III. Briefe in bezug auf die Gehaltszahlungen von Kinsky und Lobkowitz.

1. An Kanka in Prag, ohne Datum (wahrscheinlich Herbst 1814).

[610] »Tausend Dank mein verehrter K– ich sehe endlich wieder einen Rechtsvertreter und menschen der schreiben und denken kann, ohne die armseeligen Formeln zu gebrauchen – sie können sich kaum denken, wie ich nach dem Ende dieses Handels seufze, da ich dadurch in allem, was meine Oekonomie betrifft unbestimmt leben muß – ohne was es mir sonst schadet, sie wissen selbst, der Geist der wirkende darf nicht an die elenden Bedürfnisse gefesselt werden und mir wird dadurch noch manches mich selbst beglückendes für das Leben entzogen, selbst meinem Hange und meiner mir selbst gemachten Pflicht vermittelst meiner Kunst für die bedürftige Menschheit zu handeln, habe ich müßen und muss ich noch schranken setzen – Von unseren Monarchen etc. der Monarchie etc. schreibe ich ihnen nichts, die Zeitungen berichten ihnen alles – mir ist das geistige Reich das liebste, und die oberste aller geistigen und weltlichen Monarchien – schreiben sie mir doch was sie wohl für sich selbst von mir wünschen von meinen schwachen musikalischen Kräften, damit ich ihnen, soweit ich damit reiche etwas für ihren eigenen musikalischen Sinn oder Gefühl erschaffe – Brauchen sie nicht alle Papiere, die zu der K–schen sache gehören, in diesem Falle würde ich sie ihnen schicken, da dabei die wichtigsten Zeugnisse sind, die sie auch glaube ich bei mir gelesen – denken sie an mich, und denken sie, daß sie einen uneigennützigen Künstler gegen eine knickerische Familie vertreten, wie gern entziehen die Menschen wieder dem armen Künstler, was sie ihm auf sonstige Art zollen – undZeus ist nicht mehr, wo man sich auf Ambrosia einladen konnte – beflügeln sie lieber Freund die trägen Schritte der Gerechtigkeit. Wenn ich mich noch so hoch erhoben finde, wenn ich mich in glücklichen Augenblicken in meiner Kunstsphäre befinde, so ziehen mich die Ereignisse wieder herab dazu gehören nun auch die 2 Prozesse – auch sie haben unannehmlichkeiten, obschon ich bei ihren angewohnten Einsichten und Fähigkeiten und besonders in ihrem Fache das nicht geglaubt hätte, so muss ich sie doch auf [610] mich selbst zurück = einen Kelch des bitteren Leidens habe ich ausgeleert und mir schon das Martirerthum in der Kunst vermittelst der lieben Kunstjünger und Kunstgenossen erworben – ich bitte sie denken sie alle Tage an mich und denken sie Es sey eine ganze Welt, da natürlich es ihnen viel zugemuthet ist, an ein so kleinesIndividuum zu denken, wie mich – ihr


mit der innigsten

Achtung und Freundschaft

ergebener

Ludwig van Beethoven m/p.«


2. An Erzherzog Rudolf1.

»Da Sie die Gnade hatten, mir sagen zu lassen durch Herrn Grafen Troyer2, daß Sie einige Zeilen wegen meinen Angelegenheiten in Prag an den Oberstburggrafen Kolowrat gnädigst beifügen wollten, so nehme ich mir die Freiheit, mein Schreiben an den Grafen K. beizufügen. – Ich glaube nicht, daß es etwas Anstößiges für J. K. H. (enthält), ohnehin wird es nicht bei den Einlösungsscheinen bleiben, wozu trotz allen Beweisen die Vormundschaft nicht herbeilassen würde. Unterdessen läßt sich hoffen, daß bei den Schritten, die einstweilen auf die freundschaftlichste Art, nicht gerichtlich geschehen sind, wenigstens ein günstigeres Resultat sich herbeiführen läßt, so zum Beispiel: ein erhöhter Betrag der Scala. – Allein wenn Ihre Kaiserl. Hoheit mir einige Worte entweder selbst oder in Ihrem Namen schreiben lassen, wird die Sache gewiß mehr beschleunigt werden; welches die Ursache ist, weswegen ich J. K. H. gebeten habe und wieder innigst bitte, diesem Ihrem mir gnädigst ertheilten Versprechen nachzukommen. –

Es sind nun 3 Jahre, daß diese Sache – noch unentschieden ist«3.


