113.

[168] Monsieur,

mon trés cher Pére.


Ich bin izt schon 2 täge zu hause geblieben, und habeAntispasmotisch und schwarz Pulver und hollerblüh-the zum schwizen eingenomen, weil ich Charthar, schnupen, kopfweh, halsweh, augenweh und ohrnweh gehabt habe; nun ist es aber gott seye Danck wieder besser, und morgen hoffe ich wieder auszugehen, weil sonntag ist. ich habe ihren brief von 16ten sammt den 2 offenen presentations-schreiben für Paris richtig erhalten. Daß ihnen meine französische aria gefallen hat, freuet mich. ich bitte sie um verzeihung wenn ich ihnen diesmahl nicht viell schreibe, allein ich kann nicht; ich fürchte ich möchte meinen kopfweh wieder bekommen; und auch überdas bin ich heut gar nicht aufgelegt dazu – – – man kann auch nicht alles schreiben was man denckt – – wenigstens ich nicht. lieber sagen als schreiben. aus den letzten brief werden sie alles gehört haben, wie es [168] an sich ist. ich bitte, alles von mir zu glauben; was sie wollen; nur nichts schlechtes. Es giebt leute, die glauben, es seye ohnmöglich ein armes mädl zu lieben, ohne schlechte absichten dabey zu haben; und das schöne wort maitreße, zu teutsch h = e, ist halt gar zu schön! – – ich bin kein brunetti1 und kein Misliwetceck! ich bin ein Mozart, aber ein junger und gut-denckender Mozart, mithin werden sie mir hoffe ich verzeyhen, wenn ich bisweilen im Eyfer ausschweife – weil ich doch so sagen muß, obwohlen ich lieber gesagt hätte, wenn ich natürlich schreibe. ich hätte viell über diesen stoff zu schreiben, allein ich kann nicht; es ist mir ohnmöglich: ich habe unter so viellen fehlern auch diesen, daß ich immer glaube, meine freunde die mich kennen, kennen mich! – mithin braucht es nicht viell worte; und kennen sie mich nicht, o, wo könnte ich dann worte genug hernehmen! übel genug wenn mañ worte und briefe darzu braucht. Das ist alles nicht auf sie geschrieben, mein lieber Papa, Nein! sie kennen mich zu gut, und sie sind zu braf dazu, um den leuten gleich die Ehre abzuschneiden! – ich meyne nur die – – die wissen daß ich sie meyne: leute die so glauben. – – – Ich habe mich entschlossen, heute noch zu hause zu bleiben, obwohl Sonntag ist, weil es gar so sehr schneuet. Denn morgen muß ich ausgehen, weil unsere haus-Nymphn, die Madselle Pierron2, meine Hochzurehrende scolarin, bey der alle Moñtag gewöhnlichen fränzösischen accademie, das hochgräfliche litzanische Concert herunter-haspeln wird. ich werde mir auch zu meiner grösten Prostitution etwas zum hacken geben lassen, und werde sehen, daß ich es so Prima fista herklempern kann; denn ich bin ein gebohrner holztapler, und kann nichts als ein wenig Clavier-klempern! Nun bitte ich daß ich zu schreiben aufhören darf, denn ich bin heut gar nicht zum briefschreiben aufgelegt, sondern mehr zum komponiren. ich bitte sie nochmahl, vergessen sie nicht was ich sie in den vorgehenden briefen gebeten habe, wegen der Cadenzen und ausgesetzten aria cantabile etcet: ich bin ihnen im voraus verbunden, daß sie so geschwind die verlangten arien haben schreiben lassen; [169] das zeugt doch daß sie vertrauen auf mich haben, und mir glauben, wenn ich ihnen etwas anempfehle. Nun leben sie recht wohl. ich küsse ihnen 1000 mahl die hände, und meine schwester umarme ich vom ganzem herzen, und bin dero gehorsamster sohn

Wolfgang Amadé Mozart

Mannheim den 22ten Febro

17783


an alle gute freund und freundinen meine Empfehlung, besonders an meinen liebsten freund h: bullinger.

Fußnoten

1 Ein Sologeiger der Salzburger Hofkapelle (vgl. des Vaters Brief vom 25./26. Februar, Schluß).


2 Die Tochter des Hofkammerrats Serrarius.


3 Folgt eine Nachschrift der Mutter. – Antwort des Vaters: 28. Februar, 1. und 2. März.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 170.
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