*281. [an Gottfried Freiherrn von [272] Jacquin in Wien]

Prag den 15.1 Jänner 1787


Liebster freund!


Endlich finde ich einen Augenblick an sie schreiben zu können; – ich nam mir vor gleich bey meiner Ankunft vier Briefe nach Wien zu schreiben, aber umsonst! – Nur einen einzigen (an meine Schwiegermutter) konnte ich zusammenbringen; und diesen nur zur hälfte[272] – Meine frau und Hofer2 mußten ihn vollenden. Gleich bei unserer Ankunft (Donnerstag den 11ten um 12 Uhr zu Mittag) hatten wir über hals und kopf zu thun, um bis 1 Uhr zur Tafel fertig zu werden. Nach Tisch regalirte uns der alte H. Graf Thun mit einer Musick, welche von seinen eigenen Leuten aufgeführt wurde, und gegen anderthalb Stunden dauerte. – Diese wahre unterhaltung kann ich täglich genüssen. – um 6 uhr fuhr ich mit grafen Conac auf den sogenannten breitfeldischen Ball, wo sich der kern der Prager schönheiten zu versammeln pflegt. – Das wäre so was für Sie gewesen mein freund! – ich meyne ich sehe sie all den Schönen Mädchens und Weibern nach – – laufen glauben sie? – Nein, nachhinken! – Ich tanzte nicht, und löffelte nicht. – Das erste, weil ich zu müde war, und das letztere aus meiner angebohrnen blöde; – ich sah aber mit ganzen Vergnügen zu, wie alle diese auf die Musik meines figaro, in lauter Contretänze und teutsche verwandelt, Leute so innig vergnügt herumsprangen; – denn hier wird von nichts gesprochen als von – figaro3; nichts gespielt, geblasen, gesungen und gepfiffen als – figaro. keine Oper besucht als – figaro und Ewig figaro; gewiß große Ehre für mich. Nun wieder auf meine Tagordnung zu kommen. Da ich Spät vom Ball nach Hause gekommen, und ohnehin von der Reise Müde und schläfrig war, so ist nichts natürlicher auf der Welt als daß ich sehr lange werde geschlafen haben; und gerade so war es. – folglich war der andere ganze Morgen wieder Sine Linea; Nach Tisch darf die Hochgräfliche Musick nie vergessen werden, und da ich eben an diesem Tage ein ganz gutes Pianoforte in mein Zimmer bekommen habe, so können sie sich leicht vorstellen, daß ich es den abend nicht so unbenüzt und ungespielt werde gelassen haben; es gibt sich Ja von selbst daß wir ein kleines Quatuor in Caritatis camera (und das schöne bandel Hammera) unter uns werden gemacht haben, und auf diese art der ganze abend abermal Sine Linea wird verloren vergangen seyn; und gerade so [273] war es. – Nun zanken sie sich meinetwegen mit Morpheus; dieser Lapas ist uns beyden in Prag sehr günstig; – was die ursache davon seyn mag, das weis ich nicht; genug wir verschliefen uns sehr artig. – doch waren wir imstande schon um 11 Uhr uns beym Pater unger einzufinden, und die k.k. bibliotheck, und das allgemeine geistliche Seminarium in hohen niedern Augenschein zu nehmen; – nachdem wir uns die augen fast aus dem kopf geschauet hatten, glaubten wir in unsern innersten eine kleine Magen Arie zu hören; wir fanden also für gut zum graf Canal zur Tafel zu fahren; – der abend überraschte uns geschwinder als sie vielleicht glauben; – genug, es war Zeit zur opera. – wir hörten also Le gere generosa4. – was die aufführung dieser oper betrift, so kann ich nichts entscheidendes sagen, weil ich viel geschwäzt habe; warum ich aber wieder meine Gewohnheit geschwäzt habe, dariñ möchte es wohl liegen. – basta; Dieser abend war wieder al Solito verschleudert; – heute endlich war ich so glücklich einen augenblick zu finden, um mich