5. An Henriette Vogt.

[334] Wie Cordelia komme ich zuletzt mit meinen Wünschen. Soll ich wiederholen, was die Verdienstvolleren schon besser ausgesprochen haben?

Und wären Sie Lear und frügen: was wünschest Du mir – ich antwortete: »nichts – denn ich würde damit nur sagen, daß Ihr gar manches nicht besitzet« –

Und wenn er dann zürnend auf einem Wunsch bestände, so würde ich erwidern »Alles, denn Ihr verdient es wahrhaftig.«

Und wäre er damit noch nicht zufrieden, so sagte ich, »nun, so wünsch' ich Euch, daß Ihr selbst immer etwas zu wünschen hättet! denn ich preise das gütige Schicksal darum, daß es an die Stelle eines erfüllten Wunsches stets einen neuen setzt.«

Und so sei es meine Freundinn! Genüge Ihnen dies Wenige! An solchen Tagen sieht man sich lieber ein paarmal länger in die[334] Augen, wenn auch schweigend – denn das Lautsprechen ist in der Kirche verboten. –

Meine Mutter erlaubt sich, ihren Wünschen Bulwers Werke, Ernestine und ich das Allegro beizulegen, – letzterer mit der Versicherung, daß der Verfasser mehr tauge, als sein Werk und weniger, als die, der es zugeeignet ist. –

Ueber das Andere nächstens! Meinem verehrten D. Voigt tausend freundliche Grüße.


Zwickau, am 24. November 1834.

Robert Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 334-335.
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