Als die ersten Aufführungen der Oper »Iphigénie« vorüber waren, schritt Gluck alsogleich zur Umarbeitung seiner Oper[223] »Orfeo,« um auch diese für die Pariser Akademie und deren Sänger aufführbar zu machen. Frankreich hatte damals keinen Contrealt, dein die Hauptrolle zugedacht werden konnte; Gluck musste sie für einen hohen Tenor einrichten, welcher Umstand die Musik jener Färbung tiefer Melancholie beraubte, die dem Stoffe so zusagte. Das war ein Uebel! – Ein zweites folgte: Aus übertriebener Gefälligkeit für Legros, der die Rolle zu übernehmen sich weigerte, entschloss sich Gluck, der Arie des Orfeo am Schlusse des 1. Akts einige Bravoursätze beizufügen, die um so wunderlicher erschienen, als der grosse Tonsetzer selbst in Italien sich nicht immer herbeiliess, den Wünschen eines cadenzengewandten Primo Uomo oder einer kehlenfertigen Prima Donna zu entsprechen.
Die Proben wurden eben so eifrig abgehalten, als die der »Iphigénie,« und das Meisterstück konnte schon am 2. August desselben Jahres in die Scene gesetzt werden.
M. Moline, der Bearbeiter des Calzabigi'schen Textes,1 hatte sich, im vollsten Sinne des Wortes, der Erlaubniss bedient, mittelmässig zu seyn: dennoch musste man ihm für den Hochgenuss der erhabensten Musik, die jemals in Frankreich gehört worden war, grossen Dank zollen. Gluck's »Orfeo« hatte ja unter allen seinen Opern, selbst in Italien, das grösste Glück gemacht. Das Entzücken, womit sie, trotz der Kabale der Anhänger Lully's und Rameau's, allgemein aufgenommen und gleichsam verschlungen wurde, liefert den schönsten Beweis des bedeutenden Fortschrittes, den der berühmte Tonsetzer in dem Geschmacke des französischen Volkes bewirkt hatte. Doch nur ein Gluck konnte diesen Beweis herstellen; er bewies dadurch, dass die Macht der Geduld und des Genius die grössten Vorurtheile nicht selten zu besiegen im Stande sei. Geben wir zu: das Ganze der »Iphigénie« enthalte mehr Würde, Feierlichkeit und Interesse, als die Oper »Orfeo;« – geben wir zu, dass ein verstümmelter Plan der Racine'schen Dichtung[224] den Franzosen noch immer werthvoller schien, als ein Erzeugniss des italischen Dichters Calzabigi; – geben wir auch zu, dass in der Tonschöpfung der »Iphigénie« noch angenehmere Dinge und rührendere Ideen vorkommen als im »Orfeo«: – so muss man zur Steuer der Wahrheit doch bekennen, dass die schönen Nummern des letzteren jene der ersteren dennoch übertreffen. Die durchdringenden Schmerzensrufe, womit Orfeo den empfindungsvollen und süssen Gesang der, an Eurydicens Grabe weinenden Nymphen unterbricht; der melodienreiche Gesang, womit er die, ihm den Eintritt in das Reich der Schatten verweigernden Dämonen rührt; der herrliche Chor dieser finsteren Wesen, welche, in verschiedenen Abstufungen, zuerst ihren Zorn, dann ihre Rührung mit seltener Kunst und Wahrheit ausdrücken; das meisterhafte Duett zwischen Orfeo und der, dem Leben wiedergegebenen Eurydice, die den Tod der, ihr geheuchelten Gleichgültigkeit vorzieht; die ganze Scene, welche die, vom Orfeo in diesem schrecklichen Augenblicke zu bestehenden Kämpfe mit hoher Dichterkraft malt; ihre Schwäche und der letzte Schritt der Verzweiflung: alle diese Stücke sind eben so viele Muster der Harmonie und des musikalischen Ausdrucks. Man hat viele, der Tonkunst gänzlich unkundige Personen behaupten hören, dass keine Musik in ihren Gemüthern einen so lebhaften und tiefen Eindruck zurückgelassen habe, als eben diese.
Wenn Dem. Arnould in dieser Oper einen geringeren Erfolg, als in der »Iphigénie« geerntet hatte, so erhielt dafür Legros einen um so glänzenderen. Er trug die Hauptrolle mit so vieler Wärme, mit so hohem Geist und Geschmack vor, dass man ihn kaum wieder erkannte, und seine Verwandlung als ein Wunderwerk betrachtete, das die bezaubernde Kunst unseres Tonsetzers in ihm hervorgebracht hatte. Selbst die Ballete zu dieser Oper gewährten mehr Vergnügen und Befriedigung, als jene in der »Iphigénie;« sie sind dem Gegenstande angemessener und erfreuen sich einer edleren und zugleich gehaltvolleren Harmonie. Somit war das vollständige Glück dieser Tondichtung auch in Frankreich gemacht.[225]
Durch diese beiden Schöpfungen hatte Gluck den Franzosen ganz neue Genüsse geboten, dem Nationalstolze geschmeichelt und dem Ruhme dieses Volkes einen neuen, frischen Glanz verliehen, den die Mehrzahl der einsichtsvollen Freunde der Kunst zu würdigen verstand.
Die Tonstücke in der französischen Bearbeitung2 der Oper »Orfeo« sind der Ordnung nach folgende:
Die Ouverture.
I. Akt. 1. Scene. Umgearbeiteter Chor am Grabe der Euridice mit Orphée's klagenden Zwischensätzen, Moderato in C min. Takt: »Ah, dans ce bois tranquille et sombre« – hier mit Streichquartett und Fagotti. Ihm folgt ein kurzes Recitativ, dann eine Pantomime für das Streichquartett, und endlich der Chor da Capo. Orphée singt durch die ganze Oper im Altschlüssel.
2. Scene. Arie des Orphée, Lentement in C maj. 3/8 Takt: »Objet de mon amour« – mit Streichquartett, Oboi und Flauti, wozu später auch Clarinetti treten. Das Motiv dieser Arie wiederholt sich dreimal, indem es eben so oft von Recitativen unterbrochen wird. Ein begleitetes Recitativ schliesst die Scene.
3. Scene. Recitativ zwischen Orphée undAmor; dann die Arie des letzteren in F maj. Takt: »Si les doux accords de ta lire« – mit Streichquartett und Corni; dann wieder Recitativ zwischen Beiden, und endlich noch eine ganz neue Arie des Amor, Grazioso in G maj. 3/4 Takt: »Soumis au silence contraint ton désir« – mit Streichquartett und Oboi, wozu später Fagotti treten. Diesem schönen Tonstücke folgt ein begleitetes Recitativ[226] des Orphée und diesem, nach einem kurzen Vorspiele, die grosse, ebenfalls neugesetzte, mit Bravourstellen gemischte Arie desselben, Allegro maestoso in B maj. C Takt: »L'espoir renait dans mon ame« – vom Streichquartette und Oboi begleitet. Sie schliesst mit ihrem heroischen Charakter den Akt in würdiger Weise.
