19. An denselben nach Flotbeck bei Hamburg.

[352] Leipzig, d. 22. September 37.


Mein theurer verehrter Herr,


Daß Sie sich meiner so liebevoll annehmen, vergelte Ihnen das Bewußtsein, einen jungen Künstler, der sich oft einsam glaubt auf seinem schwierigen Weg, mit Muth zu neuer Arbeit angeregt zu haben. Ihr Brief enthält namentlich drei Worte über den Charakter meiner Compositionen, die mir niemals so schön geklungen haben, als gerade von Ihnen ausgesprochen.

Manches in meiner Notirungsweise müssen Sie mir schon zu Gute halten. Die drei As über einander wüßte ich aber wirklich kaum anders zu schreiben: denn 19. An denselben nach Flotbeck bei Hamburg oder: 19. An denselben nach Flotbeck bei Hamburg macht eine andere Wirkung; das hohe As soll nur leise nachklingen, und so wußte ich nichts anderes, als 19. An denselben nach Flotbeck bei Hamburg. Alles, was Sie mir über die einzelnen[352] Stücke gesagt, hat mich mit großer Freude erfüllt. Der Carneval ist auf Gelegenheit entstanden meistentheils und bis auf 3 oder 4 Sätze immer über die Noten A S C H gebaut, die der Name eines böhmischen Städtchens, wo ich eine musikalische Freundinn hatte, sonderbarerweise aber auch die einzigen musikalischen Buchstaben aus meinem Namen sind. Die Ueberschriften setzte ich später drüber. Ist denn die Musik nicht immer an sich genug und sprechend? Estrella ist ein Name, wie man ihn unter Portraits setzt, das Bild fester zu halten; Reconnaissance eine Erkennungsscene, Aveu Liebesgeständniß, Promenade ein Spazierengehen, wie man es auf deutschen Bällen Arm in Arm mit seiner Dame thut. Das Ganze hat durchaus keinen Kunstwerth; einzig scheinen mir die vielfachen verschiedenen Seelenzustände von Interesse. –

Für Ihre Güte, mir eine Etude als Beilage zu der musikalischen Zeitschrift zu überlassen, sage ich Ihnen herzlichen Dank. Hr. Kistner wird Ihnen aber bereits geschrieben haben, daß Ihre zwölf neuen Etuden noch vor Weihnachten erscheinen und daß die Beilagen, wenn sie Interesse erregen sollen, immer nur bis dahin noch nicht Veröffentlichtes enthalten. Würden Sie mir daher vielleicht eine Ihrer kleineren Compositionen, sei es eine Etude, ein Impromptu etc. im Umfang von 2 bis 3 Seiten, womöglich noch von Hamburg aus mittheilen können, die jedoch vor Neujahr, wo die erste Composition der Zeitschrift beigelegt wird, anderswo noch nicht erschienen wäre? Ueber die Idee selbst werden Sie in der Zeitschrift ehestens ausführliches finden. – Welche große Gefälligkeit Sie mir dadurch erweisen, brauche ich Ihnen nicht zu wiederholen.

Für die Mittheilung des Aufsatzes über die letzte Saison bin ich Ihnen ebenfalls verpflichtet. Jedenfalls brauch ich ihn demnächst für die Zeitung.

Hrn. A. Gerke, den Ueberbringer dieser Zeilen, kennen Sie bereits, er ist mir sehr werth worden durch seine Bescheidenheit und Empfänglichkeit.


Gedenken Sie meiner

Ihres Ihnen

verbundenen

R. Schumann.[353]


Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 352-354.
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