116.

[176] Monsieur

mon trés cher Pére!


Heute haben wir keinen brief von ihnen bekommen, wir hoffen aber daß keine andere ursach seyn wird, als daß die Post wegen den übeln Wetter nicht so richtig hat eintreffen können, oder daß sie gar nicht geschrieben haben. ihren lezten von 26ten febro habe richtig erhalten. ich bin ihnen sehr verbunden, daß sie sich so vielle mühe wegen den arien gegeben haben. sie sind halt in allen sachen accurat. nach gott kommt gleich der Papa; das war als ein kind mein wahlspruch oderaxioma, und bey dem bleib ich auch noch. sie haben freylich recht wenn sie sagen: lernts was, so könnts was. übrigens, ausser ihrer Mühe und viellen gängen, darf ihnen nichts reuen, denn die Madelle weber verdient es gewis. ich wollte nur wünschen daß sie meine neue aria, von welcher ich ihnen neulich gemeldet habe, von ihr singen hörten; von ihr sage ich, denn sie ist ganz für sie gemacht. ein Mann wie sie, der versteht was mit portamento singen heist, würde gewis ein sattsames vergnügen daran finden. wen ich einmahl glücklich in Paris bin, und das unsere umstände wie ich hoffe mit der hülfe gottes gut sind, und wir alle besser aufgeräumt und bessers homors sind, so will ich ihnen ausführlicher meine gedancken schreiben, und sie um eine grosse gefällickeit bitten. Nun muß ich ihnen aber sagen, daß ich so erschrocken war, und mir die thränen in die augen kammen, als ich in ihren lezten brief laß, daß sie os ocuelcut glkelfdlt dmulr gluln ahooln1. Mein allerliebster Papa! meine schuld ist das gewis nicht – das wissen sie. wir opmrln2 hier so viell es möglich ist. kost und logement, holz und licht, hat hno uflr nfcuto glksot3, das ist alles was zu begehren ist. in kleidung wissen sie ja daß man in fremden orten nfcht ocuelcut gluln4 kann. es muß allzeit ein wenig ein exterieur seyn. ich habe nun meine ganze hoffnung nach Paris. dann die teutschen fürsten sind alle knicker. ich werde nach allen meinen kräften arbeiten, um bald das [177] vergnügen zu haben, ihnen aus dln dlramefgln bltrhbtln haotlndln ulrmho zu uleiln5. Nun zu unserer reise. heute 8 tag, als den 14ten werden wir von hier abreisen. mit derchaise verkaufen geht es uns sehr schlecht. bis dato ist noch kein mensch kommen. wenn wir 4 louisd'or davor bekommen, so können wir zufrieden seyn. man rathet uns hier zwar, daß wenn wir die chaise nicht anbringen können, so sollen wir bis strassburg einen hauderer nehmen, und mit unserer chaise gehen, denn zu strassburg könnten wir sie leichter verkaufen. weil es aber mit den Postwagen wohlfeiler ist, so werde ich die chaise hier lassen, und sichern leuten die inspection darüber geben. Nur muß ich noch melden, daß, weil hier keine handels-stadt ist, keine fuhrleut nachParis gehen, sondern alles durch den Postwagen geschickt wird. von hier bis strassburg wie man mir gesagt hat, bezahlt die Person einen halben louisd'or, mithin glaube ich daß es uns in allen nicht über 15 gulden kommen wird. unterdessen leben sie recht wohl. hoffen wir zu gott, der wird uns gewis nicht verlassen. vor meiner abreise werde ich ihnen noch einen oder gar noch 2 briefe schreiben. wenn ich nur schon zu Paris wäre, die reife bis hin ist mir gar so verdrüsslich. der wendling hat geschrieben daß er sich auf der Reise ganz entsetzlich Ennuirt hat. nun muß ich schliessen damit der Mama noch ein Plaz übrig bleibt. addieu. ich küsse ihnen 100000 mahl die hände und bin dero gehorsamster sohn

Wolfgang Mozart


Mannheim den 7ten März 1778


Ma très chere sœur!


Du must dir, liebste schwester, einbilden, und das sehr kräftig, als hätte ich dir einen extra brief geschrieben – –

ich bin Da um mich bey Dir zu bedancken, für die mir so gütig geliehenen, aber sehr nothwendigen 50fl:6, und mache dir hiemit auch einen glückwunsch und meine unausprechliche freude über dein [178] gutes herz. mir ist sehr leid daß ich in die nothwendigkeit gesezt worden, dich auf eine zeit um 50 fl zu berauben, ich werde aber, so wahr ich dein aufrichtiger bruder bin, nicht ruhen, bis ich Dir alles ersezet habe, was Du alles so aus guten herzen für mich gethan hast. Ein glücklicher bruder so eine gute schwester hat. ich bitte Dich, habe Dein ganzes vertrauen auf mich, und glaube niemahls daß ich auf dich vergesse. gedencke nur allzeit daß nicht alles geschieht was man will, oder wenigstens nicht allzeit ganz wie man es wünscht. es wird noch alles recht werden. sey nur recht fleissig, und vergesse durch das Partiturschlagen Dein galanterie spiellen nicht, damit ich nicht zum lügner werde, wenn Dich die leute hören, bey denn ich Dich so gelobt habe. Denn ich habe allzeit gesagt, daß du mit mehr Praecision spiellst als ich. addieu dann liebe schwester. ich hoffe daß wir uns bald ganz vergnügt umarmen können. ich hoffe auf gott. ich bitte ihn um das was ich glaub daß mir und uns allen Nützlich ist, setze aber allzeit dazu; herr, dein willen geschehe wie im himmel also auch auf Erden. wir menschen glauben oft, das sey übel, und am Ende – ist es doch gut. gott weis es immer an besten, wie es seyn muß. addieu meine beste schwester. ich küsse dich 100000 mahl und bin bis in tod Dein getreuer und aufrichtiger bruder

Wolfgang Amade Mozart7

Fußnoten

1 Auflösung der Chiffren: so schlecht gekleidet daher gehen mussen.


2 sparen


3 uns hier nichts gekost.


4 nicht schlecht gehen.


5 Auflösung der Chiffren: den dermaligen betrubten umstenden heraus zu helfen.


6 Vgl. hierzu den Brief des Vaters vom 25./26. Februar.


7 Folgt ein Brief der Mutter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 179.
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