II. Akt. 1. Scene. Kurze Einleitung von 20 Takten, Maestoso in Es maj. Takt, für Streichquartett, Oboe und Trompette, welcher ein Harfensatz von drei Takten mit Streichquartett pizzicato folgt; dann vierstimmiger Chor der Furien in D min. 3/4 Takt: »Quel est l'audacieux« – mit Streichquartett und Oboi, und einem wilden Nachspiele. Der Chor wiederholt sich in grösserer Ausdehnung mit noch wirksamerer Begleitung. Ein zweites Orchester begleitet die Arie des Orphée: »Laissez vous toucher par mes larmes« –, mit Streichquartett pizzicato und der Harfe. Sie ist in B maj. Takt gesetzt, und wird von dem schrecklichen »Non« der Furien unterbrochen. Auch hier findet man am Schlusse eine Bravourstelle, welche der Tonsetzer dem Sänger Legros zu Liebe eingeschaltet hat; dann wieder der Chor der Furien, mit dem Texte: »Que t'amène dans ces lieux?« – mit dem Streichquartette des 1. Orchesters, und darauf Orphée's Arie: »Ah ma flamme qui me dévore« – mit jenem des 2. Orchesters in C min. Takt. Sodann ertönt der Chor der Furien von Neuem in G min. 3/4 Takt: »Par quels puissants accords« – mit Streichquartett; und Orphée's Arioso inC min. C Takt: »La tendresse qui me presse« – mit Harfenbegleitung und Streichquartett, und endlich ein 15 Seiten langes, wildes Ballet mit der Ueberschrift:Air des Furies – in D min. 3/4 Takt für Streichquartett, Oboi und Corni, das in dem italischen »Orfeo« nicht zu finden, und von hoher Wirkung ist.
2. Scene. Nach der bekannten schönen Instrumentaleinleitung, Dolce in F maj. 3/4 Takt für Streichquartett und Flauti, erscheinen hier noch drei andere Sätze in F maj., C maj. und C min. – im 3/4 und Takt, als Balletmusik, denen die Arie der Euridice, Grazioso in F maj. 6/8 Takt: »Cet azyle aimable et tranquille« – vom Streichquartette, Clarinetti und Corni begleitet,[227] sammt dem, von Euridice's Gesange öfters unterbrochenen Chore der Seligen und einem Nachspiele, folgt. Dasselbe liebliche Motiv herrscht in beiden Sätzen.
Die 3. Scene beginnt mit einem Vorspiele und Orphée's grossem Recitativ, Andante in C maj. C Takt: »Quel nouveau ciel!« – begleitet vom Streichquartett und obligaten Blaseinstrumenten. Diesem Tonsatze folgt der Chor, Andante dolce in F maj. 3/4 Takt: »Viens dans ce séjour paisible« – mit Streichquartett, Corni und Fagotti, dann folgt ein Ballet, Lento in B maj. 3/4 Takt, für Streichquartett und Flöte, und ein kurzes Recilativ des Orphée.
Die 4. Scene beschliesst den II. Akt mit obigem Chor in F maj. 3/8 Takt nach dem Texte: »Près du tendre objet.« –
III. Akt. 1. Scene. Begleitetes Recitativ zwischen Orphée und Euridice, wie in der italischen Ausgabe, mit demselben schönen Duette zu dem Texte: »Viens, suis un époux qui t'adore« – jedoch in F maj.; dann Euridice's Arie nach vorhergegangenem Recitative, Allegro in C min. 2/4 Takt: »Fortune ennemie« – mit Streichquartett und Oboi. Sie geht hier in ein Duett über, welches Euridice schliesst. Begleitetes Recitativ zwischen den Liebenden, und der schöne Gesang des Orphée, hier in F maj. Takt,Andante: »J'ai perdu mon Euridice!« – vom Streichquartett begleitet und Recitativ.
2. Scene. Von einem kurzen Recitative zwischen Orphée und Amor geht der Tonsetzer auf den gefälligen Chor: »L'Amour triomphe« – in A maj. 2/4 Takt, über. Dieser wird vom Streichquartette, Oboi, Corni und Fagotto begleitet, wozu später noch die Trompette tritt. Dieser Chor wiederholt sich nach jedem Solo des Amor und der Euridice. Die nun folgende Balletmusik ist grösstentheils dieselbe, wie in dem italischen »Orfeo.« Dem Tanze folgt ein Trio,Andante in E min. Takt: »Tendre Amour que tes chaînes« – mit Streichquartett und Fagotti, welches in der italischen Ausgabe nicht vorhanden ist. Ebenso wird die grosse Chaconne in D maj. 3/4 Takt, welche die Oper schliesst, auch nur hier gefunden.[228]
Zwei Jahre nach dem glänzenden Erfolge, welchen Gluck's »Orfeo« zu Paris errungen hatte, wurde der, sowohl durch seine Werke im Kirchen- und Kammer-, als auch im dramatischen Tonsatze rühmlich bekannte Tonsetzer Ferdinando Bertoni3 aufgefordert, für das Teatro San Benedetto in Venedig zum Carneval 1776 denselben Text zu bearbeiten. Er that es, und seine Musik erntete grossen Beifall. Als man aber die Partitur stechen liess, verlangte der Autor, dass man dem Werke folgende, unserem Gluck zur Ehre gereichende Nachricht an den Leser vorsetzen sollte:
»Nicht ohne ein gewisses Grauen nahm ich den Vorschlag an, den Text der Oper ›Orfeo‹ von dem berühmten Dichter Calzabigi in Musik zu setzen, nachdem der Ritter Gluck diesen Text bereits mit dein glücklichsten Erfolge behandelt und sich den Beifall aller Nationen erworben hatte. Als ich mich dieser Arbeit unterzog, vermisste ich zwar sehr schmerzlich die Hülfe des Dichters, welchen ich mancher nöthiger Dinge wegen gern zu Rathe gezogen hätte. Mich begünstigte jedoch der glückliche Umstand, dass ich Gluck's Partitur vor Augen hatte, wornach auch ich den von ihm verfolgten Weg einschlagen konnte. Ich überlasse es nun Männern von richtiger und zarter Unterscheidungsgabe, um über die Verschiedenheit zwischen beiden Arbeiten ein Urtheil zu schöpfen.
