Brillenschlange (Naja tripudians)

[416] Die Cobra de Capello, schlechtweg Cobra genannt, die Brillenschlange oder »Tschinta-Negu« der Indier (Naja tripudians, lutescens, larvata, atra und Kaouthia, Coluber Naja), ist eine Schlange von 1,4 bis 1,8 Meter Länge und lohgelber, in gewissem Lichte ins [416] Aschblaue schimmernder Färbung, welche jedoch blasser erscheint, da die Zwischenräume der einzelnen Schuppen lichtgelb oder weiß aussehen und auch die Ecken einzelner Schuppen oft dieselbe Färbung theilen. Im Nacken herrscht Lichtgelb oder Weiß derartig vor, daß die dunklere Färbung nur als Tüpfelung sich darstellt, und gerade von dieser Stelle hebt sich eine Zeichnung deutlich ab, welche mit einer Brille Aehnlichkeit hat. Diese Brille wird von zwei schwarzen Linien umrandet und ist gewöhnlich bedeutend lichter als der umgebende Theil, während diejenigen Stellen, welche den Gläsern entsprechen, entweder ganz schwarz aussehen oder einen lichten Augenfleck dunkel umranden. Die Bauchschilder sind schmutzigweiß, einzelne schwarz gefleckt.

Eine Folge der genauen Bekanntschaft, welche die Eingeborenen von der Brillenschlange erlangt haben, ist, daß sie Spielarten namentlich unterscheiden. Russell, welcher ausführlich über das Thier berichtet hat, führt deren zehn an. Eine Spielart, welche an der Küste von Koromandel lebt, die Arigi-Negu, hat eine graue, in der Mitte schwarz eingefaßte Brille und zu jeder Seite des Bogens einen dunkeln Fleck, eine zweite, Kendum-Negu, derselben Gegend entstammend, dunklere Färbung, gelbe Haut zwischen den Schuppen und eine Brillenzeichnung, bei welcher die Umrisse aus einem doppelten Bogen von schwarzer Farbe gebildet werden; eine dritte Spielart, die Mogla-Negu, zeichnet sich durch die grau gefleckten Hinterhauptsschilder und die vier graublau gefärbten Mittelschilder aus, eine vierte, Melle-Negu, durch blaßbraune Färbung, mehrere dunkle Brustschilder und kleine Brillenflecke, eine fünfte, Kembu-Negu, durch dunkle Nackenschilder und eine in Blau schillernde Gesammtfärbung, eine sechste, Jenne-Negu, durch orangefarbene, eine siebente, Nelletespem, durch schwarze Kehlhaut, eine achte, Korie-Negu, durch die Schmalheit der vorderen und die Breite der letzteren Mittelschilder, eine neunte endlich, die Senku-Negu, dadurch, daß sie gar keine Zeichnung auf dem Halse hat. Neuerdings sind noch mehrere andere Spielarten beschrieben worden.

Die Brillenschlange verbreitet sich über ganz Südasien und ebenso über alle benachbarten Inseln, mit Ausnahme von Celebes und der Molukken, Timor und Neuguinea. Wie die meisten übrigen Schlangen scheint sie sich nicht an eine bestimmte Oertlichkeit zu binden, im Gegentheile überall sich anzusiedeln, wo sie ein passendes Versteck und genügende Nahrung findet. Lieblingswohnungen von ihr sind die verlassenen Nesthügel der weißen Ameise oder Termite, altes Gemäuer, Stein- und Holzhaufen, durchlöcherte Lehmwände und ähnliches Gerümpel, welches Löcher oder verdeckte Zwischenräume und damit für sie Schlupfwinkel bietet. Tennent hebt hervor, daß sie auf Ceylon neben der sogenannten Rattenschlange, einer Natter (Coryphodon Blumenbachii), die einzige ihres Geschlechtes ist, welche die Nachbarschaft menschlicher Wohnungen nicht meidet. Sie wird hier angezogen durch die Abzugsgräben und vielleicht durch die Beute, welche sie an Ratten, Mäusen und kleinen Küchlein zu gewinnen gedenkt; in nicht wenigen Fällen treibt sie auch Wassernoth, höher gelegene Theile des im Ueberschwemmungsbereiche der Flüsse gelegenen Landes und damit die daselbst errichteten Hütten aufzusuchen. So lange sie ungestört bleibt, pflegt sie vor dem Eingange ihrer Höhlen faul und träge zu liegen, bei Ankunft eines Menschen aber regelmäßig so eilig als möglich sich zurückzuziehen und nur, wenn sie in die Enge getrieben wird, ihrem Angreifer zu Leibe zu gehen. Ungereizt, beispielsweise wenn sie zur Jagd auszieht, schlängelt sie mit kaum erhobenem Kopfe und nicht verbreitertem Halse über den Boden dahin; gereizt, oder auch nur geängstigt, nimmt sie sofort die ihrem Geschlechte eigene Angriffsstellung an. Obwohl eine Tagschlange, meidet sie doch die Hitze der Mittagszeit oder die stechenden Sonnenstrahlen überhaupt und tritt erst in den späteren Nachmittagsstunden ihre Jagdzüge an, ist in den Abendstunden am muntersten und treibt sich oft noch in später Nacht umher, wird daher von einzelnen Berichterstattern geradezu als Nachtthier angesehen.

Ihre Bewegungen werden von allen Beobachtern als langsam bezeichnet; doch ist sie geschickter als man glaubt: denn sie versteht nicht allein zu schwimmen, sondern auch in einem gewissen Grade zu klettern. Eine Cobra, welche in einen Wallgraben gefallen war und an den steilen Wänden [417] desselben nicht wieder emporkommen konnte, schwamm, Kopf und Hut über das Wasser gehoben, mehrere Stunden lang mit Leichtigkeit und Gemächlichkeit; andere begaben sich sogar freiwillig in die See. Als der »Wellington«, ein Regierungsschiff, zur Beaufsichtigung der Fischerei in der Bai von Kudremele, ungefähr eine Viertelmeile vom Lande vor Anker lag, entdeckte man etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang eine Brillenschlange, welche in gerader Linie auf das Schiff zuschwamm und bis etwa zwölf Meter sich näherte, von den Matrosen aber durch entgegengeschleuderte Holzstücke und andere Wurfgegenstände gezwungen wurde, nach dem Lande zurückzukehren. Am folgenden Morgen fand man die Spur des Thieres am Strande auf, da, wo es das Wasser verlassen hatte, und konnte derselben bis in das benachbarte Dschungel folgen. Bei einer späteren Gelegenheit fand und tödtete man am Borde desselben Schiffes eine Cobra, wohin sie doch nur vermittels der Ankerkette emporgeklommen sein konnte: ein Beweis, daß sie recht wohl auch klettern kann. Tennent erfuhr, daß man eine in der Krone einer Kokosnußpalme gefunden hat, »angezogen, wie man sagte, durch den Palmensaft, welcher gerade abgezapft wurde«, in Wahrheit wohl, weil sie oben auf Vögel jagen oder deren Nester plündern wollte. Auf Hausdächern bemerkt man sie nicht selten.

Die Nahrung der Cobra besteht ebenfalls nur in kleinen Thieren, wie es scheint vorzugsweise in Kriechthieren und Lurchen; wenigstens gibt Tennent Echsen, Frösche und Kröten, Fayrer außerdem noch Fische und Kerbthiere als die Beute an, welche sie zu erjagen sucht. Daß sie jungen Hühnern, Mäusen und Ratten gefährlich werden muß, geht aus den bereits von mir gegebenen Mittheilungen des erstgenannten Forschers zur Genüge hervor, daß sie auch Vogelnester plündert, insbesondere in Hühner- und Taubenställen den Eiern des Hausgeflügels nachgeht, bemerkt Fayrer. Um andere Schlangen bekümmert sie sich wenig, scheint solchen also auch nicht nachzustellen. Sie trinkt viel, kann aber auch lange, nach Beobachtungen an Gefangenen wochen- und selbst monatelang, ohne Schaden Durst erleiden.

