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Mon trés cher Pére.


Wir sind gott lob und dank glücklich zu wagin, stain, ferbertshaim, und wasserburg ankommen; Nun eine kleine Reis-beschreibung: gleich als wir zum thor kammen, musten wir fast eine viertl stunde warten, bis uns das thor ganz aufgemacht wurde; dann man war in arbeiten. vor Schinn begegneten wir eine anzahl kühe, worunter eine Merkwürdig war – – dann sie war einse iti g. welches wir noch niemahl gesehen haben. Zu schinn endlich sahen wir einen wagen, welcher still stunde, und Ecce – – unser Postilion rief also gleich – – Da müssen wir wechseln – – meinetwegen, sprach ich. Meine Mama und ich Parlirten, als ein dicker Herr an wagen kamm, dessen Sinfonie mir sogleich bekannt war – – es war ein kaufmann von Memmingen. er betrachtet mich eine gute weile, – endlich sagt er: sie sind ja der H. Mozart? zu dienen. ich kenne sie auch, aber ihren Nammen nicht: ich habe sie vor einen jahr in Mirabell2 bey der Musique gesehen. darauf entdeckte er mir seinen Nammen, den ich aber gott lob und dank vergessen habe. doch behielte ich aber einen vielleicht wichtigeren. Er hatte damals, als ich ihn in Salzburg gesehen, einen jungen Menschen bey sich, und nun einen bruder dieses jungen Menschen, welcher von Memingen ist, und sich H. von Unhold schreibt; dieser junge herr bat mich recht, ich möchte doch wens möglich ist, nach Memingen kommen. wir gaben diesen herrn 100000Complimenten an Papa und meine schwester die Canaglie auf; sie versprachen uns auch, daß sie selbe gewiß ausrichten werden. dieß Postwechseln war mir sehr ungelegen, denn ich hätte dem Postilion gern von wagin aus einen brief mitgegeben. nun hatten wir die ehre (nachdem wir zu wagin eine wenig geessen hatten), von den nämlichen Pferden fortgezogen zu werden, mit welchen wir schon andert halb stund bis stain gefahren sind. Zu [59] wagin war ich allein auf einen augenblick bey dem H. Pfarer. er machte grosse augen; er wuste von unsrer ganzen Histori nichts. von stain fuhren wir mit einem Postiglion, der ein ganz erschröcklicher phlegmaticus war. NB: im fahren. wir glaubten nicht mehr auf die Post zu kommen. endlich kammen wir doch an. (meine Mama schläft schon halb), NB. weil ich dieses schreibe. Von serbertshaim bis wasserburg ging alles ganz gut. Viviamo come i Principi. uns gehet nichts ab als der Papa, je nu, gott wills so haben. es wird noch alles gut gehen. ich hoffe der Papa wird wohl auf seyn, und so vergnügt wie ich, ich gebe mich ganz gut drein. ich bin der anderte Papa. ich gieb auf alles acht. ich habe mir auch gleich ausgebeten die Postilionen auszuzahlen, denn ich kan doch mit die kerls besser sprechen als die Mama. Zu wasserburg beym stern ist man unvergleichlich bedienet. ich size da wie ein Prinz. vor einer halben stund, (Meine Mama war just auf den h – l) klopfte der hausknecht an, und fragte sich um allerley sachen an. und ich antwortete ihm mit aller meiner Ernsthaftigkeit, wie ich in Portrait bin; ich muß schliessen, Meine Mama ist schon völlig ausgezogen. wir bitten alle zwey, der Papa möchte achtung geben auf seine gesundheit; nicht zu früh ausgehen; sich nicht selbst verdruß machen. braf lachen und lustig seyn und allzeit mit freuden, wie wir, gedencken, daß der Mufti H: C:3 ein schwantz, gott aber mittleidig, barmherzig und liebreich seye. ich küsse den Papa 1000 mahl die hände, und umarme meine schwester Canaglie so oft, als ich heut schon – – – toback genommen habe. Ich glaube ich habe zu haus meine Dekreter4 vergessen? – – – ich bitte mir selbe in bälde zu schicken. in der früh um halbe 7. den 24ten septbr


P: S: Die feder ist grob und ich

bin nicht höflich.

Wasserburg den 23 septber

gehorsamster sohn

Wolfgang Amadé Mozart5


1777. undecima hora nocte tempore

Fußnoten

1 Hier beginnen die Briefe der großen Mannheimer und Pariser Reise, die zunächst nach München und Augsburg führte.


2 Ein erzbischöfliches Schloß in Salzburg.


3 Der Erzbischof Hieronymus Colloredo.


4 Die Diplome der Musikakademien zu Bologna und Verona sowie die Zeugnisse des P: Martini.


5 Antwort des Vaters: 25. und 27. September.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 60.
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