Der Erfolg meines Werkes hat alle meine Erwartungen über troffen, und ich habe desshalb an den Veranlassungen, dasselbe im Stich herauszugeben, keinen weiteren Anstand genommen. Auch würde ich mich sehr glücklich fühlen, wenn ich, wie der Ritter Gluck, zwar nicht den Beifall anderer Nationen, sondern lediglich einen Theil jener Nachsicht erhalten könnte, deren Venedig mich gewürdiget hat. Als Preis meiner Bescheidenheit habe ich nur von den Herausgebern verlangt, dass diese Nachricht dem Werke vorangesetzt werde, um demjenigen[229] Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, dem sie gebührt, und mich zugleich vor jeder Zumuthung der Eitelkeit, eines meinem Charakter ganz fremden Fehlers, zu verwahren.
Noch verdient in diesem Vorworte der Umstand angeführt zu werden, dass ein geschickter Componist, der bereits, viele Opern-Dichtungen, in denen ein Vinci, Jomelli, Buranello, Hasse u.A. alle Reichthümer ihrer Kunst entfaltet haben, ohne Zittern in Musik gesetzt hat, doch ein gewisses Grauen empfand, nach Gluck den ›Orfeo‹ noch einmal zu setzen; dass er sich glücklich schätzte, dessen Partitur vor Augen zu haben, um den Gang und die allgemeine Anordnung, die Gluck sich vorgezeichnet hatte, verfolgen zu können; dass er ferner die Absichten, die Bewegungen, ja selbst die Motive der interessantesten Stücke des Originals nachahmte, und dass diese Nachahmung selbst bei den Italienern, die nur Neuigkeiten zu wünschen und zu vertragen scheinen, noch jetzt grossen Beifall findet. Ich begnüge mich diese Thatsache angeführt zu haben, und überlasse es allen geistreichen Menschen, daraus ihre Folgerungen zu ziehen.«4 –
Im Jänner des Jahres 17755 wurde Gluck's »Iphigénie,« mit deren Darstellung man durch einige Zeit innegehalten hatte, von der königl. Akademie der Musik neuerdings und mit grösserer Sorgfalt als früher aufgeführt. Obschon diese Oper sich auch jetzt einer grossen Theilnahme zu erfreuen hatte: so waren Viele über den wahren Werth der Gluck'schen Musikgattung noch immer nicht in's Klare gekommen. Sacchini's und Piccini's Enthusiasten wollten darin nur eine geräuschvolle Instrumentation[230] und wunderliche Ideen ohne Geschmack, Genie und selbst ohne musikalischen Ausdruck gefunden haben. Sie waren schamlos genug, öffentlich zu bekennen, dass Gluck's Musik das aufgewärmte System Lully's sei, aus welchem man bloss einen Theil der, den Werken der alten Tonsetzer anklebenden Eigenschaften des Adels, der Grazie und der Abwechslung entfernt habe. (!)
Die Vertheidiger des deutschen Tonmeisters behaupteten gerade das Gegentheil. Sie priesen Gluck als den Ersten, der den wahren Charakter der dramatischen Musik richtig aufgefasst und es allein verstanden habe, mit geringen Mitteln die grössten Wirkungen hervorzubringen, und der Harmonie den höchsten Ausdruck zu verleihen.
Diese gewiss einsichtsvollere Parthei fand als Stütze ihrer Behauptungen noch andere Hilfstruppen in der dialektischen Beredsamkeit des geistreichen Abbé Arnaud, in den schönen Armen der Dem. Arnould, in Legros herrlichem Gesangsorgane und in Larrivée's vortrefflichem und warmen Spiele.
Die bedeutendste Veränderung, die man bei der Wiederaufnahme der »Iphigénie« in dem Gedichte vornahm, bestand darin, dass in der Entwicklungsscene die Göttin Diana selbst, und zwar von einer, in rosigem Glanze strahlenden Wolke getragen, erschien, um den Streit zwischen Calchas und Achilles beizulegen. Die Ankunft der Göttin machte jedoch, ungeachtet der reichen, sie umgebenden theatralischen Ausstattung, keinen erheblichen Eindruck, weil entweder das Schauspiel zu schnell vorüberging, oder weil die dabei betheiligten Zeugen sich darum nur wenig zu bekümmern schienen: denn je mehr ein Stück scenischen Prunk enthält, desto weniger überrascht er, wenn er mit der Wahrheit des Ganzen nicht im Einklange steht.
Waren übrigens die Stimmen über Gluck's »Iphigénie« noch immer getheilt, fügt Grimm boshafter Weise hinzu, so vereinigten sie sich doch in einer, wenn auch unbedeutenden Scene, an dem Tage, wo die Königin das Theater besuchte, bei dem auf sie anspielenden Schlusschor: »Chantons, chantons notre reine, \ Et que l'hymen qui l'enchaîne, \ Nous rend à jamais[231] heureux.« – Die Versammelten brachen einstimmig in den lautesten Jubel aus. Der Chor musste wiederholt werden, und Aller Augen waren natürlich auf die schöne Herrscherin gerichtet, welche diese Huldigung jedesmal mit der liebenswürdigsten Verlegenheit und Anerkennung aufnahm.
Gluck's Pariser Triumphe waren bald nach Wien gedrungen. Die Bewohner der österreichischen Residenz freuten sich darüber mit gerechtem Stolze, so nicht minder der allerhöchste Hof, bei welchem unser Gluck einen hohen Grad von Beliebtheit gewonnen hatte. Die grosse Kaiserin Maria Theresia ernannte ihn zu ihrem Kammer-Compositeur mittelst Dekrets vom 18. Oktober 1774, folgenden Inhalts:
»Von Ihrer Majestät der Kaiserin, Königin Maria Theresia etc. Unserer allergnädigsten Frau wegen, dem Chevalier Gluck in Gnaden anzufügen:
Allerhöchstgedacht I. k.k. apost. Majestät hätten demselben in Ansehung seiner in der Musik besitzende gründliche Kenntnisse, und dargethanen besonderen Geschicklichkeit, wie auch in verschiedenen Compositionen erprobten Fähigkeit, die Stelle eines k.k. Compositeurs mit einem aus dem k.k. Univ. Kameralzahlamte zu beziehen habenden Gehalte von Zweitausend Gulden dergestalt allerhuldreichst zu verleihen geruht, dass er seine sich eigen gemachte ausnehmende Kunsterfahrenheit mit allmöglicher Beflissenheit erweitern und sich somit als wirklicher kaiserl. königl. Hofcompositeur selbst tituliren und schreiben, wie auch von Jedermann dafür angesehen, geachtet und benamset werden möge und solle.
Welchemnach ihm, Chevalier Gluck diese allerhöchstgefällig geschöpfte Entschliessung zur gehorsamsten Nachricht und Berechtigung auf allerhöchsten Befehl hiermit in Gnaden bedeutet wird.
Uebrigens verbleibe I. k.k. Majestät demselben mit[232] kaiserl. und königl. Huld und Gnade zugethan: Signatum Wien, am 18. Monatstag Oktober des 1774. Jahres.«
Fürst
Joseph Khevenhüller-Metsch m.p.