Fayrer ist der einzige mir bekannte Schriftsteller, welcher über die Fortpflanzung berichtet und kurz mittheilt, daß die Cobra bis achtzehn länglich eiförmige, weichschalige, weiße, denen der Haustaube an Größe gleichkommende Eier legt. Genau dasselbe, was die Alten von der verwandten Uräusschlange oder Aspis angeben, erzählen auch die Inder von der Brillenschlange: daß Männchen und Weibchen eine gewisse Anhänglichkeit an einander zeigen, daß man da, wo man eine Cobra gefangen habe, regelmäßig bald darauf die zweite bemerke usw., kurz, daß sozusagen ein Eheleben, mindestens entschiedenes Zusammenhalten, beider Geschlechter stattfinde. Tennent bemerkt, daß er zweimal Gelegenheit gehabt habe, Beobachtungen zu machen, welche die Erzählung zu bewahrheiten scheinen. Eine ausgewachsene Cobra wurde im Bade des Regierungshauses zu Colombo getödtet und »ihr Genosse« am nächsten Tage an derselben Stelle gefunden, ebenso zu derjenigen, welche in den Wallgraben gefallen war, an demselben Morgen »ein Gefährte« in einem benachbarten Graben entdeckt. Ob dies gerade während der Paarzeit stattfand, sich also auf diese Weise erklärt, darüber sagt Tennent freilich nichts, und so wissen wir nicht, wieviel wir auf Rechnung des Zufalls zu setzen haben. Von den Jungen behaupten die Singalesen, daß sie nicht vor dem dreizehnten Tage, an welchem die erste Häutung vor sich gehen soll, giftig seien.

Die Brillenschlange bildet wie vor Zeiten so noch heutigentages einen Gegenstand ehrfurchtsvoller, ja fast göttlicher Verehrung und spielt in den Glaubenssagen der Hindu eine bedeutsame Rolle. Eine der anmuthigsten Erdichtungen dieser Art ist folgende: Als Budda eines Tages auf Erden wandelte und in der Mittagssonne schlief, erschien eine Cobra, breitete ihr Schild und beschattete dadurch das göttliche Antlitz. Der darob erfreute Gott versprach ihr außerordentliche Gnade, vergaß sein Versprechen jedoch wieder, und die Schlange sah sich genöthigt, ihn zu erinnern, da die Milane gerade damals entsetzliche Verheerungen unter ihrem Geschlechte anrichteten. Zum Schutze gegen diese Raubvögel verlieh Budda der Cobra die Brille, vor welcher jene sich fürchten. Eine andere Sage berichtet von einem kostbaren Steine, »Nege-Menik-Kya« [418] genannt, welcher zuweilen im Magen der Cobra gefunden, von ihr aber sorgsam geheim gehalten wird, weil sein unbeschreiblicher Glanz wie ein strahlendes Licht jedermann anziehen und das Thier gefährden würde. An diese und andere Märchen glauben die Hindu mit anerkennenswerther Inbrunst.

Während sich Dellon zu Kuranur aufhielt, in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts etwa, wurde ein Geheimschreiber des Fürsten von einer Brillenschlange gebissen. Man brachte ihn und in einem wohlverwahrten Gefäße auch die Schlange zur Stadt. Der Fürst war über den Unfall sehr betrübt und ließ die Braminen herbeikommen, welche der Schlange in rührender Weise vorstellten, daß das Leben des verwundeten Schreibers für den Staat von großer Wichtigkeit sei. Zu solchen Vorstellungen gesellten sich auch die nöthigen Drohungen: man erklärte der Schlange, daß sie mit dem Kranken auf demselben Scheiterhaufen verbrannt werden würde, wenn ihr Biß den Tod zur Folge haben sollte; das göttliche Thier aber ließ sich nicht erweichen, und der Schreiber starb. Tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich des Fürsten; zur rechten Zeit jedoch kam ihm der Gedanke, daß der Todte vielleicht durch eine heimliche Sünde sich den Zorn der Götter zugezogen habe, und die Schlange nur einen göttlichen Befehl ausgerichtet haben könnte. Deshalb wurde sie in ihrem Gefäße vor das Haus getragen, hier in Freiheit gesetzt und durch tiefe Bücklinge gebührend um Verzeihung gebeten. Wenn ein Einwohner von Malabar eine Giftschlange in seinem Hause findet, bittet er sie freundlichst, hinauszugehen; hilft das nichts, so hält er ihr Speisen vor, um sie hinauszulocken, und geht sie dann noch nicht, so holt er die frommen Diener irgend einer seiner Gottheiten herbei, welche, selbstverständlich gegen entsprechende Entschädigung, der Schlange rührende Vorstellungen machen. Nach Fayrers Erkundigungen haben sich die Anschauungen der Hindu, wenn auch nicht aller Kasten, bis zum heutigen Tage nicht geändert. Viele Hindu tödten unter keiner Bedingung eine Brillenschlange. Findet einer solche in seinem Hause, so besänftigt und beruhigt er sie, so viel in seinen Kräften steht, füttert und beschützt sie, als ob ihre Schädigung dem Hause Unglück bringen müsse. Sollte die Furcht vor dem gefährlichen und böswilligen Gaste die abergläubische Vergötterungslust überwiegen, die Schlange vielleicht gar einen Hausbewohner getödtet haben, so läßt er sie fangen, behandelt sie aber auch jetzt noch achtungs-und rücksichtsvoll, bringt sie in eine entlegene unbewohnte Gegend und läßt dort sie frei, damit sie ihren Weg im Frieden wandele.