3. An Adlersburg (?)4.

»Verehrter Freund – Es ist nachzuholen, daß Wolf dem Oberstburggrafen auch die Beylagen Zeugnisse hat beygelegt – was ist da zu machen? – Morgen früh besuche ich Sie. Es ist glaube ich noch wohl zu überlegen, ob die Sache so geht? – Der Erzherzog glaubt, daß die Schrift bis auf das ›der Großmuth zu viel zugemuthet wird‹ sehr gut sey. – Ich umarme Sie von Herzen – seyn Sie nicht unwillig über meine Plagen. Es hat ja nun bald ein Ende.


Ihr

Beethoven.«


4. An Pasqualati.

[611] »Lieber werther Freund! Morgen früh spätestens halb acht Uhr bin ich bei ihnen! werfen sie mich nicht zur Thür hinaus! Wenn Sie auch um den Brief an Adlersburg schicken, wäre es gut. Der Erzherzog ist nicht zufrieden mit der Schrift, weil man der Großmuth zu viel überläßt.


in Eil

ihr

Beethoven.«


5. An das K. K. Landrecht zu Prag5.

»Hochlöblich K. K. Landrecht!


Ganz unbekannt in Rechtsgeschäften und in der Meinung, daß alle Gesuche gegen eine Nachlassenschaft liquidirt werden müssen, sandte ich den mit Sr. K. Hoheit Erzherzog Rudolph, mit Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Lobkowitz und Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Kinsky geschlossenen Vertrag, vermöge welchem diese hohen Interessenten mir jährlich 4000 fl. zusicherten, an meinen Rechtsfreund6 in Prag. Mein fortwährendes Betreiben, sich diesen Gegenstand angelegen sein zu lassen, selbst auch, ich muß es gestehen, die ihm gemachten Vorwürfe, als hätte er den Gegenstand nicht gehörig eingeleitet, weil seine an die Vormundschaft gemachten Schritte fruchtlos blieben, mögen ihn verleitet haben, klagbar zu werden. –

Wie sehr dieser Schritt meinen Gefühlen widerspricht, gegen meinen Wohlthäter als Kläger zu erscheinen, kann nur er entscheiden, der meine Hochachtung gegen den Hochseligen Herrn Fürsten von Kinsky kennt.

Bei diesen Umständen wage ich den kürzern Weg, in der Ueberzeugung, daß die Hochfürstl. Vormundschaft ebenso die Kunst zu schätzen, als die Handlung des hochseel. Hrn. Fürsten von Kinsky aufrecht zu erhalten geneigt sein wird. Nach dem sub A. beiliegenden Contracte verband sich K. K. H. Erz. Rudolph so wie die Durchl. Fürsten Lobkowitz u. Kinsky, mir in so lange 4000 fl. genießen zu lassen, bis ich nicht einen Gehalt von gleichem Aequivalent erhalten würde, ja sogar, falls ich durch Unglücksfälle oder Alters halber verhindert wäre, meine Kunst auszuüben, sagten mir die hohen Contrahenten diesen Betrag auf Lebenstage zu, und ich verband mich im Gegentheil, Wien nicht zu verlassen.

