81.

[83] Mon très cher Père.


– wegen des kriegs-secretaire Hamm seiner frl: tochter, kann ich nichts anders schreiben, als daß sie nothwendiger weis talente zur musique haben muß, indem sie erst 3 jahr lernt, und doch vielle stücke recht gut spiellt. ich weis mich aber nicht deutlich genug zu erklären, wen ich sagen soll, wie sie mir vorkömmt, wenn sie spielt; so curios gezwungen scheint sie mir – – sie steigt mit ihren langen beinigen fingern socurios auf dem Clavier herum. freylich hat sie noch nie keinen rechten Meister gehabt, und wen sie zu München bleibt, wird sie das ihr lebetag nicht werden, was ihr vatter will und verlanget. Denn er möchte gern daß sie fortreflich im Clavier wäre – – wenn sie zum Papa nach Salzburg kommt, so ist es ihr dopelter nuzen, in der musique so wohl als in der vernunft; denn die ist wahrlich nicht groß. ich habe schon viell wegen ihr gelacht. sie würden für ihre bemühung gewis genug unterhaltung haben. Essen kann sie nicht viell, denn sie ist zu einfältig darzu. Ich hätte sie probieren sollen? – – ich habe ja nicht gekönnt für lachen. Dann wenn ich ihr einigemahl so mit der rechten hand etwas vormachte, so sagte sie gleich Bravissimo. und daß in der stimme einer Maus. Nun will ich meine angefangene Augspurger Histori, in möglicher kürze auserzehlen. h: von fingerle, den ich von Papa ein Compliment ausgerichtet habe, war auch beym h:Director graf. Die leute waren alle sehr höflich, und besprachen sich immer wegen einer accademie. sie sagten auch alle, daß wird eine der brillantesten accademien werden, die wir in Augspurg gehabt haben. sie haben viell voraus, da sie die bekantschaft des h: Stadtpfleger langenmantl haben; und dann der Namen Mozart macht hier sehr viell. wir giengen ganz vergnügt auseinander. Nun muß der Papa wissen, daß der jung: h: v. langenmantl beym h. stein dort gesagt hat, er wolle sich impegniern eine accademie auf der stube (als etwas rares, daß mir Ehre macht) ganz allein für die h: Patritii zu veranstalten. man kann nicht glauben, mit was für einem impegno er[84] sprach, und sich anzunehmen versprach. wir redeten ab ich sollte morgen zu ihm kommen, und antwort haben. ich gieng hin Das war den 13te war sehr höflich, sagte aber er könnte mir noch nichts Positives sagen. ich spielte wieder so eine stunde. er lud mich auf morgen als den 14ten zum speisen ein. Des vormittags schickte er her, ich möchte doch um 11 uhr kommen, und etwas mitnehmen, er hätte einige von der Musique bestellt, sie wollten etwas machen. ich schickte gleich etwas. kam um 11 uhr. Da machte er mir eine menge schwänz. sagte ganz gleichgültig hören sie, mit der accademie ists nichts. o, ich habe mich schon gezürnet gestern wegen ihnen. Die h: Patritii sagten mir, ihr Cassa stehe sehr schlecht, und daß seye kein virtuos dem man einen souverain d'or geben könnte. ich schmutzte und sagte, ich glaube auch nicht. NB: er ist auf der stube intendant von der Musique, und der alte ist stadtpfleger! ich machte mir nicht viell daraus. wir giengen zum tisch. der alte speiste auch heroben; er war sehr höflich, sagte aber kein wort von der Accademie. nach dem speisen, spielte ich 2 Concert. etwas aus dem Kopf. Dann ein trio vom Hafeneder1 auf der violin. ich hätte gern mehr gegeigt, aber ich wurde so schlecht accompagnirt, daß ich die Colic bekamm. er sagte mir ganz freundlich, wir bleiben heute beysammen, und fahren in dieComedie, und dann soupiren sie bey uns. wir waren sehr lustig. als wir von der Comödie zurück kammen, spiellte ich wieder bis zum Essen. dann gingen wir zum soupée. er fragte mich schon vormittag wegen meinem kreuz. ich sagte ihm alles ganz klar, was und wie es seye. Er und sein schwager sagten so öfters wir wollen uns das Kreuz kommen lassen, damit wir mit dem h: Mozart incorporirt sind. ich achtete aber nicht darauf. sie sagten auch so öfters. sie, cavalier. h: sporn. ich sagte nichts. unterm soupée wurde es aber zu arg. was wird es etwa kosten. 