Solchem Volke gegenüber haben Pfaffen und Gaukler erklärlicherweise leichtes Spiel. Die blinde Menge hält die Kunststücke der letzteren für offenbare Zauberei und wird durch die Braminen in solchem zuträglichen Glauben nach Kräften unterstützt. Allerdings läßt sich nicht leugnen, daß die Gaukler mit den gefährlichen Thieren in einer Weise verkehren, welche wohl geeignet ist, auch dem ungläubigen Europäer hohe Achtung vor ihrer Fertigkeit abzunöthigen; ihre ganze Kunst aber begründet sich einzig und allein auf genaue Kenntnis des Wesens und der Eigenthümlichkeiten der Schlange. Verschiedene Schriftsteller haben behauptet, daß der Cobra ebenso wie der Aspis, ihrer egyptischen Schwester, vor dem Gebrauche verständiger Weise erst die Giftzähne ausgebrochen würden, und ihr Biß deshalb nicht schaden könne; schon Davy aber bestreitet diese Annahme auf das entschiedenste, und neuere Beobachter geben ihm vollständig Recht. Wohl mag es vorkommen, daß Gaukler den Schlangen die Zähne ausbrechen; in der Regel jedoch ist die Cobra im Besitze ihrer tödtlichen Waffen, kann sie also gebrauchen; denn auch die Abrichtung, welche sie überstanden hat, hindert sie schwerlich daran. Eine solche Abrichtung findet allerdings statt; dieselbe hat aber gewiß nicht den Erfolg, das Thier vom Beißen abzuhalten, und nur die Gewandtheit und Achtsamkeit des Gauklers sichert diesen vor der Gefahr, welche er, wenn auch nicht in allen Fällen, in frevelhafter Weise herausfordert. Manch einer dieser Leute verliert durch die Brillenschlange sein Leben. »Der Schlangenbeschwörer«, erzählt Davy, »reizt die Cobra de Capello durch Schläge oder schnelle, drohende Bewegungen der Hand und beruhigt sie wieder durch seine Stimme, durch langsame, kreisende Handbewegungen und sanftes Streicheln. Wird sie böse, so vermeidet er geschickt ihren Angriff [419] und spielt nur mit ihr, wenn sie beruhigt ist. Dann bringt er das Maul des Thieres an seine Stirne, dann fährt er mit ihr über das Gesicht. Das Volk glaubt, der Mann besitze wirklich einen Zauber, infolge dessen er die Schlange ohne Gefahr behandeln könne; der Aufgeklärte dagegen lacht darüber und verdächtigt den Gaukler als Betrüger, welcher der Cobra die Giftzähne ausgerissen hat: er aber irrt sich, und das Volk hat Recht. Ich habe solche Schlangen untersucht, und ihre Zähne unversehrt gefunden. Die Gaukler besitzen wirklich einen Zauber, – einen übernatürlichen allerdings nicht, aber den des Vertrauens und des Muthes. Sie kennen die Sitten und Neigungen dieser Schlange, wissen, wie ungern sie ihre tödtliche Waffe gebraucht, und daß sie nur nach vielen vorhergegangenen Reizungen beißt. Wer die Zuversicht und Hurtigkeit dieser Menschen besitzt, kann ihr Spiel auch nachahmen, und ich habe es mehr als einmal gethan. Die Gaukler können ihr Spiel mit jeder Hutschlange treiben, sie sei frisch gefangen oder lange eingesperrt gewesen; aber sie wagen es mit keiner anderen Giftschlange.« Die Wahrheit der Davy'schen Annahme erhielt, laut Tennent, auf Ceylon traurige Bestätigung durch den Tod eines dieser Beschwörer, welcher infolge seiner Schaustellungen ungewöhnliche Dreistigkeit in Behandlung der Schlangen sich angeeignet hatte, von einer aber in die Brust gebissen wurde und noch am selben Tage verendete.

Eine sehr lebendige Schilderung der Beschwörung hat Rondot gegeben. »Gegen sechs Uhr abends kommt ein indischer Gaukler an Bord. Er ist armselig gekleidet, trägt aber zur Auszeichnung einen mit drei Pfauenfedern geschmückten Turbân. In seinen Säcken führt er Halsbänder, Amulete und dergleichen, in einem flachen Körbchen eine Cobra de Capello mit sich. Er richtet sich auf dem Vorderdecke ein; wir lassen uns auf den Bänken des Hinterdeckes nieder; die Matrosen bilden einen Kreis ringsum.

Das Körbchen wird niedergesetzt und sein Deckel weggenommen. Die Schlange liegt zusammengeringelt auf dem Boden. Der Gaukler hockt sich in einiger Entfernung vor ihr nieder und beginnt auf einer Art von Klarinette eine getragene, klägliche, eintönige Weise zu spielen. Die Schlange erhebt sich ein wenig, streckt sich und steigt empor. Es sieht aus, als ob sie sich auf ihren Schwanz, welcher noch zusammengeringelt ist, gesetzt hat. Sie verläßt den Korb nicht. Nach einem Weilchen zeigt sie sich unruhig, sucht die Oertlichkeit, auf welcher sie sich befindet, zu erkunden, wird beweglich, entfaltet und breitet ihr Schild, erzürnt sich, schnauft mehr als sie zischt, züngelt lebhaft und wirft sich mehrmals mit Kraft gegen den Gaukler, als ob sie diesen beißen wollte, springt dabei auch wiederholt auf und führt ungeschickte Sätze aus. Je mehr sie ihr Schild bewegt, um so mehr breitet sie es aus. Der Gaukler hat die Augen fortwährend auf sie gerichtet und sieht sie mit einer sonderbaren Starrheit an. Nach Verlauf von zehn bis zwölf Minuten etwa zeigt sich die Schlange weniger erregt, beruhigt sich allmählich und wiegt sich endlich, als ob sie für die nach und nach sich abschwächende Musik des Meisters empfänglich wäre, züngelt jedoch dabei noch immer mit außerordentlicher Lebhaftigkeit. Mehr und mehr scheint ihr Zustand in den der Schlaftrunkenheit oder Traumseligkeit überzugehen. Ihre Augen, welche anfänglich den Beschwörer vernichten zu wollen schienen, starren unbeweglich, gewissermaßen bezaubert nach ihm. Der Hindu macht sich diesen Augenblick der Verblüffung der Schlange zu Nutze, nähert sich ihr langsam, ohne mit seinem Spielen aufzuhören, und drückt zuerst seine Nase, dann seine Zunge auf ihren Kopf. Das währt nicht länger als einen Augenblick; aber in demselben Augenblicke erholt sich die Schlange und wirft sich mit rasender Wuth nach dem Gaukler, welcher mit genauer Noth aus ihrem Bereiche sich zurückzieht.

Als der Mann sein Spiel geendet hat, erscheint einer der Officiere des Schiffes und wünscht auch zu sehen, wie der Hindu seine Lippen auf den beschuppten Kopf des Thieres drückt. Der arme Teufel beginnt seine eintönige Weise von neuem und heftet seinen starren Blick wiederum auf die Cobra. Seine Bemühungen sind vergeblich. Die Schlange befindet sich in einem Zustande der äußersten Erregung; nichts wirkt auf sie ein. Sie will das Körbchen verlassen, und dieses muß bedeckt werden.

[420] Wir bezweifeln, daß die Cobra noch im Besitze ihrer Gifthaken und die von dem Hindu ausgedrückte Furcht vor ihr wirklich begründet ist. Deshalb verlangen wir, daß der Mann zwei Hühner beißen lassen soll und versprechen ihm einen spanischen Piaster dafür. Er nimmt ein schwarzes Huhn und hält es der Schlange vor. Sie erhebt sich zur Hälfte, betrachtet das Huhn einen Augenblick, beißt und läßt los. Das Huhn wird freigegeben und flüchtet erschreckt. Sechs Minuten später (die Uhr in der Hand) erbricht es sich, streckt die Beine von sich und stirbt. Ein zweites Huhn wird der Schlange vorgehalten: sie beißt es zweimal, und es stirbt nach acht Minuten.«

Graf Karl von Görtz beschreibt in seiner Reise um die Welt das Gaukelspiel etwas anders. Die Brillenschlangen, mit welchen die Beschwörer in Madras vor ihm spielten, lagen ebenfalls in flachen Körben zusammengerollt; der Hauptmann des Trupps aber nahm eine nach der anderen beim Kopfe, legte sie frei auf den Boden und begann nun erst die ohrzerreißenden Töne aus einer wunderlichen Klarinette, an deren Ende ein kleiner Kürbis angebracht war, hervorzulocken. Die Thiere richteten sich mit Kopf und Hals empor, sahen ihm starr ins Gesicht und breiteten ihren Hals weit aus, ohne sich weiter zu rühren. Nunmehr hielt ihnen der Mann die Faust vor den Kopf, sie zuckten mit diesem nach ihr zu, als wollten sie beißen, öffneten aber das Maul nicht. Mit Nasenspitze und Zunge führte er dasselbe aus wie mit jener. Durch einen festen Blick suchte er nicht zu bezaubern, griff vielmehr oft nachlässig an den Thieren vorüber und schlang sie zuletzt gar an seinen Hals. Von einer tanzenden Bewegung der Schlange war nichts zu sehen; in ihrem Benehmen sprach sich einerseits alle Bosheit und Wuth ihrer Art, andererseits aber auch Furcht vor dem Beschwörer deutlich aus, und es war leicht zu errathen, daß die Zähmung in der Weise vor sich geht, daß man sie in harte oder heiß gemachte Gegenstände beißen ließ. »Die Giftzähne waren ausgerissen, wie ich mich selbst überzeugte und wie die Leute auch willig zugestanden.«

