Composition der Oper »Sylvana«

[152] Während sich, unter diesen Verhältnissen, die eigentliche Hofgeselligkeit mit allen ihren Gefahren des Umgangs mit hochgestellten Personen und reichem Adel und dem höhern Beamtenstande, voll der laxesten Grundsätze, vor Weber mehr und mehr erschloß und sein Einfluß, durch Bekanntwerden seiner intimen Beziehungen zum Herzoge Ludwig, immer mehr stieg, seine Beliebtheit in den geselligen Familien der Stadt zunahm und er sich mehr und mehr aus der Stellung, die ihm sein Titel als Secretär des Herzogs angewiesen hatte, in die eines[152] diesem Fürsten »attachirten« jungen Barons gedrängt sah, er sich auch immer weniger der wilden Lebensform des jungen Adels am Hofe entziehen konnte, und die Abende immer seltener wurden, die, in. geselligen Zirkeln bei der Herzogin Ludwig, den gastfreien Familien Stuttgarts, oder in einem Kreise älterer Künstler begonnen, nicht in Saus und Braus bei Schwederer, Höner, in der goldenen Kanne, bei Speidel oder Braun, oder sonst einem guten Wein führenden Wirthe geendigt hätten, erstritt sich Carl Maria's unwiderstehliche, alle Hindernisse der Verhältnisse stets siegreich durchbrechende Kunstliebe, in diesem wirren Treiben doch so viel Zeit und Raum für die musikalische Produktion, daß dann und wann eine Nummer von der »Sylvana«, deren Text er dem trägen und noch weit lockerer als er selbst lebenden Hiemer, stückweis abpreßte, neben einer großen Anzahl schöner Lieder, von denen wir nur die schöne Baggesen'sche »Serenade«, das prächtige Trinklied: »Wenn Brüder wie wir täglich sehen«, die Romanze: »Süße Ahnung dehnt den Busen« etc. nennen, zur Niederschrift kam.

Es ging freilich mit der Oper nicht schnell und es hat vom November 1807 bis zum Februar 1810 gedauert, ehe die sämmtlichen Nummern derselben fertig wurden.

Einheit und künstlerische Rundung konnte das Werk unter den Verhältnissen, unter denen es entstand, nicht erhalten, denn theils wünschte Weber ihm lieb gewordene Pieçen aus dem früher componirten »Waldmädchen« verwenden zu können und veranlaßte Hiemer demgemäß den Text zu gestalten, theils lagen zwischen der Composition der einzelnen Nummern zu lange, zu reich ausgefüllte Zeiträume, theils endlich begannen schließlich Rücksichten auf das Theaterpersonal Stuttgarts, wo Weber sicher hoffen durfte, seine Oper aufgeführt zu sehen, den jungen Componisten in so stürmischer und zwingender Weise zu beeinflussen, daß diese allein hingereicht hätten, die Freiheit der Entwickelung des Werkes unmöglich zu machen.

Danzi, der zu dem immer zerfahrener sich gestaltenden Leben seines jungen Freundes den Kopf schüttelte, dessen väterlicher Rath ihn auch von mancher Thorheit zurückhielt und der auf alle mögliche[153] Weise seine Kunstliebe, seinen Eifer für die Produktion zu stärken suchte, brachte ihn, kraft seiner Stellung, in nähere und häufigere Beziehung zum königlichen Theater, um dadurch seinen Eifer zur Arbeit an seiner Oper zu beleben, nicht ahnend, daß er damit Oel in's Feuer gießen werde.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 152-154.
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