135.

[261] straßbourg den 26ten oct: 1778


Mon trés cher Père!


Ich bin noch hier, wie sie sehen, und zwar auf anrathen des herrn francks, und anderer strasburger Helden – doch morgen reise ich ab; [261] – in den letzten brief, den sie hofentlich richtig werden erhalten haben, habe ich ihnen geschrieben, daß ich den 17ten Sammstag so ohngefähr ein kleines Model von einem Concert geben werde, weil es hier mit Concert-geben noch schlechter ist, als in Salzburg; Das ist nun natürlicher weise vorbey; – ich habe ganz allein gespiellt – gar keine Musique genommen, damit ich doch nichts verliere – kurz, ich habe 3 ganze louisd'or eingenommen; – Das meiste bestunde aber in den Bravo undBravissimo, die mir von allen seiten zugeflogen – und zwar der Prinz Max von zweybrücken beehrte auch den Saal mit seiner gegenwart – Daß alles zufrieden war, brauche ich ihnen nicht zu sagen; – da habe ich gleich abreisen wollen, aber man hat mir gerathen ich soll noch bleiben bis andern Samstag, und ein grosses Concert im theatre geben; – Da hatte ich die nemliche einnahme, zum erstaunen und verdruß und schande aller strasburger; Der Directeur Mr ville neuve fouterte über die einwohner dieser wircklich abscheulichen stadt, das es eine art hatte; – ich habe freylich ein wenig mehr gemacht, allein, die unkösten der Musique (die sehr sehr schlecht ist, sich aber gut bezahlen läst), der jllumination, wache, buchdruckerey, die menge leüte bey den eingängen Etc: machte eine grosse summa aus; doch ich muß ihnen sagen, daß mir die ohren von den applaudiren und händeklatschen, so wehe gethan als wenn das ganze theater voll gewesen wäre; – alles, was dariñ war hat öfentlich und laut über die eigenen stadtbrüder geschmählet; – und ich habe allen gesagt, daß, wenn ich mir mit gesunder vernunft hätte vorstellen können, daß so wenig leüte kommen würden, ich das Concert sehr gerne gratis gegeben hätte, nur um das vergnügen zu haben, das theatre voll zu sehen – und in der that mir wäre es lieber gewesen, denn, bey meiner Ehre, es ist nichts trauerigers als eine grosse T tafel von 80 Couverts, und nur 3 Personnen zum Essen; – und dann ware es so kalt! – ich habe mich aber schon gewärmt, und um den h: strasburgern zu zeigen, daß mir gar nichts daran liegt, so habe ich für meine unterhaltung recht viell gespielt habe um ein Concert mehr gespiellt, als ich versprochen habe – und auf die lezt lange aus dem kopf; – das ist [262] nun vorbey – wenigstens habe ich mir Ehre und Ruhm gemacht; – ich habe von h: schertz 8 louisd'or genommen, nur aus fürsorge, indemm man niemahl wissen kann, was einem auf der Reise zustost, und allzeit besser ist, ich habe, als ich hätte; – ich habe ihren wahren, vätterlich wohlmeinenden brief gelesen, welchen sie an Mr franck geschrieben, da sie so meiner in sorgen waren; – sie haben freylich nicht wissen können, was ich damals, als ich ihnen von Nancy schrieb, selbst nicht wuste, nemlich daß ich so lange auf eine gute gelegenheit werde warten müssen; – wegen den kaufmann der mit mir reist, dürfen sie ganz ausser sorge seyn; – der ist der Ehrlichste Mann von der Welt; sorget mehr für mich als für sich; – geht, mir zu gefallen, nach augsburg und München, und vielleicht gar nach Salzburg; wir weinen allzeit zusammen, wenn wir dencken, daß wir einmal scheiden Müssen; Er ist kein gelehrter Mann – allein, ein Mann von Erfahrung; – wir leben zusammen wie die kinder; – wenn er auf seine frau und kinder denckt, die er zu Paris hinterlassen, so muß ich ihn trösten; denck ich auf meine leüte, so spricht er mir trost ein;

Den 2ten Novbre Den 31. Octbre an meinem hohen Nammenstag amusirte ich mich ein Paar stundn – oder besser, ich amusirte die andern; ich hab auf so vielles bitten der h: franck, de Beyer etc: wieder ein Concert gegeben, welches mir wircklich nach zahlung der unkösten (die dasmal nicht groß waren) einen louis-d'or eintrug; Da sehen sie was strassburg ist! – ich habe ihnen oben geschrieben, daß ich den 27t oder 28t abreisen werde – das war aber eine unmöglichkeit, weil man hier auf einmal eine ganz überschwemmung von Wasser hatte, die sehr viellen schaden gethan; – Das werden sie schon in zeitungen lesen – mithin konnte man nicht – und das war auch das einzige was mich zum entschluß brachte, die Proposition noch ein Concert zu geben, zu acceptiren – weil ich ohnehin warten muste. – Morgen gehe ich mit der Dilligence; – über Mannheim – erschröcken sie nicht; – Man muß in fremden ländern thun was leüte, die es aus erfahrung besser wissen, rathen; – Die meisten fremden, welche nach stuttgart (NB. mit der diligence) [263] gehen, sehen die 8 stundn umweg nicht an, weil der weg besser und der Postwagen besser ist – Nun bleibt mir nichts übrig als ihnen, liebster, bester, vatter, zu ihrem kommenden Nammens-fest von herzen zu gratulieren;