Letztere Behauptung wird bestätigt durch folgende Erzählung Johnsons: »Ein Mann ließ vor einer zahlreichen Gesellschaft eine große Cobra de Capello tanzen. Sein Sohn, ein Jüngling von sechzehn Jahren, brachte das Thier in Wuth, wurde gebissen und starb eine Stunde später. Der Vater war erstaunt und betheuerte, der Tod seines Sohnes könne nicht durch den Biß verursacht worden sein; denn die Schlange habe keine Zähne, und er sowohl als sein Sohn seien schon oft von ihr gebissen worden, ohne üble Folgen zu empfinden. Als man die Schlange jedoch untersuchte, fand man, daß die ausgerissenen Gifthaken durch neue ersetzt worden waren, welche zwar noch nicht weit hervorragten, dem Knaben aber doch die tödtliche Wunde beigebracht hatten. Der alte Mann betheuerte, nie etwas ähnliches gesehen zu haben und war über den Verlust seines Sohnes untröstlich.«

Nach Mittheilung eines gebildeten Hindu, welche Fayrer veröffentlicht, gibt es in Bengalen vier verschiedene Klassen von Leuten, welche Schlangen fangen und mit ihnen gaukeln. Die erste und bei weitem die erfahrenste Klasse unter ihnen ist die der »Mal«, eine niedere Hindukaste, welche ihren Lebensunterhalt durch Fangen und Verkaufen von Schlangen gewinnt, niemals aber Gaukelei, »Zauberei« oder Heilkunst ausübt. Die Mal sind arme, beklagenswerthe Gesellen, verurtheilt zu einem umherschweifenden Leben; aber sie stehlen nicht und flößen überhaupt keinen Verdacht ein. Im Nordwesten Bengalens werden sie durch die »Modaris« ersetzt, von denen einzelne gelegentlich auch nach Calcutta kommen. Rajendrala Mitra, der erwähnte Berichterstatter, hat niemals Gelegenheit gehabt, sie genauer zu beobachten und weiß deshalb nichts über sie zu sagen, bemerkt jedoch, daß sie oft mit den Zigeunern verwechselt werden mögen. Letztere sind Gaukler, Bären- und Affenführer, Verkäufer von Kräutern, Glückstellern, berühmte Wunderärzte gegen Gicht, Lähmung und andere Uebel, Meister in »Zauber und Hexerei«, Bader und Wundärzte und ebenso Schlangenbeschwörer, leisten überhaupt alles, was gefordert wird, um nicht mit den Sicherheitsbeamten in Zwiespalt zu gerathen; denn thatsächlich erweisen sie sich als unverbesserliche Diebe. Als Schlangenbeschwörer sind sie in keiner Weise berühmt. Von den Mal unterscheiden sie sich dadurch, daß sie auch ihre Frauen mitarbeiten lassen, während dies bei jenen [421] niemals der Fall ist. Die eigentlichen Schlangenbeschwörer sind die »Sanyis«, in Bengalen »Tubriwallahs« genannt, welche wahrscheinlich ebenfalls aus dem Nordwesten Bengalens stammen und sich durch gelbe Kleidung und einen mächtigen Turbân auszeichnen, auch die bekannte Pfeife führen, mit welcher sie vorgeblich die Schlangen bemeistern und aus ihren Höhlungen hervorlocken. Um ein Haus von Schlangen zu säubern, führen sie selbstverständlich mehrere derselben in den Falten ihrer weiten Gewänder mit sich, während sie einige andere, oder auch gar keine, frei zu zeigen pflegen. Als ausgemachte Strolche nehmen sie unterwegs mit, was ihnen vor die Hand kommt, können jedoch demungeachtet nicht als Diebe bezeichnet werden. Sie durchziehen das ganze Land, und man kann sie eben so gut im Nordwesten wie im Süden Indiens sehen. Schon die ältesten Sanskritbücher berichten über sie; es ist daher wahrscheinlich, daß ihre Kunst bis in das graueste Alterthum zurückreicht. Die Pfeife, welche sie führen, muß als bezeichnend erachtet werden, weil man dieselbe weder bei den Mal, noch bei den Modaris, noch bei den Bediyas oder Zigeunern findet.

Die Brillenschlange ist aus dem Grunde der Liebling aller dieser Leute, weil ihre Stellung sie auffallender erscheinen läßt als jede andere Giftschlange, und die Häufigkeit ihres Vorkommens einen Schlangenbeschwörer niemals in Verlegenheit setzt. Außerdem sieht man in den Händen der Schlangenleute auch dann und wann eine Königshutschlange, welche dieselben Eigenschaften und noch größere Wildheit als die Brillenschlange bethätigt. Denjenigen, welche zu regelmäßigen Schaustellungen benutzt werden, hat man fast immer die Gifthaken ausgezogen und außerdem noch die Falte, in welcher letztere liegen, und von welcher aus sie ersetzt werden, ausgeschnitten. Demungeachtet muß man zugestehen, daß die Schlangenbeschwörer auch sehr wohl mit solchen Giftschlangen umzugehen wissen, welche noch in vollem Besitze ihrer dämonischen Kraft sich befinden. Die Gewandtheit, welche sie bekunden, indem sie eine in dichtem Grase dahineilende Giftschlange mit der bloßen Hand vom Boden aufnehmen, ohne jetzt schon verletzt zu werden, und die Sicherheit, mit welcher sie dieselbe später behandeln, ist in hohem Grade bewunderungswürdig. Die Schlangenbeschwörer kennen die Gefahr wohl, welcher sie sich aussetzen, und wissen so gut als irgend jemand, daß kein einziges Mittel als Gegengift angesehen werden darf, obwohl sie dies vorgeben und solche Mittel verkaufen. Außer den giftigen Schlangen stellen sie stets auch ungiftige aus, niemals aber, ohne die Pfeife erklingen zu lassen.

Mit dem Fange und der Abrichtung der Brillenschlange beschäftigen sich außer den Gauklern auch die Braminen. Nach Johnsons Mittheilungen untersuchen die Fänger auf geeigneten Oertlichkeiten alle Höhlungen im Boden und beginnen zu graben, wenn das Erdreich am Eingange durch das Ein- und Auskriechen der Schlange glatt gerieben ist, da sie wissen, daß diese Stelle, wenn die Höhlung von fußbegabten Thieren bewohnt wird, rauh zu sein pflegt. Haben sie eine Schlange ausgemittelt, so graben sie vorsichtig nach, bis sie auf jene stoßen, versuchen sie mit der linken Hand beim Schwanze zu ergreifen, fassen sie mit der rechten höher oben am Leibe und ziehen sie so schnell wie möglich durch die Hand, bis sie mit dem Daumen und Zeigefinger den Nacken packen können. Johnson versichert, daß er auf diese Weise auch im Freien Schlangen fangen sah. Uebrigens gehen die Fänger niemals allein auf die Schlangenjagd, und immer führen sie die nöthigen Werkzeuge und Mittel bei sich, um im Falle des Gebissenwerdens einschreiten zu können. So trägt der eine gewöhnlich ein Kohlenbecken, dazu bestimmt, ein kleines eisernes Werkzeug, von der Größe einer gewöhnlichen Gabelzinke und Gestalt eines Schlangenzahnes, glühend zu erhalten, mit welchem er, wenn einer das Mißgeschick hat, gebissen zu werden, die wunde Stelle ausbrennt, nachdem er zuerst das Blut herausgedrückt und ausgesaugt, auch den verwundeten Theil unterbunden hat. Andere begnügen sich, einen sogenannten »Schlangenstein«, von welchem ich mehr zu berichten haben werde, auf die Wunde zu legen. Innerlich gebraucht man einen Aufguß von Bezoargeist auf wilden Hanf oder Tabak, Gongea genannt, laut Johnson oft mit gutem Erfolge.

