Theater u. Capelle zu Carlsruhe in Schlesien

[107] Im Jahre 1792 starb das Haus des Herzogs Carl Erdmann mit diesem aus. Oels fiel 1793 an Braunschweig und Carlsruhe kam als Allodialgut an den Herzog Eugen Friedrich Heinrich von Würtemberg und dieser begann sofort das Besitzthum zu heben und durch Bauten zu verschönern. Er vergrößerte das Schloß, baute Schulen und Kirchen, begünstigte die Ansiedelung in der Nähe seiner Residenz durch Schenkungen und Beihülfe, so daß sich bald mitten im dunkeln oberschlesischen Forste ein freundlicher Ort voll zufriedener Bewohner in einer Oase der Civilisation erhob und steifbezopfte, gepuderte Hofherren mit chapeau-bas und Degen und zierliche Damen mit hohen Toupets und Hackenschuhen wie Traumerscheinungen durch die Waldgründe wandelten. Vor allem aber trieb ihn seine Leidenschat für Musik und Theater, eine kleine musikalisch-dramatische Welt um sich zu schaffen. Er baute 1794 ein sehr stattliches Schloßtheater, dessen Bühnenraum an Größe dem des alten Breslauer Stadttheaters nichts nachgab. Zum Intendanten seines Theaterwesens ernannte er einen Cavalier, der die Bühne fast eben so liebte als er selbst, Herrn von Rohr, und hatte das Glück, für die technische Direktion[107] seiner Bühne erst den guten Schauspieler Herbst und dann den noch weit trefflicheren Hagemann zu gewinnen, der eben so als ausgezeichneter Künstler wie als Verfasser der damals beliebten Stücke: »Ludwig der Springer«, »Otto der Schütz«, »Die Martinsgänse« u.s.w. bekannt war. Die musikalische Leitung führte der greise Klehmet. Die Instrumente waren sämmtlich in Händen guter Künstler unter denen sich sogar Virtuosen befanden. So saßen bei der ersten Violine: Dittersdorfs bester Schüler Clementi, Schmidt und Ellenberger, Hetzel beim Contrabaß, Prasch und der, in Weber's Leben eine unglückliche Rolle spielende Dautrevaux beim Horn, Ricordeau und Barretzky (Organist) bei der Viola, die Gebrüder Pausewang am Cello und bei der Oboe, bei ersterem außerdem Lohse und Richter, und Groß, der ein noch besserer Decorationsmaler und Maschinist als Musiker war, beim Fagott; Redlich und sein Sohn bei Flöte und Clarinette.

Die Capelle war musterhaft zusammengespielt und in ihren kleinen Verhältnissen eines der vollendetsten Institute dieser Art in Deutschland. Der liebenswürdigste Geist herrschte in der Kunstgenossenschaft, der von dem trefflichen Herzoge, welcher Leutseligkeit, Enthusiasmus und Eifer selbst war und seiner ausgezeichneten Gattin ausströmte, die mit ihrer Hofdame, dem genannten Fräulein von Belonde, die Clavierstimme bei musikalischen Aufführungen inne hatte und mit Meisterschaft, besonders hoher Zartheit, durchführte.

Diese Aufführungen fanden Donnerstag und Sonntag statt und meist ohne Proben wurde Haydn'sche, Mozart'sche, Reichardt'sche, Salieri'sche Musik vom Blatt gespielt. Der Herzog prüfte seine Capelle einst, als Beethovens (Cdur-Symphonie erschienen war, durch Auflegen derselben mit dem Befehle sie prima-vista zu spielen. Als dieß ohne Anstoß im feurigen Tempo geschehen war, zog er alle Mitglieder wie gewöhnlich nach den Aufführungen zur Tafel und jeder fand unter seinem Teller zwei Dukaten, der Capellmeister einen kostbaren Ring.

Im Theater ließ er nur Werke von unbestrittener Classicität vorführen, die so trefflich studirt waren, daß die Augen- und Ohrenzeugen[108] nur mit Entzücken davon sprechen konnten. Hier schonte er auch die Proben nicht. Als liebliche, in Mozart'schen heitern Opern unvergleichliche Sängerin, wird die Tochter Klehmet's, die später der Hofrath Riebel ehelichte, genannt; Madloug zierte die Oper als Tenorist; Martini als Bassist. Der treffliche Geiger (später Hofrath) Riebel zeichnete sich als regens chori aus und wußte, mit wenig Mitteln sogar ein Ballet zu arrangiren, welches aus jugendlich schönen Persönlichkeiten zusammengesetzt, wesentlich zur Erhöhung des Glanzes der Oper gereichte. Es war somit kein Wunder, daß die Carlsruher Capelle und das Theater bedeutenden Ruf erlangte und der gastfreie, freundliche Herzog oft, geschmeichelt schmunzelnd, von fern und nah die gebildete Welt im kleinen Carlsruhe zu seinen Opernvorstellungen zusammenströmen sah.

Die Musik schlug dadurch feste Wurzel in Carlsruhe und lebte im Sinne und unter der Privatpflege der Bewohner noch fort, nachdem der Sturm des Kriegs die schöne Kunstanstalt längst verweht hatte. Fräulein von Belonde rieth Weber sich an diesen edeln und echten Kunst-Mäcen zu wenden und seine Protection in irgend einer Weise in Anspruch zu nehmen. Weber, im Begriffe seine Kunstreise anzutreten, mit dem Passe dazu schon in der Tasche, wußte keine bessere Form hierfür zu finden, als indem er den Herzog in einem, durch Fräulein Belonde überreichten Schreiben, bat, ihm den Titel irgend einer höheren musikalischen Funktion zu verleihen, indem ihm die, bei dem hohen Rufe von des Herzogs Kunstanstalt, auf der Reise von großem Nutzen sein müsse. Wahrscheinlich auf Franz Anton's Rath, ließ er, um dem Gesuche mehr Gewicht zu geben, in dem Schreiben etwas von seiner Familie, gutem Adel u.s.w. einfließen. Dieß hätte indeß beinah die ganze Sache verdorben! Der Herzog antwortete ihm in einem Briefe, der die ganze Liebenswürdigkeit, den Adel der Gesinnung und die Leutseligkeit dieses Fürsten spiegelt, wie folgt:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 107-109.
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