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(Zu S. 289.)
Vom Herausgeber.
Das Stammbuch, in welches sich eine Anzahl von Freunden Beethovens bei seiner Abreise von Bonn einzeichnete, hatte sich früher im Besitze Gustav Nottebohms befunden1, von dem es die K. K. Hofbibliothek in Wien erwarb. Nottebohm hat dasselbe zuerst in der Leipz. Allg. Musikal. Zeitung von 1871 (Jahrg. VI, Nr. 5, 17), dann in den ersten Beethoveniana S. 139f. beschrieben und den Inhalt der Hauptsache nach mit wenigen Weglassungen mitgeteilt; einige Nachträge erfolgten später im Feuilleton des Neuen Wiener Journals. Dem Herausgeber wurde es durch die Güte des Herrn Dr. Ba er ermöglicht, das kleine zierliche Buch auf der Wiener Hofbibliothek selbst einzusehen und zu prüfen; er gibt nachstehend auf Grund dieser Prüfung den vollständigen Inhalt.
Auf dem Titel befindet sich eine mit der Feder leicht hingeworfene, phantastische Zeichnung, Bäume und Strauchwerk darstellend; in der Mitte ist ein freier Raum gelassen, in welchem die Worte stehen: mei nen Freunden, und darunter der Name Degenhardt. Unter der Zeichnung steht in großer Schrift: Ludwig Beethoven, und rechts davon in kleinen Zügen: Koch. Ob die Zeichnung von Degenhardt oder Koch ist, geht aus dem Titelblatt nicht hervor2.
Wir geben nunmehr die einzelnen Sprüche und behalten dabei die Orthographie des Originals tunlichst bei. Die beigefügten Nummern hat das Original nicht. In den Anmerkungen folgen die nötigen Erläuterungen.
[495] I.
»– – wer alles was er kann
Erlaubt sich hält, und auch wenn kein Gesez ihn bindet,
Der Güte großes Gesez in seinem Herzen nicht findet
Und wär er Herr der Welt – mir ist er ein Tiran
Der Himmel mein Inniggeliebter knüpfte mit unauflöslichem Band unsere Herzen – und nur der Tod kann es trennen. – Reich mir deine Hand mein Trauter, und so zum Lebensziel.
Bonn d. 24. 8br
1792.
Dein Malchus3.«
»Gehört die süße Harmonie, die in dem saitenspiele schlummert, seinem Käufer, der es mit taubem ohr bewacht? Er hat
Das recht erkauft, in trümmern es zu schlagen,
Doch nicht die Kunst, den silberton zu rufen
Und in des Liedes wonne zu zerschmelzen.
Bonn d. 1ten 9br
1792
am abend unseres
abschiedes
Ihre wahre freundin
wittib Koch4.«
III.
»Ach, der Sterblichen Freuden, sie gleichen den Blüthen des Lenzes,
Die ein spielender West sanft in den Wiesenbach weht,
Eilig wallen sie, kreisend auf tanzenden Wellen, hinunter.
Gleich der entführenden Fluth kehren sie nimmer sie nimmer zurück.
Bonn, den 24ten Oktober 1792.
Ihre Freundin Mariane Koch5.«
[496] IV.
»Prüfe und wähle
Bonn den 24ten im 8br
1792
Dein ewig treuer
Richter6.«
V.
»– – Die Unsterblichkeit
Ist ein großer Gedanke
Ist des Schweißes der Edlern werth! –«
Hier folgt eine Zeichnung: Gemäuer, ein Grabmal mit einer Urne, im Hintergrund eine Pyramide, Pflanzen; darunter steht:
»Bonn den 24ten im Oktober
1792.
Dein Freund Koch.«
Dann steht noch am Rande, mit der Feder eingeschlossen:
»Die Wahrheit ist vorhanden für den weisen
Die Schönheit für ein fühlend Herz7.«
VI.
»Prüfe Alles und das Gute Behalte.
So wandre hin Du guter Junge!
