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Der Tonkünstler, dessen verdienstvolles Wirken Euch liebe junge Musikfreunde unserer Vaterstadt, diese Neujahrsgabe schildert, nimmt als Virtuose und besonders als Componist eine der ersten Stellen in der musikalischen Welt ein. Nur wenige unter Euch, hauptsächlich aber auch unter den ältern Lesern dieser Blätter werden seyn, welche nicht schon von ihm gehört haben, und bey dessen Harmonien von dem hinreißenden Zauber seiner unendlichen Phantasie auf die mannigfaltigste Weise ergriffen worden sind. So manche frohe Stunde wird er Euch verschönert, so manche trübe vielleicht erheitert haben, und darum vernehmet ihr gewiß gerne etwas aus den merkwürdigen Lebensereignissen, dieses früh entwickelten, großen und originellen Geistes, dessen Daseyn nicht nach Jahren, sondern nach Werken gemessen werden kann, da die Geschichte seiner Kindheit und Jugend, leider auch zum größten Theile die Geschichte seines ganzen Lebens ist.
Johannes Chrisostomus Wolfgang Amadeus Mozart
erblickte das Licht der Welt in Salzburg am 27. Jenner 1756.
Sein Vater, Leopold Mozart1, (geb. den 14. Dec. 1719) war der Sohn eines Buchbinders von Augsburg, und trat, nachdem er die Rechtsgelehrtheit in Salzburg studiert, und nebenbey aus besonderer Neigung auch die Tonkunst betrieben hatte, 1743 als förmlicher Hofmusiker in die dortige Fürst-Erzbischöfliche Kapelle.
Hier lebte er in Verbindung mit einer Menge ausgezeichneter Tonmeister, wie z.B. Adlgasser, Eberlin, Michael Haydn, Schachtner u.a.m. ganz der Kunst, und erhielt, da er sein Talent mit wissenschaftlicher Bildung verband und von anerkannt rechtschaffenem Charakter war, 1762 die Stelle eines Vice-Capellmeisters und Anführers des Orchesters. Durch mehrere musikalische Werke, besonders Kirchensachen, wurde er als gründlicher Componist ehrenvoll bekannt, so wie auch als Schriftsteller, durch seine 1756 zu Augsburg gedruckte Violinschule, von welcher bis 1800 vier neue Auflagen erschienen sind, und die auch in's Französische und Holländische übersetzt wurde. Im Jahre 1743 verheirathete er sich mit Anna Maria Pertlin (geb. 25. Dec. 1720); beyde Ehegatten waren von so vortheilhafter Körpergestalt, daß sie für das schönste Paar in Salzburg galten. Von sieben Kindern blieben ihnen nur eine Tochter, Maria Anna (geb. 29. Aug. 1751) und unser Wolfgang am Leben. Bald hatte der Vater an den beyden Kindern vorzügliche Anlagen zur Musik bemerkt, und mit ächtem Künstlerstolze sogleich alle Lektionen und übrigen Beschäftigungen, außer seinem Hofdienste, aufgegeben, um sich ausschließlich ihrer musikalischen Erziehung und Bildung widmen zu können.[1]
Mozart, der Sohn, war drey Jahre alt, als der Vater anfing seine siebenjährige Tochter auf dem Claviere zu unterweisen. Alsobald zeigte sich das außerordentliche Talent des Knaben. Er unterhielt sich oft stundenlange bey'm Clavier mit Zusammensuchen und Anschlagen der Terzen, und brach in lebhafte Freude aus, wenn es ihn, glückte, ein harmonisches Intervall zu treffen. Die brillantesten Sätze eines Musikstückes, das er abhörte, blieben ihm richtig im Gedächtnisse. Im vierten Jahre fing sein Vater gleichsam zum Scherze spielend an, ihn einige Menuets und andere leichte Stücke auf dem Claviere zu lehren; der Schüler zeigte dabey eine Leichtigkeit und eine Auffassungskraft, die jedermann in Erstaunen setzte. Nach Verlauf einer halben Stunde trug er gewöhnlich diese kaum gehörten Melodien mit der vollkommensten Nettigkeit und dem festesten Takte vor. Von nun an machte der Knabe solche Fortschritte, daß er in seinem fünften Jahre schon kleine Stücke componirte, die er seinem Vater vorspielte und von diesem zu Papier bringen ließ.
Wie man den Kleinen wegen seines musikalischen Talentes bewundern mußte, so konnte man auch nicht umhin, ihn wegen seiner Gutmüthigkeit, seines zärtlichen Gefühls und seiner überfließenden Herzlichkeit zu lieben. Er hing sich an Alle, die sich mit ihm abgaben, und bat jeden mit Flehen, daß er ihn doch immer gerne haben möge; der mindeste Zweifel daran konnte ihn zu Thränen bringen. Von der Zeit an, wo er mit der Musik bekannt wurde, verlor er allen Geschmack an gewöhnlichen Jugendspielen, und wenn er sich solchen Erholungen hingeben sollte, so mußten sie immer mit Liedern und Märschen, einer Geige oder Gesang begleitet seyn. Auch ging er nie gern zu Bette, ohne vorher gesungen zu haben, und componirte sich sehr frühe zu diesem Behufe folgende Melodie, die wir mit beygesetzten Worten versehen haben:
Um nun solche vorzutragen, mußte ihn der Vater auf einen Sessel stellen, und die Sekunde dazu singen; ohne daß diese Feyerlichkeit vorgegangen war, und er darauf Vater, Mutter und Schwester recht herzlich geküßt hatte, schlief er nie ruhig und bald ein. Ebenso brauchte er häufig die Redensart: »gleich nach dem lieben Gott kömmt der Papa«, ein Ausdruck seiner Liebe und seiner Bewunderung, weil er täglich ersah, wie der kluge Vater für alles Rath wußte. Niemals bezeigte er sich unzufrieden über einen Befehl seines Vaters, und wenn er gleich den ganzen Tag sich mußte hören lassen, so spielte er doch noch Jedem ohne Unwillen vor, so bald es sein Vater wollte. Nie hat er sinnliche Strafen verdient. Jeden Wink seiner Eltern verstand und befolgte er, und trieb die Anhänglichkeit an sie so weit, daß er sich nicht getraute, etwas das man ihm zu essen anbot, ohne ihre Erlaubniß anzunehmen.
Aber nicht bloß in der Musik, sondern auch in andern Fächern des Wissens zeigte Wolfgang große Lernbegierde. Was ihm sein Vater aufgab, trieb er mit dem größten Eifer. Als er schreiben lernte, schien er alles andere, selbst die Musik darüber zu vergessen; die Eile aber, mit der er schrieb, ließ keine schönen Züge entstehen. Er klagte sich selbst darüber an; aber nur die ersten Zeilen der neuen Schrift verriethen den Vorsatz zur Besserung, keineswegs die folgenden.
Auch als er rechnen lernte, lebte er die ersten Wochen durch nur in Zahlen, und Tische, Sessel, Wände, sogar der Fußboden wurden mit Ziffern bekreidet. Er war im Ganzen voll Feuer[2] und hing jedem Gegenstande leicht an; gewiß würde er auch in Gefahr gewesen seyn auf schädliche Abwege zu gerathen, hätte ihn nicht die treffliche Erziehung davor geschützt. Aber bald war es wiederum die Musik, von der seine Seele überfloß und mit der er sich unablässig beschäftigte.
Mit Riesenschritten ging er darin vorwärts, so daß selbst sein Vater, der doch täglich um ihn war, und jede Stufe der Fortbildung bemerken konnte, oft davon überrascht, und wie über ein Wunder in Erstaunen gesetzt wurde.
Ein Zug mag zum Beweise dienen. Eines Tages, als der Vater mit seinem Freunde Schachtner aus der Kirche kam, traf er den kleinen Wolfgang mit der Feder beschäftigt an, wie er emsig Papier überschrieb, und wischte und klexte. »Was machst du denn da«? fragte der Vater.
Wolfgang. Ein Conzert für das Clavier; der erste Theil ist bald fertig.
Vater. Laß sehen, das muß was Sauberes seyn.
Wolfgang. Nein, nein! es ist noch nicht fertig.
Der Vater nahm es ihm weg, und zeigte seinem Freunde das Geschreibsel, das man vor Klexen kaum lesen konnte, indem es meistens auf ausgewischte Dintenflecke geschrieben war; der Kleine hatte immer mit der Feder bis auf den Grund des Dintenfasses getaucht, und so mußte Fleck auf Fleck fallen, die eifrig mit der flachen Hand ausgewischt und wieder mit Noten überschrieben wurden. Beyde Freunde lachten über diesen Galimathias. Als aber der Vater die Composition selbst mit Aufmerksamkeit betrachtete, blieb sein Blick lange starr auf das Blatt geheftet, bis endlich Thränen der Bewunderung und der Freude seinen Augen entfielen. Es waren nämlich Gedanken darin bemerkbar, die weit über die Jahre des Kindes gingen. »Sehen Sie, Freund«, sagte er mit Rührung und Lächeln, »wie alles richtig und nach der Regel gesetzt ist, nur kann man es nicht brauchen, weil alles so außerordentlich schwer ist, daß es kein Mensch zu spielen im Stande wäre.« – »Dafür«, fiel der kleine Wolfgang ein, »ist es auch ein Conzert, man muß es so lange einüben, bis es geräth. Sehen Sie nur, so muß es gehen.« Er fing nun an zu spielen, brachte aber auch nur so viel heraus, daß man sah, welches seine Ideen gewesen waren. Der jugendliche Tonsetzer hatte den Begriff, daß Conzertspielen und Mirakelwirken einerley seyn müsse, und darum sein Werk mit zwar richtigen, aber so schwer zusammengesetzten Notensätzen versehen, daß es selbst dem größten Meister unmöglich wäre, sie zu spielen. Uebrigens war das Conzert mit Trompeten und Pauken und allem, was sich blasen und geigen läßt, besetzt.
Zu dieser Zeit hatte es der Knabe in der Musik schon so weit gebracht, daß der Vater ohne Bedenken auch das Ausland zum Zeugen der außerordentlichen Talente seines Sohnes machen konnte. Er trat daher mit der ganzen Familie, die aus ihm, seiner Frau, der Tochter und dem Sohne bestand, am 12. Januar 1762 eine Reise nach München an, woselbst sie sich ungefähr drey Wochen aufhielten. Wolfgang spielte ein Conzert vor dem Kurfürsten, und produzirte sich auch in Begleit seiner Schwester; beyde Kinder erndeten die größte Bewunderung.
Nach Salzburg zurückgekehrt, vervollkommneten sich die Kinder täglich auf dem Claviere, und der Vater fand sich dadurch veranlaßt, im Herbst des nämlichen Jahres, nun mit der gesammten Familie für einige Monate nach Wien zu reisen.
Hier waren die Kinder in den Zirkeln des hohen Adels bald wieder der Gegenstand allgemeiner Bewunderung. Die Kleinen erhielten Beyfall, die Eltern Dukaten in Menge. Sie wurden an den kaiserlichen Hof gerufen, und auch da mit Gnade und Geschenken überhäuft. Kaiser Franz I fand vorzüglich viel Wohlgefallen an dem kleinen Hexenmeister, wie er unsern Wolfgang nannte, und scherzte nach seiner angebornen Leutseligkeit oft und gerne mit ihm. Der jugendliche Mozart zeigte dabey schon des Künstlers Selbstgefühl, von Ruhmredigkeit und Verlegenheit gleich weit entfernt. Der Kaiser äußerte einst, »es sey wohl keine so große Kunst zu spielen, wenn man auf die Claviatur schauen könne, aber bey verdeckten Tasten, das wäre etwas!« Schnell ließ sie der Knabe mit einem Tuch bedecken, und spielte eben so gut wie vorher. Da fand der scherzende Kaiser[3] auch dieses noch nicht außerordentlich, »da er mit allen Fingern arbeiten könne, aber mit einem einzigen zu spielen, das wäre Kunst.« – Statt durch diese unerwartete Zumuthung betroffen zu werden, schlug der kleine Virtuose sogleich mit einem Finger so nett an und spielte, daß der ganze Hof in lautes Lob ausbrach.
Es äußerte sich zwar damals schon bey unserm Mozart ein Charakterzug, der ihm stets eigen geblieben ist, nämlich die Geringschätzung des Lobes der Großen, und eine gewisse Abneigung vor ihnen zu spielen, wenn sie nicht zugleich Kenner der Musik waren. Mußte er es dennoch, so trug er meistens Tändeleyen und Tanzstücke vor; hingegen war er allezeit ganz Feuer und Aufmerksamkeit, wenn seine Zuhörer Kunstverständige waren. Als sich der sechsjährige Knabe bey'm Kaiser Franz an's Clavier setzte, und sich von Hofleuten umgeben sah, die er nicht für Kenner hielt, frug er den Kaiser: »Ist Herr Wagenseil (K.K. Musikmeister, geb. 1688) nicht hier? Der soll herkommen, der versteht es.« Der Kaiser ließ darauf Wagenseil rufen, zu dem nun der kleine Mozart sagte: »Ich spiele ein Conzert von Ihnen, Sie müssen mir umwenden.«
Bis jetzt hatte Mozart das Clavier gespielt, und es schien, als wenn man bey der beyspiellosen Fertigkeit, mit welcher er dieses Instrument behandelte, an einen Knaben dieses Alters keine Forderungen, auch andere Instrumente zu spielen, wagen dürfe. Aber der Geist der Harmonien, der in seiner Seele wohnte, kam allen Erwartungen und allem Unterrichte bey weitem zuvor. Er bekam in Wien eine kleine Geige zum Geschenke, und hatte sich im geheimen darauf eingeübt, ohne daß sein Vater etwas davon ahnete.
Die Familie war mittlerweile nach Salzburg zurückgekehrt, als kurze Zeit nachher der geschickte Geiger Wenzl zu dem Vater Mozart kam, um sich dessen Urtheil über sechs von ihm als Anfänger in der Composition gesetzte Trios auszubitten. Auch der Hoftrompeter Schachtner, den Wolfgang besonders liebte, war gegenwärtig. »Der Vater«, so erzählt dieser glaubwürdige Augenzeuge, spielte mit der Viole den Baß, Wenzl die erste Violine, und ich sollte die zweyte spielen. Der kleine Wolferl bat, daß er doch die zweyte Violine übernehmen dürfe. Aber der Vater verwarf diese kindisch-anmaßende Bitte: »Du hast noch keinen Unterricht auf der Violine bekommen, und würdest dich nur lächerlich machen.« Der Kleine erwiederte, »nur um die zweyte Violine zu spielen, braucht man es wohl nicht gelernt zu haben.« Der Vater wird ungehalten und heißt ihn fortgehen. Jetzt fängt der Knabe bitterlich zu weinen an, und läuft mit seiner Geige davon. Ich bitte den Kleinen doch mit mir spielen zu lassen, und der untröstliche Junge wird endlich zurückgerufen. »Nun so geige mit Herrn Schachtner«, sprach der Vater, »aber so leise, daß man dich nicht hört, sonst mußt du auf der Stelle wieder fort. Wir spielten und der Knabe geigte mit mir. Bald bemerkte ich aber zu meinem Erstaunen, daß ich da ganz überflüssig sey. Ich legte still meine Geige weg, und sah den Vater an, dem bey dieser Scene Thränen der gerührten und bewundernden Zärtlichkeit über die Wangen rollten. Wolfgang spielte so alle sechs Trios durch. Nach Beendigung derselben wurde er durch unsern Beyfall so kühn, daß er auch die erste Violine spielen zu können behauptete. Wir machten zum Scherz einen Versuch, und mußten herzlich lachen, als er auch diese, wiewohl mit lauter unrechten und regelwidrigen Fingersätzen, doch immer so spielte, daß er nie ganz stecken blieb.«
Der Vater begann nun ihm auch Unterricht auf der Violine zu geben, und er schritt im Spielen derselben so schnell vor, als es bey'm Clavier der Fall gewesen war. Ueberhaupt zeigte es sich immer mehr, daß das Ohr des jungen Künstlers ganz für die Musik gebaut sey. Wie sehr ihm die feinsten Abweichungen der Töne bemerkbar waren, wie unglaublich sicher sein Gedächtniß dieselben behielt, beweiset folgender Vorfall: Schachtner, der mehr erwähnte Freund des Mozartschen Hauses, besaß eine Violine, die Wolfgang ihres weichen Tones wegen vorzüglich liebte, und sie die Buttergeige nannte. Eines Tages traf dieser den Knaben an, wie er auf der eigenen Violine sich übte, und sich in allerley Phantasien verlor. »Wenn Sie doch ihre Buttergeige so gestimmt[4] hätten, wie die meinige ist«, hub er plötzlich an, »so wäre sie mir noch lieber, allein sie halten sie immer um einen halben Viertelton tiefer, als meine da.«
Man lachte über diese genaue Angabe einer Sache, wo selbst das geübteste Kennerohr kaum einen Unterschied herausgefunden hätte; allein der Vater, der schon oft durch ähnliche Aeußerungen, von dem feinsten Tongefühle seines Sohnes überrascht worden war, hielt es der Mühe werth, die Behauptung näher zu prüfen. Die Geige wird geholt, und zum allgemeinen Erstaunen traf die Angabe mathematisch richtig ein.
Bey allen diesen Fertigkeiten, und dem außerordentlichen Talente, besaß der Knabe einen Fleiß, der für seinen zarten Körperbau vielleicht zu groß war. Man mußte ihn Abends vom Claviere rufen, oft im Ernste wegtreiben, sonst hätte ihn die aufgehende Sonne vielleicht noch bey demselben angetroffen. Diese Vergessenheit seiner selbst, wenn er sich mit Musik beschäftigte, blieb ihm bis an sein Ende eigen. Täglich spielte und phantasirte er am Fortepiano, meistens bis in die späte Nacht hinein; ein sicheres Kennzeichen des Genies, welches seinen Gegenstand immer mit der ganzen Kraft der Seele umfaßt, und seiner selbst vergißt.
Am 9. Juni 1763, also im siebenten Jahre des Knaben, unternahm die Mozart'sche Familie die erste große Reise außerhalb Deutschland, wodurch der Ruhm des unbegreiflichen Kindes sich nun allgemeiner verbreitete.
