Weber's Orchester-Ordnung

[140] Die festliche Vorführung der italienischen Cantate »L'Accoglienza« und des Mozart'schen »Titus« bot Gelegenheit, die gewünschten Abänderungen unter dem Schilde ablenkender Stimmungen einzuführen. Weber schob, beim Einstudiren dieser Werke, sein Pult bis unmittelbar hinter den Souffleurkasten vor, so daß er an diesen klopfen und in den Proben mit dessen Insassen sprechen konnte. Hinter sich und rechts vor sich setzte er die erste und zweite Violine, dann reihte er an die Wand des Parquetts die Bratschen, Cellos und Contrabässe. Die[140] Posaunen wurden mitten unter die Blasinstrumente gesetzt, so daß rechts vom Dirigenten jetzt nur noch Streichinstrumente, und zwar die maßgebenden Violinen, die ihn nicht betäubten, ganz in seiner Nähe und so recht zur Hand, links nur Blasinstrumente postirt waren. Durch das Vorrücken des Dirigentenpultes war der Dirigent auch in das Sehfeld der in der Vertiefung unter der Königsloge sitzenden Musiker gekommen. Die Anordnung, die zugleich den praktischen Musiker, guten Orchesterleiter und Dirigenten von umfassendem Blick bekundete, bewährte sich vortrefflich und ist später, bis zum Neubaue des Theaters, fast unverändert beibehalten worden.

Der klugen Berechnung Weber's und Vitzthum's gemäß, hatte man in der That, bei der Zerstreuung des Festspiels, weder von Seiten des Hofes noch des Publikums, die abgeänderte Anordnung des Orchesters bemerkt, als aber Weber dieselbe bei Aufführung von Spontini's »Vestalin« wiederholte, fand sich der König selbst durch das veränderte Ansehen des Orchesters auf's Unangenehmste berührt, wozu noch der Umstand beitrug, daß, bei Weber's Orchesteranordnung, auch die Posaunen in die Nähe der königlichen Loge gekommen waren, deren häufiger Gebrauch in der »Vestalin« das Ohr des Königs verletzt hatte.

Der König setzte Vitzthum sofort hierüber zur Rede, hätte aber vielleicht die Sache, nachdem dieser ihm die Gründe für die Abänderung in Kürze dargelegt hatte, auf sich beruhen lassen, wie es schon früher bei ähnlichen Gelegenheiten der Fall gewesen war, wo die hochbegünstigten, italienischen Capellmeister Paër und Morlacchi Abänderungen der Orchester-Ordnung getroffen hatten, wenn nicht eine, vom Buchstaben C. (Frl. a.d. Winkel) herrührende Besprechung der Aufführung der »Vestalin« in der Abendzeitung, die Neuerung beschwerend angegriffen und die ältere Anordnung gepriesen, Weber aber, zu hitzig, sich nicht veranlaßt gefunden hätte, eine geharnischte Entgegnung hierauf in Nr. 23 desselben Blattes zu rücken, die Stellen wie die nachfolgenden enthält:


»etc. Die Bänke dicht hinter dem Orchester sind in allen Theatern[141] am übelsten berathen; aber eine Kunstanstalt kann keine so höflichen Rücksichten wie ein Gesellschaftszirkel beobachten.

Hält der Buchstabe C. es vielleicht für besser, wenn die Trompeten und die türkische Musik so unter den Logen versteckt sind, daß sie weder sehen noch hören? und immer außer dem Takte sein müssen; wie ich oft gehört habe? Sollen die sehr bedeutenden Violoncell-Figuren, auf deren Wirkung Spontini so viel hält, ferner auch blos von einem Violoncell gespielt werden, das mühsam unter und über dem Arm des Dirigenten sich ängstlich durchwinden muß, um seine Noten zu erhaschen?

Die Zeiten sind vorbei, wo der Baß einer italienischen Oper so friedlich 8– 10 Takte auf dieselbe Note gelagert – und durch unzählige Proben fast auswendig gelernt war, daß er gefahrlos aus der Partitur gespielt werden konnte. Ueberhaupt der am Clavier Sitzende nur sein höflicher Blattumwender war und das Meiste dem Primo Violino überlassen blieb. Das Alles geht bei den Musiken unsrer Zeit nicht mehr oder höchst unsicher. In Deutschland und Frankreich nirgends mehr, nur noch in Italien kaum! – etc.«


Der gereizte Ton dieser Entgegnung und besonders die vermeintliche Verunglimpfung des guten Alten, Wohlhergebrachten, und der mit dem Andenken an alle Glorie des sächsischen Hofes so eng verwachsenen Form der italienischen Oper, brachte die ganze Partei derselben gegen Weber auf. Graf Einsiedel sprach sich entrüstet aus und am 21. Januar erhielt Weber durch den, in größter Bestürzung zu ihm kommenden Grafen Vitzthum, die diesem eben zugegangene strenge Ordre:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 140-142.
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