Reyne erzählt, daß die Schlangenfänger zuweilen eine kleine Pfeife anwenden, um die Brillenschlange aus ihrem Verstecke zu locken, und will dies selbst mit angesehen haben. »Ein [422] Schlangenbeschwörer erschien im Jahre 1854 in meinem Bungalo und bat mich, ihm zu gestatten, daß er seine Schlangen vor mir tanzen lassen dürfe. Da ich dieses Kunststück schon wiederholt gesehen hatte, erwiderte ich ihm, daß ich geneigt sei, ihm eine Rupie zu schenken, wenn er mich nach dem Dschungel begleiten und eine Brillenschlange, deren Aufenthaltsort mir bekannt war, fangen wollte. Er erklärte sich einverstanden. Ich zählte seine zahmen Schlangen und stellte einen Wächter zu ihnen, mit dem Auftrage, bis zu meiner Rückkehr über sie Acht zu geben, untersuchte hierauf den Mann und überzeugte mich, daß er keine Schlange bei sich hatte. Als wir an Ort und Stelle angekommen waren, spielte er auf einem kleinen Blaswerkzeuge und, nachdem er einige Zeit damit fortgefahren hatte, erschien wirklich die große Brillenschlange vor dem Termitenhügel, welchen sie, wie ich wußte, bewohnte. Beim Anblicke des Mannes versuchte sie zu flüchten, dieser aber faßte sie beim Schwanze, schwang sie fortwährend im Kreise herum und trug sie in dieser Weise bis nach unserem Bungalo. Hier nun ließ er sie tanzen, wurde aber, noch ehe er sich ihrer versichert hatte, oberhalb des Kniees in das Bein gebissen.«

Die letzteren Worte bestätigen wiederum den von Davy gegebenen Bericht; denn sie beweisen, daß es einer Abrichtung der Brillenschlange, um sie ihren sogenannten Tanz ausführen zu lassen, eigentlich gar nicht bedarf. Demungeachtet will ich Kämpfer erzählen lassen, wie man verfahren soll, um Schlangen die Lust zum Beißen zu vertreiben. »Ein Bramine beschäftigte sich neben Belehrung der Gläubigen auch damit, Schlangen abzurichten, um sie nach bestandener Lehrzeit zu verkaufen. Er hatte deren zweiundzwanzig in ebenso vielen irdenen Gefäßen, welche groß genug waren, ihnen die nöthige Bewegung zu gestatten, und durch einen Deckel geschlossen werden konnten. Wenn die Witterung nicht zu heiß war, ließ er eine Schlange nach der anderen aus ihrem Gefängnisse und übte sie längere oder kürzere Zeit, je nach den Fortschritten, welche sie schon in ihrer Kunst gemacht hatten. Sobald die Schlange aus dem Gefäße gekrochen war und entrinnen wollte, drehte der Meister ihr den Kopf vermittels einiger Schläge eines Rüthchens nach sich zu und hielt ihr in dem Augenblicke, in welchem sie nach ihm beißen wollte, das Gefäß vor, mit ihm wie mit einem Schilde die Bisse auffangend. Bald sah sie ein, daß ihre Wuth nichts ausrichtete und zog sich zurück. Eine Viertel- oder selbst eine halbe Stunde lang währte dieser Kampf zwischen Mensch und Schlange, und die ganze Zeit über folgte letztere beständig mit ausgebreitetem Schilde und zum Bisse freigelegten Giftzähnen allen Bewegungen des ihr vorgehaltenen Gefäßes. So wurde sie allmählich daran gewöhnt, sich, sobald man ihr das Gefäß vorhielt, aufzurichten. Späterhin hielt der Meister ihr statt des letzteren die Hand vor; die Schlange aber wagte nicht vorzuschnellen, weil sie glaubte, daß sie eben wiederum in Thon beißen würde. Der Gaukler begleitete die Bewegungen mit seinem Gesange, um die Täuschung zu vermehren. Trotz aller Geschicklichkeit und Vorsicht hätte er jedoch verletzt werden können; deshalb ließ er die Schlange vorher in ein Stück Tuch beißen und ihres Giftes sich entledigen.«

Ich will es unentschieden lassen, wie viel Wahrheit in dieser Mittheilung enthalten ist, darf jedoch nicht verschweigen, daß es mir scheint, als ob die Erzählung nur auf Hörensagen, nicht aber auf eigener Beobachtung beruhe. Es mag sein, und Davy's Bericht scheint dafür zu sprechen, daß Schildottern leichter als andere Giftschlangen Lehre annehmen; für sehr zweifelhaft aber halte ich es, daß eine Abrichtung von Nutzen sein könnte. Man erzählt in Indien wundersame Geschichten. »Haben Sie«, schreibt Skinner an Tennent, »jemals von zahmen Brillenschlangen gehört, welche man gefangen und ans Haus gewöhnt hat, denen man gestattet, aus- und einzugehen nach eigenem Belieben und in Gesellschaft mit den übrigen Bewohnern des Hauses? Ein wohlhabender Mann, welcher in der Gegend von Negombo wohnt und beständig bedeutende Geldsummen in seinem Hause hat, hält die Cobra an Stelle der Hunde als Beschützer seiner Schätze. Aber das ist keineswegs ein vereinzelter Fall dieser Art. Ich hörte erst vor einigen Tagen von einem solchen, und zwar von einem unbedingt glaubwürdigen Manne. Die Schlangen treiben sich im ganzen Hause umher, ein Schrecken für die Diebe, versuchen aber niemals die rechtmäßigen[423] Bewohner des Hauses zu verletzen.« Darf man derartigen Mittheilungen Glauben schenken? Ich bezweifle es, trotzdem sie uralte Behauptungen zu bestätigen scheinen; ich mißtraue ihnen umsomehr, als mir der Ursprung derselben sehr erklärlich scheint. Ein wohlhabender und gebildeter Mann, welcher das rohe Volk richtig zu beurtheilen weiß, läßt ein derartiges Märchen aussprengen, um sich vor unerwünschten Besuchen zu sichern, hält vielleicht auch wirklich einige Brillenschlangen, welche gelegentlich gezeigt werden, um seiner Erfindung den Stempel der Wahrhaftigkeit aufzudrücken. Das wird das Körnlein Wahrheit sein, welches in der ganzen Erzählung zu finden ist.