Zuerst ging es nach München, wo Wolfgang ein Conzert auf der Violine vor dem Kurfürsten spielte, und zu allgemeiner Verwunderung zwischen den Cadenzen, aus dem Kopfe präludirte. Auch Schwester Anna hatte mit dem größten Applaus bey Hofe gespielt, und der Vater war überglücklich wegen der schönen Einnahme und den gewichtigen Empfehlungen, die er nach allen Seiten fand.
In Augsburg, Mannheim, Frankfurt a.M., Koblenz, Kölln, Aachen und Brüssel gab das seltene Geschwisterpaar entweder musikalische Akademien oder Conzerte für das Publikum, oder es wurde in die Cirkel der Großen berufen und ihm überall der rauschendste Beyfall zu Theil.
Am 18. November kam die Familie Mozart in Paris an, und wurde daselbst während ein und zwanzig Wochen unablässig bewundert und gefeyert. Briefe von Kunstverständigen und Gelehrten aus jener Zeit, ergießen sich in Bewunderung der außerordentlichen Kinder, und sagen ganz einfach, daß man das, was man mit eigenen Augen sehe und mit eigenen Ohren höre, kaum zu glauben vermöge. Die eilfjährige Tochter, heißt es in einem derselben, führt auf die brillanteste Weise und mit erstaunlicher Präcision die schwierigsten Clavierstücke aus, und was den Knaben, der sieben Jahre zählt, anbetrifft, so staunt man ihn an und begreift ihn nicht. Es ist demselben nicht nur ein leichtes, mit der größten Genauigkeit die allerschwersten Stücke auszuführen, und zwar mit Händchen, die kaum die Sexte greifen können; nein, es ist unglaublich, wenn man sieht, wie er eine ganze Stunde hindurch phantasiert, und so sich der Begeisterung seines Genies und einer Fülle entzückender Ideen hingiebt, welche er mit Geschmack und sorgfältig geregelt, auf einander folgen läßt. Alles was man ihm vorlegt, weiß er zu entziffern, und schreibt und componiert mit einer Leichtigkeit, die um so unbegreiflicher ist, als er dazu gar keine Akkorde auf dem Claviere zu suchen braucht.
Der Ruf dieser musikalischen Wunderkinder, war schon so allgemein verbreitet, daß sie sich gleich nach ihrer Ankunft in Paris vor der königlichen Familie in Versailles hören lassen durften, auch spielte Wolfgang in der dortigen Capelle vor dem ganzen Hofe die Orgel. Für das Publikum gaben sie zwey große Akademien, und fanden hier sehr ihre Welt.
Ueberall wurden sie auf das ehrenvollste aufgenommen, und ein Kupferstich, den der in Paris weilende Künstler, Chr. Mechel von Basel, von dem Vater und den beyden Kindern fertigte, vergriff sich so schnell, daß ein neuer Stich vorgenommen werden mußte. Hier in Paris war es auch, wo Wolfgang Mozart zuerst einige Compositionen durch den Druck bekannt machte. Das erste seiner[5] Werke dedizierte er der Prinzessin Victoire, der zweyten Tochter des Königs, das andere der Gräfin Tesse. Es sind Sonaten für das Clavier, mit Begleitung einer Violine.
Am 10. April 1764 begaben sich unsere Reisenden auf den Weg über Calais nach England, wo sie sich bis in die Mitte des folgenden Jahres aufhielten. Schon am 27. desselben Monats fünf Tage nach ihrer Ankunft, wurden sie vor die beyden Majestäten gerufen, wo des Sohnes Orgelspiel fast noch hoher als sein Clavierspiel galt. Bald darauf gaben sie eine große öffentliche Musik, welche von allen fremden Gesandten und den ersten Familien von London besucht wurde.
Auch hier errang sich die Virtuosität der Kinder den entschiedensten, glänzendsten Beyfall, und die Geldeinnahme war demselben entsprechend. Ein zweytes Conzert gaben sie zum Vortheil des Hospitals der Wöchnerinnen, und vermehrten dadurch, wenn es möglich war, ihren Credit.
Auf einer Reise durch die benachbarten Grafschaften brachte ein gefährliches Halsübel den Vater an den Rand des Grabes. Während der Dauer dieser Krankheit, durfte kein Clavier berührt werden; da schrieb nun, um sich zu beschäftigen, Wolfgang seine erste Sinfonie für alle Instrumente. Die Schwester mußte neben ihm sitzend, flugs ins Reine schreiben, was der emsige Componist zu Tage förderte, und sie erzählte lange nachher noch, wie er bey diesem Anlaß sie gebeten, ihn doch häufig zu erinnern, daß er dem Waldhorn was Rechtes zu thun gebe.
Nach glücklich überstandener Krankheit des Vaters, kehrten sie nach London zurück und spielten wieder vor dem König und dem vornehmsten Adel.
Es läßt sich denken, daß die Kinder und vorzüglich der Sohn, unter dem ungetheilten Beyfall, den sie überall fanden, sich immer mehr auszubilden trachteten. Nie sah man Mozart zum Uebermuth verleitet, vielmehr strebte er immer dem Ziele entgegen, das er zuletzt erreichte. So spielten jetzt beyde Kinder überall Conzerte auf zwey Clavieren; auch sang der Knabe Arien mit der größten Empfindung. Was in Paris geschehen war, geschah auch hier in London; man legte ihm verschiedene schwere Stücke von Bach, Händel, Abel, Paradis und andern Meistern vor, die Wolfgang nicht nur vom Blatte spielte, sondern sie sogleich in angemessenem Takte und mit aller Nettigkeit vortrug. Als er einst beym Könige war, nahm er die bloße Baßstimme einer Händelschen Arie und spielte eine vortreffliche Melodie darüber. Joh. Christian Bach, der Lehrmeister der Königin, nahm den Kleinen auf den Schooß und spielte einige Takte, dann fuhr Mozart fort, und so abwechselnd spielten sie eine Sonate mit solcher Genauigkeit, daß Jeder, der ihnen nicht zusah, glauben mußte, das Stück würde nur von Einem gespielt.
Während des Aufenthaltes in England, und folglich im achten Jahre seines Alters, componirte er sechs Sonaten, gleichfalls mit Begleitung einer Violine, die er in London stechen ließ, und der Königin widmete, auch hatte er ein Stück für vier Hände gemacht, das darum merkwürdig ist, weil man früher keine vierhändigen Sonaten kannte.
Der Vater konnte sich nicht genug der Gnade der königlichen Familie, der unbeschreiblichen Freundlichkeit und Freygebigkeit rühmen, mit welcher man ihm überall in England entgegen kam; seine Casse befand sich auch recht wohl dabey, und er schob die Zeit seiner Abreise immer weiter hinaus, bis er endlich von Deutschland her, daran gemahnt worden seyn soll.
Erst im Julius 1765, fuhren sie wieder nach Calais über, und reisten durch Flandern, wo Wolfgang sich häufig auf den Orgeln der Klosterkirchen und Cathedralen hören ließ. Im Haag wurden beyde Kinder nach einander, während der Dauer von vier Monaten, von einer so ernsthaften Krankheit befallen, daß der Vater für ihr Leben zitterte. Kaum der Gefahr entronnen, aber noch immer das Bette hütend, wußte der Kleine sich ein Clavierchen und ein Tisch über das Bett zu verschaffen, und da wurde claviert und geschrieben, wenn schon Finger und Feder oft den Dienst versagten.
Im Anfang des Jahres 1766, brachte die Familie vier Wochen in Amsterdam zu, und reiste dann auf das Installationsfest des Prinzen von Oranien wieder nach dem Haag. Wolfgang setzte[6] für diese Festlichkeit ein Quodlibet für alle Instrumente, nebst verschiedenen Variationen und einigen Arien für die Prinzessin. Nachdem sie öfters beym Erbstatthalter gespielt hatten, ging es wieder nach Paris, wo sie zwey Monate blieben, während dieser Zeit mehreremale in Versailles waren, und wie das erstemal überall mit Beyfallsbezeugungen und Geschenken überschüttet wurden.
Den 3. Juli ging die Familie Mozart nach Dijon ab, wohin sie der Prinz von Condé auf die Versammlung der Stände von Burgund berufen hatte, und nahm dann ihren Weg über Lyon nach der Schweiz.
Ueber Genf, Lausanne und Bern, trafen unsere jungen musikalischen Helden am 19. Herbstmonat in Zürich ein, woselbst sie auf unserm Musiksaale ein äußerst zahlreich besuchtes Conzert gaben. In dem nämlichen Saale, in welchem dir liebe junge Tonwelt heute diese Blätter mitgetheilt werden, verschafften die beyden Kinder und besonders der feurige Wolfgang, durch ihre Talente und ihr hinreißendes Spiel dem zürcherischen Publikum unendlichen Genuß, und alles zollte ihnen ungetheilte Bewunderung. Während einem Aufenthalt von 14 Tagen, wurden sie in viele Privatgesellschaften eingeführt und ihnen in republikanischer Einfachheit verhältnißmäßig so viel Ehre zu Theil, als sie an königlichen Höfen genossen. So wurden sie auch zu unserm unsterblichen Dichter Salomon Geßner geladen, dessen Haus damals und so lange dieser von allen Nationen gefeyerte Sänger der Natur, Liebe und Grazien lebte, der Mittelpunkt war, in dem sich alle Männer von Geist, Geschmack und Kenntnissen, die Zürich besaß, versammelten.
