Zweites Kapitel.

Klemens August (1723–1761) und seine Kapelle. Ludwig van Beethoven.

Joseph Klemens starb am 12. November 17231, nachdem er im voraus die Nachfolge seinem Neffen Klemens August gesichert hatte, dem letzten der fünf Kurfürsten von Köln aus der bayrischen Linie. Der neue Regent, der dritte Sohn Maximilian Emanuels, Kurfürsten von Bayern, und seiner zweiten Frau, der Tochter Johann Sobieskis von Polen, war am 17. August 1700 zu Brüssel geboren, wo sein Vater damals als Generalgouverneur residierte.

Die Zeit von seinem vierten bis zu seinem fünfzehnten Jahre hatte er zu Klagenfurt und Graz in österreichischer Gefangenschaft verlebt; dann brachte er, da er zum geistlichen Stande bestimmt war, einige Jahre Studien halber in Rom zu. Schon vorher war er (1715) zum Koadjutor des Bischofs von Regensburg ernannt worden. Bald darauf wurde ihm selbst die bischöfliche Würde zuteil; im Jahre 1719 wurde er durch Wahl zu den beiden Bischofssitzen von Münster und Paderborn berufen, welche durch den Tod seines Bruders Moritz erledigt waren; 1722 wurde er in Köln zum Koadjutor seines Oheims gewählt, hielt am 15. Mai 1724 seinen feierlichen Einzug als erwählter Erzbischof und Kurfürst in Bonn, wurde in demselben Jahre noch Bischof von Hildesheim und 1725 Probst der Kathedrale zu Lüttich; 1727 erfolgte seine Weihung zum Bischof durch Papst Benedikt XIII.; 1728 wurde er Bischof von Osnabrück und erlangte schließlich 1732 die Würde eines Hochmeisters des deutschen Ordens.

Seine Regierung ist in den Annalen des Kurfürstentums vorzugsweise durch Erbauung, Herstellung und Verschönerung von Palästen, Jagdschlössern, Kirchen, Klöstern und anderen Bauwerken ausgezeichnet. In Bonn wird ihm der weitere Ausbau des kurfürstlichen Residenzschlosses (jetzt Sitz der Universität) verdankt, mit dessen Errichtung sein Oheim bereits begonnen hatte; ferner baute er das Michaels-(Koblenzer) Tor, [23] welches aus dem langen, vom Schlosse nach dem Rheine führenden Galeriebau wirkungsvoll hervortreten sollte; reichlich spendete er zu dem Bau des neuen Gymnasiums, zu welchem 1732 der Grundstein gelegt wurde; zu dem Bau des Rathauses legte er selbst 1737 den Grundstein; die Villa zu Poppelsdorf wurde von ihm zu einem kleinen Palaste erweitert, in welchem sich jetzt die naturwissenschaftlichen Sammlungen befinden. In Brühl stammt die Augustusburg, jetzt ein königlich preußisches Schloß, aus seiner Regierung; er legte am 8. Juli 1725 den Grundstein zu derselben. Münster, Mergentheim, Arnsberg und andere Orte zeigen ähnliche Denkmäler der Verschwendung, zu welcher seine Prachtliebe ihn verleitete.

»Ungeheuer waren die Summen«, sagt Dr. Ennen2, »die für Anschaffung von prachtvollen Ornamenten, herrlichen Equipagen, seltenen Prachtmöbeln, seltenen Kunstwerken verwendet, für Arrangierung von glänzenden Hoffesten, Schlittenpartien, Maskeraden, Opern, Schauspielen und Balletten verausgabt, an Charletane, Industrieritter, Sängerinnen, Tanz- und Theaterkünstler verschleudert wurden. Oper und Theater kostete ihn allein jährlich über 50000 Rtlr., und die Pracht, welche er bei den Maskenbällen, deren er im Winter wöchentlich zwei gab, entwickelte, gibt Zeugnis, daß er auch hierbei nicht mit geringen Summen ausreichte.«

Die Summe aller Revenuen, die aus den verschiedenen Staaten einkamen, deren Fürst Klemens August war, ist nicht bekannt; aber die Zivileinkünfte des Kurfürstentums allein waren in seinen letzten Jahren von der Million Gulden seines Vorgängers ungefähr zu der gleichen Summe von Talern gestiegen, eine Zunahme von ungefähr 40 aufs Hundert; dazu kamen große Summen, die aus kirchlichen Einkünften flossen, und außerdem Hilfsgelder von Österreich, Frank reich und den Küstenstaaten, welche zum wenigsten 14 Millionen Franken betrugen; sicherlich beliefen sich während der letzten zehn Jahre des Kurfürsten die französischen Hilfsgelder allein auf wenigstens 7300000 Franken; 1728 bezahlte Holland für den Klemenskanal 76000 Taler; bei der hundertsten Öffnung der großen Büchse des deutschen Ordens bekam er die reichlich angehäuften Gaben von etwa 100 Jahren, und 25 Jahre später öffnete er sie wieder. Aber obgleich während seiner Regierung der Friede in diesem Teile von Europa kaum gestört wurde, sank er dennoch immer [24] tiefer und rettungsloser in Schulden und hinterließ seinem Nachfolger eine sehr ausgedehnte Schuld als Erbschaft. Er war ein schwacher Regent, aber als Mensch gütig, liebenswürdig und herablassend. Wie hätte er den Wert des Geldes oder die Notwendigkeit der Klugheit kennen oder fühlen sollen? Seine Kindheit hatte er in Gefangenschaft zugebracht; seine Studienjahre hatte er in Rom verlebt, wo, namentlich in jener Periode, Poesie und Musik, wenn nicht in wirklich edeln und kräftigen Formen, doch wenigstens mit mediceischer Pracht gepflegt wurde. Die Gesellschaft der Arkadier war damals in voller Tätigkeit. Freilich waren beide, sowohl Klemens August als sein Bruder, noch nicht in dem Alter, welches sie befähigte, eine Rolle als »Schäfer« zu spielen, und folglich erscheinen ihre Namen weder bei Crescimbeni noch bei Quadrio; aber es ist nicht zu vermuten, daß zwei junge Prinzen, bereits zu höheren geistlichen Würden berufen und jedenfalls zu noch höheren bestimmt, ausgeschlossen gewesen wären von den Palästen der Ruspoli und Ottoboni, von diesen glänzenden literarischen, künstlerischen und luxuriösen Kreisen, in welchen sechs Jahre früher ihr junger Landsmann, der Musiker Händel, eine so herzliche Aufnahme gefunden hatte. Es waren in der Tat, wie Ennens Worte beweisen, kostspielige Liebhabereien, welche der zukünftige Kurfürst aus Rom mitbrachte. Italienische Schlösser, Villen, Kirchen, Gärten, Musik, Sängerinnen, eine italienische heilige Treppe auf dem Kreuzberge, italienische Gemälde, Mosaiken, und was nicht? Alle diese Dinge kosteten Geld; aber mußte er sie nicht haben?