(L.S.)
Auf I. k.k. apost. Majestät,
allerhöchst eigenen Befehle
Johann Franz Michael
von Kynmayer
k.k. wirkl. Hofrath.
Gluck's Ruf war nun so fest gegründet, dass man kaum einen andern Tonsetzer neben ihm zu nennen wagte. Man bewarb sich auf das eifrigste um die Gunst, zu den Proben seiner Werke zugelassen zu werden, wie man in Paris sonst nur zu einem sehr guten Schauspiele zu thun pflegte. Die Generalproben, der Opern »Orfeo« und »Alceste« waren die ersten, zu denen man in Paris den Zutritt gestattete, und der Andrang zu denselben war so gross, dass Tausende von Neugierigen zurückgewiesen werden mussten. Diese Proben hatten auch in der That viel Anziehendes, und zwar sowohl durch die Eigenthümlichkeiten des Tonsetzers, durch dessen Laune, dessen zwangloses und muthvolles Benehmen, als auch durch die Neuheit seiner Musik. Da sah man grosse Herren, ja Prinzen, sich herandrängen, um dem Tonmeister am Schlusse der Probe den Oberrock, die Perrücke oder den Stock zu reichen: denn Gluck pflegte, um in keiner seiner Bewegungen gehindert zu seyn, vor dem Beginn einer jeden Probe alle diese Gegenstände gewöhnlich abzulegen und eine Schlafmütze aufzusetzen, als befände er sich allein auf seinem Zimmer.6
In dieser Zeit lernte Gluck auch die berühmte Schriftstellerin Frau Gräfin von Genlis7 kennen. Diese geistreiche[233] Frau war eine grosse Freundin der Tonkunst, sang schön, spielte meisterlich die Harfe und musste sehr oft mit ihrem, von diesem Instrumente begleiteten Gesange, die Königin unterhalten. Als Gluck nach Paris kam, suchte sie selbst auf das angelegentlichste seine Bekanntschaft. Die Logen des Palais Royal stiessen so an die Zimmer des Palastes, dass, wenn sie zum Speisen ging, sie nur noch eine Thür des Speisesaales zu öffnen brauchte, um in eine der königl. Logen zu gelangen. Diese Bequemlichkeit, ihr leidenschaftlicher Hang zur Musik, so wie das ausserordentliche Vergnügen, Gluck zu sehen, wie er bei allen Wiederholungen gegen die Schauspieler und Musiker in Zorn entbrannte, und Allen dabei den vortrefflichsten Unterricht ertheilte, bewogen sie, jeden Nachmittag in Einer dieser Logen zuzubringen. Endlich wollte sie auch die Vorstellungen sehen. So verfloss ein grosser Theil ihres Lebens in der Oper.
Gluck kam zwei- bis dreimal in jeder Woche mit den Tonsetzern Monsigny und Mondonville, und mit dem berühmten Violinspieler Jarnowick (Giarnovicchi) zu ihr, um bei ihr Musik zu machen. Er lehrte sie seine schönsten Arien singen und seine Ouverturen auf der Harfe spielen, besonders die »Iphigénie en Aulide,« die sie über alles liebte. Gluck selbst sang oft bei ihr. Ohne Stimme, erzählt sie, und ohne eben eine sehr grosse Fertigkeit auf dem Flügel zu besitzen, war Gluck doch sehr hinreissend, wenn er seine Arien sang. Man fühlte sich bis in das Innerste gerührt und lange nachher tief erregt.
Man kann sich leicht vorstellen, dass sie sich als eine Gluckistin erklärte, und dass sie alle Streitigkeiten über Gluck und Piccini zwischen den Gelehrten, die, ihrem Geständnisse nach, auch nicht ein Wort von Musik verstanden, später verspottete. Dieses schuf ihr die ersten Feinde in der Literatur: denn sie galt in geselligen Kreisen als eine musikalische Autorität, und die Gluck'schen Literatoren, obschon sie von ihrer Parthei war, verschonten sie aus dem Grunde nicht, weil sie sich über diese Herren lustig machte. Allein die meisten vertheidigten Gluck auch in so lächerlicher Weise,[234] dass diese von ihr eben so wenig, als seine Gegner geschont wurden.
Auch Voltaire war ein grosser Verehrer der Gluck'schen Muse. Merkwürdig ist es, wie er dieser Neigung wegen sich in einem Schreiben an die Marquise du Deffan,8 welche, als Piccinistin, ihm wahrscheinlich desshalb Vorwürfe gemacht hatte, zu entschuldigen sucht:
»Ferney, den 25. Jänner 1775.
Verzeihung, Madame, für Gluck, oder vielmehr für den Ritter Gluck! Ich glaubte Sie in Kenntniss gesetzt zu haben, dass eine Dame von eben so hoher Schönheit, als trefflicher Stimme, welche jener der Dem. Le Maure nichts nachgibt, mir ein gemessenes Recitativ von diesem Reformator vorgesungen und damit ein unendliches Vergnügen gewährt hat, obschon ich eben so taub als blind bin, wenn der Schnee die Alpen und den Berg Jura versilbert.
Ich bitte Sie um Verzeihung, wenn ich bei Gluck's Schöpfung einiges Vergnügen empfand. Es ist möglich, dass ich Unrecht hatte; es ist möglich, dass die übrigen Werke dieses Meisters von weit geringerer Schönheit seyn werden. Uebrigens fühle ich, dass es doch die Musik ist, welche bei meinem geringen Antheil an Fantasie in Sachen des Geschmacks auf mich wirkt; daher werde ich die schönsten Stücke eines Lully's, trotz allen Glucks in der Welt, nicht weniger lieben.« –
Am 27. Februar des Jahres 1775 wurde bei Gelegenheit des Festes, das der französische Hof zu Ehren des Erzherzogs Maximilian feierte, zu Versailles Gluck's einaktige Operette: »L'Arbre enchanté« – aufgeführt. Sie hatte nur einen[235] vorübergehenden Erfolg, obschon manche liebliche Nummer darin gefunden wird.9
Die Tonsätze dieses Stückes sind der Ordnung nach folgende:
Nr. 1 und 2. Die Operette beginnt mit einer lebhaften Ouverture in B maj. Allegro. Sie ist in zwei Sätze getheilt, deren erster, im Takt, nach 68 Takten in ein Tempo di Menuetto übergeht, das aus vier Theilen besteht, denen sich ein Prestissimo in B maj. 2/4 Takt, in zwei Abtheilungen anschliesst. Alle diese Sätze werden vom Streichquartett, Corni, Oboi undFagotto ausgeführt.
Nr. 3. Ariette im Altschlüssel, Andante grazioso in B maj. Takt: »Près de l'objet qui m'enflamme« –, worin Lubin, unter dem Namen Pierrot seine Liebe zu Claudine gesteht, die ihr Vormund Thomas sorgfältig bewacht, indem er sie selbst zu heirathen gedenkt. Mit Streichquartett, Oboe und Fagotto.
