31. An Heinrich Dorn.

[369] Leipzig, den 5. Septbr. 1839.


Mein verehrtester theurer Freund!


Ihren langerwarteten Brief bekam ich spät genug; erst vor 10 oder 12 Tagen. Er muß lang in Königsberg liegen geblieben sein. Leid thut es mir, Ihre diesjährige Correspondenz in der Zeitung zu vermissen, und doch sehe ich, wie es nicht anders geht. Wie ich aber überhaupt nach so vielen Zeichen von Wohlwollen und Theilnahme Ihrer Seits noch auf mehr Anspruch machen kann, weiß ich selbst nicht. Betrachte ich indeß Ihre Handschrift genau, so steigt auch wieder die alte Zeit herauf und mit ihr das warnende nie lächelnde mir wohlwollende Gesicht meines Lehrers, und dann weiß ich es wieder, warum ich Sie bitten darf.

Sehr würde ich mich freuen, wenn Sie mich in Ihre Gallerie mit anbringen wollten, denn die Welt weiß eigentlich so gut wie nichts von mir. Sie wissen ja auch warum? Manchmal bildet man sich wohl ein, man bedürfe dessen nicht; im Grund aber halte ich es lieber mit Jean Paul, wenn er sagt »Luft und Lob ist das Einzige, was der Mensch unaufhörlich einschlucken kann und muß.« Doch will ich mich gerade nicht beklagen und fühle mich wirklich glücklich in meiner Kunst, denke auch noch lange fortzuarbeiten. Auch steht mir ja Jemand zur Seite, zusprechend und erhebend – Klara; ich könnte sie meine Braut nennen; das ist eine unselige Geschichte aber: daß Sie es wissen – wir haben den Alten verklagen müssen, weil ich kein – von Rothschild bin, und er deshalb nicht Ja sagen will. Wir erwarten das Ja binnen einiger Zeit vom Gericht, und besuchen Sie dann vielleicht auch einmal in Riga. Es geht jetzt etwas bunt in mir zu, wie Sie sich denken mögen; doch durfte ich Ihnen, da Sie Klara von früher her lieben und mich kennen, dies gerade jetzt, wo die Sache[369] öffentlich geworden, nicht länger verschweigen. Ihres aufrichtigen Glückwunsches halte ich mich versichert; das Mädchen ist einzig und seelengut. Gewiß mag von den Kämpfen, die mir Klara gekostet, Manches in meiner Musik enthalten und gewiß auch von Ihnen verstanden worden sein. Das Conzert, die Sonate, die Davidsbündlertänze, die Kreisleriana und die Novelletten hat sie beinah allein veranlaßt. Ungeschickteres und Bornirteres ist mir aber nicht leicht vorgekommen, als es Rellstab über meine Kinderscenen geschrieben. Der meint wohl, ich stelle mir ein schreiendes Kind hin und suche die Töne dann danach. Umgekehrt ist es. Doch läugne ich nicht, daß mir einige Kinderköpfe vorschwebten beim Componiren; die Ueberschriften entstanden aber natürlich später und sind eigentlich weiter nichts als feinere Fingerzeige für Vortrag und Auffassung. Rellstab sieht aber wahrhaftig nicht viel über das ABC hinaus manchmal und will nur Accorde; auch bin ich weit davon entfernt B. Klein für einen großen Musiker zu halten. L. Berger war weit schöpferischer in seiner kleinen Sphäre. Beruhigen Sie mich mit ein paar Worten und ob ich nicht Recht habe.

Ob es sich nun schickt, daß in meiner Zeitung etwas über mich stehe, weiß ich nicht. Es kommt hier viel auf die Einkleidung an; auch müßte man dann darauf aufmerksam machen, daß ich die besten Gründe habe, nichts über dergleichen zu sagen etc. Dies überlasse ich denn Ihrer Ein- und Ansicht.

Den Aufsatz über die Novello betrachte ich immer mit einer Art Schmerz. Er gefällt mir so sehr, enthält viel wahres – und doch müssen Sie wissen, die Novello ist die Braut einer meiner besten Freunde, desDr. W., der mir die Aufnahme niemals verzeihen würde. Was sagen Sie dazu? Verdammen Sie mich.

Kömmt Ihr »Schöffe von Paris« denn nicht in Deutschland zur Aufführung? Haben Sie ihn nicht Ringelhardt21 geschickt? Wird er nicht im Druck erscheinen? Lortzing's Opern machen Glück – mir beinah unbegreiflich. Kommen Sie denn nicht einmal selbst nach Deutschland? Leipzig hat sich viel verändert und durch Mendelssohn zum Besten. Das Theater lebt jetzt auch wieder etwas auf. Stegmayer privatisirt in Bremen; seine Stelle hier hat ein M. D. Bach, der das Gegentheil in Allem, nämlich noch gar nichts componirt hat. Der Alte ist übrigens meine tägliche Bibel. Lühe ist Buchhändler in Adorf, wie[370] Sie vielleicht wissen; Harrwig verschollen auf Helgoland. Alles mit einem Worte anders als sonst, doch genug nun. Ich muß noch an Klara schreiben, die in Berlin jetzt ist bei ihrer Mutter.

Senden Sie mir bald ein paar theilnehmende Worte


Ihrem

alten ergebenen

R. Schumann.

21

Damals Direktor der Leipziger Bühne.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 369-371.
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