[43] Wo immer etwas Großes geleistet worden ist auf dem Amboß der Technik, da waren Hammerschläge nötig. Widerstände mußten niedergebrochen, Zeitmeinungen zusammengehämmert werden, damit die neue Form mit unbeugsamer Gestaltungskraft herauswachsen konnte, allen finanziellen Hemmungen und geschäftlichen Widerständen zum Trotz.
So ging's auch mir.
Von der großen Zukunft der Explosionsmotoren hatte um diese Zeit die Welt noch keine Ahnung. Im Gegenteil! Je sachverständiger und klüger die Leute waren, desto mehr schwärmten sie für die Dampfmaschine und desto geringschätziger sahen sie herab auf die Gasmaschinen. Auch in meinen Mannheimer Bekanntenkreisen fand sich niemand, der sein Vertrauen zur Motorensache durch »Investierung eines bestimmten Kapitals« beweisen wollte.
Da kam eines Tages Hofphotograph Bühler zu mir. Der hatte sich schon an viele Fabriken und Werkstätten der verschiedensten Städte gewandt, um für eine Art Satiniermaschine hochfein polierte Stahlplatten zu bekommen. Vergebens!
Was anderen nicht gelungen war, mir hatte es keine allzu großen Schwierigkeiten gemacht. Ich konnte ihm Platten liefern, die ihm für seine Zwecke ausgezeichnete Dienste leisteten. Dadurch bekam der Mann Vertrauen zu mir und fing an, sich auch für meine neue Produktionsidee – den Gasmotor – zu interessieren. Er glaubte an die Zukunft des Gasmotors und erklärte sich bereit, durch Beteiligung mit einem kleinen Kapital – als Gesellschafter – die Idee auszuwerten[43] und auszunutzen. Jetzt war ich in der Lage, flott zu produzieren. Ich baute zunächst 1-PS-Zweitaktmotoren für Pumpen. Diese Zweitaktmotoren waren mit einer besonderen Luftpumpe und einer besonderen Gaspumpe versehen. Das Benzin wurde mit Hilfe eines Oberflächenvergasers, wie sie damals schon bekannt waren, zum Verdunsten gebracht. Eine Schiebersteuerung besorgte den Gaszutritt.
Bald baute ich auch zwei- und vierpferdige Motoren. Das Unternehmen blüht auf. Aus sechs Arbeitern werden vierzig und mehr. Schon muß das Geschäft vergrößert und verlegt werden. Fremde Kräfte treten ein. Unter dem Namen »Mannheimer Gasmotorenfabrik« wird eine Aktiengesellschaft gegründet.
Die Zweitaktmotoren waren wohl ein gutes geschäftliches Sprungbrett. Doch hing mein Herz ja nicht am Zweitaktmotor, sondern am selbstlaufenden Fahrzeug. Aber gerade um diesen Erfindertraum türmten sich die Widerstände bergehoch.
Meine Geschäftsgenossen waren starke Realpolitiker und hatten kein Verständnis für mein Lieblingsideal – den Motorwagen. Benz-Motoren – ja, die waren recht. Das gab Geld. Aber Benz-Wagen, nein, da wäre es um jeden hineingesteckten Pfennig zu schade.
Als ich sie für meine Idee, die immer im stillen neben mir hergegangen war, in allem Ernst zu gewinnen suchte, unter Hinweis auf unseren flotten Geschäftsgang, da bekam ich zur Antwort: »Aber vorerst nur keine Spielereien und Phantastereien. Jagen Sie keinem Phantom nach! Lassen Sie uns an den ortsfesten Zweitaktmotoren erst so viel Geld verdienen, daß die Versuche mit Ihren technischen Phantomen keine empfindlichen Geldopfer mehr bedeuten.«[44]
So stand dem hoffnungsfrohen Optimismus, dem sonnigen, starken Glauben an das große Erfinderideal eine undurchdringliche Wolkenwand von Geschäftsskepsis und Geldpessimismus gegenüber.
Aber wenn die anderen Feierabend hatten und fortgingen, holte ich nach Art Friedrichs des Großen die geliebte Flöte hervor und spielte muntere Zukunftsweisen. Was für Gedanken, Entwürfe und Pläne auch leise hinzitterten über das Reißbrett, eines Tages sollten sie sich vereinigen zur lauten, harmonisch-technischen Ouvertüre des motorischen Fahrzeugs.
Bei dieser Sachlage war es klar, daß ich auf die Dauer nicht die Rolle der »ausgepreßten Zitrone« spielen wollte. Ich trat aus der Gesellschaft aus und zog mich wieder nach meiner Werkstätte in T 6 zurück.