71. An Heinrich Dorn in Berlin.

[419] Dresden, den 6. Nov. 1849.


Verehrtester Herr Capellmeister,


Es war längst meine Absicht, der Intendanz des Königl. Theaters meine Oper zuzuschicken. Da es sich nun so schön trifft, daß Sie selbst, mein alter verehrter Präceptor, an die Spitze des Instituts berufen sind, so dachte ich mich zuerst an Sie zu wenden, mit der Bitte, mir in der Angelegenheit Ihren gütigen Rath und Beistand angedeihen zu lassen.

Buch und Partitur können Sie gleich haben. »Genoveva«! Dabei denken Sie aber nicht an die alte sentimentale. Ich glaube, es ist eben ein Stück Lebensgeschichte, wie es jede dramatische Dichtung sein soll; wie denn dem Text mehr die Hebbel'sche Tragödie zum Grunde gelegt ist.

Doch das werden Sie alles am Besten aus dem Buch und der Musik selbst herauslesen.

Wollen Sie mir denn zunächst mit ein paar Worten schreiben, ob Sie jetzt Zeit haben, meinem Werke einige Stunden zu schenken, und was dann zu thun sei, die Sache schnell vorwärts zu bringen, so haben Sie vielen Dank im Voraus.

Hr. von Küstner hat sich uns bei unserer letzten Anwesenheit in Berlin sehr artig gezeigt. So auch Graf Redern.

In Leipzig wird die Oper Anfang Februar gegeben, auch in Frankfurt hoffe ich bald, von wo aus Ihr Hr. Bruder sie zu begehren so freundlich war. Warum ich sie hier nicht zuerst zur Aufführung gebracht, will ich Ihnen gelegentlich mittheilen.

Nun genug von mir.[419]

Nehmen Sie noch meinen Glückwunsch zum neuen Wirkungskreis, – auch den meiner Frau, die sich Ihrer immer in alter Anhänglichkeit erinnert, und gedenken unserer freundschaftlich.

Ihr

ergebener

Robert Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 419-420.
Lizenz:
Kategorien: