Weber's Verkehr mit Beethoven über »Fidelio«

[465] Es hätte ihm nicht die Ehrfurcht vor dem Großen in der Kunst, vor den Intentionen schöpferischer Geister innewohnen können, die ihn so sehr, zum Ruhme der harmonischen Entwickelung seiner künstlerischen und menschlichen Individualität, vor vielen seiner Kunstgenossen auszeichnete, wenn er bei diesem Werke, das er zu den »besten, die Menschen geschaffen haben«, rechnete, nicht mit allem Fleiße Sorge getragen hätte, sich von Allem und Jedem genau zu unterrichten, was der zum Glück noch lebende, große Schöpfer desselben, in Bezug auf die scenische Darstellung seiner Oper, etwa wünschen konnte.

Er setzte sich deshalb mit Beethoven in Correspondenz, und seine Tagesnotizen weisen nach, daß er in Betreff des »Fidelio« am[465] 28. Jan., 18. Febr., 7. April und 5. Juni an Beethoven schrieb und von ihm am 16. Febr., 10. April und 9. Juni Briefe empfing. Zum großen Verluste für die Kunst ist diese Correspondenz zwischen zwei Meistern ersten Ranges über ein Werk höchster Bedeutung, bei der sorglosen Behandlung des schriftlichen Nachlasses Weber's durch die Curatoren der Familie, spurlos verschwunden. Nur ein Bruchstück, der Anfang des ersten Briefs von Weber an Beethoven (vom 28. Jan.) ist im Concepte vorhanden geblieben. Diese wenigen Zeilen sind aber genug, einen der edelsten Züge von Weber's Herzen, die kindliche, neidlose Bewunderung des Großen und seine hohe Verehrung vor dem Genius des größten deutschen Componisten in liebenswürdigster Weise zu verkünden.

Er schreibt:


»Die Aufführung dieses mächtig für deutsche Größe und Tiefe des Gefühls zeugenden Werkes unter meiner Direktion in Prag hat mir die eben so begeisternde als belehrende Vertrautheit mit seiner innern Wesenheit erschlossen, durch die ich hoffen darf, es auch hier mit allen Hülfsmitteln möglichst versehen, dem Publikum in seiner vollen Wirksamkeit vorführen zu können. Jede Vorstellung wird ein Festtag sein, an dem es mir erlaubt ist, Ihrem erhabenen Geiste die Huldigung darzubringen, die im Innersten meines Herzens für Sie lebt und wo Verehrung und Liebe sich den Vorrang streitig machen.«

Der große Meister, nicht unempfindlich für ihm entgegengebrachte so echte Bewunderung, scheint Weber in so freundlicher Weise, als es ihm thunlich war, geantwortet zu haben, denn es entspannen sich aus dieser Correspondenz zwischen den beiden Unsterblichen so freundschaftliche Beziehungen, daß der rauhe und jeder Heuchelei unfähige Altmeister in einem Briefe an Könneritz vom 17. Juli 1823, mit dem er ihm die Quittung über das für »Fidelio« empfangene Honorar von 40 Duk. sendet, sich der Worte bedienen durfte: »etc. nach der Schilderung meines lieben Freundes Maria Weber's etc.«


Wie wir weiter unten sehen werden, erhielt dieß freundliche Verhältniß noch mehr Weihe und Festigung durch das persönliche Bekanntwerden[466] der beiden Tonkünstler. Alles was Schindler und Andere über Antipathien, ja Differenzen zwischen Beethoven und Weber erzählt haben, sind hiernach zu berichtigende, böswillig oder unwissend erfundene Fabeln.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 465-467.
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