Nr. 4. Ariette des Lubin in C maj. Takt, Moderato: »Elle fixe mes désirs« – mit Streichquartett,Corni, Oboi und Fagotto. Beide Arien sind sehr einfach.
Nr. 5. Dialogisirter Satz zwischen Blaise (Tenor) und Lubin, Allegretto in D maj. 2/4 Takt: »On amorce le poisson« – mit Streichquartett und Fagotti. In dem Hanuscripte steht dieser Gesang in. A maj. 3/8 Takt.
Nr. 6. Ariette des Lubin in G maj. 3/4 Takt, Andante: »Du jeune objet que j'adore« – mit Streichquartett, Oboi, Corni und Fagotto. Die Melodie ist sehr angenehm.
Nr. 7. Ariette der Claudine (Sopran), Allegro in G maj. [236] 3/8 Takt: »Si l'amour étoit un crime« – mit Streichquartett und Fagotto. Sie ist heiteren Charakters, und in der Handschrift in F maj.
Nr. 8. Duett zwischen Claudine und Lubin, grazioso espressivo in C maj. 3/4 Takt: »Est-il un plus cruel martire« – mit Streichquartett, Clarinetti, Corni und Fagotto. Der kurze Satz besteht nur aus zwei Abtheilungen, und die Stimmen bewegen sich zumeist in Terzen und Sexten.
Nr. 9. Ariette der Lucette (Sopran), brillantes Allegro in B maj. C Takt: »Pour me plaire il faut qu'un amant« – mit Streichquartett und Fagotti.
Nr. 10. Ariette de Thomas (Bass), Allegro in G maj. 2/4 Takt: »Je prétends que dans ce jour« – mit Streichquartett, Fagotto und obligater Flöte. Fröhlichkeit spricht sich in dem Tonstücke aus.
Nr. 11. Ariette der Claudine, Moderato in G maj. Takt: »Que l'objet, qui m'engage« – mit Streichquartett, Clarinetto, Corno und Fagotto. Dieser schöne Gesang ist elegischer Natur und im Manuscripte in Es maj.
Nr. 12. Noch eine Ariette der Claudine, Allegretto in B maj. 3/4 Takt: »Pierrot ne se trompe pas« – mit Streichquartett und Fagotto. Im Manuscript in F maj.
Nr. 13. Ariette des Lubin, Poco Andante in C min. 2/4 Takt: »Ah, Monsieur Thomas!« – mit Streichquartett und Fagotto. Der Satz ist komisch gehalten, und findet sich im Manuscripte in A min.
Nr. 14. Ariette des Thomas in demselben Charakter, un poco Andante in B maj. 2/4 Takt: »L'Aventure est très comique« – mit Streichquartett, Oboi und Fagotto.
Nr. 15. Duett zwischen Claudine und Lubin, Allegretto in C maj. 3/4 Takt: »Je me souviens de ma sottise« – mit Streichquartett und Fagotto. Einfacher und anspruchsloser Gesang. Im Manuscripte A maj.
Nr. 16. Ariette der Lucette, Andante in B maj. 3/4 Takt: »Ma soeur et ce garçon pour sortir d'esclavage« – mit Streichquartett, Corni und Fagotto.
[237] Nr. 17. Ariette des Blaise, Andante in F maj. 6/8 Takt: »Toujours par filette« – mit Streichquartett und obligater Flöte, welche der Nachtigall nachahmt. Der Gesang ist ländlich und heiter, an das Burleske streifend.
Nr. 18. Schluss-Chor, oder Quartett der handelnden Personen in B maj. 2/4 Takt: »Chantons tous en ce jour les doux plaisirs de l'amour« – mit Streichquartett, Corni, Oboi und Fagotti.
Mit Lorbeerkränzen geschmückt und mit Gold überhäuft, kehrte Gluck wieder nach Wien zurück, um auch seine übrigen Opern für die französische Bühne einzurichten.
Gluck reiste mit seiner weiblichen Begleitung über Strassburg, wo er das Vergnügen genoss, eine kurze Zeit in Klopstock's Gesellschaft zu verleben, mit dem der geniale Tonsetzer fortan im freundlichsten Verkehr geblieben ist. Ueber diese Zusammenkunft schreibt Petersen10 aus der genannten Stadt, datirt vom 9. März 1775, an Merck folgendes: »Eine empfindliche Freude für Klopstock war es, dass er den Ritter von Gluck und dessen Nichte etliche Stücke aus der ›Hermannsschlacht‹ und seinen Liedern, von Gluck und Bach vortrefflich in Musik gesetzt, meisterlich spielen und singen gehört.« –
Klopstock, entzückt über den wunderherrlichen Gesang der jungen Sängerin, gab unserem Gluck acht Tage später ein Stelldichein zu Rastadt, wo er in einer glänzenden Gesellschaft eine kleine Galanterie ausübte, die ein nicht unbedeutender Beweis ihres ausserordentlichen Verdienstes ist. Der grosse Dichter setzte in dieser Gesellschaft folgenden Revers auf, den das Fräulein von Gluck nebst allen anwesenden, zum Theil auch durchlauchtigen, Zeugen beiderlei Geschlechtes unterschrieb:[238]
»Ich Endes Unterschriebene, Bezauberin des heil, römischen Reichs, wie auch des unheiligen gallikanischen Reichs, urkunde und bekenne hiermit, wasmassen ich Klopstock'en versprochen habe und verspreche, dass, sobald ich Erzzauberin in die Erzstadt des Erzhauses, Wien genannt, zurückgekehrt bin, und mich alldort drei Tage und drei Nächte hinter einander von meiner Reise verpustet habe, ich sofort und ohne Verzug, wie auch ohne ferneren Aufschub ihm zusenden will: 1. Die Arie, in welcher Orpheus derEuridice nachruft, 2. die Arie, in welcher Alceste ihren Kindern nachruft; und dass ich unter jede dieser Arien setzen will einige Worte, in welchen enthalten seyn soll, so viel nämlich davon in Worten enthalten seyn kann, die Art und Weise, Beschaffenheit und Eigenthümlichkeit, und gleichsam die Schattirung meines musikalischen Zaubervortrags, damit benannter Klopstock diese meine Worte, benebst den Arien, seinerseits wieder zusenden könne seiner Nichte zu Hamburg, welche, seinem Vorgeben nach, der Zauberei auch ergeben seyn soll. Urkundlich geschehen zu Rastadt am 17. März 1775.«11
In Beziehung auf diesen Vertrag schrieb Gluck am 24. Juni desselben Jahres folgenden Brief an Klopstock.12
»Ich hoffe sie werden Von dem Hrn. Graffen von Cobentzl die Verlangte Arien richtig Erhalten haben, ich habe selbige durch diese gelegenheit wegen Erspahrung derer Postspesen ihnen geschickt, die anmerkungen habe ich müssen wecklassen, weilen ich nicht wuste mich ausszudrücken, wie ich Es Verlangte, ich glaube, Es würde ihnen Eben so schwer vorkommen, wan sie sollten jemanden durch Brieffe belehren, wie, und mit was vor Einen aussdruck Er ihren Messias zu declamiren hätte, alles dieses bestehet in der Empfindung, und kan nicht wohl explicirt werden, wie sie bässer wissen, als ich; –[239] Ich Ermangle zwar nicht zu pflantzen, aber handlen habe bis dato noch nicht können, dan kaum war ich in Wien angekommen, so verreiste der Kaiser, und ist noch nicht zurücke gekommen, über dieses muss man auch annoch die gutte Virtlstunde beobachten, umb Etwas effectuiren zu können, bey grosen Hoffen findt man selten gelegenheit Etwas guttes anzubringen, indessen höre ich dannoch, das man will Eine Academie der schönen Wiessenschafften allhier Errichten, und das der Eintrag Von denen Zeitungen, und Calendern soll Eineportion des fondi aussmachen, umb die Kosten zu bestreitten; wan ich werde bässer Von der sache unterrichtet seyn, werde nicht Ermangeln ihnen alles zu berichten. Indessen haben sie mich Ein wenig lieb, bies ich wiederumb so glücklich bin sie zu sehen. Mein Weib und Tochter machen ihnen Ihre Complimenten und freyen sich sehr Von ihnen Etwas zu hören, und ich Verbleibe dero
Ihnen Ergebenster.