Unter anderem war Klemens August ein außerordentlicher Liebhaber von Scherzen. Eine der vielen Anekdoten, welche das bestätigen, lassen wir hier folgen. Im Dorfe Pützchen, eine Stunde Weges vom Rhein, gerade Bonn gegenüber, war oder ist vielmehr noch im September ein jährlicher Markt, an welchem die Landleute der Umgegend ihre Bedürfnisse für Haus und Hof billig einkaufen. Bei einem dieser Märkte befahl Klemens August seinem Kutscher, gerade über den Platz hinzufahren, auf dem die alten Töpferfrauen ihre irdenen Waren in weiter Ausdehnung auf dem Boden ausgebreitet hatten. Die Zerstörung von Töpfen und Pfannen war groß. Der Kurfürst ergötzte sich an dem Wutgeschrei und den auf ihn gehäuften Schimpfreden der mit Recht erbitterten Weiber, auf welche er, nachdem er sie nach Herzenslust genossen, dadurch antwortete, daß er ihnen seine Börse zuwarf.

Mering gibt ein langes Verzeichnis der hervorragenden Männer, welche Klemens August in seine Umgebung nach Bonn berief, unter den [25] Persönlichkeiten seines Hofes begegnen uns in den meisten Nachrichten (ausgenommen in Werken von bloß lokalem Interesse) am häufigsten erstlich der Name des Hofnarren und Spaßmachers, und dann der jenes berühmten Zwerges, welcher einstmals beim Diner in einer großen Pastete aufgetragen wurde und, als man dieselbe öffnete, wie Minerva aus dem Haupte des Jupiter, von Kopf bis zu Fuße bewaffnet auf den Tisch sprang.

Selbst sein Ende zeigt uns noch das Bild des lebensfrohen Mannes; man könnte seiner Grabschrift in Wahrheit hinzufügen: »er tanzte aus dieser Welt in eine andere.« Dies trug sich in folgender Weise zu.

Nachdem es ihm im Winter 1760–61 in unerwarteter Weise gelungen war, von den wie gewöhnlich klugen und bereitwilligen holländischen Bankiers ein Darlehn von 80000 Talern zu erhalten, ergriff er die Gelegenheit, seinen Verwandten in München einen lange gewünschten Besuch zu machen. Infolge eines plötzlichen Krankheitsanfalls war er bereits im Begriffe umzukehren, bald nachdem er Bonn verlassen hatte. Er setzte indes die Reise fort, erreichte Koblenz und begab sich hinüber in das Schloß des Kurfürsten von Trier zu Ehrenbreitstein, wo er am 5. Februar 1761 nachmittags 4 Uhr ankam. Beim Diner, eine Stunde später, war es ihm unmöglich zu essen; aber bei dem Balle, welcher folgte, konnte er den Reizen der Baronin von Waldendorf, der Schwester Seiner Durchlaucht von Trier, nicht widerstehen und tanzte mit ihr »acht oder neun Touren«. Natürlich konnte er einigen anderen Damen die gleiche Höflichkeit nicht versagen. Die physische Anstrengung des Tanzens, die Aufregung des Moments, beides auf die Reise an einem trüben Wintertage folgend, war zu viel für die geschwächte Konstitution des 60jährigen Mannes. Im Ballsaale fiel er in Ohnmacht, wurde in sein Zimmer gebracht und starb am folgenden Tage. –

Wir kehren nun zu der Hofmusik zurück.

Es scheint zur Etikette gehört zu haben, daß, wenn ein Kurfürst seinen letzten Atemzug getan hatte, seine musikalische Kapelle mit ihm starb. Wenigstens läßt sich keine andere Erklärung für die Tatsache finden, daß so viele unter den noch vorhandenen Bewerbungen um die Mitgliedschaft von Persönlichkeiten unterzeichnet sind, die schon einmal in den Hofkalendern gestanden hatten. Ferner sehen wir aus einigen Andeutungen in den unten erwähnten Bittschriften und Dekreten, daß auf Bewerbungen zuweilen Anstellungen »ohne Gehalt« erfolgten. Dies scheinen Stellen gewesen zu sein, deren Inhaber später in den Verzeichnissen und Kalendern durch den Namen »Accessisten« unterschieden werden, [26] und welche nach den Aufklärungen, die man aus den Archiven gewinnt, als vorläufige anzusehen waren, so lange, bis ihr Inhaber seine Fähigkeit und Erfahrung bekundet hatte, oder bis durch den Tod oder die Abdankung eines älteren Mitgliedes eine Vakanz eintrat. Nach einzelnen Andeutungen erhielten die Akzessisten, wenngleich ohne feste Besoldung, zuweilen eine kleine Remuneration für ihre Dienste; jedoch ist das nicht ganz gewiß.

Eine nähere Betrachtung der verschiedenartigen Notizen, welche demnächst folgen werden, führt zu folgenden Schlüssen. Sowohl die Vokalisten wie die Instrumentalisten waren auf eine bestimmte Zahl beschränkt und erhielten ihre Besoldungen aus den Staatseinkünften. Ebenso war der Betrag des Kapitals, welches hierzu verwendet wurde, genau bestimmt, und die Kosten, welche durch die Berufung hervorragender Künstler mit außerordentlichen Gehältern oder durch eine Vermehrung der Zahl entstanden, wurden aus dem Privatvermögen des Kurfürsten bestritten. Die Stellung eines »Accessisten« wurde von jungen Musikern gesucht als eine Anwartschaft auf eine zukünftige Vakanz; wurden sie dann beim Eintritt derselben gewählt, so war ihnen ein stufenweise wachsendes Einkommen während ihrer Dienstjahre und eine kleine Pension, wenn sie durch hohes Alter untauglich wurden, gesichert. Die Hofetikette forderte, namentlich in Fällen, wo der Kurfürst ausdrücklich irgendeinen ausgezeichneten Künstler nach Bonn berief, daß die Anstellung ihrer Form nach nur als gnädige Beantwortung einer untertänigen Bitte erfolge; die Anstellungsgesuche gingen meist zuerst an den Kapellmeister zur Berichterstattung. Endlich wurden mit wenigen Ausnahmen sowohl Sänger wie Orchestermitglieder in der Kirche, im Theater und im Konzertsaale verwendet. Andere Punkte werden dem Leser selbst auffallen und brauchen hier nicht erörtert zu werden.

