87. An Strackerjan in Oldenburg.

[434] Geehrtester Herr,


Entschuldigen Sie vor Allem die verspätete Antwort! Noten- und Buchstabenschrift wollen sich oft nicht vereinigen lassen. Dann hoffte ich Sie vielleicht auch zum Musikfest hier zu begrüßen, wie denn auch während der Vorbereitungen zum Fest sich eine Unzahl Arbeiten angehäuft hatten, die später beseitigt werden mußten.

Mit Freude habe ich gelesen, was Sie mir über Ihre Wirksamkeit mittheilen. Das sind die besten Kunst- und Künstlerfreunde, die eben nicht allein Worte machen, sondern etwas thun. Ich wünschte manchmal Siegfried's Tarnkappe zu haben, um Ihren Musikaufführungen unsichtbar zuhören zu können.

Die Zusammenstellung der dramatischen Aufführung, die Sie vorhaben, gefällt mir sehr wohl. Der Ausdruck »Kunstwerk der Zukunft« ist eigentlich ein Widerspruch in adjecto; denn wollten wir lauter »Zukunftswerke« machen, so wäre es mit der Gegenwart ganz aus. Das beste »Zukunftswerk« ist eben das Musterwerk. Dies beiläufig. Daß ich Ihnen mit Vergnügen die Partitur zu den Scenen aus Genoveva überlasse, brauche ich Ihnen wohl nicht zu versichern. Kann ich Ihnen[434] in ähnlicher Weise für andre Werke mit Partitur und Stimmen behülflich sein, so werde ich immer dazu bereit sein.

Für die Concertaufführung würde es gut sein, wenn im Schluß des Doppelchores N. 5 das Diminuendo wegfiele und der ganze Chor bis zum Schluß in Kraft bliebe. Der Abschluß würde der erste Tact der 41. Seite des Clavierauszuges mit einer Fermate sein, der freilich anders instrumentirt werden müßte. Aber es wird wohl noch einige Zeit bis zur Aufführung dauern, wo ich Sie dann um genauere Mittheilung bitte.

Von andern jetzt von mir erschienenen Chorwerken wünschte ich, daß Sie sich das »Nachtlied« und die Ballade; »Vom Königssohn« ansähen. Das erstere ist kürzer, erfordert aber ein eindringendes Eingehen von Seiten des Chor's. Anders der »Königssohn«, dessen Chöre mehr breit und massenhaft angelegt sind.

Mit Bedauern habe ich von Ihrem öftern Unwohlsein gelesen, das hoffentlich jetzt ganz gehoben sein wird. Auch ich fühle mich noch nicht in meiner vollen Kraft und muß noch alle anstrengende größere Arbeiten meiden.

So sage ich denn Ihnen, geehrter und theurer Herr, für heute Lebewohl, und rächen Sie sich für mein längeres Schweigen nicht durch ein eben so langes.


Düsseldorf,

den 24. Juli 1853.

Ihr ergebener

R. Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 434-435.
Lizenz:
Kategorien: