Ouverture zum »Freischützen« in Bärmann's Concert aufgeführt

[268] In das ungemein gleichmäßig hinfließende Leben der letzten beiden Monate des Jahrs 1820, brachte nur der freundliche Zufall helle Abwechselung, daß zwei von Weber's werthesten Freunden, Meherbeer und Bärmann am selben Tage in Dresden eintrafen. Bärmann brachte die Absicht Concert zu geben mit, die ihn Weber endlich realisiren half, ja er gewährte ihm einen Beistand, dessen Wirksamkeit unfehlbar war. Er kündigte an, daß in diesem Concerte die Ouvertüre zum »Freischützen« zum ersten Male vorgeführt werden solle.

Da nun natürlicher Meise durch die vielen Musik-Kenner und Freunde Weber's, denen er am Piano Mittheilungen aus dieser Oper gemacht hatte, die widersprechendsten Gerüchte darüber in das Publikum gedrungen waren, überdieß Weber unter die Menschen gehörte, mit deren Thun und Lassen sich das Publikum, ganz abgesehen von seinen künstlerischen Leistungen, oft bis zur Indiskretion beschäftigte, so[268] daß es ihm häufig zur großen Last wurde, so steigerte sich die Neugierde jetzt, wo es nun die Vorführung eines Haupttheils der Oper galt, in ungemeinem Grade. Der Saal war ausverkauft vor dem Tage des Concerts. Dem Concertgeber brachte die Freischütz-Ouvertüre Geld, aber keinen Ruhm, denn sie absorbirte die Aufmerksamkeit so, daß für die andern Leistungen wenig übrig blieb, und so vortrefflich Bärmann auch blies, so wurde ihm doch nur zerstreuter Beifall.

Die Freischütz-Ouvertüre begann. Lautlos lauschte das Publikum, aber im Ganzen doch wenig bekannt mit dem Stoff der Oper, konnten die mächtig zündenden Motive nicht zur vollen Geltung und Wirkung kommen. Die Melodieen wollten nicht recht innerlich greifen und die Neuheit vieler Instrumentalwirkungen frappirte zu sehr, um leicht lieb gewonnen zu werden. Man sah geistige Größen und Kunstrichter und die Leiter der öffentlichen Meinung hier und da bedenklich die Köpfe schütteln und obwohl auch die Gesichter dieser Herren durch den unwiderstehlichen Reiz des Melodieenflusses gezwungen wurden, sich aufzuhellen, so ließ doch die Ueberraschung und der Zweifel der Kenner am Schluß den Beifall keine Lebendigkeit erreichen. Weber war zwar mit einem Applause befriedigt und fühlte sich sehr beruhigt, da er selbst ganz wohl wußte, nach wie andern als den von der Zunft verschriebenen Recepten, er den Zaubertrank dieser Ouvertüre gebraut hatte. Wie deutlich er sich dessen bewußt war, geht aus einem Briefe an Lichtenstein hervor, der ihm auch manches Bedenken geäußert hatte, nachdem die Partitur des Freischützen von ihm mit aller Liebe für den Componisten durchgegangen worden war. Weber sagt: »Ich glaube es gern, daß Ihr aus Manchem im Freischützen nicht klug werden konntet. Es sind Dinge darin, die in dieser Weise noch nicht auf der Bühne waren – – Gott gebe nur, daß ich das Rechte getroffen!«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 268-269.
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