18. An Ignaz Moscheles nach Flotbeck bei Hamburg.

[350] Leipzig d. 23. August 1837.


Sie empfangen hier, mein hochverehrter Herr, abermals zwei und[350] ganz verschiedene Compositionen. Den Maskentanz zu entziffern, wird Ihnen ein Spiel sein; auch brauche ich Ihnen wohl schwerlich zu versichern, daß die Zusammenstellung so wie die Ueberschriften nach Composition der Musikstücke entstanden sind. Die Etuden lege ich Ihnen mit mehr Zuversicht an's Herz. Einige davon liebe ich jetzt noch (sie sind beinahe drei Jahre alt). Sie wissen, was mir Ihr Urtheil ist. Sagen Sie mir ein paar Worte, ganz allein für mich.

Auf Ihre Etuden freue ich mich wie ein Kind auf Weihnachten. Vom Concert pathétique finde ich aber noch immer nichts angezeigt.

Jetzt eine Bitte; sie betrifft die Kunst, wie mein Interesse. Der Verleger meiner Zeitschrift hat sich auf mein dringendes Ansuchen bewegen lassen, dem Journal allvierteljährlich eine größere Composition beizulegen. Ich will damit allerhand hübsche Gedanken in's Werk setzen und die Sache soll Feuer unter die Musiker machen. So sollen Liedertexte ausgeschrieben werden und die interessantesten in einem Hefte neben einandergestellt werden, wohl auch ein schlechtes mit aufgenommen, damit die Kritik recht treu nachweisen und der Leser, die Noten in der Hand, nachfolgen kann. – Auf die Manuscripte Unbekannter und wirklicher Talente wird hauptsächlich geachtet; ihr Name wird sich dadurch im Augenblick Bahn brechen (die Zeitschrift hat gegen 500 Leser, die die Compositionen sämmtlich umsonst erhalten). – Von Zeit zu Zeit sollen auch alte Compositionen, die nur im Manuscripte vorhanden, so Fugen von Scarlatti, wohl auch ein ganzes Bach'sches Concert in Partitur, beigelegt werden. – Sodann möcht ich mich mit meinen Freunden zu einem Cyklus kleiner Compositionen verbinden; der Eine müßte anfangen, der Andere müßte das Stück sehen und eine neue Composition hinzufügen und so fort, damit das Ganze einen Halt bekäme, der den Albums sonst sehr fehlt. Kurz Vieles habe ich damit im Sinn.

Mein nächster Gedanke ist aber auf vier Etuden verschiedener Meister gerichtet, die das erste Heft zu Neujahr 1838 bilden sollen. Ich beschäftige mich zu viel mit Allem, was Sie, mein verehrtester Herr, betrifft, als daß ich nicht daran hätte denken sollen, daß Sie mir vielleicht eine der Etuden aus Ihrem zweiten Hefte, ehe sie bei Kistner erscheinen, für die Zeitschrift überließen. Ein solcher Name würde der Sache gleich Vertrauen geben, und der erste Schritt wäre zugleich ein Sieg. Chopin hat mir auch versprochen; von A. Henselt, dem ausgezeichnetsten der jüngeren Componisten, der Sie[351] wahrhaft erfreuen wird, besitz' ich schon eine. Und wegen der vierten schwanke ich noch, ob ich Mendelssohn oder sonst wen darum angehen soll.

Haben Sie die Güte, mir noch vom Continent aus darauf eine gütige Antwort zu ertheilen, und, wenn Ihnen meine Idee gefällt, ein oder mehre Etuden vielleicht mitzuschicken. Sie würden meine Schuld, aber auch meinen Dank größer machen.

Eben höre ich, daß Mendelssohn eine Engländerin zur ersten Concertsängerin hier engagirt haben soll. Können Sie mir vielleicht ihren Namen sagen, vielleicht Miß Clara Novello?

Wegen der fehlenden Nummern der Zeitschrift ersuche ich Sie mir solche genau angeben zu wollen.

Um eine gütige Antwort bittend


in treuer Verehrung

Ihr

ergebenster

Robert Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 350-352.
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