Groß war das Versprechen, groß die Erfüllung desselben; denn ich hatte nie einen Umstand, und war ruhig im Genusse desselben, bis das allerhöchste Finanz-Patent erschien. – Bei S. K. H. dem Erzherzoge Rudolph hatte diese Münzveränderung keinen Unterschied gemacht, denn ich erhielt seinen Antheil in Einl. Scheinen wie vorhin in Bankzetteln ohne alle Berechnung der Scala, weswegen mir auch S. Durchl. der hochseelige Fürst v. Kinsky seinen Antheil mit 1800 fl. in Einlös. – Scheinen ohne Anstand erfolgen zu lassen zusicherte. Da er aber den Auftrag in die hochfürstl. Kasse zu geben unterließ, so wurden mir Umstände gemacht. Ungeachtet meine Umstände [612] nicht glänzend sind, so würde ich es doch nicht wagen, an die hochfürstliche Vormundschaft diesen Anspruch zu stellen, wenn nicht selbst rechtschaffene Männer aus dem Munde des hochseeligen Fürsten diese Zusicherung vernommen hätten, mir den Beitrag sowohl für das Verflossene, als für das Künftige in W. W. zu leisten, wie es Beilagen B. C. D. der Klage beweisen. Bei diesen Umständen überlasse ich es der hochfürstlichen Vormundschaft zu beurtheilen, ob ich nicht eher die Delicatesse zu verletzen Ursache hatte, mich mit der hochfürstl. Zusage zu beruhigen, daher mir die Einwendung des Hrn. Curators gegen die Zeugen rücksichtlich ihrer nicht gleichzeitigen Gegenwart, als die hochfürstl. Zusage geschah, höchst kränkend sein muß. Um daher aus der für mich wahrhaft unangenehmen Lage des Processes zu kommen, wage ich der hochfürstlichen Vormundschaft den Antrag und die Zusicherung zu machen, daß ich mich für die Vergangenheit und die Zukunft mit 1800 fl. W. W. zu begnügen bereit bin und schmeichle mir, daß Hochselbe gnädigst berücksichtigen wird, daß ich von meiner Seite auch kein kleines Opfer gebracht habe, als ich blos aus Hochachtung gegen diese durchlauchtigsten Fürsten Wien zu meinem festen Wohnsitz wählte, zu einer Zeit, wo mir die vortheilhaftesten Anträge vom Auslande gemacht wurden.

Ich bitte daher ein K. K. hochlöbliches Landrecht, dieses Gesuch der hochfürstl. von Kinsky'schen Vormundschaft zur Aeußerung zuzustellen, und mich hiervon gefälligst zu verständigen.

Wien.


L. v. Beethoven.«


6. An Kanka.

»Mein werther einziger K.!


Ich erhalte heute das schreiben von Baron Pasqualati, worinn ich ersehe, daß sie wünschen, daß man zurückhalte mit neuen Schritten, unterdessen sind schon alle dazu nöthigen schriften von Pasqualati fort, verständigen sie ihm nur gefälligst, daß er noch einhalte, irgend einen Schritt zu machen. Morgen ist Rath hier! und das Resultat davon geht vielleicht schon Morgen abend für sie und P. ab – Unterdessen wünsche ich, daß sie die neue Schriftx an die Landrechte durchsehen, und die Beilagen recht lesen – sie werden alsdann ersehn, daß sie Wolf und andere nicht recht berichtet haben – so viel ist gewiß, daß genug Beweise da sind für den, der will, wie hätte ich bei einem Manne, wie FürstK. dessen Rechtlichkeit, Großmuth überall bekannt war, an gerichtliche Zeugen an etwas schriftliches denken sollen? –


Wien am 11. Jenner

1815


mit wärmster Liebe und

Achtung in Eil ihr

Freund.«


xwelche ich an Pasqualati geschickt.


7. An Kanka.

»Wien den 14. Jenner 1814. [1815]


Mein werther einziger K.!


Der lange Brief, der hier folgt, war geschrieben, als wir noch der Meynung waren, bei den 1800 fl. zu bleiben – durch das letzte Schreiben [613] der Hrn. Baron Pasqualati ward wieder neuer Rath geflochten und Dor Adlersburg rieth, bei den Schritten stehen zu bleiben, die sie schon gemacht haben – da aber Dor Wolf schreibt, daß er in ihrem Namen auf 1560 fl, jähr: angetragen, so bitte ich sie wenigstens zu versuchen, dieses mit den 1500 fl. noch durchzusetzen – in dieser Hinsicht schicke ich den langen Brief der geschrieben war, noch ehe wir den abrathenden Brief des Hrn,Bon P erhielten, daß sie noch manche Motive darinn finden möchten für wenigstens die 1509 fl. zu erlangen – auch hat der Erzherzog zum 2ten mal an den Oberstburggrafen geschrieben, und man kann aus seiner vorigen Antwort an den Erzherzog schließen, daß er sich sicher angreifen werde und wenigstens die 1500 fl. noch zu erlangen sind. – Leben sie wohl ich vermag keinen andern Buchstaben mehr zu schreiben d.h. erschöpfen mich – möge ihre Freundschaft das Ende herbeiflügeln, denn ich muß – wenn die Sache so schlecht ausfällt, Wien verlassen – weil ich von diesem Einkommen nicht werde leben können – denn hier ist es so weit gekommen, daß alles auf's höchste gestiegen und bezahlt werden muß, meine 2 letzt gegebenen Academien kosten mich 5108 fl., wäre das großmüthige Geschenk der Kaiserin nicht – ich hätte beinah nichts übrig behalten –


in Eil ihr

Verehrer und Freund

Beethoven m/p


Nun folgt der erwähnte lange Brief:


[8. An Kanka.]