3 Duccaten? – – muß man die erlaubniss haben es zu tragen? – – Kostet diese Erlaubniss auch etwas? Wir wollen uns das kreuz doch kommen lassen; Da war ein gewisser officier noch da B: Bach, der sagte, ey pfuy, schämmen sie sich, was thäten [85] sie mit dem kreuz? Der junge Esel von kurzenmantl winckte ihm mit den augen. ich sah es. er merckte es. Drauf war es ein wenig stille; dann gab er mir einen taback und sagte: Da haben sie einen taback darauf. ich war stille. endlich fieng er wieder an ganz spöttisch: also morgen werde ich zu ihnen schicken, und da werden sie die güte haben und mir das kreuz nur einen augenblick zu leihen; ich werde es ihnen gleich wieder schicken; nur damit ich mit dem goldschmied reden kann. ich bin versichert, das wenn ich ihn frage (dann er ist gar ein Curioser Mann) wie hoch es zu schäzen sey, so wird er mir sagen, etwa einen bayerischen thaler. es ist auch nicht mehr werth, denn es ist ja nicht vom gold, sondern vom kupfer, Hehe. ich sagte, gott behüte, es ist vom blech, Hehe. (mir war warm vor wuth und Zorn. aber sagen sie mir sagte er, ich kann ja allenfals den sporn weglassen? – – o ja, sagte ich; sie brauchen keinen, sie haben ihn schon im kopf. ich habe zwar auch einen im kopf; aber es ist halt ein unterschied. ich möchte mit den ihrigen wahrhaftig nicht tauschen. hier haben sie einen taback drauf. (Ich gab ihm taback.) er wurde ein wenig bleich. neulich fing er wie der an, neulich stunde der orten recht gut, auf der reichen Weste. ich sagte nichts. endlich rief er, hey, zum be die nten. Daß ihr auf die nächst mehr Respect für uns habet, wen wir zwey, mein schwager und ich, den h: Mozart sein kreuz tragen. hier haben sie einen taback darauf; Daß ist doch curios fieng ich an, (als wen ich nicht gehört hätte, was er gesagt hat) ich kann noch eher alle orden (die sie bekommen können) bekommen, als sie das werden, was ich bin; und wenn sie 2 mahl sterben und wieder gebohren werden. hier haben sie einen taback darauf, und stunde auf. alles stund auch auf, und war in gröster verlegenheit. ich nahm hut und Degen, und sagte ich werde schon morgen das vergnügen haben, sie zu sehen. ja, morgen bin ich nicht hier. so komme ich halt übermorgen, wenn ich ja noch hier bin. ach, sie werden ja doch – – ich werde nichts. hier ist es eine bettlerey. leben sie unterdessen wohl. und weg. Den andern tag den 15: erzählte ich alles dem h: stein, h: geniaux und h: Director graf nicht wegen dem kreuz; sondern daß ich im höchsten grad disgustirt seye, indeme man [86] mir das maul machte wegen einem Concert und nun alles nichts seye. Daß heist die leute vorn Naren gehabt: die leute angesezt. mich reuet es recht daß ich hieher gereiset bin. ich hätte mein lebtage nicht geglaubt, daß, da doch Augsburg die Vatterstadt meines Papa ist, daß man hier seinen sohn so affrontiren würde. Der Papa kann sich nicht einbilden, wie die 3 leutelamentirten und sich erzürnten. ah sie müssen einConcert hier geben. wir brauchen die Patritii nicht. ich blieb aber bey meiner Resolution; und sagte, ja, für meine wenige gute freunde da, welche kenner sind, will ich zum abschied bey h: stein eine kleine Accademie geben. Der Director war ganz betrübt. Daß ist abscheulich rief er; das ist eine Schande – – wer würde sich aber das vom langenmantl einbilden – –Pardieu, wenn er gewollt hätte, so hätte es gehen müssen. wir giengen auseinander. der h: Director gab mir in seinem schlafrock das geleit über die stiege und bis vor die hausthüre. h: stein und schenió (der sich dem Papa empfehlet) giengen mit mir nach haus. sie drungen in uns, wir sollten uns entschliessen noch hierzu bleiben; wir blieben aber fest. Nun muß der Papa wissen, daß neulich der junge von langenmantl, als er mir die saubere Nachricht wegen dem Concert ganz indifferent herstammelte, mir sagte; die h : Patritii laden mich zu ihren Concert künftigen Donnerstag ein. ich sagte ich werde kommen um zuzuhören. ah, sie werden uns ja das vergnügen machen und spiellen? – – Nu, wer weis, warum nicht. weil aber den abend hernach mir so viell affront geschah, so entschlosse ich mich, nicht mehr zu ihm zu gehen, und mich vom ganzen Patritiat im arsch lecken zu lassen, und weg zu reisen. Den 16ten als Donnerstag so unter dem Essen, rief man mich hinaus; da war ein Mädl vom langenmantl da, und er ließe sich erkundigen, ob ich gewis kommen würde mit ihm in die accademie zu gehen? – – und ich möchte doch gleich nach dem Essen zu ihm kommen. ich liesse mich gehorsamst empfehlen, und ich gehe nicht in die accademie, und zu ihm kann ich nicht kommen, weill ich schon angagirt bin, wie es auch wahr war. ich würde aber Morgen kommen um mich zu beurlauben, dan längstens sammstag werde ich abreisen. h: stein ist unterdessen [87] zu die andern h: Patritii vom der Evangelischen