XVII.
Die Besitzer der Mozart'schen Autographe.

[241] Dieser in mannigfacher Hinsicht – namentlich aber für Autographen-Sammler – interessanten Uebersicht ist Ritter von Köchel's »Thematisches Verzeichniß der Werke Mozart's«, als der in der ganzen Musikwelt seiner gediegenen Durchführung wegen allgemein anerkannte zuverlässigste Führer zu Grunde gelegt, und beziehen sich die in Klammern angeführten Zahlen auf dieses Verzeichniß. Indem die Reihe mit den öffentlichen Instituten, als Museen, Bibliotheken u. dgl. eröffnet wird, folgen die Namen der einzelnen Besitzer in alphabetischer Ordnung. Es wird in der Regel nur die Zahl der Autographe, die eine Anstalt oder der eine und andere Sammler besitzen, im Allgemeinen, und nur bei wichtigeren Autographen der Gegenstand desselben mit Namen angegeben. Von den in Ritter v. Köchel's Verzeichniß angeführten vollständigen 627 Compositionen Mozart's besitzt von öffentlichen Anstalten Autographe: *Die k.k. Hofbibliothek in Wien 6 (!) u.z. eine Fuge für Clavier (Nr. 154); – ein Quartett für Flöte, Violine, Viola und Violoncelle (Nr. 298); – ein Terzett für zwei Soprane und Baß: »Ecco quel fiero instante« (Nr. 436); – ein Terzett für drei Singstimmen. »Se lontan ben tu sei« (Nr. 438); – ein Terzett für Sopran, Tenor und Baß: »Grazie agl' inganni tuoi« (Nr. 532) und das »Requiem«, Mozart's Schwanengesang (Nr. 626), welches die Bibliothek auch nur durch Vermächtniß Jos. Eybler's erhielt. – Die k. Hofbibliothek zu Berlin, 8 Autogr., darunter: »Il rè pastore«, dram. Cantate in 2 Acten (Nr. 208); – Händel's Schäferspiel: »Acis und Galathea« neu[242] instrumentirt und die Instrumentirung der Blasinstrumente von Mozart's Hand (Nr. 566), und Händel's Oratorium: »Das Alexander-Fest«, neu instrumentirt. – Die kön. Hof- und Staatsbibliothek in München, 3 Autogr., sämmtlich kleinere Tonstücke (Arien und eine auch nur von des Vaters Hand). – *Die k.k. Universitäts-Bibliothek in Prag. 1 Autogr. neun Contratänze sammt Trio (Nr. 510). – *Das Wiener Musik-Vereins-Archiv, 3 Autogr., ein Quintett (Nr. 46); – ein Concert für Clavier (Nr. 466) und eine kleine Freimaurer-Cantate (Nr. 623). – *Das Museum Francisco-Carolinum in Linz, 2 Autogr., ein Lied für Sopran: »Die großmüthige Gelassenheit« (Nr. 149), und ein zweites Lied für Sopran: »Die Zufriedenheit im niedrigen Stande« (Nr. 151). – *Das Museum Carolino-Augusteum und Mozarteum in Salzburg, 6 Autogr., Menuett und Trio für Clavier, Mozart's erste Composition, in seinem fünften Jahre geschrieben (Nr. 1); – einen Antiphon: »Quaerite primum regnum Dei«, vierstimmig (Nr. 86): – zwei Lieder, je für eine Singstimme mit Clavierbegl.: »Wie unglücklich bin ich nicht!« und »Oheiliges Band« (Nr. 147 u. 148): – zwei Kyrie für 4 Singstimmen mit Instrumentalbegl. und Orgel. (Nr. 322 u. 323). – Das British-Museum in London: das Madrigal für 4 Singstimmen: »God is our Refuge«, die einzige auf englischen Text geschriebene Composition des damals zehnjährigen Mozart's [vergl.: Mozart's im Drucke erschienene Compositionen, S. 70 u. 71 3. Kyrie, Te Deum u.s.w., Nr. 20]. – Von Privaten, welche Mozart'sche Autographe besitzen, oder doch wenigstens bis vor kurzer Zeit noch besaßen, geht Allen (und zufälligerweise auch in der alphabetischen Anreihung) voran die Familie André, welche im Ganzen 293 Autographe, also nahezu die Hälfte der bekannten Werke Mozart's (627 Nummern) besitzet. Diese vertheilen sich in der Familie folgendermaßen: A. André 7 Autographe; – August André in Offenbach 91 Autographe darunter die Oper: »La finta semplice«, – die dramatische Serenade »Il sogno di Scipione«, – die letzten sechs Quartette Mozart's, – die Oper »Zaide«, – die Balletmusik zur Oper »Idomeneo« und die Oper »Lo sposo deluso«; – C.A. André in Frankfurt 65 Autographe, darunter die Passions-Cantate, –[243] die Operette »Bastien und Bastienne« – das Oratorium »La betulia liberata«, – der zweite und dritte Act derOpera buffa »La finta giardinièra«,– die Chöre und Zwischenacte zu Gebler's »Thamos«, – das Oratorium »Davide penitente«,– die Oper »Der Schauspieldirector«, – neun autographe Fragmente und Partitur-Entwürfe zur Oper »Nozze di Figaro«, und die große Oper »Clemenza di Tito«; – Gustav André in New-York 42 Autographe, darunter das in Bologna unter dem Eindrucke des Miserere von Allegri componirte »Miserere«, – das Dramma in musica »Lucio Silla«, und die Oper »Cosi fan tutte«; – I. André in Offenbach 11 Autographe; – Julius André in Frankfurt 47 Autographe, darunter die dramatische Serenade »Ascanio in Alba«, – »l'oca di Cairo«, – die Partitur der Blasinstrumente zur Oper: »Nozze di Figaro«, und die große Oper »Zauberflöte«; und I.B. André in Berlin 30 Autographe, darunter die Oper »Apollo und Hyacinth« und mehrere einzelne Nummern der Oper »Mitridate«. – Von den übrigen Autographenbesitzern, die hier in alphabetischer Folge (die in Oesterreich befindlichen sind durch Sternlein [*] kenntlich gemacht) aufgezählt werden, haben *Artaria in Wien 2 Autographe, u.z. die für ein Orgelwerk im Müller'schen Kunstcabinete in Wien componirte Phantasie für Clavier zu vier Händen mit dem Datum 3. März 1791; und einige der 35 Cadenzen zu seinen Clavier-Concerten. – *Frau Baroni Cavalcabo in Gratz (gest. 1860) 11 Autographe, und zwar einen Menuet für Clavier; – drei Sonaten für Clavier und Violine (aus den Jahren 1762 u. 1763); – 31 Menuette mit und ohne Trio (aus dem Jahre 1770 3 Autogr.); – 16 Menuette sammt Trio; – eine Missa brevis; – das Rondo eines Horn-Concerts, wovon den Autograph des vollständigen Concerts Aug. André in Offenbach besitzt, und ein Hornrondo; jedoch dürfte mit dem Besitz dieser Autographen nach dem Tode der Frau Baroni manche Veränderung eingetreten sein. – Freiherr von Bredow-Wagenitz 1 Autograph (Galimathias musicum). – Mr. Caulfield in London 4 Autogr. – General-Consul Clauß in Leipzig 1 Autogr. – I.B. Cramer in London 1 Autogr. – August Cranz in Hamburg 15 Autogr. – Capellmeister Karl Eckert in Stuttgart 1 Autogr. – Mr. Ella in[244] London 1 Autogr. – Der kön. sächsische Hoforganist Engel in Leipzig 1 Autogr. (ein Stammbuchbl.). – Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha 1 Autogr. – *Graf Eßterházy (1856 Gesandter in Berlin) ein Lied für eine Singstimme: »Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte«. – *k.k. Major von Franck in Gratz die Skizze einer Sopran-Arie: »Ah spiegarti o Dio«. – *Al. Fuchs ein Kyrie für 4 Singstimmen, 1 Violine und Orgel. – Fürst von Fürstenberg in Donaueschingen 3 Autogr. – Dr. Gaßner, Universitäts-Musikdirektor in Gießen, 2 Autogr. – F.A. Graßnik in Berlin 23 Autogr. – Herr Guyancourt in Amiens 1 Autogr. – Dr. Härtel in Leipzig 3 Autogr. (Freimaurerlieder). – Mr. Hamilton in London 3 Autogr. – K.F. Heckel senior in Mannheim 2 Autogr. – O. Jahn in Bonn 4 Autogr. – *L.v. Köchel in Wien 1 Autograph – *Franz Liszt in Rom 1 Autograph, eine Symphonie, eine der schönsten des Meisters. – Ludwig I., Großherzog von Hessen-Darmstadt, 1 Autogr. (der später von dem Großherzoge dem Concertmeister Schmidt geschenkt worden sein soll). – General von Lwoff in St. Petersburg 1 Autogr. – Karl Meinert in Frankfurt a.M. die Operette »Der Schauspieldirector« (seit 1865, bis dahin bei C.A. André). – Felix Mendelssohn-Bartholdy 1 Autograph. – Paul Mendelssohn-Bartholdy 1 Autogr., die »Entführung aus dem Serail«. – Ferdinand Mendheim in Berlin 1 Autogr. – *Capellmeister Adolph Müller in Wien 1 Autogr., komisches Duett für Sopran und Baß: »Nun liebes Weibchen zieh'«. – *Franz Niemeczek in Wien 2 Autogr., einen Canon: »Laßt uns ziehen« und ein »Rondo für Clavier«. – Joseph Franz von Patruban in Wien 1 Autogr., ein Andante für Clavier aus dem Jahre 1791 und für ein Orgelwerk im Müller'schen Kunstcabinet geschrieben. – Mr. Plowden in London 7 Autogr. – *G.A. Petter in Wien 2 Autogr., Lied für eine Singstimme