»Mein einziger verehrtester K.!


Was soll ich denken, sagen, empfinden? Von W. denke ich, daß er nicht allein Blöße gegeben, sondern sich gar keine Mühe seine Blöße zu bedecken – Es ist unmöglich, daß er seine Schrift mit allen dazu gehörigen ordentlichen Zeugnissen versehe – der Befehl an die Kassa wegen der Scala ist früher vom Fürst Kinsky gegeben als seine Einwilligung mir meinen Gehalt in E. S. auszubezahlenx – also nichtig ist der erste Befehl – das species facti beweiset, daß ich über ein halb Jahr abwesend war von Wien, da ich eben nicht auf Geld anstand, ließ ich die sache gehn, der Fürst vergaß darauf bei der Kassa den vorigen Befehl zu widerrufen, nicht aber auf sein mir gegebenes Wort auch dem Varnhagen (Offizier) sein für mich gegebenes Wort, wie das Zeugniß des Hr. von Oliva beweist, welchem er kurz vor seiner Abreise von hier und in die andere Welt sein Versprechen widerholte und ihn nach seiner Zurückkunft in Wien wieder zu sich bestellte,x – die aber durch seinen unvorhergesehenen Tod natürlich nicht erfolgen konnte – das Zeugniß vom Offizier Varnhagen ist begleitet mit einem Schrei ben von der russischen Armee, worin er sich bereitwillig zeigt,


xwie die Zeugnisse ausweisen – derendatum man nur nachzusehen braucht.

xum die Sache bei der Kassa in Ordnung zu bringen.


[614] die sache mit einem Eid zu beschwören – das Zeugniß des Hr. Oliva zeigt, daß auch dieser bereit ist, seine Aussage vor Gericht zu beschwören. – Da ich das Zeugniß des Obersten Grafen Bentheim fortgeschickt habe, so sage ich es nicht gewiß, mir scheint aber, daß auch dieser Graf in seinem Zeugniß sagt, daß er allenfalls die sache bereit sey, vor Gericht zu beschwören. – und ich selbst bin bereit, vor Gericht zu beschwören, daß Fürst K– mir in Prag sagte, ›daß er es nicht mehr als billig fände mir meinen Gehalt in E. S. ausbezahlen zu lassen‹ dieß seine eigne Worte – er gab mir selbst 60 ⌗ in Gold in Prag drauf, die mir damals ohngefähr 800 fl. gelten sollten, indem ich nicht Zeit hatte mich wegen meiner Gesundheit lange aufzuhalten und nach Teplitz reiste – da mir des Fürsten Wort heilig war, und ich nie etwas von ihm gehört hatte, was mich hätte verleiten sollen, zwei Zeugen vor ihn zu führen, oder mir etwas schriftliches von ihm geben zu lassen – ich sehe aus allem, daß Dor Wolf die sache Miserabel tractirt, und sie selbst nicht mit den Schriften genug bekannt gemacht hat – nun über den schritt, den ich jetzt gemacht habe. – Der Erzherzog Rudolf fragte mich vor einiger Zeit, ob die K–sche Sache noch nicht geendigt, er muste etwas davon gehört haben, ich erklärte ihm, daß es schlecht aussehe, da ich nichts gar nichts wisse, er erbot sich selbst zu schreiben, doch sollte ich ein schreiben beifügen, so wie ihn auch mit allen gehörigen schriften zur K–schen sache bekannt machen, nachdem er sich überzeugt hatte, schrieb er dann an den oberstburggrafen und schloß mein schreiben bei an selben, der oberstburggraf antwortete sogleich dem Erzherzog und auch mir, in dem Briefe an mich sagte er mir ›daß ich ein Gesuch an die Landrechte in Prag nebst allen Beweisen einreichen möchte, von wo man ihm es zuschicken würde, und daß er sein möglichstes thun würde, meine sache zu befördern‹ dem Erzherzog schrieb er auch aufs Verbindlichste, ja er schrieb ausdrücklich ›daß er mit den Gesinnungen des seeligen Fürsten Kinsky in Betreff meiner vollkommen bekannt sei in Rücksicht dieser Sache, und daß ich ein Gesuche einreichen möge etc.‹