seite gelaufen, und hat halt ganz erschröcklich peroriert, so daß den h: völlig angst wurde. was, sagten sie, einen Mann der uns so vielle Ehre macht sollen wir weglassen, ohne ihn zu hören. Der h: von langenmantl meint halt weil er ihn schon gehört hat so ists genug. Enfin es war halt so ein feuer, daß der gute junge h: v. kurzenmantl selbst den h: stein hat aufsuchen müssen, um ihn in Nammen aller zu ersuchen, er möchte sein möglichstes thun, um mich zu persuadiren daß ich in die Accademie gienge. auf etwas grosses dürfte ich mich nicht gefast machen Et cetera: ich gieng also nach viellem weigern mit ihm hinaus. Da waren die Ersten von die herrn ganz höfflich; besonders ein gewisser officier Baron Relling, er ist auch so ein Director oder so ein thier. der machte meine Musikalien selbsten auf. ich nahm auch eine Sinfonie mit. man machte sie, ich geigte mit. hier ist aber ein orchestre zum frais kriegen. Der j: lecker von langenmantl war ganz höfflich. doch hat er noch immer sein spöttisches gesicht. er sagte zu mir: ich habe schon wircklich geglaubt, sie werden uns so entwischen. ich habe – – gar etwa geglaubt, sie möchten einen verdruß haben, wegen den Neulichem spaß. Ey beleibe, sagte ich, sie sind halt noch jung. aber nehmen sie sich besser in obacht. ich bin nicht gewohnt auf solche spaß. und daß sujet über das sie raillirten macht ihnen gar keine Ehre; und war auch von keinen Nuzen denn ich trage es doch. hätten sie lieber andern spaß gemacht. ich versichere ihnen sagt er, es war nur mein schwager der – – lassen wir es gut seyn, sagte ich. bald, sagte er, hätten wir das vergnügen nicht gehabt sie zu sehen. ja, wen der h: stein nicht gewesen wäre, wäre ich gewis nicht gekommen; und ihnen die wahrheit zu gestehen, bin ich nur gekommen, damit sie meine h: Augspurger nicht in anderen ländern ausgelacht werden, wenn ich sagte, daß ich in der stadt wo mein Vatter gebohren, 8 täge gewesen seye, ohne daß man sich bemühet hätte mich zu hören. ich spiellte ein Concert. alles war gut bis auf das accompagnement. auf die lezt spiellte ich noch eine sonate. Dann bedanckte sich der h: Baron Reling im namen der ganzen Gesellschaft auf das höflichste, und bat mich, ich möchte doch [88] nur den willen betrachten, und gab mir 2 Ducaten. Mañ läst mir noch keinen fried, ich sollte bis sonntag ein öffentliches Concert geben – – vielleicht – – ich bin aber schon so stuff, daß ich es nicht sagen kann. ich bin recht froh wenn ich wieder in ein ort komme wo ein Hof ist. Das kann ich sagen, wenn nicht Ein so brafer h: Vetter und base, und so liebs bäsle da wäre, so reuete es mich so viell als ich haar im kopf habe, daß ich nach augsburg bin. Nun muß ich von meiner lieben jungf: bäsle etwas schreiben. Das sparr ich mir aber auf morgen, dann man muß ganz aufgeheitert seyn, wenn man sie recht loben will, wie sie es verdienet. Den 17ten in der frühe schreibe und betheuere ich daß unser bäsle, schön, vernünftig, lieb, geschickt und lustig ist; und daß macht weil sie braf unter die leute gekommen ist. sie war auch einige Zeit zu München. Daß ist wahr, wir zwey taugen recht zusammen; dann sie ist auch ein bischen schlimm. wir sopen die leute mit einander, daß es lustig ist. Nun bitte ich die Adreße an bischof in Chiemsee nicht zu vergessen. den brief anGaetano santoro werde ich glaublich heut an Misliwecek schicken, wie wir es verabredet haben. er hat mir seine Adreße schon gegeben. Ich bitte den armenMisliwecek bald zu schreiben, weil ich weis daß es ihn gewis recht freut. auf die nächst werde ich wegen den Piano forte, orgel vom stein, und hauptselich von der stuben Accademie discuriren. Es war eine mengeNobleße da, die Ducheße arschbörnnel, die gräfin brunzgern, und dan die fürstin riechzumtreck, mit ihren 2 töchter, die aber schon an die 2 Prinzen Mußbauch vom Sauschwanz verheyrathet sind. leben sie allerseits wohl. ich küsse den Papa 100000 mahl die hände, und meine schwester die canaglie umarme ich mit einer bärischen Zärtlichkeit und bin dero gehorsamster Sohn

Wolfgang Amadé Mozart2


augsburg den 17 Oct: 1777.

Fußnoten

1 Josef Hafeneder, Komponist und Mitglied der Salzburger Hofkapelle.


2 Dem Brief lag ein Schreiben des »Bäsle« M.A. Mozartin bei. – Antwort des Vaters: (18.) 20. Oktober.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 89.
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