Ueber die Bißwirkung der Cobra de Capello sind von Russell, Johnson, Breton, Fayrer und anderen vielfache Versuche angestellt worden, welche die Gefährlichkeit dieser Schlange zur Genüge darthun. Tauben starben drei bis vier, Hühner vier bis sechs, Hunde zwanzig Minuten bis mehrere Stunden nach erhaltenem Bisse; Menschen quälten sich mehrere Stunden lang, bevor sie erlagen. Johnson fand, daß in allen Fällen das Gift mehr und mehr von seiner tödtenden Kraft verlor, wenn man eine und dieselbe Brillenschlange kurz nach einander verschiedene Thiere beißen ließ, und glaubt, als Ergebnis seiner Versuche aufstellen zu dürfen, daß das Gift durch Erhaltung in den Drüsen stets an Kraft und im Verhältnisse zur Wärme der Witterung an Flüssigkeit zunimmt, ebenso, daß die Schlangen die Fähigkeit zu tödten, zu verschiedenen Zeiten in verschiedenem Grade besitzen. Auch Breton fand, daß mehrere aufeinanderfolgende Bisse an Kraft verlieren. Er ließ eine sogenannte Wasserschlange von einer Cobra de Capello in den Schwanz beißen. Anderthalb Stunden darauf vermochte jene die gebissene Stelle nicht mehr zu gebrauchen, wurde nach und nach matt und starb, ohne daß sich ein anderer Zufall, als ein immerwährendes Nachluftschnappen gezeigt hätte, nach Verlauf von zwei Stunden und funfzehn Minuten. Ein Kaninchen, welches unmittelbar darauf von derselben Schlange in den Schenkel gebissen worden war, bekundete Lähmung und Schwäche, bekam leichte Krämpfe und starb nach elf Minuten. Eine hierauf gebissene Taube verendete nach siebenundzwanzig Minuten, eine zweite erst nach einer Stunde und elf Minuten, eine dritte nach drei Stunden zweiundvierzig Minuten; eine vierte ließ keine Anzeichen der Vergiftung mehr erkennen, und auch eine fünfte litt nichts infolge des Bisses. Von derselben Cobra wurden andere Giftschlangen verwundet, ohne daß sich irgend welcher Erfolg der Giftwirkung zeigte. Russell ließ auch ein Schwein von einer Brillenschlange beißen; dasselbe bewies sich jedoch keineswegs als gift fest, sondern starb eine Stunde nach dem Bisse. Die vergifteten Hunde benahmen sich sehr verschieden. Manche waren verhältnismäßig ruhig, zogen nur das gebissene Glied an, legten sich dann nieder, erbrachen sich, machten vergebliche Anstrengungen, sich zu erheben, und verendeten; andere heulten entsetzlich und zitterten am ganzen Leibe, bevor sie in Betäubung fielen; andere winselten zuerst, versuchten zu entrinnen, zeigten sich ungemein unruhig, bellten, fraßen noch, erbrachen sich, wurden endlich wüthend, versuchten mit Gewalt zu entfliehen und bellten dazwischen beständig, bis auch bei ihnen Lähmung und Schwäche eintraten. Hühner und Tauben, denen Brillenschlangengift eingeimpft wurde, erlitten alle Zufälle der Vergiftung und starben, wenn der Versuch wirklich geschickt ausgeführt worden war. Bellanger, Arzt und Vorsteher des Pflanzengartens zu Pondichery, hat durch andere Versuche dargethan, daß zwei Gran Gift der Brillenschlange, auf die Oberfläche des Gehörwerkzeuges (also wohl des Trommelfells) eines Hundes gebracht, den Tod unter sehr merkwürdigen Zufällen herbeiführen können, und daß das Gift, auf die Oberfläche des Auges, auf die Zunge usw. geträufelt, ebenfalls sehr schwere Zufälle nach sich zieht.

Fayrer hat drei Jahre hinter einander die umfassendsten Versuche angestellt, um zu erfahren, welche Wirkungen das Gift der indischen Schlangen und ins besondere das der Brillenschlange äußert. Zu diesen Versuchen wurden vorzugsweise Hunde und Hühner, außerdem Pferde, Rinder, Ziegen, Schweine, Katzen, Schleichkatzen, Mungos, Kaninchen, Ratten, Milane, Reiher, Eidechsen, giftlose und giftige Schlangen, Frösche, Kröten, Fische und Schnecken verwendet und alle Beobachtungen so sorgfältig und so bunt und kraus durch einander niedergeschrieben, daß es [424] für den Leser des Werkes geradezu qualvoll wird, sich zurechtzufinden und zu einem Urtheile zu gelangen. Aus allen Mittheilungen geht so viel hervor, daß das Gift der Brillenschlange auf sämmtliche Thiere wirkt, mit denen Versuche angestellt wurden, und daß die Wirkung eine überaus heftige, meist auch äußerst rasche ist, daß endlich Gegenmittel der verschiedensten Art entweder gar keinen oder doch nur höchst geringen Erfolg haben, und daß Bisse, welche ein größeres Blutgefäß treffen, als unbedingt tödtlich angesehen werden müssen. Mit aller Bestimmtheit hat Fayrer festgestellt, daß die Meinung, nur unmittelbar in das Blut übergeführtes Schlangengift, und das der Cobra insbesondere, äußere seine Wirkung, durchaus irrig ist, dasselbe vielmehr auch von allen Schleimhäuten aufgenommen und selbst durch den Magen in das Blut übergeführt werden kann.

An Menschen sollen sich die Folgen des Schlangenbisses oft in anderer Weise zeigen als an Thieren und namentlich leichenartige Kälte des Leibes sich bemerklich machen, während man bei Hunden gerade das Gegentheil, einen fieberhaften Zustand, beobachtet haben will. Da in Indien alljährlich tausende von Leuten von Brillenschlangen gebissen werden und meistentheils auch ihr Leben verlieren, liegen auch über den Verlauf der Krankheit vergifteter Menschen hinreichende Beobachtungen vor. Ich will einige Fälle, welche nicht mit dem Tode endigten, hier anführen, weil ich sie für belehrender halte als die anderen.

Eine Frau ward am unteren Theile des Fußes gebissen und zehn Stunden später von Duffin besucht. Sie hatte das Seh- und Gefühlsvermögen verloren; ihr Schlingen war so erschwert, daß es unmöglich gewesen wäre, ihr auch nur das geringste in den Magen zu bringen. Krämpfe quälten sie nicht; aber gleich von Anfang war sie in einen Zustand von Schlaffheit versunken, welcher immer mehr zunahm. Man erweiterte die Wunde und legte Quecksilbersalbe auf; endlich gelang es auch mit Mühe, der Kranken mehrere Pillen beizubringen. Die ersten blieben ohne Wirkung; nach der dritten wurden Stuhlausleerungen bewirkt und ein geringes Feuchtwerden der Haut bemerkt. Achtzehn Stunden nach dem Bisse erhielt die Kranke Gefühl, Gesicht und das Vermögen zu schlucken wieder; in den drei folgenden Tagen wurden die Ausdünstungen unterhalten; nach acht bis zehn Tagen verschwand die Mattigkeit, und sie erholte sich nun langsam.

Ein Indier, welcher am Fußknöchel gebissen worden war, hatte eine Viertelstunde später seine Kinnladen fest zusammengezogen und schien todt zu sein, zeigte jedoch Empfindung, als man die vier sehr großen Bißwunden mit Luzienwasser (aus Aetzammoniak, Bernsteinöl, Wachsseife und Weingeist bestehend) befeuchtete. Man öffnete ihm die Kinnladen gewaltsam und trichterte ihm im buchstäblichen Sinne des Wortes zwei Flaschen erwärmten Madeirawein ein, fuhr auch mit dem äußerlichen Gebrauche des Luzienwassers ununterbrochen fort. Der Kranke war so unempfindlich, daß man ihn hätte für todt halten können, wenn er nicht von Zeit zu Zeit geathmet hätte, verblieb vierzig Stunden lang in diesem Zustande und bekundete dann erst Wiederkehr der Empfindung. Zwölf Stunden später begann er zu sprechen, blieb aber noch mehrere Tage schwach und matt. Auch in diesem Falle scheint der Weingeist geholfen zu haben: die neueren Aerzte haben also gewiß Recht, wenn sie denselben warm empfehlen.