Nun ließ mich der Erzherzog gleich rufen, sagte mir, ich solle die schrift machen lassen und ihm zeigen, auch glaubte er, daß man auf die Bewilligung in E. S. antragen solle, da Beweise genug, wenn auch nicht in gerichtlicher Form für die Gesinnungen des Fürsten da wären und kein Mensch zweiflen könnte, daß der Fürst bei seinem Fortleben nicht sein Wort sollte gehalten haben – wäre er heute Erbe, er würde keine andre Beweise fordern, als die jenigen, die da sind – hierauf nun schickte ich die schrift an Baron Pasqualati, der die Güte haben wird selbe den Landrechten einzureichen, erst nachdem diese sache schon eingeleitet war, erhielt Dor Adlersburg von Dor Wolf einen Brief, worin er ihm anzeigte, auf 1500 fl. den Antrag gemacht zu haben, da man bis auf 1500 fl. schon gekommen ist, und bis zum Oberstburggrafen, so wird man wohl auch noch auf die 1800 fl. kommen – Keine Gnade ist es nicht, der seelige Fürst war einer derjenigen, welche am meisten in mich drangen, den Gehalt von 600 ⌗ in Gold jährlich, den ich in Westphalen erhalten konnte, auszuschlagen, ›ich [615] sollte doch keine Westphälischen Schinken essen‹ sagte er damals etc. – einen andern Ruf nach Neapel7 schlug ich etwas später ebenfalls aus – ich kann eine gerechte Entschädigung verlangen für den Verlust, den ich erlitten, was hatte ich, während der Gehalt in B. Z. bezahlt wurde nicht 409 fl. in Konventions Geld!!! und das für einen solchen Gehalt, wie dieser von 600 ⌗ – Beweise sind genug da, für den der rechtlich handeln will – und was ist jetzt wieder aus den E. S. geworden??!!! Es ist noch immer kein aequivalent für das, was ich eingebüßt – in allen Zeitungen wurde diese Sache pomphaft ausgeschrieen, während ich dem Bettelstab nahe war. – Der Sinn des Fürsten ist offenbar und meines Erachtens die Familie verpflichtet, wenn sie sich nicht herabsetzen will, in diesem Sinne zu handeln – auch haben sich die Einkünfte durch den Tod des Fürsten eher vermehrt als vermindert, Es ist also kein hinreichender Grund da, zu schmälern. – ihr freundschaftliches schreiben erhielt ich gestern – nun bin ich aber zu müde, um ihnen das zu schreiben, was ich für sie fühle – ich lege zugleich meine sache an ihren Geist, wie es scheint, ist der Oberstburggraf die Hauptperson, lassen sie sich nichts merken von dem, was er an den Erzherzog geschrieben, es möchte nicht gut seyn, möge Niemand als sie und Baron Pasqualati davon wissen – Anlaß haben sie genug, wenn sie die Schriften durchsehen, um zu zeigen, wie unrichtig Dor W. die sache aufgefaßt habe. – und man doch anders handeln müße – ich überlasse es ihrer Freundschaft für mich, wie sie es am besten finden zu handeln – erwarten sie meinen höchsten Dank und verzeihen sie, daß ich heute nicht mehr schreiben kann, so was ermüdet – lieber die größte musikalische Aufgabe – mein Herz hat schon etwas für sie gefunden, wo das ihrige auch schlagen wird, und das werden sie bald erhalten – vergessen sie nicht auf mich armen Geplagten und Handeln – wirken sie so viel als nur möglich – mit größter Hochachtung


ihr

wahrer

Freund

Beethoven.m/p

für seine Wohlgeboren

Herrn von Kanka.


9. An Kanka.

»Wien am 24ten Februar 1815.


Mein innigst verehrter K.!


