Morlacchi's Verläumdung Vitzthum's und Differenz mit ihm

[108] Was Morlacchi von Vitzthum, bei dessen genauer Kenntniß von den Erfordernissen der Opernleitung, nicht erlangen konnte, das hoffte er von des Grafen Einsiedel Vorliebe für ihn, dessen Antipathie gegen die deutsche Oper und dessen Unwissenheit in Bühnen-Angelegenheiten zu erlangen. Seinem Hange zur Intrigue gemäß, begnügte er sich aber nicht damit, dem Minister in Abwesenheit seines Chefs und hinter dem Rücken desselben seine Bitte vorzutragen, sondern er verhinderte auch die Vernehmung zwischen beiden Männern, durch die, bei Einsiedel's büreaukratischer Strenge, sein Vorhaben leicht hätte vereitelt werden können, vermöge der gehässigsten Verläumdungen Vitzthum's. Was er ihm bei diesen tückischen Insinuationen Schuld gegeben, hat Vitzthum selbst nie recht erfahren können, jedenfalls reichte es hin, den Minister gegen den Grafen aufzubringen und selbst den König sehr ungnädig gegen ihn zu stimmen. Da nun Morlacchi überdieß eine neue Messe (am 24. Juli) aufführte, die dem Hofe ungemein zusagte und ihn als Künstler doppelt hoch in der Gunst desselben stellte, so wurde es ihm leicht, vom Minister, ohne Vitzthum's Vorwissen, den ihm von diesem abgeschlagenen Urlaub und die königliche Sanktion dazu, am Tage vor Vitzthum's Rückkehr, zu erhalten. Dieser, schon sehr erstaunt, bei seiner Rückkunfts-Audienz vom Könige sehr kühl empfangen worden zu sein, fand sich wie aus den Wolken gefallen, als ihn der Minister, dem er seinen Dienstwiederantritt meldete, am 20. Juli mit harten Worten anließ, der Parteilichkeit gegen Morlacchi zieh und deutlich erkennen ließ, daß Vitzthum bei ihm angeschwärzt worden sei.

In einem trefflich geschriebenen Berichte an den König selbst, vom 27. Juli, legte der tief gekränkte Vitzthum den Sachverhalt offen und wahrheitsgemäß dar, und bat in so freimüthigem und männlichem Tone, wie er freilich damals sehr ungern gehört wurde, um Mittheilung des Thatbestandes von Morlacchi's Verläumdungen und um Schutz gegen dessen insubordinationsmäßiges Verhalten.

Es ist zu vermuthen, daß diese Beschwerde gar nicht zu Gesicht des Königs gekommen ist. Einsiedel ließ Vitzthum noch am selben Tage rufen, suchte ihn mit ziemlich leeren Phrasen abzuspeisen und[109] sagte ihm schriftliche Mittheilung von Morlacchi's Beschwerden und Abstellung von dessen Ungehörigkeiten zu. Diese Zusagen wurden nicht erfüllt, ja Morlacchi hielt es nicht einmal der Mühe werth, seinem Chef Nachricht vom Empfang seines Urlaubs zu geben und den erforderten Rapport über den Dienst während dessen Abwesenheit zu erstatten.

Der jetzt auf's Aeußerste empörte Vitzthum drang nun gerad und energisch auf Gewährung einer Audienz beim König, und Graf Einsiedel fand sich bewogen, ihm zu eröffnen, daß er die Morlacchi'sche beschuldigende Eingabe »als unwichtig« vernichtet habe, ihm daher kein Detail derselben mittheilen könne, er sich übrigens getäuscht haben müsse, wenn er das Verhalten Sr. Majestät weniger gnädig als sonst gefunden habe. Schließlich ertheilte er ihm die Ermächtigung, Morlacchi officiell über sein Verhalten zurechtzuweisen. Als dieß endlich am 3. August, nachdem Morlacchi mehrere Vorladungen ignorirt hatte, geschehen konnte, gerieth dieser in den ungemäßigtsten Zorn, erklärte die dienstlichen Zurechtweisungen für Insulten, die Beschuldigungen für Lügen und drohte endlich mit Abschiednahme in einer Form, die so maßlos war, daß Vitzthum in einem Promemoria vom 6. August Einsiedel bitten mußte, die Zurückführung Morlacchi's zur Subordination selbst zu übernehmen. Hierauf erfolgte nicht allein Nichts, sondern Morlacchi verweigerte am 14. August seinem Chef, bei einer Operaufführung in Pillnitz, in solch insolenter Weise den Gehorsam, daß nur dessen seine Bildung ihn vom Extreme fern hielt, er sich aber doch veranlaßt sah, dem Orchester zu bedeuten, daß der Generaldirektor in höchster Instanz den Dienst zu leiten und sie zu gehorchen hätten.

Auch die über diesen skandalösen Vorfall geführte Beschwerde Vitzthum's an den Grafen Einsiedel blieb ohne Antwort, wenn man nicht den Befehl (vom 9. Sept.), daß Morlacchi's neue Oper »La Semplicetta« noch vor seiner Abreise aufgeführt werden solle, und das pomphafte königliche Empfehlungsschreiben für ihn an den Duca de Noja in Neapel (vom gleichen Datum) als solche ansehen will.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 108-110.
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