134.

[258] Strasbourg den 15ten octobre 1778


Monsieur

mon trés cher Père!


Ich habe ihre 3 briefe von 17ten septbre, 24ten septbre und 1ten octbre richtig erhalten; ihnen aber ohnmöglich eher antworten können; – ich hoffe sie werden mein leztes schreiben aus Nancy auch richtig bekommen haben; – mich freuet es von ganzem herzen daß sie beyde gott lob und Danck gesund sind; ich bin es, gott seye gedanckt, auch, und zwar sehr; – Nun will ich ihnen, so viell es möglich ist, auf das nothwendigste aus ihren 3 briefen antworten – was sie mir von den Mr grimm geschrieben, weis ich natürlicherweis besser als sie; – es ist alles sehr höflich und gutdas weis ich wohl – denn wenn es nicht also wäre, so hätte ich gewis nicht so viell ceremonien gemacht; – ich bin dem Mr grimm nicht mehr als 15 louisd'or schuldig, und an der ermanglung der wiederbezahlung ist er selbst schuld – und das habe ich ihn auch gesagt; – [258] Nun, was nüzt das geschwätz wir werden schon in Salzburg davon sprechen – ich bin ihnen sehr verbunden daß sie dem Padre Martini die sache so sehr anbefohlen – und auch deswegen selbst an Mr Raaff geschrieben – ich habe auch niemahl daran gezweifelt – denn, ich weis wohl, daß sie es gewis gerne sehen, wenn ihr sohn glücklich und vergnügt istund wissen wohl, daß ich es nirgend besser seyn kann als in München indemme ich, weil es so nahe bey Salzburg ist, sie öfters besuchen kann; – daß die Madelle weber oder viellmehr meine liebe weberin besoldung1 bekommen, und man ihr also endlich gerechtigkeit hat widerfahren lassen, hat mich so sehr erfreuet, wie man es von einem, der allen antheil daran nimmt, erwarten kann; – ich empfehle sie ihnen noch immer aufs beste; – doch, was ich so sehr gewunschen, darf ich leider nicht mehr hoffen, nemlich sie in Salzburgerische Dienste zu bringen, denn, das, was sie oben hat, giebt ihr der Erzbischof nicht – alles was möglich ist etwa daß sie auf einige zeit nach Salzburg kommt, eine opera zu singen; ich habe von ihren vatter einen den tag vor seiner abreise nach München in gröster Eyl geschriebenen brief bekommen – alwo er mir auch diese neuekeit berichtet – Die armen leüte waren alle wegen meiner in der grösten angst – sie haben geglaubt ich seye gestorben, indemme sie ein ganzes Monath ohne brief von mir waren, weil der vorlezte von mir verloren gegangen – und sie wurden in ihrer Meynung noch mehr bestärckt, weil man in Mannheim sagte, Meine seelige Mutter wäre an einer erblichen krankheit gestorben; sie haben schon alle für meine Seele gebetet; – Das arme Mädl ist alle tage in die Capuciner-kirche gegangen; – sie werden lachen? – ich nicht; mich rührt es, ich kann nicht dafür; – Nun weiter; – ich glaube ich werde ganz gewis über studtgart nach augsburg gehen, weil, wie ich aus ihren briefen ersehen zu Donaueschingen nichts, oder meistens nicht viell zu machen ist – doch werden sie dieses alles durch einen brief vor meiner abreise von strassburg noch erfahren; –