Gluck.«
Klopstock hatte schon vor Jahren in Erfahrung gebracht, dass Gluck sich nicht nur mit dessen Oden, sondern auch mit der dramatischen Dichtung »Die Hermannsschlacht« emsig beschäftige. Dieses bezeugt folgende Stelle aus einem der Briefe des Ersteren an Gleim: »Gluck in Wien, der, nach dem Ausspruche eines grossen Kenners, der einzige Poet unter den Componisten ist, hat einige Strophen aus den Bardengesängen mit dem vollen Tone der Wahrheit ausgedrückt. Ich kenne zwar seine Composition noch nicht; aber Alle, die sie gehört haben, sind sehr dafür eingenommen.«13 –
[240] Gluck wurde, als er von seinem ersten Pariser Ausfluge wieder in Wien anlangte, mit lautem Jubel empfangen, und der Dichter Haschka besang sein »Willkommen aus dem Frankenlande.« –
Am 11. August eben dieses Jahres wurde Gluck's dreiaktiges Opern-Ballet: »La Cythère Assiégée« von der königlichen Akademie der Musik in die Scene gebracht. Dieses Stück erzeugte nur eine geringe Wirkung; wahrscheinlich hatte man in des Tonsetzers Abwesenheit nicht den zur Aufführung desselben erforderlichen Fleiss verwendet. Der Abbé Arnaud sagte bei dieser Gelegenheit zu Gluck's Entschuldigung: »Hercules sei weit geschickter die Keule zu schwingen, als die Flinte zu handhaben.« – Andere äusserten sich über diese Oper, dass die Handlung derselben den Franzosen nicht nur frostig, sondern auch dass die Musik in einem, dem Gluck'schen kaum ähnlichen Style geschrieben zu seyn schien; auch die, in mehreren Arien enthaltenen Bravourstellen bestärkten sie in dieser Meinung.14
Die Personen des Stückes nennen sich:
Daphné, Doris, Cloé, Carité (sämmtlich Soprane), Barbarin und Brontés (Bässe), Olgar (Alt), Chöre der Nymphen, Hirtinnen und Scythen.
Die Tonstücke sind der Ordnung nach folgende:
Die, am Schlusse der Partitur in einzelnen Stimmen angebundene Ouverture ist ein munterer Satz in C maj. Takt für Streichquartett, Oboi, Corni, Flauti, Trompetten und Pauken, mit einem kurzen zweiten Satze im 3/8 Takte.
[241] I. Akt. No. 1. Chor und Tanz, welcher ein Fest zu Ehren des Adonis feiert. Das Tonstück ist ein Andante in E maj. 3/4 Takt: »Habitans de ce doux Empire« – mit Streichquartett, Oboe und Clarinetto; dem Chore folgt ein kurzes Recitativ der Daphné, das ein Gebet an die Venus enthält.
2. Tanzmusik in zwei Sätzen, und zwar ein Un poco Andante, in A maj. 3/8 Takt und ein anderes inA min. Takt; ersteres für Streichquartett, Oboe solo und Fagotto, das Andere für Streichquartett und Clarinetto.
3. Arie der Cloé, Andante grazioso in F maj. Takt: »Que tous les amans réunis« – mit Streichquartett und Corni. Die Melodie dieses Tonstückes, im damaligen französischen Geschmacke, ist sehr angenehm.
4. Tanzmusik, die ein Andante in B maj. 3/8 Takt für Streichquartett, Corni und Fagotto, und ein anderes in G min. 3/4 Takt für Streichquartett und Clarinetto umfasst.
5. Kurzer, lieblicher Gesang der Doris mit Tanz,Andante in B maj. 3/8 Takt: »Adonis est fait pour charmer« – mit Streichquartett, Corni und Fagotto.
6. Tanzmusik: Grazioso in B maj. Takt, dem zwei Menuetti in Es maj. 3/4 Takt, und dann einpoco lento, ebenfalls in derselben Tonart Takt, und ein Allegretto in B maj. 2/4 Takt folgen. Diese Tonstücke werden vom Streichquartette, dem abwechselnd Oboi, Corni oder Fagotti beigegeben sind, ausgeführt.
7. Bravour-Arie der Daphné, Dolce appoggiato inF maj. 3/8 Takt: »Ah! quel bonheur d'aimer« – mit Streichquartett und Flauti. Die, das Glück der Liebe preisende Singstimme concertirt mit den Violinen in ganz eigenthümlicher Weise. Ein Tanz in C maj. 2/4 Takt, für Streichquartett, Oboe, Fagotto und zwei Trompetten schliesst den Satz. Die Texte der letzteren drei Arien haben dem Tonsetzer Gelegenheit zu einem bestimmten Ausdrucke geboten.
8. Recitativ und Arie der Carité, Andante moderato in B maj. Takt: »Sous un ormeau je reposerois« – mit Streichquartett und Clarinetti. Sie hat mehr Ausdruck, als die früheren, weil die Worte der Dichtung mehr Veranlassung dazu geben.[242] Ihr folgt ein kurzes instrumentirtes Recitativ zwischen Cloé undCarité; dann
9. Arie der letzteren, Moderato in C min. 3/8 Takt: »Le Barbare me déclare« – mit Streichquartett, Oboe solo und Corni. Sie ist eine Erzählung ohne besondere Kraft im Vortrage, obschon gut instrumentirt. Ein kurzes Recitativ zwischen Doris und Carité schliesst diese Nummer.
