164. [an den Sohn][322] 1

Salzburg den 19 Jenner 1778


Meine Nachrichten von München sogen folgendes: Nun eröffnet sich der Critische Zeitpunckt für Bayern. Der 16te ist festgesetzt, [322] daß die östereich er mit einem Corps von 10000 Mann den ganzen Inn und Donaustrohm besetzen werden. NB in Salzburg haben wir Nachricht, daß die Truppen an den gränzen bis auf weitere Befehle noch halt machen müssen. Nun weiter! Sr Churfl: Durchl: unser Churf: sind bisher sehr serieux und hat ein und andere abänderungen getroffen, die unserer Noblesse nicht recht gefahlen wollen. Nieman ddarf in sein zimmer ohne geruffen zu seyn: nachmittag darf sich niemand bey Hofe sehen lassen, ausser er wird gerufft. Er will nicht immer unter dem schwarm seyn, wie der vorige Herr; und kein Minister, oder wer es immer sey, darf zu ihm, ohne daß er ihn verlangt. keine Tafel hielt er bis dato, ausser mit der Churfürstin und Herzogin, und nur eine kleine Marchaltafel für die dienen den Cammerherrn. Der Churf: arbeitet mit dem Canzler allein, alle Expeditionen gehen nur unter diesen 2 Personen vor, kein geheim der Secretaire hat dabey etwas zu thun, und so gehen und kommen Courrier über Courrier und kein Mensch weis woher, oder wohin. Da giebt es unter der Noblesse freylich trübe gesichter. was aber das Publikum dazu sagt, zeigen die kleinen Reime die dem Churf: bey seiner ankunft ins Cabinet gelegt werden, nämlich


Durchlauchtigster Regent, Dein volk ist gut gesinnt:

Doch wenn der Adl auch die Oberhand gewinnt;

So wirst du, wie Maximilian,

des stolzen Adls Unterthan.


B: Rumling ist als erster Cammerknab erklärt worden, und den von Mannheim hat der Churf: zum 2ten gemacht. Die Begräbniß war den 4ten um 3 uhr nachmittag: die erste Vigil den 7, dann die 3 Predigen und 3 Requiem x: den 8, 9 und 10ten, wo der Churf: allzeit offentl: mit der ganzen Hofstatt über die gassen zog. ammt und Predig in der Hof Capelle wird Künftighin mit dem schlag 10 uhr [323] anfangen, – vespern und Lytancien um 5 uhr. Amt und Predig darf iedes nur eine halbe stund dauern. Bey der Musick sind die wochentlichen vertheilungen abgeschafft, die accessi sten entlassen, und bey iedem Dienst muß die ganze Musik und Capelle erscheinen. alle unsere Hofleute waren vorher freye Republicaner, dieser Herr zeigt uns aber, daß wir diener sind: vielen will es fast nicht in Kopf: ich finde, daß es billig, und wir nichts dabey verlieren, als unsere übertriebene Bequemlichkeit. Bey der Ankunst fand Sr Chfl: Dl: die Churfürstin krank und untröstlich. Er sprach ihr Muth ein und sagte, sie hätte nichts verloren als einen gemahl, denn Churfürstin wäre sie immer und hätte in allem zu befehlen; und sollte ihr ihre Hofstatt zu wenig seyn, so stünde es in ihrem Belieben auszuwehlen, wenn sie nur wollte, er wäre auch bereit ihr täglich eine Tafel von 20 und 24 Couverts anzuschaffen. weiters fragte er die Churfürstin, ob sie nicht iemand ihrer Verwandten sehen möchte? – Sie antwortete: der Churf: v Trier könnte mich in etwas trösten. alsogleich schrieb der Churf: an ihn, und schickte einen Currier ab: und den 9 ten ist der Churf: von Trier mit der Prinz: Kunigunde schon angekommen. graf Castelbarco kam nach München um die opera desMonza2 zu hören, dann er wars, der ihm die Scrittura verschafft hatte. Der graf gieng nach den Exequien wieder von hier ab, und Monza, der für sein geschmier 300 Duccatten empfangen und doch nicht recht zu frieden war, sollte mit ihm abreisen, bekamm das fieber und blieb zurück! NB Der allervernünftigste hl: Hof Capellmeister aber hält es für eine verstellung und intrigue, um nach dem ersten Getümml es durch hl: gr: Daun zu versuchen, ob er nicht nach Bernasconi hofnung haben könnte Capellmstr in München zu werden. l'é un Italiano, e questo basta auf graf Berghembs Todt sind die abscheulichsten Sachen geschrieben worden. Da er beym [324] Leben ohne verschmierung seines Favorits und oft seiner Person nicht zu sprechen war: so wurde als sein Körper auf dem Parade Beth ausgesetzt wurde, an die Hausthüre angeheftet: Heute ist graf Perghem das erste mahl gratis zu sehen. gleich darauf kam eine andere schrift, die hieß.


