Ueber: Die Concerte in der Margarethen-Kirche zu Gotha.

[72] (Gotha 3. Oktober 1812.)


Bei der Seltenheit, mit welcher uns öffentliche Kunstgenüsse zu Theil werden, verdiente es wahrlich den besten Dank des Publikums, daß Herr Cantor Schade es unternahm, uns den 29. und 30. September in der Margarethen-Kirche zwei Concerte zu veranstalten, die, außer den schon in hiesiger Stadt vorhandenen Kunstmitteln auch noch durch den Beitritt vorzüglicher, in der Nähe wohnender Künstler, einer vollendeteren Ausführung und Mannichfaltigkeit gewiß wurden. Zugleich hatte Herr Schade dafür gesorgt, daß wir Musikstücke in den verschiedensten Stylen zu hören bekamen.

Den 29. begann das Concert Abends 5 Uhr mit der Ouvertüre des Don Juan von Mozart. Dann blies Herr Kammer-Musikus Sommer aus Rudolstadt ein Hornconcert von Duvernoy, mit schönem Tone und Sicherheit. Zu bedauern ist es, daß bei diesen, meistens höchst mittelmäßigen Compositionen des Herrn Duvernoy, das Horn zu einem so traurigen Zwitterwesen gemacht wird, in welchem weder die herrliche Kraft und Fülle der tieferen Töne, noch die singenden höheren Regionen benutzt werden. In einem Umfange von höchstens anderthalb Octaven wirbeln und drehen sich alle[72] Melodien und Passagen, und erzeugen eine, dem Instrumente ohnehin leicht eigene Eintönigkeit.

Unser geschätzter Spohr nebst seiner Gattin erfreute uns hierauf mit einer Sonate für Violine und Harfe von seiner Composition, von der wir aber leider nur den ersten Theil des Allegro's, und das aus Mozart'schen Thema's gewebte Potpourri zu hören bekamen. Selten hat Referent in peinlicheren Gefühlen da gegessen, als hier, wo gegen Ende des ersten Theiles ein Pedal hängen blieb, dann, nach Wegräumung dieses Hindernisses eine Saite sprang u.s.w. Wie störend für den Zuhörer, – und wie aus allem Gange und Gusse bringend solche Zufälle für den Spieler sind, ist nicht genug zu beschreiben, und doppelt erfreulich war daher die doch noch vorzügliche Ausführung von beiden Seiten. Die Sonate selbst (die neueste) war sehr schön gearbeitet und dankbar für die Ausübenden.

Die Krone aller Symphonien, die große, allgewaltige, ergreifende aus C dur von Mozart mit der Schlußfuge, eröffnete den zweiten Theil. Sie hatte das Orchester belebt – begeistert, und wurde mit einer, für ihre Schwierigkeit seltenen Vollendung gegeben.

Die Tempo's waren feurig und gut, – Schatten und Licht durch genaue Beobachtung des Piano und Forte verbreitet, – und Blas- und Saiten-Instrumente wetteiferten im rühmlichsten Kampfe, das Ganze in einem Gusse wieder zu geben.

Bei Referent war dieser herrliche Genuß mit der wehmüthigen Gewißheit begleitet, hier nicht bald wieder etwas so Vollendetes zu hören; da unser Spohr schon den 5. Oktober eine größere Reise über Leipzig und Dresden nach Prag, Wien u.s.w. antritt, und mit ihm uns seine Schüler, – eine wichtige Stütze unserer Musik-Produktionen, verlassen. Hierauf gab man den 84. Psalm von dem würdigen Musikdirektor Schicht in Leipzig. Fugen und Chöre sind mit einer seltenen Klarheit und Kraft gearbeitet; Arien und Solo's möchten den neuern Melodisten nicht so recht behagen, und vielleicht dem Ganzen der Vorwurf des zu Breitgehaltenen, nicht ohne Grund zu machen sein. Die Chöre wurden etwas schwach, übrigens aber gut ausgeführt.[73]

Den 30. früh um 10 Uhr begann der zweite Ohrenschmaus. Referent kann nicht läugnen, daß ihm Concerte beim Tageslichte, noch dazu Morgens, immer in eine unbehagliche Stimmung versetzen; wobei der Markttag und das mit demselben verbundene Fahren, Peitschenknallen u.s.w. dicht an der Kirche, eben nicht geeignet waren, ihn von seinem Widerwillen zurückzubringen. Besondere Rücksichten mochten wohl den Herrn Cantor Schade zu dieser Einrichtung be stimmt haben.