Geßners gewöhnliche Gesellschafter waren: Wyß, Hirzel, Steinbrüchel, Tobler, Corrodi, Vögeli, H. Füßli, Meiß, L. Meister, Bürkly und sein Schwager Heidegger; sie fanden sich wöchentlich an einem bestimmten Abend alle bey ihm ein. An einem solchen Abend hatte nun der Abschiedsbesuch der Familie Mozart bey Geßner statt. Nur ungerne trennten sich die Erkornen des Ruhmes. Geßner beschenkte die Künstlerfamilie mit der neuesten Ausgabe seiner Schriften, und schrieb ihr vor dem Titelblatte folgendes Angedenken hinein:
»Nehmen Sie, wertheste Freunde, dieß Geschenk mit der Freundschaft, mit der ich es Ihnen gebe. Möchte es würdig seyn, mein Andenken beständig bey Ihnen zu unterhalten. Genießen Sie, verehrungswürdige Eltern, noch lange die besten Früchte der Erziehung in dem Glücke Ihrer Kinder; sie seyen so glücklich, als außerordentlich ihre Verdienste sind! In der zartesten Jugend sind sie die Ehre der Nation und die Bewunderung der Welt. Glückliche Eltern! Glückliche Kinder! Vergessen Sie Alle nie den Freund, dessen Hochachtung und Liebe für Euch sein ganzes Leben durch so lebhaft seyn werden als heute.«
Zürich, den 3. Weinmonat 1766.
Salomon Geßner.
Geßners Gattin schenkte der Familie die poetischen Schriften Wielands, und ihr Bruder Heidegger, dem Vater den verdeutschten Hudibras.
Dieser Abschiedsbesuch ist zum Gegenstand des diesem Hefte vorgesetzten Kupferstiches gewählt worden. Der Künstler hat sich die Licenz genommen, den Wunderknaben in seinem Conzert-Costüme2 darzustellen, und sodann auch, so viel es der beschränkte Raum des Bildes erlaubt, getrachtet,[7] durch möglichste Aehnlichkeit der übrigen Personen, das Interesse der merkwürdigen Gruppe zu vermehren. Außer Geßner, erkennt man besonders die Verfasser des christlichen Erbauungsbuches, des philosophischen Bauers und des unsichtbaren Reisenden.
Von Zürich reisete die Mozart'sche Familie nach Schaffhausen, Donaueschingen, Ulm, München und kam endlich nach einer Abwesenheit von länger als drey Jahren, mit Ruhm bedeckt und vielem Gute, zu Ende des Monats November 1766 wieder in Salzburg an. Mit der kleinen Zauberhand das Reich der Töne schon bemeisternd, hatte Wolfgang in den Erstlingsblüthen seiner Composition den künftigen Wundersatz der Kunst ahnen lassen.
In Salzburg blieb nun die Familie bis zum Herbst des folgenden Jahres. Diesen Zeitraum der Muße wendete nun der junge Künstler auf das höhere Studium der Composition, dessen größte Tiefe er nun bald ergründet hatte. Emanuel Bach, Hasse, Händel und Eberlin waren seine Vorbilder, ihre Werke sein unablässiges Studium. Er studierte ebenfalls emsig die Arbeiten der strengen alten Componisten sowohl, als diejenigen der frühern italienischen Meister, deren Vorzüge in Rücksicht der Melodie und Gründlichkeit des Satzes so auffallend gegen die heutigen Italiener abstechen, und schritt dadurch zu der Stufe der Vollkommenheit hinan, auf welcher er in seinem männlichen Alter als Reformator der Instrumental- und besonders der Theater-Musik so wundersam glänzte.
Im September 1767 trat die ganze Familie wieder eine Reise nach Wien an, sah sich aber durch die daselbst grassirenden Blattern veranlaßt, nach Ollmütz zu gehen, wo indessen doch beyde Kinder mit dieser gefährlichen Krankheit befallen wurden, und lange Zeit auf völlige Genesung harren mußten. Erst mit Anfang des Jahres 1768 konnten sie wieder nach Wien zurückgehen, wo sie vor dem Kaiser Joseph spielten, und dieser dem zwölfjährigen Wolfgang auftrug, eine Oper zu schreiben. Sie hieß: »La finta semplice« kam aber ungeachtet des Lobes, das ihr Hasse und andere Kenner zollten, nicht zur Aufführung. Dagegen wurde die von ihm für das Gesellschaftstheater des befreundeten Dr. Mesmer componierte deutsche Operette, »Bastien und Bastienne,« mit Effekt gegeben, und er eingeladen, zur Einweihung der Waisenhauskirche, eine Messe, das Offertorium und ein Trompeten-Conzert zu komponieren, welcher Aufgabe er sich meisterhaft entledigte, und die Ehre hatte, als zwölfjähriger Knabe diese feyerliche Musik, in Gegenwart des kaiserlichen Hofes zu dirigieren.
Das Jahr 1769 brachte Wolfgang mit seinem Vater in der Heimath zu, theils mit dem Studium der italienischen Sprache, theils mit Forschungen in dem Gebiete der Composition beschäftigt, und es wurde ihm die Auszeichnung zu Theil, zum Hof-Conzertmeister in Salzburg ernannt zu werden. Jetzt glaubte der Vater seinen graduirten Zögling so weit, um mit Erfolg ihn auch das Vaterland der Musik, Italien, betreten zu lassen. Im Dezember dieses Jahres traten sie zusammen die Reise dahin an.
Hatte der Sohn Mozart in den von ihm bereiseten Ländern durch sein großes Genie und die seltene Kunstfertigkeit überall die ausgezeichneteste Aufnahme gefunden, so wurde seiner Erscheinung in Italien, wo die Musik wie in eigenem Boden gedeiht, und diese Kunst unter die ersten Verdienste gezählt wird, wo möglich mit noch mehr Enthusiasmus gehuldigt. Allenthalben wo er sich hören ließ, regnete es ihm Sonnette und Lobeserhebungen jeder Art. In Mailand erhielt er sogar, nach einigen öffentlichen Proben seiner Talente, den Auftrag, für den Fasching des künftigen Jahres die erste Oper zu schreiben, für welche Mitridate, Rè di Ponto, Gedicht von Cigna-Santi, gewählt war.
Im März 1770 reisten sie weiter nach Bologna, wo Mozart einen bedeutenden Bewunderer an dem großen Contrapunktisten Pater Martino, dadurch fand, daß er über jedes ihm aufgegebene Fugenthema augenblicklich auf dem Clavier die Fuge ausführte.
Florenz bot unserm Wolfgang die Bekanntschaft mit einem reichen, jungen Engländer, Thomas Lindley, dar. Dieser Knabe, von dem nämlichen Alter wie Mozart, war ein Schüler des berühmten Violinisten Nardini, und spielte die Geige mit einer bezaubernden Anmuth und Fertigkeit.[8] Oefters spielten diese jungen bewunderten Virtuosen zusammen, und ihre gegenseitige Freundschaft erreichte einen hohen Grad; es war nicht nur bloße Knabenanhänglichkeit, sondern die Zärtlichkeit zweyer tieffühlender übereinstimmender Seelen, welche sich auch bis an das Ende ihrer Tage erhielt.
Die Charwoche sah Vater und Sohn Mozart in Rom. Mittwoch Nachmittags gingen sie in die Sixtin'sche Capelle, um das berühmte Miserere von Gregorio Allegri zu hören. Da es der Sage nach, den päbstlichen Musikern unter Strafe des Bannfluches verboten war, diese Musik abschreiben zu lassen, so nahm sich unser Wolfgang vor, recht genau aufzumerken um solche zu Hause dann aus dem Gedächtnisse niederzuschreiben. Er that es, und nahm sein Manuscript, als das Miserere am Charfreytage wieder gesungen wurde, mit in die Capelle, um in demselben, es im Hute haltend, noch einige Verbesserungen anzubringen. So erreichte er vollkommen seinen Zweck, und hatte das seltene streng verschlossen gehaltene Werk errungen. Dieses wurde bald in Rom bekannt, und erregte allgemeines Aufsehen. Man drang in ihn, es in einer Gesellschaft beym Claviere vorzutragen; es geschah, und Mozarts Triumph war um so vollkommener, als der Sopranist Christofori zugegen war, der in der Capelle mitgesungen hatte, und sich nun von seinem Erstaunen nicht erholen konnte.
Nach einiger Zeit verlangte ihn auch der Past Clemens XIV. zu sehen, ließ ihn mehrere Male in seinen Zimmern spielen und ernannte ihn, als Anerkennung seiner hohen Kunst, zum Ritter des goldenen Sporns, indem er ihm Kreuz und Breve darüber ertheilte.
Von Rom besuchten unsere Reisenden Neapel. Als Wolfgang daselbst in dem Conservatorio alla pietà spielte, fielen die Zuhörer auf den abergläubischen Gedanken, es möchte in seinem Ringe die Zauberkraft seines Spieles liegen; er zog ihn daher ab und nun wurde die Verwunderung grenzenlos. Seine hier besonders in Erstaunen setzende Fertigkeit der linken Hand, hatte er sich meistens durch das Studium der Bach'schen Clavierwerke erworben.
