Graf Carl Brühl Intendant 1815

[290] Er selbst sollte des Mißlingens seiner Entwürfe am meisten froh zu werden haben, als ihm, im Jahre 1815, nach Iffland's Tode, die Generaldirektion der jetzt einen und untheilbaren Königl. Schauspiele und der Capelle übertragen wurde.

Unter Iffland's Leitung hatte die Berliner Bühne ihre Periode der künstlerisch-organischen Gesammtleistungen durchgemacht; unter[290] Brühl trat sie in die Periode des größten Glanzes, aber auch des Beginns der virtuosen Mosaikdarstellungen, an denen jetzt das deutsche Theater krankt.

Brühl war ein Cavalier im edelsten Sinne des Worts, bieder und voll Gluth für die Kunst, deren Pflege in seiner Familie erblich war, welche zu ihren Hausfreunden den liebenswerthen Naumann gezählt hatte. Er selbst hatte, an der Hand für ihn geschriebener Verse des Altmeister Göthe, als »Paläophron« die Bühne beschritten. Schon als junger Forstmann und Günstling der Herzogin Amalie von Weimar im Verkehr mit allen Heroen der hohen deutschen Zeit, später mehr Freund als Diener der herrlichen Königin Louise, die außer seinen schönen und gewinnenden Gaben auch seinen glühenden Haß gegen Napoleon an ihm schätzte, der ihn selbst unter die Waffen gegen den Gewaltigen getrieben hatte, getränkt und genährt von den edelsten Reben und mit dem gewichtigsten Korn deutscher Geisteshöhen und Thatenfelder, hatte sich seine Seele mit Bewunderung und Liebe für sein Vaterland erfüllt. Sein Herz war eins der deutschesten geworden, die je unter eines Grafen Ordenstern geschlagen haben.

Von vornehmer Repräsentation, gewinnender Liebenswürdigkeit, fast über den Dilettantismus hinausgehender Kenntniß des Fachs, erschien er, da der neue Intendant kein wirklicher Fachmann sein sollte, als Ideal eines Cavalier-Theaterdirektors.

Voll Vorliebe für Costüm, Decoration und Musik wurde die Pflege der ersteren zum Steckenpferd, die der prächtigen Oper zum Lieblingskinde für ihn. Sein Haß gegen Napoleon und Frankreich breitete sich, in Gestalt von Abneigung gegen alles Ausländische, auch über die ganze Kunst des Auslands aus und machte ihn, der s.Z. für Wiederherstellung der italienischen Hofoper gearbeitet hatte, als Intendanten zum begeisterten Pfleger deutscher Musik.

Von Hardenberg hatte er bei seinem Dienstantritt die cäsarisch große und kurze Instruktion empfangen: »Schaffen Sie das beste Theater Deutschlands und sagen Sie mir dann, was es kostet!«

Er selbst hatte bei Uebernahme seines Amts die Idee zum Prinzip erhoben, daß in die Hand eines Leiters einer solchen Kunstanstalt[291] ein großer Theil des Kunstschicksals der Mit- und Nachwelt gegeben und die Erhebung der Generation zur Begeisterung für das Schöne seines Amts höchster Zweck sei.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 290-292.
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