Klemens August hielt, wie oben angegeben wurde, seinen feierlichen Einzug in Bonn am 15. Mai 1724. Schon vorher (am 10. Mai) war von Münster aus der Kammerherr Marquis de Caponi zum Direktor der Hofmusik mit 1000 Gulden Gehalt ernannt worden; die Anstellung des Kapellmeisters Trevisani, der schon in den Dekreten des folgenden Jahres begegnet, wird nicht viel später anzusetzen sein. Neben diesen bekleidete Donnini die Stelle des Kammermusik-Komponisten, die ihm schon am 30. November 1723 verliehen worden war; er trat 1732 nach Trevisanis Tode an dessen Stelle. Schon durch die Namen der ersten musikalischen Persönlichkeiten wird man darauf vorbereitet, daß, wie unter [27] Joseph Klemens das französische, so unter Klemens August das italienische Element unter den Musikern das Übergewicht erhielt.

Da die Zahl nicht beträchtlich ist, so mag hier einem Verzeichnisse von Bittschriften und Dekreten Raum vergönnt werden, welche dieser Periode angehören und von Mitgliedern der musikalischen Kapelle ausgehen oder auf sie Bezug haben.

Noch im Jahre 1724 (21. September) wurde Anton Risack, der schon unter Joseph Klemens gedient hatte, zum Hofmusikus ernannt.

Das Jahr 1725 brachte eine ganze Reihe von Gesuchen und Dekreten. Am 19. Juni wird von Brühl aus der bereits angestellt gewesene Hofmusikus Klein wieder als solcher angenommen; er war auch Komponist3. Am 12. Juli folgt die Aufnahme von Johannes Graeb, der schon 13 Jahre als Violinist und Instrumentenmacher Dienste getan hatte. Beide blieben einstweilen ohne Gehalt. Am 15. Juli bittet Franz Xaver Simon Haveck, »einige Wochen vorher aus München angelangt«, um eine Anstellung als Violinist oder Violoncellist. Er erhielt sie, und mehr als 50 Jahre später saß sein Sohn (oder Enkel?) als Bratschist in demselben Orchester an der Seite Ludwigs von Beethoven. An demselben Tage wurden wiederum von Brühl aus Anstellungsgesuche von Maximilian und Franziskus Antgarten (letzterer war »schon 13 Jahre Violinist«) und einigen andern gewährt. Der erstere, Max, erhielt im folgenden Jahr 300 Gulden Gehalt; am 23. Januar 1730 wurde er Direktor der Musik bei den Hofbällen mit 350 Gulden.

Es folgen die Ernennungen von Johannes Baptista Flammant zum Hofoboisten (16. Juli 1725), des Johannes Greun (oder Greul, 19. Juli) und des Nikolaus Sommereys zu Hofmusikern. Am 17. Juli erbitten Max Heinrich und Andreas Stumpff, welche den beiden vorigen Kurfürsten schon »viele Jahre« gedient hatten, Anstellung »für die Violine und für die Taille«4; sie wurden »Hofmusici ohne Gehalt«. Am 22. äußert Nikolaus Antonius Graff, Sohn des »Mundkochs« Graff und Virtuose auf der Violine und Viola d'Amour, den Wunsch, Hofmusikus zu werden. Am 13. August erbittet ein anderer Andreas Stumpff, [28] dessen Großvater, Vater (jetzt schwachsinnig) und Onkel nach seiner Angabe in kurfürstlichen musikalischen Diensten gewesen waren, welcher selbst 8 Jahre bei einer »Regimentsmusik-Kapelle« gestanden hatte, und welcher jetzt, bei dem Tode des Generals von Wachtendonck, keine andere Zuflucht hatte, als seine Heimat Bonn, wo er Joseph Klemens nicht mehr fand, Aufnahme bei der Hofmusik; er fand sie, jedoch »ohne Gehalt«. Vom 29. August sind zwei Dekrete datiert. Durch das eine wird Vincenz Lambert, Titular-Kammerdiener und Konzertmeister, in die Stellung eines Violinisten mit nur 200 Gulden Gehalt zurückversetzt; in dem anderen wird Franz Matthiassohn Zermackh zum Konzertmeister ernannt.

Am 8. August des folgenden Jahres 1726 erfolgte die Ernennung von Johann Paul Kiechler, der aus München nach Bonn berufen war, zum Kammermusikus und Violinisten mit 350 Gulden. Da er hiervon nicht leben könne, bittet er am 1. Oktober 1729 um eine Gehaltserhöhung, und es wurden ihm noch 50 Gulden bewilligt. Auch dieser Name verschwindet seitdem kaum wieder aus den Hofkalendern. Am 17. August wird Johann Alefs mit 300 G. Hofmusikus, ebenso der Hofkaplan Florenz Thireur mit 200 G.; Gregorio Piva5 wird Hofmusikus und Kopist mit 200 G. Letzterer wird am 8. Januar 1727 zum »Musik-Bibliothecarius« ernannt.

Das Jahr 1727 brachte zuerst die Ernennung von Joh. Bapt. Metzger zum Hofbassisten (22. Jan.); hierauf ein Gesuch van den Eedens, welches wir vollständig mitteilen.


»Supplique tres humble a S.A.S.E. de Cologne

pour Gille Vandeneet.


Bonn d. 18. Feb. 1727.


Prince Serenissime,


Monseigneur.


Vandeneet vient avec tout le respect qui luy est possible se mettre aux pieds de V.A.S.E. luy representer qu'ayant en l'honneur d'avoir estre second organiste de feu S.A.S.E. d'heureuse memoire, elle daigne luy vouloir faire la même grace ne demandant aucun gage si long tems qu'il plaira a V.A.S.E. promettant la servire avec tous soin et diligence.


Quoi faisant etc. etc


[29] Unter demselben Datum erhielt van den Eeden sein Dekret als zweiter Hoforganist. Am 8. Juni 1728 ließ er ein weiteres Gesuch folgen, worin er eine andere Weise, seinen Namen zu schreiben, gefunden hat.


»A. S.A.S.E. de Cologne

Supplique tres humble pour Van den Eede,

organiste.


Prince serenissime, Monseigneur.


Gilles Van den Eede, organiste, remontre dans un très profond respect à votre Altesse Serenissime Electorale, que depuis une année et demie, qu'il a l'honneur de la servir sans gages, il a refusé plusieurs bonnes occasions, dans l'espoir que V.A.S.E. y aïant égard, lui feroit la grace de lui accorder un gage, et pendant tout ce tems il a toujours été tres exact à son devoir, aïant plus fait lui seul qu'aucun autre, même jusqu'à negliger ses Ecoliers, pour que le service ne manquât point: et comme il ne peut plus subsister, aïant tout depensé le peu qu'il avoit, et que V.A.S.E. ne trouve pas apropros de lui accorder cette grace; il se met à ses pieds pour la supplier tres humblement d'avoir du moins agreable de lui faire donner pour le services qu'il a eû l'honneur de lui rendre, telle recompense qu'il plaira à V.A.S.E., pour lui aider à aller ailleurs chercher de l'Emploi: c'est, Monseigneur, la derniere grace, que le suppliant ose demander et même esperer de la bonté naturelle de V.A.S.E.: et en quelqu' endroit que la fortune le conduise, il ne cessera de faire des voeux pour la santé et prosperité de V.A.S.E


Das Dekret vom 8. Juni gewährt van den Eede 100 Gulden Gehalt. Auf ein drittes Gesuch im nächsten Jahre, mit der Unterschrift van den Eeden, erfolgte am 5. Juli 1729 als Antwort eine Erhöhung seines Gehalts auf 200 Taler, und so wurde ein Mann in Bonn angestellt, welcher einst Ludwig van Beethovens Lehrer werden sollte.

