Franz Gehirne. G. Fülleborn

[93] Berner, 6 Jahre älter als Weber, Sohn des Ober-Organisten gleichen Namens, gehörte zu den liebenswerthesten und tiefsten Künstlernaturen, die Carl Maria auf seinem krausen Lebenswege begegnet sind. Obgleich Sohn eines tüchtigen Musikers, hatte er doch von seinem Vater, der ihn Theologie studiren lassen wollte, nur die Praxis des Gesangs, des Clavier- und Orgelspiels gelernt. Nur widerstrebend gab dieser es zu, daß er mit 7 Jahren Diskantist, mit 13 zweiter Organist an der evangelischen Hauptkirche zu Breslau wurde. Franz Gehirne, Chorregens an der Mathiaskirche, ein Freund seines Vaters theilte ihm von der Theorie mit, was der verschlossene Mann äußern konnte. Dadurch blieben Berner's wissenschaftlich-musikalische Kentnisse, deren Gediegenheit ihn später so auszeichnete, höchst lückenhaft, bis es ihm in seinem 20. Jahre gelang, Türk's strengen Unterricht in Halle zu genießen, der ihn, neben dem eifrigen Studium der Merke von Fux, Albrechtsberger, Kirnberger u.s.w. und des geistreichen Aesthetiker und Dichter Fülleborn zu Breslau Umgang zum so anerkannten Musiker machte, daß man nicht anstand, dem strengen Orgelspieler im Bach'schen Style, trotz seiner Jugend und seines Rufes als lebensfroher Künstler, das Amt eines Ober-Organisten an der Elisabeth-Kirche, schon 1800 zu übergeben. Im selben Jahre kam Vogler nach Breslau, hielt sich mehrere Monate dort auf und gewann als Orgelspieler und durch seine bedeutsame Persönlichkeit, großen Einfluß auf Berner, der, neben der Bekanntschaft mit Wölfl und Rhode, die Ausbildung seines Geschmackes und die melodische[93] Construction seiner Composition vollendete. Schon als Knabe hatte er, mit außerordentlichem Talente für die Praxis des Instrumentspiels begabt, fast alle hauptsächlichen Orchesterinstrumente, Violine, Cello, Clarinette, Horn, Fagott, behandeln gelernt und besonders eine so bedeutende Fertigkeit als Paukenschläger erlangt, daß er die guten Paukenschläger der deutschen Orchester fast alle gebildet hat und Carl Maria noch im Jahre 1824 einen Schüler von ihm als Paukenschläger nach Dresden berufen wollte. Im Jahre 1804 hatte er endlich auch als Componist schon unwiderlegliche Zeugnisse achtungswerthen Talents abgelegt. Ein Te deum, die Ouverture zur Eröffnung des neuen Theaters, eine Cantate: »Christi Verklärung«, einen großen Chor: »Hallelujah«, ein Concert für Flöte mit Orchester u.s.w. waren mit Bewunderung und Freude vom Publikum aufgenommen worden. Als Aesthetiker wirkte er im kleinen Kreise durch seine vortrefflichen Abhandlungen, die er für die »Philomusische Gesellschaft« schrieb und von denen 2 »Ueber das Recitativ« und »Vom Unisono« Carl Maria stets als mustergültig und, in vieler Beziehung bestimmend auf ihn wirkend, bezeichnet hat. Berner war eine sehr anregende Natur. Heiter, oft ausgelassen, war er eben so mittheilsam als reizbar. Sein reiches musikalisches Wissen stand jedem, der ihn zu behandeln wußte, encyclopädienartig zu Gebot. Von seinen vielen Compositionen, die, bei allem Studium, niemals etwas Pedantisches haben, sind, durch die Wellenschläge des Geschicks der Kunstwerke, wunderlicher Weise zwei der kleinsten und unbedeutendsten an den Strand der allgemeinen Kenntniß gespült worden. Es sind dieß ein Studentengruß: »Guten Morgen«, und das Gesellschaftslied: »Nur fröhliche Leute« womit Holtei seine »Wiener in Berlin«, beginnen läßt. In größeren als provinziellen Verhältnissen lebend, würde Berner unstreitig auch als Tonsetzer einen weit bedeutenderen Ruf erlangt haben.

Aus dieser kurzen Charakteristik Berners leuchtet ein, daß, als Carl Maria im October 1804 mit einem Briefe Voglers an ihn nach Breslau kam, sich bald ein Freundschaftsverhältniß zwischen den Beiden, im Alter nicht sehr verschiedenen, ausgezeichneten jungen Männern bilden mußte, das, bei der Gleichheit ihrer Gesinnung und ihres[94] Strebens, bis zum Tode getreulich aushielt. In Breslau übte übrigens bald der 6 Jahre ältere und kühlere Berner eine Art liebevolle Vormundschaft über Carl Maria aus, die ihn zwar nicht immer von Thorheiten sittlicher und künstlerischer Art fern hielt, aber doch den Einfluß der immer schroffer entwickelten Schwächen Franz Anton's, in segensreicher Weise paralysirte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 93-95.
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