10. Die folgende Arie der Daphné, Allegro in B maj. C Takt: »Dieu puissant! embrase de ta flamme« – mit Streichquartett, Corni und Fagotti, enthält viel Bravour; sie ist demnach wahrscheinlich, gleich mehreren in dieser Oper, seinen älteren Arbeiten entnommen.
11. Kurzes Sopran-Quartett in B maj. 2/4 Takt: »Songeons à nous défendre« –, das ein kurzer Chor mit Streichquartett, Oboi, Clarinetti, Corni und Fagotti schliesst.
II. Akt. No. 12. Recitativ und Cavatina desBarbarin, Allegro in G maj. Takt: »Cette injure n'est pas pour nous« – mit 2 Violinen, Basso, Oboe und Clarinetto. Der kurze Satz ist im Humor des Textes geschrieben und hat mit dem Gesange des Calenders in der Oper: »Die Pilgrimme von Mekka« »Unser dummer Pöbel meint« – einige Aehnlichkeit.Olgar schliesst mit einem Recitative.
13. Arie des Letzteren, Allegro in A maj. 3/8 Takt: »Brontés ce Chef intrépide« – mit Streichquartett, dann ein Recitativ mit einer zweiten Arie, Andante inC min. C Takt: »Quelle étoit mon erreur« – mit Streichquartett und Fagotti, wozu später noch Corni treten. Diese Scene trägt das Gepräge einer höheren Schreibart in sich, und drückt die Rohheit der siegenden Scythen vortrefflich aus.
14. Marsch in F maj. Takt, für Streichquartett,Oboe, Carni, grosse Trommel und Piatti. AnfangsBasso solo mit dem Textanfange: »A moi fiers soldats!« – dann Chor der Scythen in D min. C Takt: »Mars! o Mars! Dieu de la guerre!« – mit hinzutretenden Oboi und Clarinetti. Alles trägt einen rauhen, aber grossartigen Charakter.
15. Balletmusik, Maestoso in C maj. C Takt, für Streichquartett[243] und Corni; dann Duo zwischen Olgar und Brontés in C maj. C Takt: »Que tous nos guerriers« – mit Streichquartett, Oboi, Clarinetti, Fagotti, Corni und türkischer Trommel, ganz im Geiste des vorhergehenden Tonstückes.
16. Arie der Daphné in F maj. 3/8 Takt: »Quelle audace soldats conduit« – mit Streichquartett, Clarinetti und Corni und Bravour.
17. Kurzes Recitativ und Ariette des Barbarin in A maj. 3/4 Takt: »Mais des Chefs tels que vous êtes« – mit Streichquartett, im Style der französischen Chansons geschrieben.
18. Ariette der Daphné, Andante in G maj. C Takt: »On s'arrache la victoire« – mit Streichquartett, im Style des vorigen Tonstückes. Ein Recitativ folgt.
19. Kurzes Arioso zwischen Olgar und Doris, Vivace in F maj. 6/8 Takt: »D'où naît le transport qui m'agite« – mit Streichquartett und Fagotti; dann Quartett und Chor, Andante in G min. C Takt: »N'écoute rien que la vengeance« – mit Streichquartett, Oboe, Corni und Fagotti. Diesem Chor ist der Stempel der Originalität aufgedrückt, und es wechselt derselbe mit den Solostimmen in sehr interessanter Weise ab.
20. Arie der Doris, Moderato in F maj. 3/4 Takt: »Nous soumettrons le plus farouche« – mit Streichquartett und Flauti. Der Satz hat eine schöne Melodie mit einem beweglichen Bass, und die Flöten gehen in der Oktave mit den Violinen. Der Chor wird mit einigen Veränderungen und Abkürzungen wiederholt. Ein kurzes Recitativ bildet den Schluss.
21. Ariette der Doris, Andante in F maj. 3/4 Takt: »Nous résistons à qui nous brave« – mit Streichquartett und Flauti; ganz wie No. 20, jedoch ohne Ritornell.
22. Duo zwischen Olgar und Doris, Andante in G maj. Takt: »Méprisons ces perfides charmes« – mit Streichquartett, Corni und Fagotti. Der vorige verkürzte Chor wiederholt sich.
23. Ein zweites Duo derselben Personen in F maj. 2/4 Takt: »Ah cruelle infidelle!« – mit Streichquartett. Der Satz ist schön und das Ganze von hoher Wirkung.
24. Arie der Doris, Legèrement in F maj. 3/4 Takt: »Quoi?[244] déja tu sens des alarmes« – mit Streichquartett. Sie geht in ein kurzes Duett mit Olgar über, und schliesst mit einem Recitativ.
25. Kurzer zweistimmiger Chor der Nymphen in G maj. Takt: »Triomphez Nymphes charmantes!« – mit Streichquartett, Oboi, Clarinetti und Corni.
26. Kurzes Recitativ und Arie des Olgar, marschartiges Zeitmass in A maj. Takt: »Je sens naître dans mon coeur une flamme« – mit Streichquartett; am Schlusse ein Recitativ von 6 Takten. Das Motiv dieser Arie ist schön durchgeführt, die Begleitung aber scheint den Worten nicht ganz angemessen zu seyn, ein Umstand, der in Gluck's Werken selten vorkommt. Es lässt sich daher vermuthen, dass dieses Tonstück früher eine andere Wortunterlage gehabt habe.
27. Arie des Brontés, Andante in G maj. Takt: »Enfans de la victoire! accourrez« – mit einem grossen Doppelchore der Nymphen und Scythen, vom Streichquartett, Oboi, Flauti, Corni, Trompetten und Pauken begleitet – ein Satz, der mit seinem vollen Orchester bei der Aufführung gewiss von grosser Wirkung seyn muss.
II. Akt. No. 28. Recitativ und kurze Arie desBrontés, Moderato in A maj. Takt: »Pour ma gloire quel affront« – mit Streichquartett und Oboi. Der Satz ist merkwürdig in Melodie und Harmonie und für einen Scythen höchst charakteristisch.
29. Recitativ zwischen Cloé und Brontés, und Bravour-Arie der Cloé, Allegro in C maj. 3/4 Takt: »Mon coeur se plait au bruit des armes« – mit Streichquartett, Clarinetti, Oboi und Corni; als Schluss ein kurzes Recitativ.
30. Duo zwischen Cloé und Brontés, Allegro un poco in G maj. Takt: »Arrachez moi de ces affreux climats« – mit Streichquartett, Oboi und Fagotti. Beide Stimmen verfolgen einander in gut erfundenen Nachahmungen.