Am 5. März 1727 wurde der Priester Joseph Zudoli als Kammer- und Hofmusikus mit 600 Gulden angestellt; es ist derselbe, der 1753 an Donninis Stelle Kapellmeister wurde.

Am 12. Mai 1728 bittet F. M. Zermackh, »Cammerdiener und Konzertmeister«, von Brühl aus um die Anstellung seines Sohnes Franz[30] Andreas als Hofmusikus; die Bitte wurde unter Bewilligung von 50 Rtlr. genehmigt.

Am 29. März 1729 wurde Joseph Klemens Ferdinand dall' Abaco6 als Titular-Kammerdiener und »Hofmusicus mit dem Violoncell« mit 400 Gulden angestellt; er war als Violoncellspieler sehr angesehen und trat auch als Komponist auf. Am 26. August 1738 erhielt er die Stellung eines »Directeur der Churfürstlichen Cammermusik«, mit einem Gehalt von 1000 rheinischen Gulden.

Weiterhin wurden am 22. Juni 1729 Franz Vastizky als Hoftrompeter, Joseph Gonsez du Bois und Johann Philipp Haveck als zweite Violinisten angenommen. Hofmusikus Ambrosini erhielt »die durch jüngst erfolgtes absterben des geweßenen Hofmusici stumpf fälligen« 100 Gulden. Im Laufe desselben Jahres erhielt Kapellmeister Trevisani eine Gehaltszulage von 2741/2 Gulden.

Aus den Jahren 1730 und 1731 finden sich nur verschiedene Zuschußbewilligungen, darunter eine an den Hofmusikus (Fagottist) Meuris, der uns bisher nicht begegnet ist; er erhielt 100 Gulden aus dem Gehalte des verstorbenen Graeb. Sein Name erscheint zuletzt 1784, wo er pensioniert ist und stirbt. Am 4. November 1735 erscheint Hofmusikus Commans (s.u.) als der »jetzige Ehegatte der Wittib Meuris« und behält die von ihr genossenen 100 Gulden aus dem Gehalte ihres ersten Mannes. Natürlich kann das nicht derselbe sein. Vgl. S. 33.

Im Anfange 1732 starb der Kapellmeister Trevisani, und seine Stelle erhielt durch Dekret vom 29. März 1732 Hieronymus Donnini, »Rath und Cammermusiken Componist« mit 500 Talern Gehalt, welches nicht lange nachher auf 600 erhöht wurde. Donnini bekleidete die Stellung 20 Jahre lang; er starb anfangs 1752. Das nächste Dokument muß vollständig mitgeteilt werden.


[31] »Merz 1733.


Decretum.

Für Ludovicum van Beethoven als Churfürstl. Hof-Musicant.


Cl. A. Demnach Ihre Churfl. Durchl. zu Cöln Herzog Clement August in ob- und nider Bayern etc. Unser gnädigster Herr, auf underthänigstes Bitten Ludovici van Beethoven, denselben zu Dero Hof-Musicum gnädigst erklärt und aufgenommen, auch ihm zum jährlichen gehalt vierhundert gulden rheinisch zugelegt haben, als wird demselben darüber gegenwärtiges unter höchstbesagter Sr Churf. D. gnädigstem handzeichen und geheimen Canzley insigel gefertigtes decret herausgegeben, und dem Churfl. rath und Zahlmeistern Risack hiermit anbefohlen, ihm Beethoven gemeldete 400 Fl. quartaliter mit anfang dieses jahrs zu zahlen und gehörend zu verrechnen. B.d. .... Merz 1733.«


Was über diesen neuen Hofmusikus, seine Geschichte und seine Familie zu sagen ist, heben wir für eine spätere Stelle auf und gehen in der Reihe der Dokumente weiter.

Es folgen die Anstellungen von Joseph Magdefrau als »Baßgeiger« mit 150 G. (26. April 1734), von I. Leop. Commans (an Stelle des verstorbenen Ambrosini) und Belseroski als Hofmusiker (29. Jan. 1735), von Franz X. S. Haveck als »Hofmusiquanten mit dem Violoncello« (4. Nov. 1735), von Margarethe Elisabeth Gysens, Hofsängerin, mit 400 Gulden (8. Jan. 1736), von Franz Salefeld als Hoboist (1. Juni) und endlich von Anton Raaff als Kammermusikus mit 200 Taler (10. Sept.). Das war der große, schon bald nachher berühmte Tenorist Raaff. Er war 1714 in Holzem (Pfarrei Villip unweit Bonn) geboren und besuchte das Gymnasium in Bonn. Klemens August hatte ihn in der Kirche singen gehört und für seine Ausbildung gesorgt. Bald nachher trat er in München, wohin ihn der Kurfürst mitgenommen hatte, in einer Oper auf, vollendete seine Ausbildung bei Bernacchi in Bologna, sang 1738 in Florenz bei der Vermählung der Kaiserin Maria Theresia und kehrte 1742 nach Bonn zurück, wo durch Dekret vom 16. August 1742 sein Gehalt auf 750 Gulden erhöht wurde. Auf seine weitere glänzende Laufbahn kann hier nicht eingegangen werden7.

Am 14. März 1737 wird der Fagottist Holtz (auch Holtze, Holste geschrieben) Hofmusikus; am 9. Nov. 1740 erhält der Hoforganist Georg[32] Graskampff 100 G. Zulage aus dem Gehalte des verstorbenen Piva (S. 29), ebenso N. A. Graff; auch Fr. X. Haveck und Du Bois werden erhöht. Im Januar wird der Hoboist H. Gruß, und am 27. Nov. 1744 Peter Joseph Ipp als Hofmusiker angestellt.