Und Gottes Seegen gehe Dir voran!
Geneuß der Freuden Allerbeste,
Die das Geschick in Holden Händen,
Auf deinem Wege Dir entgegen bringt. –
Nur nie zu viel; noch auf einmahl!
Auch daß der letzte Tropfe
Nicht zur Galle werde:
So trink in kleinen Zügen nur
Und denck' bey dem Genuß,
Daß die Natur nur dem
Den Becher wieder füllt,
Der mäßig schlürft und weidlich sich
Die milde Gabe schmecken läßt.
[497] Dann laß dirs nie entfallen, daß hinieden
Von allem Seltenen das Allerseltenste –
Die wahre Freundschaft ist.
Drum prüfe eh' du wählst
Dann schrecklich ists zu drincken ihren Gift.
Auch sey die Lehre heilig dir,
›Daß Einen nur von Millionen Weesen
Die Vorsicht Dir zum Freund erlesen.‹
Nun ziehe hin! Sey Bieder stets
Und Gut und Wahr! –
Dann sollst du mich (und bräch auch alles Dir)
Und unßern trauten Kreis
Mit ofnen Armen, wahrer Liebe
Auf deine Rückunft harren sehn!
Meinem Lieben Betthoven zur glücklichen Reise, von seinem ihn Liebenden
Bonn am 25ten 8bre
1792
Freunde Joh. Jos. Eichhoff8.«
Hier wird also der Hoffnung auf Rückkehr bestimmter Ausdruck gegeben.
VII.
Es folgt nun zunächst auf der linken Seite der Schattenriß eines schönen, edel geformten männlichen Kopfes, ohne Zweifel des Grafen [498] Waldstein, dessen Widmung dann gegenüber auf der rechten Seite folgt. Sie lautet in genauer Wiedergabe folgendermaßen:
»Lieber Beethoven!
Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozart's Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglinges. Bei dem unerschöpflichen Hayden fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemanden vereinigt zu werden. Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart's Geist aus Haydens Händen.
Bonn d. 29ten Oct. 1792.
Ihr
wahrer Freund Waldstein.«
VIII.
»Es bedarf nicht der Inschrift,
Daß wir, einer des andern, in Liebe gedenken:
Freundschaft grube mit Feuerschrift
Dich mir tief, unauslöschlich in's Herz; und wie würd' ich dich kränken,
Dächt ich anders von deinem gleichfühlenden Herze?
Ja, stäts denk' ich mit Innbrunst
An dich Theurster! bald, wie du die Liebe, den Zorn und die feinere Scherze,
Mächt'ger Meister der Tonkunst!
Leidenschaften und Willkühr
Und mit Wahrheit der Saite entlockest, daß Feinde
Selbst dich schätzen: ich denk' mir
Bald, wie du von berauschendem Beifall im traulichen Kreise der Freunde
Ausschnaufft. – Bringst du ein Thränchen dem nahen uns heiligen Sarge;
Dan gar denk' ich mich mit dir
Am Arm wandelnd zum Hügel, der bisher den edeln barge
Unbesuchet vom Freund. Hier
Seufz' ich mit Dir, bis K– hört
Und erhörend im lichtnen Gewande hernieder sich schwinget.
Er kömmt schwebend daher; stört
Das Todblümchen auf, das hingebücket ein Opfer der Trauer ihm bringet. –
Sieh: es richtet sich auf. Das Epheu, und, was bisher getrauert,
Lebt. Ob seinem Hinabschwung
Weht das Laub, so ein liebliches Lüftchen |: sein Athem :| durchschauert.
[499] Horch auf: Die Unterredung
Beginnt. Sein ist die Sprach, die da stöhnt mit Zypressengeknister.
Ich antwortete mit Seufzen, und du mit dem schmelzendsten Lautegeflüster.
Bonn den 30n 8ber 1792.
Degenhart9.«
In dem verstorbenen gemeinsamen Freunde K– (so steht im Stammbuch) vermuthete Nottebohm einen Kügelgen. Die beiden Maler Kügelgen starben aber erst lange nachher.