liebster vatter! – ich versichere sie, daß wenn es mir nicht um das vergnügen wäre sie bald zu umarmen, ich gewis nicht nach Salzburg [259] käme – denn diesen löblichen, und wahren schönen trieb ausgenommen, thue ich wahrhaftig die gröste Narrheit von der welt; – glauben sie sicherlich, daß dies meine eigenen gedancken sind, und nicht von andern leüten entlehnte; – Man hat mir freylich als man meinen entschluß abzureisen wuste, wahrheiten entgegen gesezt, die ich mit keinen andern waffen zu bestreiten und besiegen im stande war, als mit meiner wahren zärtlichen liebe für meinen besten vatter, worauf man natürlicherweise nichts anders als mich beloben konnte, jedoch mit den zusatz, daß wenn mein vatter meine ietzigen umstände und guten aussichte wüste (und nicht etwa durch einen guten freünd eines andern und zwar falschen berichtet wäre) er mir gewis nicht auf solche art schreiben würde, daß ich – nicht im stande bin im geringsten zu wiederstehen; – und ich dachte bey mir selbst, ja, wenn ich nicht so vielle verdruß in dem hause wo ich logirte hätte austehen müssen, und wenn das Ding nicht so wie ein Donnerwetter aufeinander gegangen wäre, folglich zeit gehabt hätte die sache recht mit kalten blut zu überlegen, – ich sie gewis recht gebeten haben würde, nur noch auf einige zeit gedult zu haben, und mich noch zu Paris zu lassen, ich versichere sie, ich würde Ehre, Ruhm und geld erlanget haben – und sie ganz gewis aus ihren schulden gerissen haben; – nun ist es aber schon so; glauben sie nur nicht daß es mich reuet; – denn, nur sie, liebster vatter, nur sie können mir die bitterkeiten von Salzburg versüssen; und sie werden es auch thun; ich bin dessen versichert; doch muß ich ihnen frey gestehen, daß ich mit leichtern herzen in Salzburg anlangen würde, wenn ich nicht wüste, daß ich alda in Diensten bin; – nur dieser gedancke ist mir unerträglich! – betrachten sie es selbst – setzen sie sich in meine Person; – zu Salzburg weis ich nicht wer ich binich bin alles – und bisweilen auch gar nichts – ich verlange mir aber nicht gar so viel, und auch nicht gar so wenig – sondern nur etwas – wenn ich nur etwas bin – in jedem andern ort weis ich es – und jeder, wer zur violin gestellt ist, der bleibt dabey; – wer zumclavier Etc: – Doch das wird sich alles richten lassen, – Nun, ich hoffe, es wird alles zu meinen glück, und zu meiner zufriedenheit ausfallen; – ich verlasse[260] mich ganz auf sie; – hier geht es sehr pauvre zu – doch werde ich übermorgen samstag den 17ten, ich ganz alleine (damit ich keine unkösten habe) etlichen guten freünden, liebhabern, und kennern zu gefallen, per suscription ein Concert geben; – denn, wenn ich Musique dabey hätte, so würde es mir mit der illumination über 3 louisd'or kosten, und wer weis ob wir so viell zusammen bringen; – ich bin ihnen verbunden daß sie so trefliche anstalten wegen Reisegeld gemacht haben, ich glaube ich werde es nicht brauchen, wenn ich auch kein Concert gebe; – doch werde ich hier oder in augspurg aus fürsorge etliche louisd'or nehmen, indemm man nicht wissen kann, was auskommt – unterdessen leben sie recht wohl; nächstens werde ich mehrer schreiben – Meinesonaten müssen noch nicht gestochen seyn, obwohlen sie mir für ende septbre versprochen waren – so geht es wenn man nicht selbst dabey seyn kann – Da ist auch wieder der Eigensinnige grimm daran schuld – sie werden vielleicht voll der fehler herauskommen, weil ich sie selbst nicht hab durchsehen können, sondern einem andern hab Commission geben müssen – und werde etwa ohne die sonaten zu München seyn; – so etwas, das klein aus-sieht, kan oft glück, Ehre und geld, oder aber auch schande zuwegen bringen; – Nun adieu;ich umarme meine liebste schwester von ganzem herzen, und sie, liebster, bester vatter, küsse ich in der schmeichelhaften hofnung sie bald selbsten zu umarmen, und ihre hände zu küssen, und bin Dero gehorsamste sohn

Wolfgang Amadé Mozart2


meine Empfehlung an ganz Salzburg, besonders aber an unsern lieben und wahren freünd h: Bullinger.

Fußnoten

1 S. den späteren Brief vom 12. November.


2 Antwort des Vaters: 19. November.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 261.
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