Am 3. April 1745 werden Giovanna della Stella und Rosa Costa aus Neapel als Hof-und Kabinettssängerinnen, jede mit 1200 Gulden, angestellt. Die Dekrete, durch welche dieselben entlassen werden, datiert vom 15. Juli 1749, gewähren der Rosa Costa, verehelichten Torelli, und der Giovanna della Stella, verehelichten Locatella, den Titel als »Churfürstliche Cammervirtuosinnen«, und zwar »ohne Gehalt«. Die folgenden Worte Merings (S. 77) scheinen hierauf Bezug zu haben. »Schöne Frauengestalten würdigte er (Klemens August); an seinem Hofe befanden sich zwei vorzüglich schöne italienische Sängerinnen, deren geistreicher Umgang ihm besonders Vergnügen machte – –. Der Sängerinnen halber wurde der Fürst in Rom verläumdet; er unternahm eine zweite Reise dahin, um sich dort von jedem unlauteren Verdachte zu reinigen. Eine Abbildung einer dieser Sängerinnen hängt noch heute [1842] im Schlosse zu Brühl.«

Am 21. November desselben Jahres wurde der Italiener Franz Zopis8 Vize-Kapellmeister mit 500 Tlrn. Gehalt, und am 12. Dezember Lucas Karl Noisten, welcher schon »ins 5te Jahr als Bassist aufm Duxal« dient, Hofmusikus. Dieselbe Stellung erhielt am 26. Mai 1746 Joseph Meuris; am 4. November wurden ihm 200 Gulden Gehalt bewilligt, welche vorher seinem »Vattern« bezahlt worden waren (vgl. S. 31).

Dasselbe Jahr brachte auch Ludwig von Beethoven eine Gehaltserhöhung, wie aus folgendem Dokumente hervorgeht.


»Zulegung von hundert Rthlr. jährlich an den Cammermusicum van Beethoven.


22. Aug. 1746.


Nachdemahlen seine Churfürstl. Durchlt. zu Cöln, Herzog Clement August in Ob- und nider Bayern, unser gnädigster Herr, dero Cammer-Musico van Beethoven, nebst seinem geniessenden Gehalt auch diejenige hundert Rthlr. jährlich, so durch jüngst erfolgtes Absterben Josephi Kayser instrumenten-machern fällig worden, in Gnaden zugelegt haben, als wird es dem Churfürstl. Hof-Cammerrath und Zahlmeistern Risach hiermit zu wissen gemacht, und gnädigst befohlen ihm van Beethoven auch obige [33] jährliche 100 Rthr. quartalsweise, von behöriger Zeit an, gegen Quittung zu zahlen, und gebührend zu verrechnen. Urkund. etc. Poppelsdorf den 22. Augusti 1746.«


Kleinere Zulagen (je 50 G.) erhielten kurz nachher Fr. X. Haveck, Gruß und Poletnich aus den »durch Absterben des Hof-Violinisten Wastizky anheimgefallenen 150 fl.«.

Am 2. Mai 1747 wurde Johann Ries Hoftrompeter an Stelle von Sebastian Weckell, mit einem Gehalte von 192 Talern. Das ist der erste uns bekannte Vertreter eines Namens, welcher nachmals sowohl in der Kapelle wie in der musikalischen Welt zu hohem Ansehen gelangte. Am 5. März 1754 wurde er förmlich als Hofmusikus (Violinist) angestellt; er hatte in seinem Gesuche geltend gemacht, daß er statt der Hoftrompete »mit singen und anderen Instrumenten in derer Hofkapell bei allen vorgek. Diensten« sich präsentiert habe, und sich dabei auf das Zeugnis des Kammermusikdirektors Gottwald berufen. Er erkrankte später und wurde 1766 zu den Alexianern nach Köln gebracht. Seine beiden Töchter und sein Sohn Franz (der »alte« R.) werden uns noch begegnen.

Am 8. November 1748 folgte die Ernennung von Joh. Anton Schamsdeburg zum Kammermusikus. Am 14. Januar 1752 wurde Joseph Karl Gottwald »Cammermusic-Componist« mit 600 G.; am 22. Juli 1753 erfolgte seine Ernennung zum Kammermusikdirektor. Am 3. April 1752 wurde der Vize-Kapellmeister Franz Zopis »in Gnaden« entlassen9. Wahrscheinlich hatte er erwartet, Nachfolger des kürzlich verstorbenen Donnini als Kapellmeister zu werden, und dankte ab, als er in dieser Erwartung sich getäuscht sah. Durch ein Dekret vom 5. April desselben Jahres wurden die Gehälter der verstorbenen Donnini und Haveck so verteilt, daß Magdefrau, Gruß, Dubois, Kiechler und Noisten je 100 G., Poletnich, Graf und Holtz je 50 G. erhielten. Am 11. März 1753 stieg das Gehalt Touchemoulins (s.u.) von 900 auf 1000 Gulden. Um dieselbe Zeit wurde Franz Ziernich Hofpauker. Hofmusikus Tauber (auch Dauber geschrieben) erhielt 300 G. Gehalt. Derselbe war zugleich Ballmeister; nach einem Dekret vom 14. Juni 1759 sollen ihm die zu spielenden Tänze vorgelegt und von ihm bestimmt werden. Am 18. November 1762 wurde er mit einem guten Zeugnisse entlassen.

[34] Das Jahr 1753 brachte auch (27. Juni) die Ernennung von Joseph Zudoli zum Kapellmeister.

Am 24. Februar 1755 wurde Joh. Zdenick Hofmusikus mit 300 G., aus dem Gehalte des verstorbenen Antgarten. Am 13. Mai wurde Eleonore Walderin (Walter) Hofsängerin mit 200 Tlr. Am 1. März 1756 erhielt Ferdinand Treves (Drewers), in Gewährung einer Bittschrift seines Vaters, des Schützen Laurent Treves, die Stelle eines Violinisten.

Vom 27. März desselben Jahres sind einige Dokumente datiert, welche ein doppeltes Interesse haben; sie beziehen sich auf die Familie Beethoven und sind dabei so vollständig, daß sie die ganze Art und Weise der Anstellung von Mitgliedern der kurfürstlichen Kapelle zeigen können. Von der orthographischen Kenntnis des Bittstellers oder des »Cammermusic-Directors« Gottwald erhält der Leser keine hohe Meinung; doch sehen wir wenigstens, wie man den Namen Beethoven aussprach.


»Ahn Ihro Churfürstl. Durchl. zu Cölln etc. Meinem gnädigsten Herrn

Unterthänigstes Memoriale sambt bitt


Joan van Biethoffen.


Mein

Hochwürdigst-Durchlauchtigster Churfürst

Gnädigster Herr Herr etc.


