: den 4 octob. 1777


Mon très cher Fils!


Ich habe mir von München keine günstige Vorstellung gemacht, der Churfürst ist gebunden, ohne Vaccatur Niemand aufzunehmen: und zu allem dem hat man immer heimliche feinde, die es aus angst verhindern. Das Project vom hl: Albert zeigt in der That die gröste Freundschaft die man sich vorstellen kann: allein, so möglich es Dir scheint 10 Personen zu finden, dere iede Dir monatl: einen Duggatten giebt, so unbegreiflich ist mir diese Möglichkeit. und wer könnten wohl diese Menschenfreunde, oder Musikfreunde sein? – – und was für eine Verbindlichkeit oder was für einen Dienst werden sie von Dir dafür fordern. Daß die fr: gr. v. Seeau etwas geben würde, das geht mir besser ein: allein ohne das erstere würde das zweyte eine nichts bedeutende Sache seyn. Wenn hl: Albert dieses nur auf ein Jahr – – mehr will ich nicht sagen – – in Stand bringen kann, dann kann man vom gr. Seeau eine proposition eingehen: allein was würde dieser verlangen? – – vielleicht all die Arbeit, die hl: [204] Michl2 gemacht? – – herumlaufen die Sängerinnen abzurichten? – – das wäre des T = = Arbeit; das wäre unmöglich! Kurz ich sehe nicht wo diese 10 charmante freunde herkommen sollen. Dann würde hl Albert solche itzt vielleicht nicht gleich sprechen können, vielleicht sind einige davon ausßer der Statt. und wären es Kaufleute oder andere rechtschaffene Personen, so wäre es mir lieber als Cavalier; denn es kommete doch immer darauf an, ob sie ihr Wort dann auch halten, und wie lange. Ist nun die Sache itzt thunlich, gut! so ist sie anzunehmen. kann aber itzt die Sache nicht gleich zum schluß kommen, so kannst Du nicht hersitzen, das geld verzehren und die Zeit verlieren, da in München bey allen Complimenten und freundschafts bezeugungen kein kreuzer Einnahme zu hoffen ist. kann diese Sache itzt nicht ganz in gang gebracht werden, so kann hl Albert und andre unsere guten freunde dieses Werk in gang zu bringen trachten, ihr könnt aber euere Reise fortsetzen, und vom hl: Albert briefe erwarten. Der Paroxismus für die Italiäner geht eben nicht mehr gar weit, und schliesst sich faßt mit München. Das ist! der übertriebene Paroxismus. Dann in Manheim ist schon alles deutsch nur ein paar Castraten ausgenommen. In Trier bey Sr Königlichen Hoheit dem Churf: Prinz Clemens von Sachsen, ist nur der Mro Sales3, das übrige ist deutsch, in Maynz ist alles deutsch, in Würzburg nur der Sgr. Fracaßini4 ein Violonist, und itzt glaub ich Concertmeister oder gar Capellmeister, und das wegen seiner deutschen frau einer Sängerin und Würzburgerin. bey allen kleinern Protestantischen Fürsten sind gar keine Welsche. Ich schreibe dieses in Eyl, hl: Lotter will es mit nehmen. Ich schlüsse hier die Choraltöne bey, die Dir vielleicht da oder dort nützlich, und vielleicht gar nothwendig seyn können; man muß alles wissen. – – Itzt war ich beym Obersthofmeister, der wird dieser täge eigens zu mir kommen, daß ich ihm alles vom grund an erzehle und lese, da bey ihm keine Ruhe und immer iemand sich melden läsßt oder seine gräfin hineinlauft. Er liebt [205] Dich von herzen, und ehe er die Historie erfahren, hatte er 4 Pferde gekauft, und sich auf Dein Vergnügen gefreuet, welches Du haben wirst, wenn er mit 4 Reitpferd kommt. Da er nun die Sache erfahren, war sein Verdruß ohnaussprechlich. Da er dem Erzbisch: seine Aufwartung machte, sagte solcher zu ihm: Nun haben wir eine Person weniger bey der Musik. Er antwortete ihm: Euer Hochf: gd: haben ein en grossen Virtuosen verloren. – Warum? sagte der Fürst: – – antwort: Er ist der gröste Clavierspieler, den ich in meinem Leben gehört. bey der violin hat er Euer Hochf: gd: gute Dienste gethañ, und war ein recht guter Com ponist. Der Erzbisch: schwieg still und konnte kein Wort darauf sagen. Nun muß ich schlüssen, weil kein Platz mehr ist. ihr sollt doch wenigst schreiben diesen und diesen Brief haben wir empfangen. Ihr müst nun auch das Paquet und die Rolle mit den Diplomaten und dem Attestat desP: Martini bekommen haben. heute frühe hat man einen aufgehenkt. abends ist Comödie, morgen maskierter Ball, den der Först Breiner giebt. Wir küssen euch millionmahl und bin der alte Mozart

trage sorge, daß Du das Attestat vom P: Martini nicht verlierst5.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 29./30. September.


2 Der Münchener Opernkomponist Joseph Michl (1745–1810).


3 Der Opernkomponist P.P. Sales (s. auch den Brief vom 30. Dezember 1774).


4 A.L. Fracassini, ein Schüler Tartinis.


5 Folgt eine Nachschrift der Tochter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 206.
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