66. An Ferdinand Hiller.

[414] Dresden, d. 10. April 1849.


Lieber Hiller,


Lange ist's wieder her, daß Du nichts von uns gehört – und ich darf doch nicht länger säumen, Dir wieder einmal einen Gruß zu senden.

Durch Reinecke erfuhren wir von Zeit zu Zeit von Dir, daß es Dir und Deiner Frau immer wohl ergangen, daß Du immer fleißig warst und guten Muthes. So war's auch, lieber Hiller, bei uns mit wenigen Ausnahmen. Auch haben wir beide im vergangenen Winter nach Kräften geschafft und gearbeitet.

Viel Freude macht mir mein Chorverein (60–70 Mitglieder), in dem ich mir alle Musik, die ich liebe, nach Lust und Gefallen zu recht machen kann. Den Männergesangverein hab' ich dagegen aufgegeben; ich fand doch da zu wenig eigentlich musikalisches Streben – und fühlte mich nicht hinpassend, so hübsche Leute es waren. MD. Otto hat sie wieder unter sich.

Den jungen Ritter, hab' ich, glaub' ich, ein Stück vorwärts gebracht. Eine entschieden musikalisch organisirte Natur, aber freilich noch sehr unklar; ich weiß nicht, ob er einmal sehr bedeutendes leisten wird, oder spurlos verschwinden. Er bedürfte einer fortwährenden Leitung.

Hier hast Du Bericht über Deine Hinterlassenschaften, für die ich Dir übrigens nochmals danke. Namentlich hat mir doch die Liedertafel das Bewußtsein meiner Direktionskräfte wieder gegeben, die ich in nervöser Hypochondrie ganz gebrochen glaubte; ich fühle mich darin jetzt ganz zu Hause.

Von Deiner Symphonie hörte ich von vielen Seiten das Beste: hier ist leider zur Aufführung neuer Werke keine Aussicht. Du kennst ja die Verhältnisse. Die Faulheit ist größer denn je. –

Reinecke erzählte mir auch, daß Du eine Symphonie von mir aufgeführt. Ist dies die 2t? Dann wäre mir's lieb, Dein Urtheil darüber zu wissen. Ist sie auch schon gedruckt, so läßt sich aus solchem Ideenaustausch immer für die Zukunft nützen.

Sehr fleißig war ich in dieser ganzen Zeit – mein fruchtbarstes Jahr war es – als ob die äußern Stürme den Menschen mehr in sein Inneres trieben, so fand ich nur darin ein Gegengewicht gegen das von Außen so furchtbar hereinbrechende.[414]

Mein Jugendalbum kennst Du wohl? Gefällt Dir's nicht? Es hat schnelle und große Verbreitung gefunden, wie mir der Verleger schreibt. Sodann erscheinen in der nächsten Zeit ein Kirchenstück für Chor und Orchester (ein Rückert'scher Text), ein Heft kanonischer Gesänge f. Männerstimmen, zwei Hefte 4händige Stücke, ein Heft Phantasiestücke für Pfte. u. Clarinette, ein Adagio und Allegro f. Horn und Pfte., ein paar Hefte Balladen für Chor, die sehr gut klingen. Und ganz vor Kurzem hab ich ein Concertstück für vier Hörner mit Begl. des großen Orchesters gemacht, was mir wie eines meiner besten Stücke vorkömmt – dann fällt auch die Beendigung der Oper in das vorige Jahr, die nun nach der Messe in Leipzig gegeben werden soll. Kurz, ich kann nur dankbar sein, daß mir in dieser schweren Zeit so viel Kraft zum Arbeiten übrig blieb. –

Nun genug für heute – mögen Dich diese Zeilen gesund und wohl treffen – grüß Deine Frau und laß bald von Dir hören.

Dein Freund

Robert Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 414-415.
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