Ewere Churfürstl. Durchlt. geruhen gnädigst in unterthänigkeit vortragen zu lassen, wie daß in höchst dero Hoff Capell bey abgang der erforderlichen singstimmen bey der music mein weniges vier jahrlang auch bisher mitbezeigt, wan aber mir annoch das glück verneinen will, das mit höchster Churfürstl. gnad angesehen zu einem geringen Salario gnädigst ernannt werde;

So gelangt zu Ewer Churfürstl. Durchl. mein unterthänigstes suchen, höchst dieselbe ggst geruhen wollen, mich (: in ansehung meines Vatters 23 jahr und würklicher trey gehorsambster Dienst bezeigung:) nur mit einem decret als hoff Musicanten gnädigst erfreuen, welche höchste gnad mich also wird beeuffern, umb Ewer Churfürstl. Durchl. durch mein treueuserigste diensten ein gnügen leisten zu können.


Darüber

Ewer Churfürstln Durchleucht

Unterthänigst-treu-gehorsambster diener

Joan van Biethoffen.«


[35] »An den Music directoren Gotwaldt zu unterthänigst gutachtlicher Berichtserstattung. Urkund gnädignsten Handzeichens, und Geheimen Cantzlei Insigels.


Bonn den 19. Mertz 1756.


(gez.) Clemens August.« (L. S.)


»Hochwürdigst-durchleuchtigster Churfürst

Gnädigster Herr Herr etc.


Euer Churfürst. Durchl. haben zu meinen unterthänigsten Gutachten, die bitt schrift dess Joan van Piethoffen verwiesen, suplicant bittet Sr. Churfürstl. Durchl. um ein gnädigstes Decrettum als accesist von der hoff Music, Selber dienet zwar schon auf dem Duc Sall bey 2 Jahre mit seiner Stim, hoffet auch mit der zeit Sr. Churfürstl. Durchl. vollkommen durch seinen unermieten fleiß zu dienen, und suechet sein Vatter, welcher die höchste Gnadt als Bassist zu dienen hat, selben vollkommen zu höchsten Diensten herzustellen, lasse nun unterthänigst ohnzielsezlich anheimgestellet, was in dieser sach weitter gnädigst resolvirt werden wolle, thue mich zu höchsten huldten und gnaden fuessfälligst empfehlen und mit tieffester Erniedrigung harren


Euer Churfürstl. Durchl.

unterthänigst treu gehorsambster diener

Gottwaldt, Camer Musicdirector.«


Daraufhin wurde nun an den Kurfürsten weiter folgendes berichtet:


Bonn den 27. Mertz 1756.


»Coloniensis gratiosa.


Cammer Music Direktor Gottwaldt ad supplicam des Joan van Betthoffen berichtet daß supplicant auf dem Docsal bey 2 Jahr mit seiner stimm diene, auch also zu Ihr. Churfl. Durchl. gnädigsten zufriedenheit durch seinen fleiß forthin zu dienen verhoffe, worzu sein Vatter, welcher als Bassist zu dienen die gnad hatt, ihn vollkommen zu qualificiren suchen werde, Ihrer Churfl. Durchl. unterthänigst anheimstellend, was darin gnädigst zu resolviren geruhen wollen.

Item Gottwaldt ad Supplicam Ernest Haveck als accessisten bey der Hoffmusik berichtet daß supplicant zwarn bey der Hoffmusic noch unvermögend, selbiger aber durch besonderen fleiß mit der zeit sich der höchsten dienst sich würdig machen, auch lust und freud darzu bekommen werde, wan Ihr. Churfl. Durchl. ihn mit dem decreto begnädigen würden, unterthänigst anheimstellend, was höchst dieselbe darüber verordnen wollen.«


[36] »Decretum.

Hoff-Musicanten Decret für Johan van Biethofen.


Clm. A. Demnach Ihre Churfürstl. Durchl. zu Cölln Herzog Clement August in Ob- und nieder Bayernetc. Unser gnädigster Herr auf unterthänigstes bitten Johan van Biethofen und in erwegung dessen zu der Singkunst habender geschicklichkeit, auch darin bereits erworbener erfahrenheit, denselben zu dero Hoff-Musicum in gnaden erklärt und auffgenommen haben, erklären und auffnehmen auch hiermit und kraft dieses; als wird ihm van Biethofen gegenwärtiges unter gnädigstem Handzeichen und vorgedruckten geheimen Cantzlei Insiegel darüber gefertigtes Decret zugestellt, und dabey denen, so es angehet, befohlen, umb denselben für einen nunmehrigen Churfürstl. Hof-Musicum zu erkennen, und das sich dieserthalb gebührende ihm widerfahren zu lassen. Bonn d. 27. Märtz 1756.«


Johann van Beethoven war damals 16 Jahre alt. Warum er vier Jahre nach Erlaß dieses »Hoff-Musicanten Decretes« im Hofkalender noch als Akzessist erscheint, ist nicht klar. Der von Gottwaldt ebenfalls empfohlene Ernst Haveck, dessen Bittschrift um die Stellung als »Accessist im Churf. Toxal als Baßgeiger« sich unter den Düsseldorfer Papieren befindet, war ein Sohn des eben verstorbenen F. X. Haveck (s. o., S. 28 und 32); er wurde unterm 27. März 1756 »zu fernerer seiner üb- und perfectionirung in der Music« als Akzessist angenommen.

Am 24. März 1757 erhält Philipp Draute, welchen eine »Lesion der Lungen unfähig für das Horn gemacht hat«, eine Stelle als »Hofmusicus auf einem Geigeninstrumente«. Am 28. März 1758 wird Ernst Riedel als Hofmusikus, am 2. Juni Maria Eva Elisabeth Ansion als Sängerin mit 300 G. angestellt. Am 30. August werden dem Johann Peter Salomon, »vor einiger Zeit« als »Hofmusicus ohne Gehalt« angestellt, 125 Gulden aus dem Gehalte des verstorbenen Holtz gewährt. Auch dieser gelangte später zu hohem Ansehen. Er war 1745 geboren, zählte also (wie Beethoven) bei seiner ersten Besoldung erst 13 Jahre.

Am 22. August 1759 wurde die Bittschrift von Franz Gottwald um eine Anstellung als Violinist gewährt; derselbe hatte kurz vorher seinen Vater, den Kammermusikdirektor, durch den Tod verloren. Am 9. September wurde Johanna Antonia Lentnerin, geb. Blumin, welche schon in Spa vor dem Kurfürsten gesungen hatte, »in Ansehung ihrer [37] Geschicklichkeit und Erfahrung in der Singkunst« als Hofsängerin mit 300 G. Gehalt angestellt.