mit Clavierbegl.: »Daphne, deine Rosenwangen«, und zwei kleine Präludien für Clavier (oder Orgel). – Rhode 1 Autogr. – Capellmeister Rietz in Dresden 1 Autogr. – *Ludwig Rotter, Capellmeister in Wien, 1 Autogr., ein Adagio für Harmoniea, im Jahre 1780 componirt. – Schelble 1 Autograph. – *Jos. Schallhammer,[245] pens. Hauptschuldirector in Gratz, 5 Autographe, ein Dixit undMagnificat, eine Missa brevis, beide aus dem Jahre 1774; ein Offertorium venerabili Sacramento: »Venite populi venite«, aus dem Jahre 1776; eine »Missa solemnis«, aus dem Jahre 1780 und eine Motette »Ave verum corpus«, aus dem Jahre 1791. – Mr. Schmidt in London 1 Autogr. – *Volkmar Schurig, Musiklehrer in Preßburg, 1 Autogr., und zwar die Oper »Le Nozze di Figaro«, aus welcher C.A. André neun autographe Fragmente, Julius André das Autograph der Partitur der Blasinstrumente besitzt [vergleiche S. 159, in der Abtheilung: »Die Hochzeit des Figaros«]. – Wilhelm Speyer in Frankfurt 2 Autographe, darunter die berühmte Composition zu Goethe's gleichberühmtem Gedicht: das Veilchen. – *I.B. Streicher in Wien 3 Autogr., ein Concert für Clavier; Andante mit fünf Variationen für Clavier zu vier Händen, und ein Streichquintett. – I.A. Stumpf 2 Autogr. – Capellmeister Taubert in Berlin 1 Autogr. – *Sigmund Thalberg in Wien 3 Autogr., das Allegro für Clavier aus dem Jahre 1762, die dritte Composition, die von M. bekannt ist; eine Sopran-Arie: »Conservati fedele«, und ein Quintett aus dem Jahre 1784. – Frau Viardot-Garcia in Paris 1 Autogr., »Don Giovanni«. – Richard Zeune in Berlin 2 Autogr.

Von hundertachtzig Autographen vollständiger Compositionen ist es nicht bekannt, ob sie überhaupt noch vorhanden sind und wo sie sich befinden. Von unvollständigen Autographen sind im Ganzen 98 Stücke bekannt, wovon 58 Stücke das Mozarteum in Salzburg besitzt, 12 Stücke im Besitze von Privaten sich befinden, darunter bei F. Niemeczek in Wien ein Solostück für Clavier, 10 Tacte; bei Sigm. Thalberg in Wien ein Rondo für 2 Violinen, Viola, Violoncell, 139 Tacte; im Kloster Göttweih ein Kyrie für 4 Singstimmen mit Orchesterbegl., 49 Tacte, und in der Wiener Hofbibliothek 2 Autogr., ein Fugato mit cantus firmus für zwei Violinen, Viola und Violoncell, 15 Tacte, und das Bruchstück eines Concerts für Clarinette (?), 36 Tacte. Von den übrigen 28 Nummern der unvollständigen Autographe sind die Besitzer unbekannt. Nach dieser Uebersicht, die während der Zeit, als der letzte Besitzer jedes Autographes festgestellt[246] worden, bis zur Gegenwart immerhin einige Aenderungen erlitten haben mag, wie denn bei beweglichen Gegenständen in dieser Richtung hin nicht leicht absolute Genauigkeit erzielt werden kann, welche Veränderungen aber an der Berechtigung zu dem nachstehenden Schlusse nichts ändern, stellt es sich, traurig genug, heraus, daß Oesterreich den bei weitem kleinsten Theil der Autographe seines größten, ja des größten Tonsetzers, den die Geschichte der Musik bisher zu nennen vermag, besitzt. Von den Autographen der 627 als vollständig bezeichneten Compositionen sind die Besitzer von 180 unbekannt, und von 447, deren Besitzer, wenigstens bei dem größten Theile, bis vor wenigen Jahren bekannt waren, befinden sich im Besitze öffentlicher Institute oder von Privaten in Oesterreich 49, also etwa der neunte Theil. Eine auswärtige Musikverlegersfamilie hatte die Mittel gefunden, den größten Theil der Autographe eines Tonsetzers zu erstehen, von dem in Frankreich von einer kunstliebenden Frau der Autograph nur Eines Werkes – welches Werk freilich der »Don Juan« – wie ein köstlicher Juwel in Ehren gehalten und auf das kostbarste und sorgsamste aufbewahrt wird. Diese Thatsache mit Mozart's Autographen ist gewiß das giltigste Zeugniß von der Richtigkeit des alten »Kein Prophet gilt im Vaterlande«.

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 241-247.
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