*98. [an das »Bäsle« in Augsburg]

[134] Ma très chère Cousine!


...... Ich hätte Dero Schreiben vom 25ten Nov. richtig erhalten, wenn Sie nicht geschrieben hätten daß Sie Kopf-, Hals- und Arm-[134] Schmerzen gehabt hätten, und daß Sie ietzt nun, dermalen, alleweil, den Augenblick keine Schmerzen mehr haben, so habe ich Dero Schreiben vom 26ten Nov: richtig erhalten. Ja, ja, meine allerliebste Jungfer Baas, so geht es auf dieser Welt; einer hat den Beutel, der andere das Geld, mit was halten Sie es? – – mit der / nicht wahr? Hur sa sa, Kupferschmied, ..... ja und das ist wahr, wers glaubt, der wird seelig, und wer's nicht glaubt, der kommt in Himmel; aber schnurgerade und nicht so, wie ich schreibe. Sie sehen also daß ich schreiben kann, wie ich will, schön und wild, grad und krumm. Neulich war ich übels Humors, da schrieb ich schön, gerade und ernsthaft; heute bin ich gut aufgereimt, da schreib ich wild, krumm und lustig; ietzt kommts nur darauf an was Ihnen lieber ist, – – unter den beyden müssen Sie wählen, denn ich hab kein Mittel, schön oder wild, grad oder krumm, ernsthaft oder lustig, die 3 ersten Wörter oder die 3 letzten; ich erwarte Ihren Entschluß im nächsten Brief. Mein Entschluß ist gefaßt; wenn mir noth ist, so gehe ich, doch nach dem die Umstände sind ...., so lauf ich .... Behüte dich Gott Fuß, auf dem Fenster liegt d' Hachsen. Ich bin Ihnen Euer liebten Freullen Baas sehr verbunden für das Compliment von Euer Freullen Freysinger, welches auszurichten Euer liebten Frl. Juliana so gütig gewesen ist. – Sie schreiben mir, ich wüßte zwar noch viel, aber zu viel ist zu viel; – in einem Briefe gebe ich es zu, daß es zu viel ist, aber nach und nach könnte man viel schreiben; verstehen Sie mich, wegen der Sonata muß man sich noch ein wenig mit Geduld bewaffnen1. Wenns fürs Bäsle gehört hätte, so wäre sie schon längst fertig – – und wer weiß ob die Madselle Freysinger noch daran denkt – – ohngeacht dessen werde ich sie doch so bald möglich machen, einen Brief darzu schreiben und mein liebes Bääsle bitten, alles richtig zu übermachen. A propos .... Was werden Sie wohl denken, daß ich noch in Mannheim bin, völlig drinn. Das macht, weil ich noch nicht abgereiset bin, nirgends hin! Doch ietzt glaub ich wird Mannheim bald abreisen. Doch kann Augsburg von Ihnen aus noch immer nach mir schreiben und den Brief [135] an Mannheim addressiren bis auf weitere Nachricht. Der Herr Vetter, Fr: Baas und Jungfr: Baas empfiehlt sich meiner Mamma und mir. Sie waren schon in Aengsten, daß wir etwa krank wären, weil sie so lang keinen Brief von uns bekommen haben. Vorgestern sind sie endlich mit unserm Brief vom 26ten Nov. erfreuet worden und heute als den 3ten Decebr. haben Sie das Vergnügen mir zu antworten. Ich werde Ihnen also das Versprochene halten? – Nu das freut Sie. Vergessen Sie nur auch nicht München nach der Sonata zu komponiren, denn was man einmal gehalten hat, muß man auch versprechen, man muß allezeit Wort von seinem Mann seyn. – Nun aber gescheut.

Ich muß Ihnen geschwind etwas erzehlen: ich habe heute nicht zu Hause gespeist, sondern bey einem gewissen Mons. Wendling; nun müssen Sie wissen, daß der allzeit um halb 2 Uhr ißt, er ist verheyrathet und hat auch eine Tochter, die aber immer kränklich ist. Seine Frau singt auf der zukünftigen Opera, und Er spielt die Flöte. Nun stellen Sie sich vor, wie es halb 2 Uhr war, setzten wir uns alle, bis auf die Tochter welche im Bette blieb, zu Tisch und aßen.

An alle gute Freund und Freundinnen von uns beyden ..... Empfehlungen. An Dero Eltern steht es Pag. 3 Zeile 12. Nun weiß ich nichts mehr Neues, als daß eine alte Kuh ..... und hiermit addieu Anna Maria Schlosserin geborne Schlüsselmacherin. Leben Sie halt recht wohl und haben Sie mich immer lieb; schreiben Sie mir bald, denn es ist gar kalt; halten Sie Ihr Versprechen, sonst muß ich mich brechen. addieu, mon Dieu, ich küsse Sie tausendmal und bin knall und fall

Mannheim

ohne Schleim

den 3ten Decembr.

heut ist nicht Quatembr:

1777 zur nächtlichen Zeit

von nun an bis in Ewigkeit

Amen.

Ma très chère Cousine

waren Sie nie zu Berlin?

Der aufrichtige wahre Vetter

bei schönen und wilden Wetter

W.A. Mozart

.... das ist hart.

Fußnoten

1 S. hierzu den Brief an das, »Bäsle« vom 5. November.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 136.
Lizenz:
Kategorien: