[306] Blüthen in den jungen Händen,
Rosen in dem Lockenhaar,
Bringt der Frühling seine Spenden,
Seine Blumen lächelnd dar;
Sanft legt er die Blumenbürde
Der erwachten Menschheit hin –
Doch im Kranze strahlt die Myrthe
Als der Blume Königin.[306]
Auf der Myrthe schlummern Thränen,
Auf der Myrthe glänzt die Lust,
Und das zartverhüllte Sehnen
Bricht entfesselt aus der Brust.
Lächelnd ist der Schmerz vergangen
Und der Liebe Genius
Drückt auf Eure Jugendwangen
Freundlich seinen Feuerkuß.
Was Euch einst in schönen Stunden,
In der Träume Jugendland
Zart gefühlt und süß empfunden,
Ahnend vor der Seele stand,
Springt hervor in's laute Leben,
Und es schweigt des Busens Streit,
Und die kühnen Träume schweben
Fessellos zur Wirklichkeit.
Mag so schön, wie in den Landen
Schöpferischer Phantasie'n
Einst die Tage vor Euch standen,
Euch die goldne Zukunft blüh'n.
Wie der Mensch auch wünsch' und wähle –
Was der Traum uns Schönes beut,
Flicht mit Thränen aus der Seele
Und es gilt die Wirklichkeit.
Seid denn glücklich! mit den Blüthen,
Die die Myrthe Euch gebracht,
Naht des Lebens Sturm und Frieden
Und der innre Mensch erwacht.
Wie der Mensch sich schwach auch wähne,
Glücklich kann er immer sein;
Aber auch die sanfte Thräne
Geht verklärt zum Himmel ein.
Mög' die Gottheit niederschweben,
Wenn der Freundschaft Engel flieht
Und der stumme Schmerz im Leben
Folternd durch die Seele zieht.[307]
Ob um Euch die Stürme wüthen,
Lernt Euch selbst genug zu sein;
Eures Herzens schönsten Frieden
Sucht im traulichen Verein.
Tröstend senk' auf Eure Schmerzen
Sich ein Genius herab,
Und die zartgebrochnen Herzen
Hülle sanft ein einzig Grab.
Mögen rings die Wetter toben,
Was geheiligt in Euch steht,
Wende fromm den Blick nach Oben
Und die Thräne sei Gebet.
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