Auf der Rückreise wurde er in Bologna mit einstimmiger Wahl als Mitglied und maestro della academia filarmonica aufgenommen. Um dieses werden zu können, hatte man ihn allein eingeschlossen und ihm als Aufgabe eine Antiphona vierstimmig zu setzen gegeben. In einer halben Stunde war er damit fertig und erhielt nun das Diplom.
In Verona erwies man ihm ebenfalls die Ehre ihn als Mitglied der philharmonischen Gesellschaft aufzunehmen.
Zu Ende Octobers 1770 wurde wieder Mayland erreicht, wo der Sohn die übernommene ernsthafte Oper »Mitridate« von der er die meisten Stücke sich bereits auf der Reise gedacht hatte, zusammensetzte. Sie wurde zum erstenmale am 26. December, und dann mehr als zwanzigmal hintereinander aufgeführt. Mozart war überglücklich. Erstaunliches Händeklatschen und ein stetes Evviva il Maestrino folgte allen seinen Stücken, und der allgemeine Beyfall zeigte sich schon daraus, daß die Impresa sich sogleich wieder in schriftlichen Akkord eine erste Carnevals-Oper für das Jahr 1773 von ihm ausbat.
Nachdem sie nun noch Turin und Venedig besucht hatten, kamen Vater und Sohn am 30. Merz 1771 wieder in Salzburg an. Der junge Künstler fand daselbst einen Brief, mit welchem ihm, im Namen der Kaiserin Maria Theresia, die Composition einer großen theatralischen Serenata, auf die Feyerlichkeit der Vermählung des Erzherzogs Ferdinand aufgetragen wurde.
Da die Kaiserin, dem ältesten unter den Capellmeistern, dem berühmten Hasse, die Composition der Oper für dieses Fest aufgetragen hatte, so wählte sie nun den Jüngsten unter allen, unsern Mozart, für die Serenata, für welche das Gedicht von Parini, Ascanio in Alba, bestimmt war. Wolfgang übernahm sogleich diesen ehrenvollen Auftrag und reiste im August mit seinem Vater wieder auf einige Monate nach Mayland. Obgleich der Vater nicht den mindesten Einfluß mehr auf die Werke des Sohnes übte, so war er doch von diesem unter dem schmeichelnden Vorwande, daß er nur unter seiner Leitung etwas Gutes leisten könne, dringend zur Begleitung aufgefordert[9] worden; auch suchte der Sohn überall den Vater hervorzustellen. Während der Vermählungsfeyerlichkeiten wurden abwechselnd Hasse's Oper und diese Serenata mit vielem Glücke aufgeführt.
Zur Wahl des neuen Erzbischofs von Salzburg, Hieronymus, (den 14. März 1772 erwählt) setzte er nun die Serenata »Il Sogno di Scipione« und brachte den Winter darauf wieder mit dem Vater in Mailand zu, wo er die übernommene Carnevals-Oper Lucio Sylla componierte und den Genuß hatte, solche 26 Mal nacheinander aufführen zu sehen.
Im Frühling 1773 waren sie wieder in Salzburg.
Einige Reisen, die er in diesem und den zwey folgenden Jahren, in Begleit seines Vaters nach Wien und München machte, gaben Gelegenheit zu mehreren vortrefflichen größern Musikstücken: als zu der komischen Oper »La finta Giardiniera, die Gärtnerin aus Liebe«, der Serenata »Il Rè pastore«, zwey Messen für die Münchner Hofcapelle, und vielem anderm mehr.
Mozarts Ruhm war jetzt durch alle Länder Europa's verbreitet, und welche Hauptstadt der, größten Reiche er auch zu seinem Aufenthalte wählen mochte, um in seiner gedoppelten Eigenschaft als Tonsetzer zu glänzen, oder als Virtuose zu bezaubern, überall konnte er einer entgegenkommenden Aufnahme gewiß seyn. Es schien ihm der damalige große Turnierplatz aller ausgezeichneten Talente, Paris, der schicklichste Ort für ihn. Er war dort schon allgemein bekannt und hatte einbegeistertes Publikum für sich. Dieß bewog ihn endlich, den 23. September 1777, mit seiner Mutter (die Anstellung in Salzburg hielt dießmal den Vater zurück) nach diesem Brennpunkte des Europäischen Luxus abzureisen. Er nahm seinen Weg über Mannheim, wo er sich zwar noch ein volles halbes Jahr gefiel, und traf erst den 23. März 1778 in Paris ein.
Hier wurde er wieder mit offenen Armen empfangen, und es würde sehr zu seinem pecuniären Vortheil gewesen seyn, wenn er in Paris geblieben wäre; der plötzliche Tod seiner theuren Mutter im folgenden Jahre (3. Juli 1778) verleidete ihm aber den Aufenthalt, und er kehrte zu Anfang des Jahres 1779 mit desto mehr Sehnsucht zu seinem Vater zurück; als der, an italienische Melodien gewohnte Künstler, der oberflächlichen französischen Musik eigentlich keinen großen Geschmack abgewinnen konnte. Während seinem Aufenthalt in Paris verfertigte er die große feurige Sinfonie in D, eine Conzertant-Sinfonie, verschiedene Quartetten, Conzerte und viele andere Stücke mehr.
Der Gewinn den Mozart, der nun in das männliche Alter getreten war, von seinen Reisen mit nach Hause brachte, war ein besonders gereinigter Geschmack und jene Politur, ohne welche kein Werk des Genies in die Länge gefallen, oder auf Unvergänglichkeit Anspruch machen kann.
Ueber seine Persönlichkeit kann nun erst jetzt ein sicheres Urtheil gefällt werden. Seine Körperbildung hatte nichts Ausgezeichnetes, er war eher klein als groß, aber sein Angesicht war angenehm; doch kündigte dasselbe nicht auf den ersten Blick das eminente Talent an, die großen feurigen Augen ließen es zwar vermuthen. Er hatte kleine hübsche Hände, und wußte dieselben so sanft und schmiegsam auf der Claviatur zu bewegen, daß sich das Auge daran nicht minder als das Ohr an den Tonen ergötzen konnte. Sein Körper war in beständiger Bewegung, immer mußte er etwas mit den Händen oder den Füßen zu spielen haben. Er sprach außer seiner Muttersprache geläufig italienisch und französisch, auch englisch und so viel Latein, als ihm zum Verstehen des Kirchengesanges nöthig war. In allen Fächern des Wissens hatte er die für einen Mann von Bildung nothigen Kenntnisse; er liebte besonders Naturhistorie und zeichnete auch sehr artig. Gefälligen Scherz liebte er, und würzte seine Gespräche mit muntern Einfällen; fröhlichen Gesellschaften war er nichts weniger als abhold, und sein etwas leichter Sinn gab sich oft großer Lustigkeit hin. Das Billardspiel liebte er leidenschaftlich, und hatte sogar gewöhnlich ein's auf seiner Stube, auf welchem er sich allein zu unterhalten pflegte, wenn keine Freunde da waren. Soviel über seine Persönlichkeit.
Der Bayerische Hof, der schon so oft Zeuge der außerordentlichen Talente Mozarts war, und besonders der damalige Churfürst Carl Theodor, dieser große Beschützer aller schönen Künste, liebte Mozarts Musik in hohem Grade. Er bekam daher den Auftrag, für die Münchener Faschingszeit[10] (1781) eine Opera seria zu schreiben. Da schuf Mozart das hohe Werk, die Oper Idomeneo Rè di Creta, worin ein Ideen-Reichthum und eine Wärme der Empfindung herrscht, die sich nur von der Jugendkraft eines so genialen Tonmeisters erwarten läßt.
Von München ward er durch einen Auftrag seines Fürsten, des Erzbischofs von Salzburg, der sich damals zu Wien aufhielt, dahin berufen. Er traf am 16. März 1781 daselbst ein.
Von dieser Zeit an – es war im fünf und zwanzigsten Jahre seines Alters – lebte er größtentheils in und für diese Kaiserstadt. Einige Reisen nach Prag, Leipzig, Berlin, entfernten ihn nur für kurze Zeit.
Mozart war nicht lange in Wien, so wurde er als Capellmeister in kaiserliche Dienste aufgenommen, jedoch nur mit Anwartschaft auf eine einträgliche Stelle, noch nicht mit einem fixen Gehalt. Seinen Unterhalt verschaffte er sich durch Conzerte, Unterricht auf dem Clavier, Compositionen, und jedes neue Werk überraschte durch die Neuheit des Styles und die Gluth der Gedanken. Hier wurde er auch mit dem berühmten Tonsetzer Gluck, und dem bekannten unvergleichlichen Joseph Haydn, dem Stolz der Tonkunst befreundet. Letztern nahm er in seinen musikalischen Dichtungen besonders zum Vorbilde, nannte ihn seinen Lehrer, und widmete ihm sechs Violin-Quartette, die zu dem Herrlichsten und Gediegensten dieser Gattung gehören.
Am 4. August 1782 verheirathete sich Mozart mit Constanze Weber, einer Schwester der berühmten Sängerin Lange. In dieser Ehe lebte er vergnügt und glücklich; er fand in seiner Gattin ein gutes liebevolles Weib, das sich an seine Gemüthsart vortrefflich anzuschmiegen wußte, und eine Gewalt über ihn gewann, die sie anwandte, den oft allzuleichtsinnigen Gatten vor mancher Uebereilung und Thorheit abzuhalten. Sie wurde Mutter von vier Kindern, und war den zwey Söhnen, die am Leben blieben, in jeder Beziehung eine gute Mutter.
Während seinem Bräutigamsstande componierte Mozart, auf Befehl des Kaisers Joseph II, das bekannte allgemein beliebte Singspiel: »Die Entführung aus dem Serail«, für das aus den besten deutschen Sängern und Sängerinnen bestehende Nationaltheater zu Wien. Der Monarch hatte nämlich den schönen Gedanken gefaßt, den Geschmack für italienische Musik durch kräftige Unterstützung deutscher Opern zu verdrängen, und so das Vaterländische mehr zu heben. Bey dem Aufsehen nun, welches die Aufführung dieser Oper machte, fühlten indessen die schlauen Italiener in Wien bald, daß ein solcher Kopf für ihre Existenz gefährlich werden dürfte; daher erwachte der Neid, und mit der ganzen Schärfe des welschen Giftes wurde der Componist, selbst bis an das Ende seines Lebens von ihnen verfolgt. Joseph, dem diese Stimmung gegen Mozart zu Ohren gekommen, der aber von der tief eindringenden neuen Musik entzückt war, sagte zu demselben: »Fast zu schön für unsere Ohren, lieber Mozart, nur gewaltig viel Noten«! – »Gerade soviel, Ewr. Majestät, als nöthig sind«, antwortete dieser, mit jenem edeln Stolze und der Freymüthigkeit, die großen Geistern so gut ansteht. Er hatte wohl bemerkt, daß der Kaiser nicht sein eigenes, sondern fremdes Urtheil ausgesprochen hatte.
Bald darauf schrieb er auf Wunsch des Kaisers für Schönbrunn die kleine deutsche Operette: »Der Schauspieldirektor«, ein scherzhafter musikalischer Wettkampf für Madame Lange und eine italienische Sängerin.
Nachher erschien seine dritte große Oper: »Le Nozze di Figaro«, (Figaro's Hochzeit), eines seiner Hauptwerke, das er später selbst sein Lieblingskind nannte, und welches auch von den feinsten Kennern am meisten geschätzt wird. Den großen Haufen in Wien wollte diese Oper im Anfang nicht ansprechen, das italische Geklingel lag ihm noch zu sehr in den Ohren, doch mit jeder Aufführung trat die Sonne glänzender hervor, und verdrängte endlich die neblichten Dünste.
Den ausgezeichnetesten Beyfall erhielt diese Oper in Prag, woselbst sie während dem ganzen Winter 1786 fast ohne Unterbrechung gegeben wurde. Mozart von seinen Gönnern und Freunden dahin berufen, erschien daselbst im Februar 1787, wurde bey einer Aufführung des Figaro erkannt,[11] und nun von dem ganzen Publikum mit den rauschendsten Beyfallsbezeugungen und Willkommrufen beehrt.
In Prag componierte er nun die Oper: »Il dissoluto punito, ossia Don Giovanni«, zu deutsch »Don Juan, oder der steinerne Gast«, die Krone seiner Meisterwerke, wie sie von vielen Seiten her geheißen wird. Bald ist es nun ein halbes Jahrhundert, daß sie erschien, und noch immer findet der Musikfreund das nämliche Wohlgefallen an dieser Oper, was übrigens noch mit vielen Werken Mozarts der Fall ist. Immer noch sind ihre Darstellungen beliebt und gesucht und auf allen Theatern ist sie der Liebling des Publikums. Nur in Prag allein, ihrem Geburtsorte, wurde solche in den ersten zehn Jahren 116, und von 1798 bis 1825, 151, mithin zusammen 267 Mal gegeben; ein Beweis, wie die Produkte eines wahren Genies keiner Zeit und keiner Mode unterworfen, ein Werk der Unvergänglichkeit sind.
In dieser Periode verfertigte Mozart auch seine schönsten und vorzüglichsten Tongemählde, sowohl für Kirchen-, Conzert- als für Kammermusik.
Um unsern Mozart ganz kennen zu lernen, ist es nöthig ihn bey seinem Schreibepulte, wenn er die unsterblichen Werke dichtete, zu beobachten. Auf den ersten Anblick konnte die Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit welcher er schrieb, Flüchtigkeit und Eile scheinen, auch kam er während dem Schreiben nie zum Clavier. Seine Imagination stellte ihm das ganze Werk, wenn es kaum angefangen war, deutlich und lebhaft dar. Die große Kenntniß des Satzes erleichterte ihm den Ueberblick der gesammten Harmonie. Selten traf man in seinen Conceptpartituren gestrichene oder ausgebesserte Stellen an. Daraus folgt aber nicht, daß er sie nur hingeworfen habe. In seinem Kopfe war das Werk immer schon vollendet ehe er sich zum Schreibetisch setzte. Wenn er den Text zu einer Gesang-Composition bekam, so ging er lange Zeit damit herum, dachte sich ganz hinein, und überließ sich nun seiner Inspiration und Phantasie. Bey dem Claviere arbeitete er dann die Gedanken vollständig aus, und nun setzte er sich erst zum Schreiben hin. Daher war ihm das Schreiben eine leichte Sache, wobey er oft scherzte und tändelte. Wie in der Jugend, so brachte er auch in seinen spätern Jahren, halbe Nächte bey dem Claviere zu; diese waren dann die eigentlichen Schöpferstunden seiner himmlischen Gesänge. Bey der schweigenden Ruhe der Nacht, wo kein Gegenstand die Sinne fesselt, erglühte seine Einbildungskraft zu der regsten Thätigkeit, und entfaltete den ganzen Reichthum der Töne, welchen die Natur in seinen Geist gelegt hatte. Hier war Mozart ganz Empfindung und Wohllaut, hier entflossen seiner Feder die wundervollsten Harmonien.
Die Leichtigkeit, mit welcher dieser Liebling der Muse der Tonkunst schrieb, überraschte selbst diejenigen, welche mit seinen Talenten vertraut waren. Die geniale Eingangssinfonie zu Don Jouan giebt darüber ein merkwürdiges Beyspiel. Als am Abend vor der ersten Aufführung dieser Oper in Prag, die Generalprobe zu Ende war, bey der indessen noch die Ouvertüre mangelte, sagte er zu seiner Gattin, er wolle dieselbe in der Nacht schreiben, sie solle ihm Punsch machen und bey ihm bleiben, um ihn munter zu erhalten. Sie that es, und erzählte ihm während der Arbeit Mährchen von Aladins Lampe, von Aschenbrödel u.s.w., die ihn bis zu Thränen lachen machten. Der Punsch aber schläferte ihn so ein, daß er nickte, wenn sie innehielt, und nur arbeitete wenn sie erzählte. Da aber diese Anstrengung, die Schläfrigkeit, das öftere Nicken und Zusammenfahren, ihm die Arbeit gar zu mühsam machte, so bat ihn die Gattin, daß er eine Stunde auf dem Ruhbette schlummern möchte. Er that es, da sie versprach, ihn in einer Stunde wieder munter zu halten. Er war aber so fest eingeschlafen, daß die sorgliche Frau es nicht über sich bringen konnte ihn vor 5 Uhr Morgens zu wecken. Nun waren auf 7 Uhr die Copisten bestellt, aber um 7 Uhr war auch die Ouvertüre richtig fertig.
Nur mit Mühe konnten die Partien bis zur Vorstellung ausgeschrieben werden, allein das Opern-Orchester, dessen Geschicklichkeit Mozart schon kannte, führte sie a prima vista vortrefflich[12] aus. Es haben einige behauptet, daß die Momente des Nickens und Zusammenfahrens in der Musik dieser übrigens herrlichen Ouvertüre bemerkt werden könnten.