Ich habe ihnen mehrmalen durch Baron Pasqualati danken lassen für ihre freundschaftlichen Bemühungen für mich, und schreibe ihnen jetzt selbst 1000 Dank nieder – die Dazwischenkunft des Erzherzogs muß ihnen nicht sehr gesucht vorkommen, oder gar nachtheilig auf mich bei ihnen zurückwirken – sie hatten schon alles gethan, als die Verwendung des E. kam, wäre dieses früher geschehen und wir hätten den einseitigen oder vielseitigen oder schwachseitigen Dor W. nicht gehabt, so hätte die sache laut den [616] eigenen Versicherungen des Oberstburggrafen an den Erzherzog und mich einen noch günstigeren Erfolg haben können – deswegen bleibt ihr Verdienst um mich bei mir immer und ewig – 6011 ziehen mir die Landrechte ab, die ich selbst mir angegeben habe, und wovon weder der verstorbene Fürst K. das mindeste an der Kassa angegeben noch sonst irgendwo – wo die Wahrheit mir schaden kann, hat man sie angenommen, warum denn nicht auch da, wo sie mir nützen konnte, wie ungerecht! – Baron Pasqualati wird sich noch wegen mehreren anderen Sachen bei ihnen erkundigen. – heute bin ich schon wieder zu müde, denn dem armen K.8 habe ich wieder eine menge auftragen müssen. d. g. strengen mich mehr an, als die größte Komposition. Es ist ein fremdes Feld, worin ich gar nicht ackern sollte – Viel Thränen ja Wehmuth kosten mich diese Geschichten – nun wird es wohl bald Zeit seyn, der Fürstin K– zu schreiben – und nun muß ich aufhören, froh bin ich, wenn ich ihnen aus reinem Hertzens Erguß einmal schreiben kann, und es wird gewiß öfter geschehen, sobald ich nur einmal aus diesen Mühseeligkeiten heraus bin. – nehmen sie noch einmal meinen heißesten Dank für alles, was sie für mich-gethan – und lieben sie ihren

[Auf der Rückseite]


Verehrer und Freund

Beethoven m/p

An Seine Wohlgeboren

Hr. Johann von Kanka


in

Prag

(in Böhmen)


wohnhaft auf der

Altstadt neben

der Theinkirche.


10. An Kanka.

»Wien am 8. April 1815.


Es ist sicher nicht Erlaubt – so freundschaftlich zu seyn, wie ich glaubte mit ihnen und so feindschaftlich nebeneinander zu wohnen, ohne sich zu sehen!!!!!!!! tout a vous schrieben sie, Ei du Windbeutel sagte ich – nein nein es ist zu arg – ich möchte ihnen immer gern 9000 mal danken für ihre Bemühungen um mich und 20000 mal ausschimpfen, daß sie so fort sind, so gekommen – also alles ist Wahn, Freundschaft, Königreich, Kaiserthum, alles nur Nebel, den jeder Windhauch vertreibt und anders gestaltet!! – Vielleicht gehe ich nach Teplitz, doch ist es nicht sicher, bei der Gelegenheit könnte ich den Pragern etwas hören lassen, was meinen Sie, wenn sie anders noch eine Meinung für mich haben? – Da nun die Geschichte mit L– auch geendigt, so ist das Finis da, obschon sich dabei ein kleines fy, pfui findet. – Baron Pasqualati wird sie wohl bald wieder besuchen, auch er hat viele Mühe um mich gehabt – ja ja das Rechte sagt sich leicht, [617] ist aber von andern schwer zu erhalten – womit soll ich ihnen in meiner Kunst dienen, sprechen sie wollen sie das selbstgespräch eines geflüchteten Königs oder den Meineid einesUsurpators besungen haben – oder das Nebeneinanderwohnen zweier Freunde, welche sich nie sehen – in Hoffnung bald etwas von ihnen zu hören, da sie jetzt so weit von mir entfernt, und es so viel leichter als näher sich zu finden bin ich


ihr

ewig

ergebener

Sie achtender

Freund

Ludwig van Beethoven.«

(Adresse)

An Seine Wohlgeboren

Herrn Johann von

Kanka Dr der Rechte

im Königreich Böhmen


wohnhaft auf

der Altstadt

neben der Teinkirche


in Prag

(in Böhmen)


Fußnoten

1 Köchel 20.


2 Herr Ferdinand Graf von Troyer, Kammerherr des Erzh. Rudolf. Staatsschem. 1813.


3 3 Jahre die Lobkowitzsche, 2 Jahre die Kinskysche Sache.


4 Im Besitze von Herrn Anton Widter zu Wien.


5 Nach dem Fischhoffschen Manuskript.


6 Dr. Wolf.


7 Vgl. S. 238.


8 Dem kranken Bruder Karl? Näher liegt wohl, das K. als Abkürzung für Kerl zu nehmen und es auf Pasqualati zu beziehen.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1911..
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