70. An Franz Brendel in Leipzig.

[417] Dresden, 18. September 1849.


Lieber Freund!


Alles, was ich von Ihnen über »Faust« gelesen, hat mir große Freude gemacht. Der äußere Erfolg war mir vor der Aufführung klar; ich habe keinen andern erwartet. Aber daß ich Einzelne mit der Musik treffen würde wußte ich wol auch. Mit dem Schlußchor, wie Sie ihn gehört haben, war ich nie zufrieden; die zweite Bearbeitung ist der, die Sie kennen, gewiß beiweitem vorzuziehen. Ich wählte aber jene, da die Stimmen der zweiten Arbeit noch nicht ausgeschrieben waren. Zu einer[417] Wiederholung der Aufführung in L. wähle ich gewiß die andere. Und dann führe ich wol auch noch Einiges aus dem 1. Theil des »Faust« auf.

Ueber *** sind Sie im Irrthum. Er ist ein ehrlicher Künstler; ich habe die Beweise, und zwar in Menge in Händen. Er hat sich meinen Bestrebungen immer höchst theilnehmend gezeigt. Und er wäre nicht der, der er ist, wenns anders wäre. Denn ein Künstler, der seinen Zeitgenossen, den bessern, die Anerkennung ihres Strebens verweigert, wäre zu den Verlornen zu zählen – und von diesen nehmen Sie *** nur aus.

Ueberhaupt weiß ich nicht, was man mit der sogenannten Nichtanerkennung will, mit der ich heimgesucht sein soll. Das Gegentheil wird mir oft und in vollem Maaße zutheil – und wie oft hat Ihre Zeitschrift die Beweise davon gegeben. Und dann habe ich, wenn auch meine prosaischen, doch sehr überzeugenden in den Verlegern, die ziemlich nach meinen Compositionen verlangen und sie sehr hoch bezahlen. Ich spreche nicht gern von derlei Dingen, aber ich kann Ihnen im Vertrauen mittheilen, wie z.B. das Jugendalbum einen Absatz gefunden, wie wenig oder gar keine Werke der neueren Zeit – dies hab ich vom Verleger selbst – und dasselbe ist mit vielen Liederheften der Fall. Und wo sind die Componisten, deren Werke alle gleiche Verbreitung fänden? Welch vortreffliches Opus sind die Variationen in D-moll von Mendelssohn – fragen Sie einmal, ob deren Verbreitung nur ein Viertel so groß ist, als z.B. die Lieder ohne Worte. Und dann, wo ist der allgemein anerkannte Componist, wo giebt es eine von Allen anerkannte Sacrosanctitas eines Werkes, und wäre es des höchsten! – Freilich hab ich es mir sauer werden lassen, und zwanzig Jahre hindurch, unbekümmert um Lob und Tadel, dem einen Ziele zugestrebt, ein treuer Diener der Kunst zu heißen. Aber ist es denn keine Genugthuung, dann von seinen Arbeiten in der Weise gesprochen zu sehen, wie Sie, wie Andere es oft thaten. Also wie gesagt, ich bin ganz zufrieden mit der Anerkennung, die mir bisher in immer größerem Maße zutheil geworden. Mit Bornirten, Mittelmäßigen freilich führt einen der Zufall wol auch zusammen, um die muß man sich nicht kümmern. Wegen der Oper thun Sie vorderhand nichts. Bin Ihnen übrigens recht dankbar für den guten Willen.

Ihre Musikalien können Sie zu jeder Zeit haben; schreiben Sie mir, ob ich sie Ihnen schicken, oder bis auf Ihre Hierherkunft warten soll. – Sendet Ihnen Kistner seine Verlagsartikel nicht zu? Dann[418] werde ich es thun. Etwas in der Art, wie das »Spanische Liederspiel« ist, habe ich (glaube ich) noch nicht geschrieben. Sehr glücklich war ich, als ich daran arbeitete. Ich wünschte, Sie hörten es von vier schönen Stimmen – wie wir es hier gehört.

Freundlichen Gruß von

Ihrem

ergebenen

R. Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 417-419.
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