Im Frühling des Jahres 1789 schrieb Mozart seine liebliche Oper Cosi fan tutte, und machte nachher eine Reise über Dresden, Leipzig nach Berlin. Der große Ruf seines Namens ging ihm voran, und nirgends fand man sich in der Erwartung getäuscht, die er überall erregt hatte. Der König Friedrich Wilhelm II von Preußen, war besonders für ihn eingenommen. Dieser Fürst schätzte und bezahlte die Musik bekanntlich nicht nur ungemein, sondern er war wirklich selbst – wenn auch nicht gründlicher Kenner – doch geschmackvoller Liebhaber derselben. Mozart mußte, so lange er in Berlin blieb, fast täglich vor ihm phantasieren, oft auch mit Hofmusikern Quartette in des Königs Zimmern vortragen. Als er einmal mit dem Monarchen allein war, fragte ihn dieser, was er von der Berliner Capelle halte? Mozart, dem nichts fremder als Schmeicheley war, antwortete: »Sie hat die größte Sammlung Virtuosen in der Welt, auch Quartette habe ich nirgends so spielen gehört wie hier, aber wenn alle diese Herren beysammen sind, so könnten sie es doch noch besser machen.« Friedrich Wilhelm freute sich seiner Aufrichtigkeit und erwiederte lächelnd: »Bleiben Sie bey mir, Sie können es dahin bringen, daß sie es besser machen; Ich biete Ihnen 3000 Thaler jährlichen Gehalt an.« – »Soll ich meinen guten Kaiser verlassen«? sagte der brave Mozart, und schwieg gerührt und nachdenkend. – Man bedenke, daß der Kaiser, den er nicht verlassen wollte, ihm damals noch keinen fixen Gehalt bezahlte. – Auch der König schien gerührt und setzte nach einer Weile hinzu: »Ueberlegen Sie sich's. Ich halte mein Wort, auch wenn Sie erst in Jahr und Tag kommen sollten.«
Mozart reisete, voll von diesem Vorschlage, nach Wien zurück, wo er noch eine vortheilhaftere Einladung nach London, von Salomon, dem Direktor der dortigen großen Opern-Unternehmung fand. Dringende Zureden und Vorstellungen über seine gedrückte ökonomische Lage von Seite seiner Gattin und vieler besorgten Freunde, auch die Aussicht, wieder viel mit Neid und Kabale kämpfen zu müssen, vermochten ihn endlich zum Kaiser zu gehen, und um seine Entlassung anzuhalten. Joseph, dieser so edle Fürst, liebte die Mozart'sche Musik leidenschaftlich. »Sie wissen«, sagte er dem beklommenen Manne, »was ich von den Italienern halte, und wollen mich dennoch verlassen«? Mozart sah ihm in's ausdrucksvolle Angesicht, und sagte gerührt: »Euer Majestät, – ich empfehle mich zu Gnaden – ich bleibe!« Und damit ging er nach Hause. – »Aber«, sagte ein Freund, den er traf, und dem er die Unterredung mittheilte – »warum benutztest du nicht den günstigen Augenblick, und batest dir wenigstens festen Gehalt aus«? »Der Teufel denke in solchen Momenten an Geld«, antwortete Mozart unwillig. Joseph kam jedoch später selbst auf die Idee, demselben einen angemessenen Gehalt zu bestimmen, befragte aber darüber Jemanden, der dem sparsamen Fürsten gefällig seyn wollte, und nur auf achthundert Gulden antrug. Dabey blieb es; es wurde freylich der Titel, Kammercompositeur mitgegeben, allein Mozart war dadurch nichts weniger als seiner Nahrungssorgen enthoben. Dennoch blieb er beym Kaiser und erinnerte mit keinem Worte mehr an dergleichen Verhältnisse. Einzig schrieb er einmal, als er sein Einkommen bescheinigen mußte, in ein versiegeltes Billet: »Zuviel für das was ich leiste, zu wenig für das was ich leisten könnte.« Der Hof hatte ihm nämlich in seiner Eigenschaft als Kammercompositeur nie einen Auftrag gegeben.
Der Türkenkrieg und der dadurch am 20. Februar 1790 veranlaßte Tod des großen unvergeßlichen Josephs, raubte auch Mozarten eine große Stütze seiner Hoffnungen; er blieb Capellmeister ohne, und Kammerpositeur mit 800 Gulden Gehalt. Zur neuen Kaiserwahl reiste er im September dieses Jahrs nach Frankfurt, und verherrlichte durch sein wundervolles Klavierspiel die dortigen Feste. Er soll diese Reise gemacht haben, um seinen Vermögensumständen aufzuhelfen, und ihm dasselbe theilweise gelungen seyn.
Aber auch Mozarts Ende rückte heran, er sollte seinen geliebten Kaiser nicht lange überleben. Mangel an Bewegung in seiner Jugend, angestrengte Nachtarbeiten, leichter Sinn, ungeregelte[13] Lebensweise, und neben allem Fleiße und aller Ausdauer, Hang zum Vergnügen, mußten nachtheilig auf seine Gesundheit einwirken, sein Daseyn verkürzen und die Körperkräfte endlich verzehren.
Noch war sein heiterer Humor nicht ganz von ihm gewichen, wenn auch der morsche Körper sinken wollte, so flammte der rege Geist immer mächtig empor. So entstand die Zauberflöte! Wer kennt und liebt und singt und preiset diese Oper nicht? Gleichsam als wollte er noch vor seinem Ende die Fülle seines Geistes mit vollem Maße der Nachwelt säen, arbeitete er unablässig dem großen Ziele zu, an dem er sein schönstes, vollendetestes, allen Forderungen der Aesthetik Genüge leistendes Werk, die herrliche unvergleichbare Zauberflöte schuf. Mozart, dem Tag und Nacht gleich galt, wenn ihn der Genius ergriff, versank zwar, während diese klassische Oper seinem Geiste entquoll, in öftere Abmattung und minutenlange Bewußtlosigkeit. Er hatte die Musik zu dieser Oper besonders lieb, obschon er über manche Sätze, die gerade den allermeisten Beyfall erhielten, zu lachen pflegte. Die Zauberflöte wurde in Wien unausgesetzt mit ganz ungewöhnlichem Beyfall, in dem ersten Jahre über hundertmal gegeben; Mozarts Kränklichkeit nahm aber so zu, daß er die Aufführungen nur etwa zehnmal selbst dirigieren konnte. Wenn es ihm dann unmöglich war im Theater zu erscheinen, so legte er traurig zu Hause seine Uhr neben sich, und hörte die Musik im Geiste. Jetzt ist die große Arie der Königin der Nacht, jetzt kömmt das erste Finale, jetzt ist das und jetzt ist dieses, sagte er, und dann ergriff ihn die wehmüthige Empfindung, daß dieß alles für ihn bald verloren sey.
Der Gedanke an die mögliche Nähe seines Todes, war dem lebenslustigen Künstler um so entsetzlicher, als er anfing in seinen Vermögensumständen besser zu stehen, und überhaupt Weib und Kinder ihm so sehr am Herzen lagen. Mozart starb bitter ungerne. Immer mehr litt der Kranke an äußerster Reizbarkeit seiner Nerven, versank täglich in schwermüthigere Phantasien, und Schauer des Heimganges durchbebten ihn. Er arbeitete nun so schnell und so viel, daß es schien, er wolle sich aus den Aengsten der Welt in die Schöpfungen seines Geistes flüchten.
Seine Anstrengungen gingen dabey so weit, daß er nicht nur die ganze Welt um sich her vergaß, sondern oft entkräftet zurücksank, und zur Ruhe gebracht werden mußte. Jedermann sah, daß er sich auf diese Weise gar bald aufreiben müsse, aber alles Zureden seiner Gattin und Freunde, und die Versuche, ihn zu zerstreuen, blieben meistens fruchtlos. Seine Gattin bestellte oft Personen, die er lieb hatte, heimlich zu ihm; sie sollten ihn überraschen, wenn er zu tief in seine Arbeiten versenkt war; er freute sich sie zu sehen, blieb aber arbeitend sitzen. Sie mußten nun ein heiteres Gespräch beginnen, an welchem die Gattin Theil nahm – allein er hörte gewöhnlich nichts; man sprach ihn an, frug ihn – er antwortete kurz und schrieb fort.
Eines Tages fuhr ein Wagen bey seinem Hause vor, und ein Fremder ließ sich melden. Er empfing ihn. Ein etwas bejahrter, ernsthafter, stattlicher Mann, von sehr würdigem Aeußern, den weder er noch seine Gattin kannte, trat herein, und begann:
Ich komme als Abgesandter eines sehr angesehenen Mannes zu Ihnen.
Mozart. Von wem kommen Sie?
Fremder. Der Mann wünscht nicht gekannt zu seyn.
M. Gut, was verlangt er von mir?
F. Es ist ihm eine Person gestorben, die ihm sehr theuer war, und es ewig seyn wird. Er wünscht alljährlich ihren Todestag stille, aber würdig zu feyern, und bittet Sie ihm dazu eine Seelenmesse zu componieren.
Mozart war durch diese Rede, durch das Dunkel, welches über die ganze Sache verbreitet war, durch die Feyerlichkeit des Tons des Mannes, bey seiner jetzigen Gemüthsstimmung innig ergriffen, und versprach das Verlangte zu thun.
F. Arbeiten Sie mit allem möglichen Fleiß, der Mann ist Kenner.
M. Desto besser! –[14]
F. Sie werden durch keine Zeit beschränkt. –
M. Vortrefflich.
F. Wie viel Zeit bestimmen Sie ungefähr?
M. (der Zeit und Geld selten zu überschlagen pflegte) Etwa vier Wochen.
F. Dann komme ich wieder und hole die Partitur. Wie viel verlangen Sie Honorar?
M. Hundert Dukaten.
F. Hier sind sie.
Und damit entfernte sich der Geheimnißvolle, nachdem er die Rolle mit hundert Dukaten auf den Tisch gelegt hatte.
Mozart, der große Vorliebe für derley Musik hegte, ging mit Macht dahinter. Sein Schwanengesang, das furchtbar erhabene Requiem, wurde gedacht.