bester vatter! – ich wünsche ihnen von ganzem herzen alles – was ein sohn, der seinen lieben vatter recht hochschäzet, und wahrhaft liebet, zu wünschen vermag – ich dancke gott dem Allmächtigen daß er ihnen diesen tag in bester gesundheit wieder hat erleben lassen, und bitte ihn nur um diese gnade, daß ich ihnen mein ganzes leben durch, alle jahre – (deren ich vielle zu leben im sinn habe) gratuliren kann – so sonderbar, und vielleicht auch lächerlich ihnen dieser wunsch vorkommen mag, so wahr und wohlmeinend ist er – das versichere ich sie. –

ich hoffe sie werden meinen lezten brief aus strassburg von 15: octbre glaube ich, erhalten haben; – ich will nichts mehr über Mr grimm schmälen – doch kann ich nicht umgehen zu sagen, daß er wegen seiner Einfältigkeit so übereilt abzureisen, ursache ist, daß Meine sonaten noch nicht gestochen – das heist, noch nicht in licht – oder halt wenigstens, daß ich sie noch nicht habe – und wenn ich sie bekomme, etwa voll der fehler finde; – wenn ich nur noch 3 täge in Paris geblieben wäre, so hätte ich sie selbst corigiren, und mit mir nehmen können! – Der stecher war desperat als ich ihm sagte, daß ich sie nicht selbst corigiren kann, sondern einen andern darüber Commission geben muß; – warum? – weil Mr1, als ich ihm sagte, daß ich, (weil ich nicht 3 täge mehr bey ihm in hause seyn kann) wegen den sonaten zum graf v: Sückingen logirn gehen will, mir antwortete mit vor zorn funckelnden augen – hören sie; – wenn sie aus meinen hause gehen, ohne Paris zu verlassen, so schaue ich sie mein lebetag nicht mehr an – sie därfen mir nicht mehr unter die augen – ich bin ihr ärgster feind – ja, da war gelassenheit nothwendig; – wenn es mir nicht um sie gewesen wäre, der von der ganzen sache nichtinformirt ist, so hätte ich ganz gewis gesagt; – So seyen sie es; – sein Sie mein feind; – sie sind es ja[264] so; – sonst würden sie mich nicht hindern meine sachen hier in ordnung zu bringen – alles, was ich versprochen zu halten – und hiemit meine Ehr und Reputation zu erhalten – geld zu machen – und vielleicht auch mein glück; – denn wenn ich nach München komme, der Churfürstin selbst meine sonaten presentire, so halte ich mein wort bekomme ein Present – oder mache vielleicht gar mein glück; – so aber, machte ich nichts als eine verbeugung, und ging weg, ohne ein wort zu sagen; – ehe ich abgereiset, habe ich es ihm doch gesagt – er antwortete mir aber wie ein Mensch ohne verstand – oder wie ein böser Mensch der bisweilen keinen haben will; – ich habe schon 2mal an Mr Heina geschrieben, und keine antwort erhalten; – zu Ende sepbre hätten sie erscheinen sollen – und Mr grimm hätte mir die versprochene Exemplair gleich nachschicken sollen; – ich glaubte ich würde in straßburg alles antreffen – Mr grimm schreibt mir, er hört und sieht nichts davon – so bald er sie bekömmt, so wird er sie mir schicken – Ich hoffe ich werde sie bald bekommen; – strassburg kann mich fast nicht entbehren! – sie können nicht glauben was ich hier in Ehren gehalten, und beliebt bin – Die leüte sagen, es geht bey mir alles so nobl zu – ich seye so gesezt – und höflich – und habe so eine gute auführung; – alles kennt mich – so bald sie den Namen gehört haben, so sind schon gleich die 2 herrn Silbermann2 und h: Hepp3 (organist) zu mir kommen; – herr kapellmeister Richter4 auch; – er ist izt sehr eingeschränckt – anstatt 40 Bouteille wein sauft er izt etwa nur 20 des tages; – ich habe auf die 2 hier besten orgeln von silbermann öfentlich gespiellt, in der lutherischen kirchen; – in der Neukirche, undthomaskürche – wenn der Cardinal (der sehr kranck war als ich ankamm) gestorben wäre, so hätte ich einen guten Platz bekommen – denn h: Richter ist 78 jahr alt; – Nun leben sie recht wohl – [265] seyen sie recht Munter und ausgeräummt; denken sie daß ihr sohn gott lob und Danck frisch und gesund – und vergnügt ist, weil er seinem glück immer näher kommt; – an alle gute freunde meine Empfehlung, besonders an h:Bullinger – meine liebste schwester umarme ich von ganzem herzen, und ihnen küsse ich 1000 mahl die hände und bin Dero gehorsamste Sohn

Wolfgang Mozart5


lezten Sonntag habe in Münster eine neue Mess von h: Richter gehört: die charmant geschrieben ist –

Fußnoten

1 Grimm.


2 Johann Andreas (1712–1783), der damalige Inhaber der weltbekannten Orgelbau- und Klavierfirma Silbermann.


3 Sixtus Hepp (1732–1806), angesehener Straßburger Musiker.


4 Franz Xaver Richter (1709–1789), siedelte 1769 von Mannheim nach Straßburg über; mit Joh. Stamitz ein Hauptvertreter der Mannheimer Symphonie.


5 Antwort des Vaters: 19. November.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 266.
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