Unterricht am Würtemberg'schen Hofe

[151] Die Freude an humoristischen oft ausgelassenen Briefen dieser Art hat Carl Maria immer behalten und oft, selbst in der Zeit noch, wo Leiden, Hinfälligkeit und Kränkungen ihn beugten, seine Freunde damit ergötzt. Im Anfange des Jahres 1808 kehrte der Amtmann Faber, der Leiter der äußern Geschäfte des Prinzen Ludwig, nach Stuttgart zurück und Carl Maria wurde von einer Menge Arbeiten dadurch entlastet, aber der Herzog, dem er durch seine persönliche Liebenswürdigkeit und den guten Unterricht, den er den fürstlichen Kindern ertheilte, und den freundlichen Einfluß, den er auf sie übte, so werth geworden war, als es sich mit der persönlichen Antipathie, welche er gegen ihn hegte, vertrug, und dessen Vertrauen er durch die geschickte Besorgung seiner mißlichen Sendungen und Verhandlungen erworben hatte, bestand darauf, daß er seine Privatkassen-Geschäfte und seine Schatulle, von derem desperaten Zustande er wahrscheinlich Niemanden Anders Einsicht nehmen lassen wollte, fortführen, den Kindern[151] noch ausgedehntern Unterricht ertheilen und die Musiken in seinem Salon leiten solle. Diesem Unterrichte, dieser Salonmusik danken die der Prinzessin Ludwig von Würtemberg gewidmeten schönen »Six pièces à quatre mains« (Op. 10), die große Polonaise in Es (Op. 21), die Variationen für Piano und Violine (D moll Op. 22), dasMomento capriccioso (Op. 12), das Potpourri für Cello (Op. 20), die Variationen in D moll (Op. 22), höchst wahrscheinlich ihr Dasein. Prinz Paul, der zu einem athletischen, breitschultrigen Knaben heranwuchs und sich meist als ein sehr formloser junger Mann zeigte, dem es, auf seine Stellung pochend, Spaß machte, seine Umgebung, hoch und niedrig, zu foppen, bevorzugte Weber auffallend, ließ auch seiner Natur in dessen Nähe seltener die Zügel schießen, denn wiewohl er öfter bei den Musiken in seinen Gemächern die Bedienten ohrfeigte, so galt dieß bei ihm doch gerade für keinen Exceß. Er liebte es so sehr, mit Carl Maria zu musiziren, daß er ihm oft unvermuthet Instrumente, Lichter, Geschirre, Speisen und eine ansehnliche Anzahl Flaschen in seine kleinen Zimmer schickte und dann zu ihm kam, um stundenlang mit ihm allein, oder vor nur wenigen Cavalieren zu spielen. Freilich arteten diese Musikabende in später Nachtstunde dann, trotz ihres ästhetischen Beginnens, oft in recht wüste Trinkereien aus, bei denen der tief verschuldete Prinz, weingelaunt, freigebig zu werden und Geschenke zu machen pflegte, von denen er dann am andern Morgen Nichts wissen wollte und mit seinen Cavalieren, die sich der ihnen gemachten Versprechungen wohl erinnerten, darüber oft in verdrießliche Altercationen gerieth, bei deren Schlichtung Weber's Gewandtheit dann meist das Beste thun mußte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 151-152.
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