graf Perghem lieget hier dein geisel Bayerland,

der deines Fürsten Macht mit goldenen fesseln band.

Ihr Bayern bittet nur des Allerhöchsten gütte,

Daß dieses Unthiers Staub, kein zweytes Unthier brüthe.


Es ist sehr vieles geschmier, das nicht verdient gelesen zu werden, auf den tod des Churf: herausgekommen. Die beste ode fängt an –


Es Tönt, es Tönt das dumpfe Trauergeläute

Recht fürchterlich – wie der Posaunenschall

Beym Weltgericht von der vier Winde Seite

Durchtönen wird die Erde siebenmal.


Sie ist gedruck, vielleicht ist sie nach Manheim gekommen. Sie hat 17 Stroffen, folglich zum abschreiben zu lange, der Buchhändler Fontaine wird sie wohl vom Münchner Markt mit nach Hause bringen. In München ist diese ode verbothen worden, weil sie die 2 Mediciner recht fürchterlich und alt-testamentisch verflucht und ihnen schuld giebt als hätten sie ihn aus Interesse um das Leben gebracht. Dies habe gestern den 18ten geschrieben, aber auch abends noch gewiß und sicher erfahren, daß die öfter: truppen gleich wieder ordre zum Marche erhalten und nun auch wirkl: in Braunau, scharding etc: und allen den orten eingerückt. gegen scharding sind auf einmahl 8 Battaillion folglich 4 Regimenter angeruckt, und haben sich dann vertheilet. ferner weis ich sicher und gewiß, daß alle officier zu einem weiten Marche sich gefasst zu machen und sich leicht zu machen die schärfeste ordre hatten, folglich solche alles in Linz und wo sie immer lagen verkauft haben. zu was nun diese vorsorge, wenn sie nur den Inn und Donaustrom in Bayern nehmen und besetzen wollen? – – Ich schrieb euch letzlich ihr sollt acht haben ob die Preussen keine Bewegung im Clevischen machen. Denn die öst: und Preussen sind schon verstanden oder nicht? – sind sie [325] verstanden, so nimmt ieder was ihm beliebt. sind sie es nicht? so giebts schläge. kann es denn dla ksnig fn Prlhooln nfcut lfnimeeln dla Cuhrifrotln Ihefcu wlgzh nlhaln, wlnn östereich vsn Bmyrln wmo mn ofcu zfluln wfll?3 – – das kann nun beyderseits oben bey euch, und hier bey uns grossen Lermen setzen. Manheim ist schon anno 1689 von den Franzosen gänzlich zugrunde gerichtet worden. anno 1710 hat man erst wieder angefangen solche in den itzigen Stand zu setzen. gott gebe, daß alles gut und friedlich abgehe. Ich wünschte es wäre itzt der späthe Herbst, so könnte man doch noch hoffen, daß manches mit der feder ausgefochten würde; allein nun kommt das frühejahr, wo der Soldat gleich auftretten kann, und ieder gleich zum Werk schreitet, da er weniger durch Kälte und böse Witterung gehindert wird. Du schreibst mir, daß Du Dich auf Deine Reise nach Paris so leicht zu machen gedenkest, als immer möglich ist. Das ist recht gedacht: allein etwas in Manheim zu lassen, würde übl gethan seyn. Ich habe es erfahren, und dausendmahl bereuet, wenn ich etwas zurückgelassen, dadurch ich gezwungen war, wieder an den Ort par force zurückzugehen oder meine Sachen mit gefahr und viel unkösten kommen oder gar im stich zu lassen. Ich würde niemals das zweyte mahl von Engelland nach Paris gegangen seyn, wenn ich nicht viele Sachen dort gelassen hätte. Ich würde viel Geld in Holland erspart haben, wenn ich nicht von Callais unsere Belze und andere Sachen nach Paris geschickt hätte, weil ich nicht vorsehen konnte, daß meine Kinder in Holland sollten krank werden, ich dort zu bleiben und dann viele Sachen um theueres geld neu anzuschaffen sollte gezwungen seyn. Du must also Deine Kleider mit nehmen. und was betrift es? – Dein Tüchenes goldbordiertes Kleid. das ulinlrfcul4 Sommerkleid. das blaue mit Silberspitzen; und Deinen tüchenen Rock mit Creppinen mit der Rothbordierten Veste. die 2 Seidenen Sommerkleider nehmen fast [326] keinen Platz ein. Es kommt also nur auf die 2 düchenen Kleider an. Wenn diese 4 Kleider im Coffre zusammgedrückt sind, so wirst Du einen Coffre nötig haben, der etwa 4 Finger, wenns hoch kommt, höher seyn muß, als wenn etwa ein oder 2 düchene Kleider weg bleiben, das ist alles. Ich weis es von der Erfahrniß. Deine 2 schlechten Sommerkleider kannst Du in Mannheim verkauffen, die Juden bezahlen oft eine Sache besser, und gewiß besser als hier. wo nicht – so mags die Mamma mit nach Hause nehmen. Die 2 schönen Sommerkleider und das