IX.
»Bestimmung des Menschen.
Wahrheit erkennen, Schönheit lieben.
Gutes wollen, das beste thun.
Bonn den 30. October 1792.
Denk, auch ferne, zuweilen Deines
wahren aufrichtigen Freundes Heinr.
Struve aus Regensburg, in Russisch
Kaiserl. Diensten.«
Darunter ein gemaltes Bild, zwei ineinander gelegte Kränze, einer aus Rosen, einer aus reisen Trauben gewunden; dazu als »Symbol«: »Nach der Blüthe der Jugend erndte im reifern Alter die Früchte der Weisheit ein.«
X.
»– Freundschaft, mit dem guten,
Wächset wie der Abendschatten
Bis des Lebens Sonne sinkt.
Bonn den 1. November
1792.
Ihre wahre Freundin Eleonore
Breuning.«
[500] XI.
»– – –
sieh! es winket o freund lange dir albion
sieh! den schattigen Hain, den es dem sänger beut
eile denn ungesäumet
über die flutende see,
wo ein schönerer hain beut seine schatten dir,
und so freundlich die hand reichet ein barde dar,
der von unsren gefilden
floh' auch in albions schutz.
Dort ertöne dein lied stark und des sieges voll,
halle wild durch den hain, über das seegewühl,
hin in jene gefilde,
denen du freudig entflohest.
Bonn 1. 9bre 1792.
Denk an Deinen Freund
Ed. Breuning.«
Der Vorname Ed. ist von anderer Hand und später vorangestellt; auch ist das lateinische E nicht zu erklären, da alle andern Eigennamen in dieser Widmung deutsche Buchstaben zeigen. Es muß unbestimmt bleiben, welcher der Brüder das Stammbuchblatt geschrieben hat. Das poetische Geschick, welches sich in den Versen ausspricht, könnte zunächst auf Christoph deuten. Daß eine spätere Reise nach England geplant war, scheinen die Verse ziemlich bestimmt anzudeuten. Unter dem »Barden« ist, nach Nottebohms wahrscheinlicher Vermutung, der Violinspieler J. P. Salomon zu verstehen.
XII.
»Handle, die Wissenschaft, Sie nur, machte nie Glückliche.
Bonn den 1. 9ber
1792
Dein Freund
P.J. Eilender10.«
[501] XIII.
»Freund wenn einst bei stiller Mitternach[t]
fern von uns, der Tonkunst Zaubermacht
Dich in sanfte Phantasien senkt,
Hochgefühl Dein Weesen gantz durchbebt,
Mozart's Genius Dich überschwebt
Und Dir lächelnd seinen Beyfall schenkt.
Wenn der Einklang schön gewählter Töne
Dann Dein Herz erfreut – o laß das schöne
Einst so gut gestimmter Freundschaft Dich noch freun,
Denk der fernen, guten – kömmst Du einst zurücke,
(froh sehn wir entgegen diesem augenblicke)
O wie wollen wir uns Herz an Herz dann wieder freun.
Bonn d. 1ten Oct.
1792.
I.H. Crevelt
Arzt
ihr Verehrer und Freund11.«
XIV.
»sagen sie ihm, daß er für die Träume seiner Jugend
Soll achtung tragen, wenn er Mann sein wird
Nicht öffenen soll dem Tödtenden Infekte
gerühmter besserer Vernunft das Herz
der zarten Götterblume – daß er nicht
soll irre werden, wenn des staubes weißheit
Begeisterung, die Himmels Tochter lästert.
Bonn d. 1te 9vembre
1792.
Dein Freund
Klemmer.12«
1 Vorher, wie es scheint, in der Franz Gräfferschen Autographensammlung, wie aus Schindler (I S. 18) zu schließen, welcher eine Kopie der Zuschrift Waldsteins durch Aloys Fuchs erhalten hatte; denn das Original dieser Zuschrift kann doch nur das Stammbuch selbst gewesen sein.