Die schöne, kräftige, in großen Massen sich bewegende Ouverture aus D dur von Bernhard Romberg begann, und wurde mit Präcision und Feuer gegeben. Hierauf folgte der mit Recht gefeierte Hermstädt, mit dem trefflichen Clarinett-Concert aus C moll von Spohr. Es wäre überflüssig, hier noch etwas zu seinem Lobe sagen zu wollen. Im Adagio schien er sich heute besonders zu übertreffen, und wenn er nach mehreren Reisen, und dem Hören vorzüglicher Sänger, seine Gesangs-Methode noch etwas mehr gerundet hat, möchte wohl kaum mehr etwas zu seiner Vollendung fehlen. In Hinsicht der Composition sprach das Rondo Referenten am meisten an.

Der aus Berlin vor Kurzem zu uns gekommene Componist und Clavierspieler Karl Maria von Weber, spielte nur eine kurze Phantasie und Variationen über die schöne Romanze aus der Oper Joseph von Mehul (dem Vernehmen nach erst hier von ihm vollendet) auf dem Fortepiano. Einige verstimmte Töne in der Höhe des übrigens volltönenden schönen Instrumentes, schienen auch ihn für einen Augenblick zu verstimmen, aber alsobald verschwand dieses, und er spielte mit dem an ihm bekannten Vortrage. Herr Kammersänger Methfessel aus Rudolstadt sang mit Mad. Scheidler ein Duett von seiner Arbeit, in angenehmer Manier. Das Duett selbst ist im besseren ita lienischen Style geschrieben.

Den Beschluß machte die Glocke von Schiller mit der Musik des Andreas Romberg. Es ist schon so Vieles über dieses Werk die Kreuz und Quere gesprochen worden, daß Referent sich damit begnügt, die Ausführung als sehr gut zu preisen. Die Solo-Partieen wurden von Mlle. Karoline Schlick und den Herren Methfessel und[74] Schiffner vorgetragen. Mlle. Schlick trat hier nach langer Zeit zum ersten Male wieder öffentlich auf; und obwohl ihre Stimme nicht die stärkste ist, so erhob sie sich doch hinlänglich durch deutliche Aussprache und gute Methode. Mlle. Schlick war lange in Italien, und wir müssen nur wünschen, sie recht oft öffentlich zu hören, damit sie eine gewisse natürliche Furchtsamkeit überwindet, und dann im Stande sei, ungestört ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Daß wir übrigens eine recht fertige, geschmackvolle Clavierspielerin in ihr besitzen ist bekannt. – Da Herr Concertmeister Spohr Gelegenheit gehabt hatte, dieses Werk in Hamburg unter des Componisten Direktion zu hören, so können wir gewiß sein, die so oft vergriffenen Tempo's hier richtig gehört zu haben.

Zum Schlusse muß Referent noch bemerken, daß es im Ganzen Schade war, diese Aufführung in einer Kirche halten zu müssen; theils geht manche kleine Nuance in dem großen Locale unter, und theils geht der einzige Lohn des Künstlers, der augenblickliche Enthusiasmus eines Beifall zollenden Publikums verloren, und eine gewisse tödtende Kälte bemächtigt sich des Ganzen.

Gewiß hätten sowohl die kunstliebenden Einwohner unserer Stadt, als auch die zahlreich herbeigeeilten Fremden, gern laut ihren Dank ausgesprochen. Die durchlauchtigste Herzogin erfreute beide Concerte mit Ihrer Gegenwart. Deren des gnädigsten Herzog's waren wir leider durch eine bedeutende Unpäßlichkeit desselben beraubt.

Melos

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 72-75.
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