Weber's Feste

[328] Es ist eine eigenthümliche Erscheinung in Weber's Leben, daß seine Feste, mochten sie nun dem Manne oder Künstler gelten, fast immer nur entweder von einem kleinsten Kreise von Freunden in Stille, oder von der ganzen Masse des Publikums geräuschvoll und zujauchzend gefeiert wurden. Die Momente, wo sich die Aristokratie der Geburt, des künstlerischen oder wissenschaftlichen Ruhms ihnen beigesellte, sind selten, noch seltener die ihm von Corporationen dargebrachten Huldigungen.

Carolinens angegriffene Gesundheit hatte durch die seelischen Bewegungen des Berliner Aufenthalts einen neuen Stoß erlitten. Eine Badekur, Landaufenthalt, wurde für sie erforderlich. Gelegenheit zu beiden fand sich in dem, fünf Meilen von Dresden gelegenen, kleinen Badeorte Schandau, der sich, vom Elbufer aus, in eins der an Ruhe, Waldesduft, weicher Luft und landschaftlicher Schönheit reichsten Thäler der sächsischen Schweiz hineinzieht. Hier quillt ein Eisenbrunnen, dessen schwaches Mineralwasser, in Verbindung mit den eben genannten, herrlichen Heilmitteln, die das Thal umschließt, oft schon Wunder gewirkt hat. Weber miethete hier eine kleine Wohnung mit dem Blicke in's tiefe Grün, in der Nähe des bescheiden im Grunde gelegenen Badehauses und geleitete Lina, der sich Charlotte[328] von Hanmann zur Gesellschaft anschloß, am 21. Juli dahin. Von ihrem Wohlaufgehobensein überzeugt, trat er denselben Abend noch den Rückweg an. Die Gatten schieden, im Verhältniß zur Kürze der Trennung, anffallend schwer. Es dunkelte bereits tief, als er die Elbe bei Pirna erreichte, die in einer Fährschalde zu passiren war. Ein herausgezogenes, schweres Gewitter regte die Elbe auf, das Schwanken der Fähre, der blaue flammende Wiederschein der Blitze im Wasser, der erschütternde Donner und einzelne fallende Hagelkörner jagten die Pferde in Schrecken. Sie begannen sich plötzlich zu bäumen und ehe Weber aus dem Wagen springen konnte, hatten sie denselben bis an den Rand der schwankenden Schalde gerissen, unter dem die dunkle, gährende Fluth hinschoß. Ohne das muthige und aufopfernde Zugreifen eines Bootsmanns, der den Thieren eine schwere Stange vor die Füße warf, während ein anderer einen Balken hinter die Räder schob – wäre »Euryanthe« und »Oberon« wahrscheinlich hier in den Wellen der Elbe begraben worden. Unter dem Eindrucke der Allgegenwart der Todesgefahr, die dieser Vorfall in Weber lebendig weckte, schrieb er noch in derselben Nacht eine Art von Testament nieder, das, als ein Dokument seiner edeln Gesinnung, seiner treuen Gattenliebe, des Erkennens seiner Verpflichtungen, hier eine Stelle finden mag.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 328-329.
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