Ende der italienischen Oper in Berlin

[289] Während daher der König Friedrich Wilhelm III., in seiner Vorliebe für das Ballet, die italienische Hofoper theils pflegte, theils ihre, 1803 auch bereits angebahnte Verschmelzung mit der Nationalbühne, aus ökonomischen Rücksichten wünschte, fand im Publikum eine heftige Reaktion gegen die heroische ausländische Oper und, im Gegensatz zu der warmen Begeisterung für die steigende Tendenz der Leistungen des Dramas, eine drastische Verwerfung des Geschmacks auf die theils wunderlichsten, theils untergeordnetsten Gattungen deutscher Opern-Produktionen statt. Vogler's urdeutscher, im Styl an die »Zukunftsmusik«[289] gemahnender »Hermann von Unna« hatte großen Erfolg, die »Schwestern von Prag«, das neue »Sonntagskind«, »Fanchon«, erlebten zahllose, mit nie nachlassendem Jubel aufgenommene Wiederholungen. Alles dieß wurde aber durch den Taumel in Schatten gestellt, in welchen sich Berlin durch die drei Theile des »Donauweibchen« unermüdlich versetzen ließ. Dieß mußte in vier Monaten 40 Mal, »Fanchon« in drei Jahren 70 Mal gegeben werden, während »Cosi fan tutte« und Cimarosa's »heimliche Ehe« durchfielen. Diese Reaktion, der auch Gluck's »Armide« in Opposition gegen Righini's Oper gleichen Gegenstandes, »der Zauberwald«, ihren Erfolg, trotz der gesunkenen Geschmacksrichtung, verdankte, gab der italienischen Oper, die an Alterschwäche und Theilnahmlosigkeit seit dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelm's III. todeshinfällig war, den Gnadenstoß, obgleich die gesunde Gesinnung hier einen kranken Geschmack erzeugt hatte. Sie starb nach der Schlacht bei Jena mit Gürrlich's »Calirrhoë« den natürlichen Tod von Kunstanstalten, die keine Wurzeln mehr in Herz und Geist der Völker treiben können, ihre Zeit überdauert haben.

Nach Rückkehr des Königs, im Jahre 1809, gestattete die Vereinigung der Reste der italienischen Oper mit den Kräften des National-Theaters eine ungemeine Prachtentwickelung. Die Wiederherstellung der Hofoper kam aber nichtsdestoweniger, als einer Partei unerläßlich für den Glanz eines Königshofes erscheinend, in Frage. Graf Carl Brühl, dem von früher Jugend auf das Erreichen der Stellung des Herrn von der Reck als Endziel seiner Bestrebungen vorgeschwebt hatte, legte wahrhaft phantastische Pläne für diese Wiederherstellung vor und nur der energischen Opposition Iffland's und Zelter's ist das Unterbleiben dieses Vorhabens zu danken.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 289-290.
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