kleid vom gr: efefln5 must Du absolute mit nehmen und auch das mit Creppinen: sollten aber die goldborten auf der Rothen Veste gar zu sehr abgetragen seyn, so kannst dieses Kleid der Mamma mit geben. Sie kann in das grosse Coffre genug einpacken. soñst, wenn die Veste noch schön ist, steht das kleid gut; wo nicht, so daugen uns die Borten zum ausbrennen. – ausgenommen NB es würde euch gut bezahlt. Du must und kannst Dich nach Deinem hl: Reisegefärthen nicht richten. Euere Umstände sind sehr unterschieden. Diese Herrn gehen nur auf eine bestimmte kurze zeit nach Paris; ihr interesse will, daß sie nicht nur wenig Bagage mit führen, sondern ihre schönen Kleider für Manheim zu ihren galla-tägen schonen; in Paris können sie nicht in einem ordinair-gemeinen kleid herumgehen, wie zu hause, eben so, wie wir die kleider, die wir in Salzb: am Sontage tragen, andern orts täglich trugen. wollten sie nun in Paris ihre schönen Kleider täglich abtragen, so würden sie in die betrübte Nothwendigkeit versahlen, andere schöne Kleider sich wieder anzuschaffen, um an ihrem Hofe zu Hause mit Ehre zu erscheinen. Da man nun mit einem schwarzen Kleid, und zur Parade mit einer reichen Veste überal in Paris (und auch ander orts) mit aller Ehre auftretten kann, so ist aus allen dem, was gesagt habe, ganz richtig, daß ihre Anstalten gut sind. Deine Umstände sind ganz anders. Es würde sehr närrrisch seyn, wenn Du nur nach Paris reisen wolltest, um Dich sehen zu lassen und dann mit diesen Herrn wieder nach Manheim zurückzugehen. Daß alle Dich wieder zurück wünschen, glaube ich gerne; die ursache darf Dir [327] nicht sagen, Du weist sie. Da Du nun aber suchen must grössere schritte, Rhum, Ehre, und grossen Nahmen, so viel immer möglich ist, und dadurch Dir auch geld zu machen: so ist dieß kein Werk von etlichen Monaten, noch weniger von etlichen Wochen. Mir scheint also, daß Deine Hauswirthschaft erfordert Deine Kleider mitzunehmen: Du magst sie nun brauchen oder nicht (Du wirst sie aber brauchen) so ist es immer besser wenn man seine sachen bey sich hat, und in seiner freyheit ist hinzureisen wo man will ohne erst für Sachen besorgt seyn zu müssen, die andern Orts sind. Ich glaube demnach, daß es unnötig ist Dir in Mannheim ein schwarzes kleid machen zu lassen. erstens mangelt es Dir nicht an schöner Kleidung bey Deiner ankunft. zweytens bekommst Du ein schönes schwarzes Duch in Paris, und es muß doch eben so wohlfeil, wo nicht wohlfeiler seyn in Paris, als in Manheim, wo (wenn es auch franzof: Duech ist) der Kaufmann darauf sein Porto wenigst gewinnen muß. Drittens müst ihr itzt auf weniger geld ausgaben antragen, da Du und die Mamma zum reisen geld haben müst. Daß die Bordierten Kleider nicht mode seyn sollen, ist nicht zu glauben. ja, für alle täge, das gieb ich zu. Man hatte mir auch gesagt, in London därfte man weder Degen noch harbeutl x: tragen. Ich ließ es in Paris; muste dann Degen entlehnen und theuer dafür bezahlen, und ließ endlich gar unsere Degen von Paris kommen. Durch schaden wird man witzig. Du hast ja Dein Poncefarbnes Kleid bey der Ankunft; findest Du es nothwendig ist dann bald ein schwarzes Kleid gemacht: würde dann das neue schwarze Kleid nicht auch im Coffre seinen Platz brauchen. und im Sommer? Dann wieder neue Kleider machen lassen? – denke nach! Deine gesellschaft und Du haben ganz ein verschiedene Absicht. Nehme Du Deine schönen Kleider, und mache es wie Dir oben geschrieben habe. Was die Musikalien anbelangt, soll ebenfalls nichts in Manheim bleiben, Du kannst was du willst, wenns möglich um das Copiaturgeld in Manheim verkauffen, da oder Du oder ich die Spartituren haben; wenn auch der bogen um 8 oder 10 xr verkauft wird, da dort 12 xr schreibgeld bezahlt werden. oder Du könntest Dich bey hl: schmalz erkundigen: es werden [328] wohl auch nach Paris fuhrleute gehen. man könnte alles in einen kleinen verschlag thun NB nur aber Deine Hauptspartitur nicht, und so nach Paris schicken, darauf schreib wo es abzugeben, sammt Deiner adresse und das es musikalien sind. Dann in Paris wirst Du alles gut anbringen. geht alles dieses nicht;NB bey mir müsste es gehn! so soll die Mamma es nach Hauß bringen. In Manheim muß nichts bleiben. das übrige schreibe nächstens.