Wie sonderbar, das hell lodernde Feuer seines Geistes schien plötzlich den siechen Körper ermuthigen zu wollen, und wie doppelt glücklich war die merkbare, obwohl langsam vorschreitende Besserung, die sich einzustellen schien, als noch gar von den böhmischen Ständen eine Botschaft eintraf, zur Feyer der Krönung des neuen Kaisers Leopold, die Opera seria »La Clemenza di Tito« zu schreiben. Der Antrag war so ehrenvoll und vortheilhaft, daß selbst die besorgte Gattin ihn nicht abschlagen zu dürfen vermeinte und Mozart lächelte seit langem das erstemal wieder.
Die ungesäumte Reise nach Prag wurde zugesagt. Eben als er mit seiner Frau in den Reisewagen steigen wollte, zeigte sich der Unbekannte, der das Requiem bestellt hatte, und fragte, wie es nun diesem ergehen würde? Mozart entschuldigte sich mit der Nothwendigkeit dieses Ausfluges und versicherte, den Plan zu dem bestellten Werke bereits entworfen zu haben, und daß dasselbe bey der Zurückkunft ohne anders seine erste Arbeit seyn werde. Der Unbekannte schien befriedigt.
Der Keim zu Titus, dieser ebenfalls unvergänglichen Oper, entstand nun im Reisewagen nach Prag, und in der Krönungsstadt angelangt, wurde sie dort in 18 Tagen vollendet. Dazu mußten freylich die intellektuellen sowohl als die physischen Kräfte Mozarts sehr zusammengepreßt werden. Obwohl sein Muth belebt war, so erhielt sich sein Sinn nur mit Mühe er heitert; die Festlichkeiten erdrückten ihn schier, und nur im Kreise vertrauter Freunde war er munter. Das Lämpchen hatte noch einmal vor dem Erlöschen hell aufgeflammt, aber durch die Anstrengung entkräftet, kehrte er nun um so kranker, matt und traurig nach Wien zurück.
Zu Hause angelangt, machte sich Mozart mit wahrem Heißhunger hinter die Bearbeitung seines Requiems. Mit jedem Takte schien sein Eifer zuzunehmen, er schrieb Tag und Nacht. Sein Körper hielt die Anstrengung nicht aus, und er fiel dabey in häufige Ohnmachten. Aber alle Bitten um Mäßigung in der Arbeit waren vergebens. Erst nach mehreren Tagen gewann es seine Frau über ihn, daß er mit ihr in den Prater fuhr. Anfangs saß er still und in sich gekehrt, aber der schöne Herbsttag machte ihn endlich zutraulich. Er gestand, daß er glaube das Requiem zu seiner eigenen Todesfeyer zu bearbeiten, und in der geheimnißvollen Aufforderung zu dieser Seelenmesse, den Ruf seines Todesengels zu finden, solche für sich zu schreiben. Umsonst versuchte die zärtliche Gattin ihn zu trösten, ihn von solchen Gedanken abzubringen, er ging von dieser Idee nicht ab, und arbeitete immer im Gefühle des nahen Todes, wie Raphael, an seiner Verklärung. Auf Anordnung des Arztes mußte ihm seine Frau sogar für einige Zeit die Partitur des Requiems wegnehmen, sie konnte aber seinen inständigen Bitten, um Zurückgabe nicht lange widerstehen, da er sich immerwährend doch damit beschäftigte.
In diese Zeit fällt ein wiederholter Besuch des Unbekannten. Die seltsame Erscheinung ergriff den Componisten mächtig.
Mozart. Ich habe mein Wort wegen dem Requiem noch nicht halten können.
Fremder. Ich weiß alles, Sie haben recht gethan sich nicht zu binden. Wie lange bestimmen Sie jetzt die Frist?[15]
M. Noch vier Wochen. Die Arbeit wird mir täglich lieber, und ich führe sie viel weiter aus, als ich erst glaubte.
F. Schön. Doch denn muß auch das Honorar größer seyn. Hier sind noch hundert Dukaten!
M. Mein Herr! wer schickt Sie?
F. Der Mann will unbekannt bleiben. Geben Sie sich nur keine Mühe den Besteller zu erfahren, sie würde vergeblich seyn.
M. Wer sind Sie?
F. Das thut noch weniger zur Sache. – In vier Wochen bin ich wieder bey Ihnen.
Damit entfernte sich der Räthselhafte.
Man ließ Achtung geben wohin er ging; aber entweder waren die nachgeschickten Leute zu saumselig, oder irre geleitet, kurz man kam auf keine Spur. Nun war Mozart fest überzeugt, der Mann mit dem edeln Aussehen sey ein ganz ungewöhnlicher Mensch, der mit jener Welt in näherer Verbindung stehe, oder wohl gar an ihn abgesandt sey, um ihm sein Ende zu verkündigen.
Er entschloß sich also um desto ernstlicher, seinem Namen ein würdiges Denkmal zu stiften. Es erglühte seine Phantasie, während der Körper immer mehr sank. Noch vor der vierten Woche war die Seelenmesse bis auf weniges vollendet – der Meister aber entschlummert.
Am Vorabend seines Todes – 2 Uhr Nachmittags – ließ er sich die Partitur des Requiems auf sein Bette bringen. »Hab' ich es nicht vorher gesagt, daß ich dieses Requiem für mich schreibe«? so sprach er und sah noch einmal das Ganze mit nassen Augen durch. Es war der letzte schmerzliche Blick des Abschiedes von seiner geliebten Kunst. Eilf Stunden später, um 1 Uhr Nachts, den 5. December 1791 flog sein Geist hinüber.
Bald nach seinem Tode erschien der geheimnißvolle Unbekannte und verlangte das Requiem. Die Wittwe lieferte es ab, und erfuhr seit diesem Augenblicke nicht das Geringste mehr von dem Werke sowohl als dem Besteller; umsonst war man bemüht den räthselhaften Boten auszuforschen3.
Mozarts irdische Hülle wurde auf dem Todtenacker vor der St. Marxen-Linie bey Wien begraben, auf der Stätte, wohin später auch seine innigen Freunde Albrechtsberger und Joseph Haydn hingetragen wurden.
In Wien wurde sein Andenken mit Würde gefeyert. Noch mehr aber zeichnete sich darin Prag aus, allwo zehn Tage nach seinem Tode in der St. Nikolauskirche ein feyerliches Seelenamt veranstaltet und das meisterhafte Requiem von Rosetti von hundert und zwanzig Tonkünstlern aufgeführt wurde. In der Mitte des Tempels stand ein prachtvoll erleuchtetes Trauergerüste, und um dasselbe ertönten abwechselnd Chöre mit dumpfen Pauken und Posaunen. Alle Glocken der Pfarrkirche riefen zu dem rührend erhabenen Trauergottesdienste, dem mehr als 3000 Zuhörer beywohnten.
In ganz Deutschland stellten die meisten Theater und musikalischen Gesellschaften ähnliche Feyerlichkeiten auf Bühnen und Conzertsälen an.
Die Wehmuth über den frühen Tod des entrissenen Künstlers war allgemein. Nicht untergehen wird dessen Name, so lange ein Tempel der Tonkunst bestehet, und oft wird sein Andenken von gefühlvollen Seelen gefeyert werden, welchen der Schmelz seiner Harmonien so manche schöne Stunde gibt.
(Die Fortsetzung folgt.)
1 Man verzeihe die etwas umständlichen Notizen über den Vater, allein da er in jeder Beziehung der Bildner des merkwürdigen Sohnes war, so gebührt der väterlichen Leitung auch alle mögliche Anerkennung.
2 Unsern jungen Lesern mag es vielleicht Spaß machen, über diese Kleidung nachfolgende Notizen aus einem Briefe des Vaters von Wien an einen seiner Freunde, zu vernehme. »Gestern, als am Theresientage, schickte die Kaiserin uns durch den geheimen Zahlmeister, der in Galla vor unsere Wohnung gefahren kam, zwey Kleider, eins für den Buben und eins für das Mädel; Im Namen des Kaisers behändigte er mir ferner 100 Dukaten, mit dem Beysatze, daß Se. Majestät uns bald wieder rufen lassen werde. Wollen Sie nun wissen wie des Wolferls Kleid aussieht? Es ist vom feinsten Tuche, lillafarben; die Weste von Moir, nämlicher Farbe; Rock und Kamisol mit doppelten breiten Goldporten besetzt. Es war für den Erzherzog Maximilian gemacht. Der Nannerl ihr Kleid war das Hofkleid einer Erzherzogin. Es ist weiß brochierter Taffent, mit allerhand Garnierugen. – – –«
3 Als Breitkopf und Härtel in Leipzig das Requiem herausgeben wollten, baten sie die Wittwe um ihre Copie; sie hätten mehrere Abschriften, das Werk wäre bekannt, allein sie wünschten dasselbe nach der besten Copie herauszugeben. Erschienen wäre es nun immer, und da mußte die Wittwe zur Ehre ihres Mannes wünschen, das dieß bestmöglichst geschähe; über zehn Jahre war das Werk schon alt. Sie gab also ihre Copie her. Da meldete sich der unbekannte Besteller des Requiems, Graf von Wallsegg zu Stuppach in Unter-Oestreich, und beschwerte sich höchlich über die Verletzung seines Eigenthumsrechtes, ließ sich aber durch mehrere andere geschriebene Musikalien, zum Ersatz, wieder besänftigen.
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