*304. [an die Tochter in St. Gilgen; Wien, 14. Februar 1785]

[298] Am Freitag um 1 Uhr waren wir in der Schulerstraße No. 846 im ersten Stock. – Daß Dein Bruder ein schönes Quartier mit aller zum Haus gehörigen Auszierung hat, mögt Ihr daraus schließen, daß er 460 fl. Hauszins zahlt.

Den nämlichen Freitag abends fuhren wir in sein erstes Subscriptionsconcert, wo eine große Versammlung von Menschen von Rang war. Jede Person zahlt für diese 6 Fastenconcerte einen Souveraind'or oder 3 Ducaten. Es ist auf der Mehlgrube; er zahlt für den Saal jedesmal nur ein halb Souveraind' or. Das Concert war unvergleichlich, das Orchester vortrefflich. Außer den Symphonien sang eine Sängerin vom wälschen Theater 2 Arien, dann war ein neues vortreffliches Clavierconcert vom Wolfgang, wo der Copist, da wir ankamen, noch daran abschrieb und Dein Bruder das Rondo noch nicht einmal durchzuspielen Zeit hatte, weil er die Copiatur übersehen mußte. Daß ich nun da viele Bekannte angetroffen und mir alles zulief, kannst Dir leicht vorstellen: bei andern aber wurde ich eingeführt.

Am Samstag war abends Herr Joseph Haydn und die zwei Barone Tindi bei uns, es wurden die neuen Quartette gemacht, aber nur die 3 neuen, die er zu den andern 3, die wir haben, gemacht hat, – sie sind zwar ein bischen leichter, aber vortrefflich componirt. Herr Haydn sagte mir: »Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und dem Namen nach kenne; er hat Geschmack, und überdieß die größte Compositionswissenschaft«.

Am Sonntag abends war im Theater die Akademie der italienischen Sängerin Laschi,1 die jetzt nach Italien reist, sie sang 2 Arien. Es war ein Violoncelloconcert, ein Tenor und Baß sang je eine Arie und Dein Bruder spielte ein herrliches Concert, das er für die Paradies2 nach Paris gemacht hatte. Ich war nur zwei [299] Logen von der recht schönen würtembergischen Princessin neben ihr entfernt und hatte das Vergnügen, alle Abwechslung der Instrumente so vortrefflich zu hören, daß mir vor Vergnügen die Thränen in den Augen standen. Als Dein Bruder wegging, machte ihm der Kaiser mit dem Hut in der Hand ein Compliment hinab und schrie: »Bravo Mozart!« – Als er herauskam zum Spielen, wurde ihm ohnehin zugeklatscht.

Gestern waren wir nicht im Theater, denn es ist alle Tage Akademie. – Heute abends ist wieder Concert im Theater, dein Bruder spielt abermals ein Concert. Ich werde verschiedenes neues von Deinem Bruder mitbringen.

Der kleine Carl sieht Deinem Bruder ganz ähnlich. Ich fand ihn recht gesund, allein zu Zeiten haben die Kinder Anstoß wegen der Zähne, – das Kind ist übrigens sehr angenehm, denn es ist ungemein freundlich und lacht, so oft mans anredet: ich habs erst ein einzigs mal ein bischen weinen, aber gleich den Augenblick wieder lachen sehen. –

Gestern den 15. war wieder ein Concert im Theater für ein Mädel, die charmant singt, Dein Bruder spielte das neue große Concert in D, magnifique etc. Heute gehen wir in eine Hausakademie zum Salzburger Agenten Herrn von Ployer.

Dein Bruder, die Schwägerin, ich und Marchand küssen Euch millionenmal und bin ewig euer redlicher Vater

Mozart.

Fußnoten

1 Die spätere Darstellerin der Gräfin in Wolfgangs »Le nozze di Figaro«.


2 M: Th. Paradies (1759–1824), blinde Klavierspielerin und Sängerin.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 300.
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