Wmo dh wlgln dlo Kmyolro dlhtoculn splrm ocurlfbot umbl6 also gleich an Heufeld7 geschrieben mit allen Umständen, auf das Dringendste und ihn so gar gebethen, ofcu meosgelfcu dhrcu lfnl Bfttocurfit mn dln kmfolr hnd dfl Kmfolrfn zh8 wenden. nächsten Posttag schreibe an Oberststallmeister gr: Diechtrichstein und an die Dr: Vauggin und andre die ich glaube etwas thun zu können. alles empf: sich euch, die Nannerl und ich kissen euch viel 1000 mahl und bin alzeit der alte

Mzt.


dlr Pimperl wmr9 läuffig; ist nun alles vorbey. Eben itzt ist der Vollenh als Chorherr gestorben. Pinzger, hafeneder und Stadler sind gestern frühe nach den ammt ins Stockhaus gewandert, weil sie am Samstag zu späth zur Musik nach Hofe gekommen. abends zur Musik wurden sie wieder ausgelassen. hl: Rossi ist hier um subscription zur opera buffa zu machen. der Erzb: hat darum geschrieben. was daraus wird, muß erst sehen. Gilowsky wird die Pölzl-Compagnie einfädeln.

Ich werde mit nächster Post wiederschreiben und etwas von der Sonaten einschliessen, dann dieser Brief würde zu dick. bis dahin werde mehr von Krflgo mhoofcutln ocurlfbln ksnnln10.

den augenblick erfahre, daß die Kays: truppen nicht unternahmen als Kays: Truppen, sondern unter dem Nahmen als Reichstruppen zum schutz des Churf: eingerückt seyen. Darüber wird wohl ein Manifest herauskommen, wenns so ist.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 10./11. Januar.


2 »Attilio Regolo« von Carlo Monza.


3 Auflösung der Chiffren: dem konig in Preussen nicht einfallen dem Churfirsten Jülich wegzu nehmen, wenn östereich von Bayren was an sich ziehen will?


4 hefnerische


5 Auflösung der Chiffren: lilien


6 Auflösung der Chiffren: Was du wegen des Kaysers deutschen opera schreibst habe


7 Franz von Heufeld in Wien.


8 sich alsogleich durch eine Bittschrift an den kaiser und die Kaiserin zu


9 der Pimperl war


10 Kriegs aussichten schreiben können.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 329.
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