31. Instrumentirtes Recitativ und Duo derselben Personen in D maj. 3/4 Takt: »Que fais tu donc? Paix enfin!« – mit Streichquartett, Clarinetti und Fagotto solo. Dieses Tonstück ist in jeder Beziehung eines der vorzüglichsten in der ganzen Oper.[245]
32. Kurzes Recitativ und Quatuor zwischen Cloé, Doris, Olgar und Brontés, Andante in B maj. 3/4 Takt: »Le Dieux dans leur grandeur suprème« – mit Streichquartett, Flauti, Corni und Fagotti. Das Ganze ist überaus gefällig.
33. Instrumentirtes Recitativ der Daphné in F maj. C Takt: »Que le calme régne« –, dem ein kurzer, aber sehr hübscher Marsch in C maj. für Streichquartett, Oboi, Clarinetti, Corni und Fagotti folgt.
34. Chor mit Soli der Cloé, Carité, Doris, Olgar und Brontés, Allegro in C maj. Takt: »Ici mille plaisirs suivent« – mit Streichquartett, Flauti, Oboi, Corni, Trompetten und Pauken. Das Tonstück ist gut erfunden und auch gut durchgeführt.
35. Entrée und Tanz der Hirten; Gigue in F maj. 6/8 Takt, mit Streichquartett und Corni.
36. Ariette der Daphné, Allegretto in B maj. C Takt: »Nymphes chantez victoire« – mit Streichquartett, Oboi und Corni. Gluck nennt dieses Tonstück sonderbarer Weise »Ariette;« sie ist aber die grösste Bravourarie der ganzen Oper mit sehr schwierigen Figuren, aber angenehmer Melodie. Noch muss bemerkt werden, dass diese Arie mehrere Stellen im Staccato ganz in der Weise jener der Königin der Nacht in der »Zauberflöte« mit dem Stimmumfange
enthält.
37. Balletmusik der Hirten; ein munterer Marsch für Streichquartett, Oboi, Corni und Flauti, mit einem Minore.
38. Arie der Cloé, Moderato in Es maj. 3/4 Takt: »L'aimable paix régne en ces asyles« – mit Streichquartett, Flauto solo, Oboi und Fagotti. Die Singstimme ist durchaus concertirend mit den Blaseinstrumenten gehalten.
39. Balletmusik, bestehend in einer Passecaille inD maj. Takt, für Streichquartett, Oboi und Corni; dann einer Gavotte, Grazioso in A maj. Takt, für dieselben Instrumente, die mit einem Satz in D maj. 3/4 Takt schliesst.[246]
Obschon Gluck sämmtliche hier aufgeführte Balletmusik geschrieben hat, so wurde dennoch bei der Aufführung, weil es dem Könige des Tanzes an der Akademie der Musik vielleicht so gefiel, um seine Kunst auch in einer Gluck'schen Oper glänzend zu bewähren, dort, wo der Marsch beginnt (No. 37), eine Musik von Berton in Anwendung gebracht.
Die »Cythère Assiégée« stammt wirklich aus einer älteren Periode, und wurde von Gluck nur theilweise umgearbeitet, um der Akademie der Musik als Lückenbüsser zu gelten, bis er mit einem neuen, grösseren Werke angelangt seyn würde.
Favart, der Dichter der Worte, besang Gluck's Musik in einem kleinen Gedichte.15
1 | S. Grimm et Diderot, Correspondance. II. Edition. Vol. VIII. p. 390 etc. – |
2 | Den Titel der französischen, ebenfalls zu Paris im Stich erschienenen Bearbeitung lieferten wir bereits oben, wovon der Wiener Vorstellung des »Orfeo« die Rede war. Der Tonsetzer hat diese Ausgabe der Königin zugeeignet. Das 3. Blatt enthält eine poetische Epistel an dieselbe von dem Bearbeiter des Calzabigi'schen Textes, Moline, und die Kehrseite das Argument der Oper. |
3 | Ferdinando Bertoni, geboren zu Salò im J. 1727, † zu Venedig im J. 1800, war ein Schüler des berühmten P. Martini. Er schrieb viel für die Kirche, Kammer und das Theater. Die Werke der ersteren Gattung werden noch geschätzt. |
4 | S. Mémoires pour servir à l'histoire de la Révolution opérée dans la Musique par M. le Chevalier Gluck. Naples 1781. 8. p. 474 – und: Siegmeyer's Uebersetzung dieses Werkes. Seite 374. |
5 | S. Grimm et Diderot, Correspondance. II. Edit. Tom. VIII. p. 427 etc. – |
6 | S. Fétis, Dictionnaire hist. de Musiciens célèbres. Artikel: »Gluck.« |
7 | S. deren Mémoires inédits sur le XVIII. Siècle. Paris, 1825. II. Edition. T. II. p. 264 etc. |
8 | S. Voltaire. Oeuvres complètes. Tome 63.Paris 1785. p. 16. |
9 | Der Titel des gestochenen Klavier-Auszuges lautet: »Arbre Enchanté. Opéra comique en un Acte de Mr. Vadé, dédié à Monsieur, Frère du Roy. La Musique par M. le Chevalier Gluck. Mis en Vers et en Ariettes, par Mr. Moline. Représenté à Versailles devant leurs Majestés le lundi 27. Février 1775 pour la Fête que Monsieur a donnée à l'Archiduc Maximilien, par Mrs. les Comédiens Italiens Ordinaires du Roy. Prix 18 L. avec les Parties séparées. A Paris, chez Des Lauriers Md. de Papier rue St. Honoré à côté de celle de Prouvaires. A.D.D.R.« – Klein Folio. Klavierauszug von 51 Seiten, und 11 Auflagstimmen. |
10 | S. Briefe an und von Joh. Heinrich Merck. Herausgegeben von Dr. Karl Wagner. Darmstadt 1838. 8. |
11 | S. Riedel, in den literarischen Monaten v.J. 1776. und Forkel's musikalisch-kritische Bibliothek. 2. Bd. S. 368. |
12 | Siehe die Pölchau'sche Autographen- und Musikalien-Sammlung der k. Bibliothek in Berlin. |
13 | Siehe Klamer Schmidt. Klopstock und seine Freunde. 2. Bd. Seite 227. |
14 | Der vollständige Titel der Partitur ist: »Cythère Assiégée. Opéra-Ballet en trois Actes; Représenté par l'Académie Nationale de Musique le 11. Août 1775. Mis en Musique par Gluck. Poeme de Favart. Prix 30 Liv. A Paris, chez des Lauriers, Mde de Papier, rue St. Honoré, au coin de celle de Prouvaires. Au Bureau d'Abonnement Musical.« – Klein Folio von 206 Seiten. |
15 | S. Favart. Mémoires et Correspondance littéraires. T. III. pag. 297. |
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