Die Eingeborenen Indiens, insbesondere die Schlangenfänger und Gaukler, wenden, außer den vorstehend mitgetheilten, noch viele Heilmittel bei Schlangenbissen an, halten dieselben jedoch gewöhnlich geheim, so daß man noch heutigentages nicht weiß, welcher Art sie und ihre Wirkungen sind. Zwei sehr beliebte Mittel scheinen der Beachtung werth zu sein, so wenig sie auch wirklich Hülfe bringen mögen. Das erste ist der Schlangenstein, auf Ceylon »Pembu-Kelu« genannt, dessen Verwendung den Singalesen wahrscheinlich von den Schlangenbeschwörern, welche von der Küste Koromandel herüberkommen, gelehrt worden ist. »Mehr als ein wohlverbürgter Fall von der erfolgreichen Anwendung dieses Steines«, sagt Tennent, »ist mir von Leuten, welche Augenzeugen waren, erzählt worden. Bei einer Gelegenheit im März 1854 sah einer meiner Freunde, als er mit einem Beamten der Regierung in der Nähe von Bintenne durch das Dschungel ritt, einen Tamil, welcher mit einem Gefährten auf die Gesellschaft zukam, plötzlich sich in den Wald [425] stürzen und mit einer Cobra de Capello zurückkehren, welche er mit beiden Händen am Kopfe und Schwanze gepackt hatte und festhielt. Er rief den Gefährten zu Hülfe, um die Schlange in einem Deckelkörbchen unterzubringen, handhabte sie aber so ungeschickt, daß sie ihn in den Finger biß und das Glied ein paar Augenblicke mit den Zähnen festhielt, als ob sie nicht im Stande sei, diese zurückzuziehen. Das Blut floß, und die heftigsten Schmerzen schienen unmittelbar auf den Biß zu folgen. Sofort öffnete der Freund des Leidenden seine Leibbinde und entnahm ihr zwei Schlangensteine, jeder von der Größe einer kleinen Mandel, dunkelschwarz von Farbe und äußerst fein geglättet, und legte je einen auf die Wunde. Sie hingen fest und sogen alles Blut auf, welches aus den Wunden strömte, verblieben ungefähr drei oder vier Minuten, währenddem der Gefährte den Arm des Leidenden von der Schulter gegen die Finger zustrich und knetete, in derselben Lage und fielen endlich von selbst ab. Das Leiden des Gebissenen schien damit beseitigt zu sein. Er bewegte seine Hand, zog die Finger, bis die Gelenke knackten, und wandte sich zum Gehen, ohne Besorgnis zu zeigen. Während sich dieses ereignet hatte, nahm ein anderer Indier der Gesellschaft ein kleines, einer Wurzel ähnliches Stück Holz aus seinem Reisesacke und brachte dasselbe vorsichtig in die Nähe des Kopfes der Brillenschlange, welche unmittelbar darauf den letzteren auf den Boden drückte, packte sie dann ohne jegliche Scheu und drehte sie auf dem Grunde seines Körbchens in einen Teller zusammen. Die Wurzel, von welcher er versicherte, daß sie seiner Vornahme die vollste Sicherheit gewähre, nannte er ›Naja-Thalic-Calango‹, zu deutsch Schlangenpflanzenwurzel«.

Ein anderer Fall trug sich im Jahre 1853 zu und wurde Tennent von Lavallière, einem Augenzeugen, mitgetheilt. Letztgenannter, damals Bezirksrichter von Kenty, traf einen Schlangenbeschwörer nahe bei der Stadt im Walde auf der Suche nach Brillenschlangen, folgte demselben und sah, wie der Mann eine fand und fing, von ihr jedoch dabei in den Schenkel gebissen wurde, daß das Blut von der Wunde lief. Er legte augenblicklich den Schlangenstein auf, welcher sich auch etwa zehn Minuten lang fest ansaugte, und bewegte gleichzeitig eine Wurzel, welche er in der Hand hielt, über dem Steine auf und ab, bis der letztere abfiel. Nunmehr versicherte er dem Europäer, daß alle Sorge vorüber sei, gab ihm auch denselben Schlangenstein, welchen er angewandt hatte. Lavallière sah den Mann später wiederholt und bei vollster Gesundheit.

Auch jener Indier, von welchem Reyne erzählt, daß er gebissen wurde, wandte den Pembu-Kelu an, umschnürte aber gleichzeitig das Glied oberhalb des Bisses. Einige wenige Minuten lang schien er große Schmerzen zu leiden, nach und nach aber sich zu erholen und Linderung zu verspüren, just als der Stein abfiel. Nachdem er wieder etwas zu Kräften gekommen war, hielt er der Schlange ein Tuch vor, in welches sie biß, ergriff sie, noch ehe sie sich losgemacht hatte, mit der Hand im Nacken und zog ihr in Reyne's Gegenwart die Gifthaken aus. Letzterer verfolgte mit aller Aufmerksamkeit die ganze Vornahme und wurde in der Ueberwachung durch seinen Gehülfen und zwei oder drei andere unterstützt.

Die Schlangensteine und die Wurzel, welche in den erst erwähnten Fällen benutzt wurden, gelangten später in den Besitz von Tennent. »Die Wurzeln«, sagt er, »sind nicht gleichartig. Eine scheint ein Aststück von einer Aristolochia zu sein, die andere ist so trocken, daß ihre Bestimmung sehr schwierig sein dürfte; sie ähnelt aber dem vierseitigen Stücke einer Waldrebe. Mehrere Arten der Aristolochia, beispielsweise die in Amerika wachsende Aristolochia serpentaria, stehen schon längst in dem Rufe, dem Schlangenbisse entgegenzuwirken, und die indische Art dieses Geschlechtes (Aristolochia indica) ist diejenige Pflanze, zu welcher der Mungos der Volkssage nach seine Zuflucht nehmen soll, wenn er gebissen wird.« Tennent fügt seinen Angaben und gewiß mit vollstem Rechte hinzu, daß er an die Wirksamkeit der Wurzel nicht glaube, vielmehr der Ueberzeugung sei, daß sie nur eine eingebildete Bedeutung habe, indem sie dem Schlangenfänger Muth und Vertrauen auf seine eigene Geschicklichkeit einflöße.