2 Über Degenhardt s. weiter unten. Koch war mutmaßlich der Sohn der Witwe Koch im Zehrgarten.
3 Karl August Freiherr von Malchus, später Graf von Marienrode. Vgl. oben S. 279, Wegeler Not. S. 59, Nachtr. S. 15.
4 Witwe Koch war die Besitzerin des Hauses »zum Zehrgarten«. S. 278.
5 Mariane Koch war die Tochter der Witwe Koch und soll später einen Universitätsprofessor geheiratet haben. Ihre schöne Schwester Babette (oben S. 276) fehlt im Stammbuch.
6 Joh. Heinrich Richter war Hofchirurg.
7 Diese Worte hat Beethoven selbst später zu ähnlichem Zwecke verwendet.
8 Eichhoff war Gatte der Sängerin Eva Gran. Nach Wurzers Memoiren war er anfangs Mundkoch des Kurfürsten, dann in der französischen Zeit mehrere Jahre Unterpräfekt von Bonn, und später Commissaire général de l'octroi de la navigation du Rhin. Mit dieser eigentümlichen Laufbahn kann es seine Richtigkeit haben; doch dürfte der erste Dienst nicht lange gedauert haben. Am 26. Dezember 1792 (kurz nach Johann van Beethovens Tode) starb August Eichhoff, coquus aulicus senior, nach dem Kirchenbuche; das dürfte der Vater gewesen sein. Der Sohn Johann Joseph mag, wenn es hier überhaupt darauf ankommt, Vermutungen zu äußern, sein Gehilfe gewesen sein. Eichhoff wurde Maire von Bonn 1801 im Januar, reiste im Juni nach Paris, kehrte 1802 zurück und wurde am 6. Juni Unterpräfekt, 1805 Kandidat zum corps législatif, seine Ernennung zum Direktor des 1803 eingerichteten Rheinschiffahrts-Oktroi finde ich nicht in den chronologischen Übersichten des Bonner Archivs (I., S, 40 u.f. II. III.), doch erscheint er schon 1805 als Inspektor, nachdem 1804 ein neuer Unterpräfekt ernannt war, und nimmt 1811 als Direktor Ernennungen vor. Er starb am 2. Dez. 1827, in demselben Jahre wie Beethoven.
9 In einem Bande der »Geheimen Staats-Conferenz-Protokolle« von 1787 im Düsseldorfer Archiv findet sich eine Petition von J. M. Degenhart vom 28. Januar, mit der Bemerkung: »Findet keine Statt und hat Srnismus diese Supplique zurück behalten.« Wiederum unterm 23. März: »J.M. Degenhart, Juris candidatus, Sohn des verstorbenen hiesigen Platz Adjutanten, bittet erholter, um die Beibehaltung der von seiner verstorbenen Mutter genossenen Pension von 5 Rth. monatlich. NB. Die vorige Bittschrift haben Ihre Churf. Dchlt. zu sich genommen.« Am Rande: »Dependirt von höchster Gnad. beruhet.« So Thayer 1. Aufl. S. 233. Der »Wachtschreiber« bei Nottebohm S. 142 war also doch wohl ein anderer. Der Name kam auch später noch in Bonn vor.
10 P.J. Eilender war Sakristan an der kurfürstlichen Hofkapelle. Unter den Besuchern des Beethovenschen Hauses nennt Fischer Herrn Eilender, »nachher Notar in Bonn«. Einen solchen hat es allerdings gegeben; hier aber wird es wohl Verwechselung sein.
11 Vgl. Wegeler S. 59. Crevelt war Hausgenosse der Witwe Koch. Das Datumt 1. Oct., ist wohl verschrieben [1. Nov.?], da das Stammbuch schwerlich vor dem 21. Oktober, in welchem Koch sich einschrieb, fertig war. (Nottebohm.)
12 Klemmer hieß ein Unterbereiter in der Kurfürstlichen Reitbahn.
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