um das wohlseyn ihrer lieben Eltern, und des ganzen Jacquinschen hauses erkundigen zu können. – Ich hoffe und wünsche vom Herzen, daß sie sich alle so wohl befinden mögen als wir beyde uns befinden. – Ich muß ihnen aufrichtig gestehen, daß (obwohl ich hier alle mögliche höflichkeiten und Ehren genieße, und Prag in der That ein sehr schöner und angenehmer ort ist) ich mich doch recht sehr wieder nach Wieñ sehne; und glauben sie mir, der hauptgegenstand davon ist ganz gewis ihr Haus. – wenn ich bedenke daß ich nach meiner Zurückunft nur eine kurze Zeit noch das Vergnügen genüssen kann in ihrer werthen gesellschaft zu seyn, und dann auf so lange – und vielleicht auf immer dieses Vergnügen werde entbehren müssen – dann fühle ich erst ganz die freundschaft und achtung welche ich gegen ihr ganzes haus hege; – Nun leben sie wohl liebster freund, liebster Hikkiti Horky! – das ist ihr Name, daß sie es wissen, wir haben uns allen auf unserer Reise Namen erfunden, hier folgen sie. Ich Punkitititi. – Meine FrauSchabla Pumfa. Hofer Rozka Pumpa. StadlerNotschibikitschibi. Josepf mein Bedienter[274] Sagadarata. Der Goukerl mein hundSchomanntzky – die MadmeQuallenberg Runzifunzi. – Madsell Crux Ps: der Ramlo Schurimuri. Der freystädtler Goulimauli. haben sie die güte letztern seinen Namen zu communiciren. – Nun adieu. künftigen freytag den 19ten wird meine academie im Theater seyn, ich werde vermuthlich eine zwote geben müssen; das wird meinen aufenthalt hier leider verlängern. Ich bitte ihren würdigen Eltern meinen Respect zu melden, und ihren H. Brudern (welchen man allenfalls blatterrizzi nennen könnte) für mich 1000mal zu embrasiren. – ihrer frl. Schwester (der Sigra Dini mini niri5 küße ich 100000mal die hände, mit der Bitte, auf ihrem Neuen Piano-forte recht fleissig zu seyn – doch diese Ermahnung ist unnütz – denn ich mus bekennen daß ich noch nie eine Schülerin gehabt, welche so fleissig, und so viel Eifer gezeigt hätte, wie eben sie – und in der That ich freye mich recht sehr wieder darauf ihr nach Meiner geringen fähigkeit weiter unterricht zu geben. – apropòs; wenn sie Morgen kommen will – ich bin um 11 Uhr gewis zu Hause – Nun aber wäre es doch zeit zu schlüssen? – nicht wahr? – schon längst werden sie sich das denken leben sie wohl mein bester! – erhalten sie mich in ihrer werthen freundschaft – schreiben sie mir bald – aber bald – und sollten sie vielleicht zu träge dazu seyn, so lassen sie denSatmann kommen und diktiren sie ihm den Brief an; doch es geht nie so vom herzen wenn man nicht selbst schreibt, Nun – ich will sehen, ob sie so mein freund sind wie ich so ganz der ihrige bin, und ewig seyn werde.

Mozart


P.S. auf den Brief so sie mir

vielleicht schreiben werden, setzen sie im graf Thunischen Palais

Meine frau empfehlt sich bestens dem ganzen Jacquinschen Hause, wie auch hr. Hofer.

ps. Mittwoch werde ich hier den figaro sehen und hören – wenn ich nicht bis dahin taub und blind werde. – Vielleicht werde ich es erst nach der opera – – –

Fußnoten

1 Richtig: 14. Jänner.


2 Der Violinist Franz Hofer, der Schwager Mozarts, der Gatte der Josepha Weber.


3 »Le nozze di Figaro« war im Dezember 1786 in Prag zum ersten Male gespielt worden.


4 Opera buffa von Paesiello (Neapel 1786).


5 Franziska, spätere Frau von Lagusius.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 272-275.
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