Ausbildung von Weber's Talent für freie Phantasie

[95] Der Wetteifer der drei Talente in der, damals noch wenig gepflegten Productionsform der freien Clavier- oder Orgelphantasie, scheint bei Weber das Bewußtsein seiner Kraft in diesem Kunstzweige, dessen Schöpfungen leider wie das gesprochene Wort verhallen, geweckt zu haben, in welchem er später, als gereifter Künstler, vielleicht das Höchst geleistet hat, was die Musikgeschichte zu berichten hat. Seine freien Phantasien waren goldene Träume, reich, schön, erquickend, wie[95] diese. Alle, die so glücklich waren ihn gehört zu haben, schildern den Eindruck seines Spiels wie den eines elysischen Rausches, der den Menschen über sich selbst hebt und ihn über die Herrlichkeit seiner eigenen Seele staunen macht. Gewiß ist, daß der gegenseitige Einfluß der drei ausgezeichneten Clavierspieler auf einander alles dieß wesentlich förderte und daß Carl Maria die Periode der geistigen Reise seines Clavierspiels von jener Zeit datirte, wie er Heuschkels Unterricht die Bildung seiner Hand, Kalcher die Entwicklung seines Sinns für die Reinheit der Technik zuschrieb.

Die Theaterdirektion, den Professor Rhode an der Spitze, empfing den jungen, ihr so trefflich empfohlenen, neuen Dirigenten mit Auszeichnung und reichen Hoffnungen, während der erste Violinist und zweite Dirigent vom Orchester, der verdiente J. J. Schnabel, der noch im selben Jahre Domcapellmeister wurde, unzufrieden mit der großen Jugendlichkeit des 18jährigen Direktors, seine Stelle niederlegte. Carl Maria fühlte dieß Verhalten in seiner Weise doppelt schmerzlich, erstens weil er dadurch eines der ausgezeichnetsten Orchestermitglieder verlor und dann auch als böses Omen für den Antritt seines neuen Amtes.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 95-96.
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