Unter den Notizen, welche sich auf die Hofmusiker unter Klemens August beziehen, ist die Anstellung der Frau Lentner die letzte. Daß die Reihe nahezu vollständig ist, wird klar durch eine Untersuchung der Verzeichnisse der Kapelle in den jährlichen Hofkalendern; der Wechsel von einem Jahr zum anderen betrifft selten mehr als zwei oder drei Namen, und in einigen Jahren findet sich gar keine Änderung. So unterscheidet sich das Verzeichnis für 1761 von dem für 1760 nur in folgenden vier Punkten: die Kapellmeisterstelle ist erledigt; der Name Johann Brion kommt nicht mehr vor; Maria Josepha Starck ist jetzt Madame Steilers; Bletenich schreibt seinen Namen jetzt richtig Poletnich. Das Verzeichnis für 1763 unterscheidet sich von dem für 1761 nur durch Angabe eines Namens als Kapellmeister, der vorher unter den Vokalisten gestanden hatte.

Nur eine Gruppe von Dokumenten vermissen wir, welche, wenn sie sich noch bei den übrigen befände, von uns kaum übersehen sein könnte; es sind die, welche sich auf die Ernennung Touchemoulins zum Kapellmeister als Nachfolgers von Zudoli beziehen.

Joseph Touchemoulin – der ältere Beethoven schreibt den Namen Dousmolin – von Gerber in hohem Grade gepriesen als Violinvirtuose wie als Komponist, war noch sehr jung für seine Stellung; er war 1727 in Chalons geboren. Wann er nach Bonn kam, wird nicht angegeben. Doch erwarb er sich bald die besondere Gunst Klemens Augusts, der ihn (nach Gerber) als Schüler zu Tartini schickte, ihm 1753 das verhältnismäßig hohe Gehalt von 1000 Gulden verlieh und ihn dann, zum großen Mißvergnügen eines anderen und älteren Kandidaten, der noch dazu glaubte, die Stelle sei ihm selbst versprochen, zu der höchsten musikalischen Stellung in seinem Dienste berief. Doch bekleidete er die Stelle nur kurze Zeit. Zudolis Name als Kapellmeister erscheint in dem Kalender von 1760, der von Touchemoulin in demselben und dem von 1761, und zwar wird er nur als Violinist genannt, während das Dekret, welches seinen Nachfolger ernennt, vom 16. Juli des letzteren Jahres datiert ist, also nur fünf Monate nach dem Abscheiden von Klemens August. Die Erklärung ist sehr einfach: bei der Reihenfolge der Besoldungen, welche bei dem Regierungsantritte Max Friedrichs festgesetzt wurde, wurde die von Touchemoulin auf 400 Taler herabgesetzt, worauf er sofort abdankte. Er starb am 2. Juni 1801 in Regensburg.

[38] Der im Anhange (III) mitgeteilte »Besoldungs-Status« kann in gewisser Weise als Zusammenfassung der gegebenen Notizen dienen. Nach demselben wurde den Akzessisten keine Besoldung gewährt; zu diesen gehörten die Vokalisten Johann van Beethoven und Judith Gottwald, die Violinisten Ferdinand Drewer, Ernst Riedel, Franz Gottwald und der Violoncellist Ernst Haveck. Die Trompeter und Trommler waren unter den Hofmusikern nicht eingeschlossen.

Nur geringer Erfolg hat die Nachforschungen belohnt, welche auf nähere Erkenntnis des Charakters und der Beschaffenheit jener Oper und Musik gerichtet waren, auf die (nach Ennen) Klemens August so große Summen verwendete. Die Periode, in welche seine Regierung fällt (1724–1761), ist eben jene, in welcher die alte italienische Oper, das Oratorium und die geistliche Kantate die höchsten Stufen ihrer Entwicklung durch Händel, J. S. Bach und andere Meister erreichte. Sie endigt mit dem Zeitpunkte, in welchem Gluck, C. Ph. E. Bach und Joseph Haydn die Grundlage der neuen Opern-, Orchester-und Klaviermusik legten, und ehe die vollkommen ausgebildete Sonatenform in allen Kompositionen höherer Art, mit Ausnahme derer für Vokalmusik, Aufnahme gefunden hatte. Das Amt eines Komponisten für die Kirche, die Kammer, das Theater, oder wie sie immer benannt sein mochten, war in jener Zeit keineswegs eine Sinekure, weder an dem kaiserlichen Hofe der Maria Theresia, noch an dem Hofe irgendeines kleinen Fürsten oder Edeln, dessen Hausgesinde zugleich sein Orchester bildete. Die Komponisten mußten Musik liefern, sooft sie nötig war, wie der Jäger Wildpret oder der Fischer Fische. Welche Massen auf diese Weise produziert wurden, kann man an dem bekannten Beispiele von Joseph Haydns Arbeiten in Esterhaz ermessen, dessen Fruchtbarkeit wahrscheinlich die mancher anderen an Quantität nicht übertraf. Der ältere Telemann versorgte damals die Höfe von Bayreuth und Eisenach und die Barfüßer zu Frankfurt a. M. mit Kompositionen und erfüllte daneben seine Pflichten als Musikdirektor und Komponist in Hamburg; er brachte Musik mit solcher Leichtigkeit aufs Papier, daß er, wie Händel von ihm sagte, für acht Stimmen mit derselben Geschwindigkeit komponieren konnte, wie ein gewöhnlicher Mann einen Brief schreibt. Unter solchen Umständen mußten also jene Männer schreiben, welche in unseren Mitteilungen als offizielle Komponisten genannt waren. Es ist wahrscheinlich, daß keine Note aus ihrer Feder übrig geblieben ist; und ebenso wahrscheinlich ist es, daß der Verlust nicht eben zu bedauern ist, ausgenommen [39] etwa für den Zweck, eine antiquarische Neugierde zu befriedigen.

Vier Textbücher von Gesangstücken, welche unter dieser Regierung aufgeführt wurden (früher im Besitze des Herrn Andreas Velten in Bonn, später in dem des Herrn v. Merlo in Köln), haben sich erhalten.

1. »Componimento per Musica« zum Geburtstag des Kurfürsten 1740. Die dargestellten Charaktere sind Gloria, Reno (Rhein) und eine Ninfa del Reno; die Musik komponiert von Giuseppe dall' Abaco, Direktor der Kammermusik.

2. La Morte d'Abel, oratorio rappresentato alla Corte Electorale etc., in 2 Teilen. Das Datum ist nicht angegeben. Interlocutori:


Adamoil Signor Biethoven.

EvaLa Signora Starck.

CainoI.R.P. dal Colmo.

AbeleLa Signora Ansion.

AngeloLa Signora Gottwald.

Virtuosi di Camera d. S. A. E. E.

Die Poesie von Metastasio, die Musik von Giuseppe Zoncha.


Zoncha war Bassist und Komponist in München, wo dieses Werk 1754 zuerst aufgeführt wurde.

3. 1757. »Ester, eine geistliche Geschichte, auf Befehl Klemens August in Bonn vorgestellt. Aus dem Italienischen von S.F.A. Aubert.« Dieser Text ist zum Teil deutsch und zum Teil italienisch. Die Rollen sind Assuerus, Ester, Mardocheus, Aman und Hydaspes, nebst einem Chore von Israeliten, einem andern von Persern usw. Die Namen der Sänger sind nicht genannt10.

4. Anagilda, Drama per Musica, in 3 Akten, aufgeführt im Mai 1767 im Hoftheater unter der Leitung »del Signor Angelo Mingotti, Direttore dell' Opere Italienne« (Bruder jenes Pietro M., welcher die berühmte Sängerin Regina Mingotti [geb. Valentini] heiratete und mit seiner Operntruppe unter Direktion Scalabrinis, Glucks u.a. in Dresden [1747], Prag und Hamburg [1748 u.ö.] Sensation machte11).


[40] Interlocutori:


Anagilda – La Signora Faustina Tedeschi.

Fernando, Conte di Castiglia – La Signora Dominica Lambertini. Elvira, sua sorella – Anna Malucelli.

Garzia, Re di Navarra – Anastasia Massa.


Ballerini:


Le Signore Angiola Augustinelli et Aluisa Augustinelli. Signor Giuseppe Cinti.


Das Textbuch eines ferneren Oratoriums befand sich im Besitz des Herrn Dr. Franz Gehring in Bonn und führt den Titel: »Saint Ciprien et Sainte Justine Martirs. Oratoire representé a Bonn par ordre de S.A.S.E. Clement Auguste Archevesque etc. A Bonn, chez les Héritiers Rommerskirchens.« Die Zeit der Aufführung und der Name des Komponisten (vermutlich der Wiener Hofkapellmeister Luca Antonio Predieri, gest. 1769) sind nicht angegeben. Das Werk wurde unter dem folgenden Kurfürsten wieder aufgeführt, wo wir darauf zurückkommen.

Ob Klemens August, wenn er zu den Hauptstädten seiner entfernteren Bistümer reiste, sein Orchester und seine »Comedianten« mit sich nahm, wird nicht angegeben; wahrscheinlich ist es nicht; nach Brühl jedoch und zu den näheren auf dem Rhein leicht zugänglichen Orten folgten sie sicherlich seinen Wegen. Diese Tatsache und verschiedene andere unterhaltende und interessante Einzelheiten ergeben sich aus den im Anhange (IV) mitgeteilten Zitaten aus vier von den jährlichen Berichten über die Ausgaben des Kurfürsten, welche sich gefunden haben. Diese Aktenstücke machen es etwas zweifelhaft, ob Ennen nicht vielleicht die Ausgaben für Theater und Oper etwas zu hoch angegeben hat, abgesehen von gewissen besonderen Jahren, wie z.B. jenen, in welchen die neuen Bühnen in Bonn und Brühl eröffnet wurden. Wenn man ferner in diesen Verzeichnissen die Summe von 4716 oder 3110 Talern »ad pias causas« neben 50966 bzw. 42992 Talern für »Plaisiranschaffungen« angegeben findet, so wird man doch dem lebenslustigen Erzbischofe das Recht widerfahren lassen, nicht zu vergessen, daß Mönchs- und Nonnenklöster und barmherzige Anstalten reichlich über seine Territorien verbreitet waren; er war somit einer von den vielen, welche zu solchen piae causae beisteuerten, für welche nicht öffentlich gesorgt war; während die Ausgaben für »Plaisiranschaffungen« ausschließlich seine eigene Börse in Anspruch nahmen.

Fußnoten

1 So nach Vogels Stadt Bönnischer Chorographie, 6. Forts. S. 163. Mering (Gesch. der vier letzten Kurfürsten von Köln, 1842) nennt S. 48 dasselbe Datum, S. 31 hingegen den 3. Jan. 1724. Das ist eine Verwechslung mit dem Tage, an welchem die Überführung der Leiche nach Köln stattfand, welche auch bei seinem Vorgänger und Nachfolger mehrere Wochen später erfolgte. Anm. d. Herausg.


2 Frankreich und der Niederrhein II, 364.


3 In der Synopsis eines 1722 in Linz am Rhein aufgeführten Schauspiels heißt es: »Die Musik hat komponirt Herr L. Klein, Chur-Cöllnischer Hof-Musikus.« Ballas, Gesch. des Studium Martinianum in Linz, 1893. S. 30. Anm. d. Herausg.


4 Taille, französische Bezeichnung für die Tenorstimme, im Streichorchester also die Viola (Bratsche). Anm. d. Herausg. [Auch Blasinstrumente von Tenorlage werden im 18. Jahrhundert vielfach als Taille bezeichnet, z.B. bei J. S. Bach Oboè da caccia (Englisch Horn). H.R.]


5 Piva, der langjährige Kopist und Privatsekretär Agostino Steffanis, war bis 1714 nachweislich Mitglied der Düsseldorfer Kapelle (S. 22); er starb 1740 (S. 33).


6 Joseph dall'Abaco ist der Sohn des Münchener Kammermusikdirektors Evaristo Felice dall' Abaco, dessen gediegene Instrumentalwerke durch Neuausgaben der Gegenwart erschlossen worden sind (zuerst 1895 eine der 12 Triosonaten Op. 3 durch H. Riemann, sodann zwei reiche Auswahlen in Bd. I [1900] und IX, 1 der Denkmäler der Tonkunst in Bayern [die darin fehlenden Triosonaten in Riemanns Collegium musicum]). Joseph Klemens dall' Abaco ist 1709 in Brüssel geboren und starb im Juni 1805 96jährig zu Verona, dem Stammsitz der Familie, wohin er 1765 zurückkehrte (direkte Mitteilung von Fräulein Stephanie dall' Abaco in Grignano bei Triest; die Familie besitzt noch ein Ölporträt des Joseph Klemens dall' Abaco). Von seinen Kompositionen sind 29 Sonaten für Violoncell mit Baß handschriftlich (nicht autograph) im British Museum zu London erhalten (vgl. S. 40), H.R.


7 Vgl. O. Jahn, Mozart, 3. Aufl., I, S. 424f. Er starb 27. Mai 1757 in München.


8 Francesco Zopis (Zoppis, Zoppi) war nach Fétis aus Venedig gebürtig.


9 1753 ist Zopis mit einer italienischen Operntruppe in Prag (Oper Vologeso); 1756 wird er Hofkapellmeister in Petersburg. Das Jahr seines Todes ist nicht bekannt.


10 In Frage könnten kommen die Oratorien: Esther, Text von Franc. Focio, mit Musik von Caldara (Wien 1723); Text von Metastasio, Musik von Carlo Arrigoni (Wien 1738); mit Musik von G. B. Costanzi (Rom 1752).


11 Über die Opernunternehmungen der Brüder Mingotti s. d. Spezialstudie von Erich H. Müller (Leipziger Dissertation 1915).

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 1, 3. Auflage, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1917.
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