Ueber die Natur und Bestandtheile des Schlangensteines waren wir durch Barrow und Hardy genügend unterrichtet; die Untersuchungen Tennents haben frühere Mittheilungen jedoch [426] bestätigt. Schon der alte Kolbe erwähnt, daß die am Vorgebirge der Guten Hoffnung wohnenden Europäer sich des Schlangensteines bedienen und denselben aus Indien erhalten, wo er von den Braminen verfertigt werde. Letztere allein scheinen das Geheimnis seiner Zusammensetzung zu kennen und theilen dasselbe um keinen Preis Leuten mit, welche nicht zu ihrer Kaste gehören. »Es thut mir außerordentlich leid«, sagt Kolbe, »daß das Geheimnis unter den Christen nicht bekannt ist, und daß die Braminen in dieser Beziehung unerbittlich sind; denn die erwähnten Steine haben wirklich eine wunderbare Kraft.« Dieser Aeußerung folgt eine Schilderung der Anwendung, welche im wesentlichen der bereits besprochenen gleicht. Thunberg, welcher das Kapland nach Kolbe besuchte, erzählt ebenfalls von den Schlangensteinen und gibt als Kennzeichen ihrer Echtheit an, daß Luftbläschen aufsteigen, wenn man sie ins Wasser legt, oder sie sich am Gaumen fest anhängen, wenn man sie in den Mund bringt. »Bringt man sie an einen Körpertheil, den eine Schlange gebissen hat, so legen sie sich fest auf die Wunde, ziehen das Gift heraus und fallen von selbst ab, wenn sie gesättigt sind.« Nach Johnsons Versicherung befindet sich das Geheimnis der Bereitung noch heutigentages im Besitze der Braminen und bringt ihnen erkleckliche Summen ein; aber die Bereitung des Schlangensteines ist kein Geheimnis mehr. Unsere Chemiker haben die Masse untersucht und sie als gebrannte Knochen, als Kalk und eigenthümlich zubereitetes Harz erkannt, welche Stoffe vermöge ihrer Zellen oder Hohlräume im Innern Flüssigkeit und somit auch Blut oder selbst Gift ansaugen. Der Reisende Hardy, welcher die Zubereitung der »piedra ponsona« oder des in Mejiko gebräuchlichen Schlangensteines kennen lernte, theilt uns sogar mit, wie derselbe hergerichtet wird. »Nimm ein Stück Hirschgeweih von beliebiger Größe und Gestalt, umhülle dasselbe rundum mit Gras oder Heu, schließe es in ein Stück Kupferblech ein und bringe es in ein Kohlenfeuer, bis der Knochen genügend gebrannt ist, laß es abkühlen, entferne das verkalkte Horn aus seiner Umhüllung, und es wird zum unmittelbaren Gebrauche fertig sein. In diesem Zustande ist es eine fest zusammenhängende, obschon zellige Masse von schwarzer Farbe, welche in Form und Größe dem Hornstücke noch vollkommen ähnelt.« Am Kap und in Mejiko gebraucht man noch die Vorsicht, die Bißwunde durch einen Schnitt weiter zu öffnen, pflegt auch den Schlangenstein, wenn er sich vollgesogen hat, in Milch oder Wasser zu werfen, so wieder zu reinigen, hierauf abzutrocknen und von neuem auf die Wunde zu legen. Daß ein derartiger Körper in der That eine gewisse Wirkung äußern kann, läßt sich nicht wohl bezweifeln; dieselbe steht jedoch sicherlich hinter der eines Schröpfkopfes noch entschieden zurück, und die vorher erwähnten Fälle können also nur beweisen, daß die durch den Schlangenstein geretteten Kranken bloß leicht verwundet und bezüglich vergiftet worden waren. In gleichem Sinne spricht sich auch Fayrer aus.

Mit weit größerem Vertrauen hat man in Indien neuerdings Aristolochiablätter gegen Schlangenbiß angewendet, will auch die ausgezeichnetsten Erfolge erzielt haben. »Ein von einer Schlange gebissenes Hinduweib«, so berichtet Lowther, englischer Beamter in Indien, »wurde auf einer Sänfte zu mir gebracht. Es befand sich in einem Zustande vollkommener Leblosigkeit, so daß ich kein Bedenken trug, meine Hülfe zu verweigern. Hierin wurde ich unterstützt durch einen Officier, welcher sich gerade in meinem Hause aufhielt und hervorhob, daß es am besten sei, die Gebissene wieder wegzuschicken, um mein Heilmittel in den Augen des Volkes nicht herabzusetzen. Das Weib war kalt wie Marmor; von dem Blutumlaufe bemerkte man gar nichts mehr; ihr Aussehen glich dem einer Leiche. Der Gatte bekundete die tiefste Niedergeschlagenheit infolge meiner Weigerung und bat und flehte, daß ich doch das Mittel wenigstens versuchen möge. Ich setzte ihm meine Gründe aus einander und verschwieg ihm nicht, daß ich fest überzeugt sei, seine Gattin sei lange, bevor sie mein Haus erreicht, bereits verschieden. Um jedoch seine Niedergeschlagenheit durch fortgesetzte Weigerung nicht zu erhöhen, öffnete ich ihr die Kinnladen gewaltsam und goß ihr von meiner Arznei ein, welche ich aus drei mittelgroßen, zu Brei geriebenen Blättern der Aristolochia und zehn Pfefferkörnern zusammengesetzt und in einer Unze Wasser aufgelöst hatte. Nachdem der Trank eingeflossen, ließ ich den Leib in eine sitzende Stellung heben und wartete mit einiger[427] Spannung, jedoch ohne die geringste Aussicht auf Erfolg, der Wirkung. Nach Verlauf von acht oder zehn Minuten nahm ich leichtes Pulsiren an ihrer unteren Lippe wahr. Augenblicklich befahl ich ihrem Gatten, sie mit Hülfe meiner eigenen Diener hin- und herzutragen, in der Absicht, wenn es möglich, den Blutumlauf wieder in Gang zu bringen. Gehalten von zwei Leuten, welche sie unter ihren Arm gefaßt hatten, wurde sie nunmehr hin- und herbewegt, wobei ihre Füße hülflos hinter ihr herschleppten. Einige Minuten später bemerkte ich, daß die Leidende einen schwachen Versuch machte, die Füße zu gebrauchen, und ließ sie deshalb so hoch heben, daß die Sohlen den Boden berührten. Noch einige Minuten: und ein tiefer Athemzug, begleitet von einem sonderbaren Schrei, bekundet das Rückkehrender Besinnung. Hierauf folgte der Ausruf: ›Ein Feuer verbrennt meine Eingeweide!‹ Zu dieser Zeit waren Brust und Arme noch leichenkalt. Sofort gab ich ihr noch die Auflösung eines Blattes in einer Unze Wasser, welche auch die brennenden Schmerzen im Magen zu lindern schien. Nunmehr vermochte sie mir die Stelle anzugeben, an welcher sie verwundet worden war. Ich ließ sie mit der Aristolochia reiben, und sie war infolge dessen im Stande, ohne Hülfe umherzugehen. Ich befahl ihr, noch mindestens zwei Stunden auf- und niederzugehen, theilte ihr sodann mit, daß sie vollständig genesen sei, und erlaubte ihr, sich zu verabschieden.«

Lowther erzählt noch ähnliche Fälle und versichert, daß er mindestens zwanzig behandelt habe, bei denen die Anwendung der Aristolochia von dem vollständigsten Erfolge gekrönt gewesen sei. Bei Versuchen, welche an vergifteten Hunden gemacht wurden, stellte sich heraus, daß diese Pflanze nicht als ein in allen Fällen brauchbares Mittel angesehen werden darf, daß sie bei gedachten Thieren entsetzliches Fieber hervorriefen, an welchem sie jedesmal zu Grunde gingen. Diese verschiedenartige Wirkung glaubt Lowther leicht erklären zu können, da sich, nach seiner Behauptung, die Folgen der Vergiftung in sehr verschiedenartiger Weise zeigen.

Undenkbar ist es nun zwar nicht, daß der alte Ruf der Aristolochia sich bewährt und sie bei Schlangenvergiftungen als Heilmittel wirkt; nach den bisher angestellten Untersuchungen Sachverständiger aber ist die bereits auf jene Blätter gesetzte Hoffnung sehr gering. »Ich bedaure, sagen zu müssen«, bemerkt Fayrer, »daß ich in allen Fällen, in denen ich Aristolochia anwandte, einen vollständigen Mißerfolg zu verzeichnen hatte, und ich muß überhaupt sagen, daß ich das Vorhandensein irgend eines Mittels, welches die Wirkung des furchtbaren Giftes einer erwachsenen Brillenschlange aufzuheben vermöchte, gänzlich bezweifle, obgleich es mir möglich erscheint, daß größere Thiere, welche von einer Hutschlange gebissen wurden, durch Anwendung von Arzneimitteln wohl gerettet werden können.«

Wenn man sich der oben mitgetheilten Angaben Fayrers über die zum Himmel schreienden Menschenverluste erinnert, wenn man ferner durch ihn erfährt, daß von 1860 bis 1868, in neun Jahren also, in Bengalen allein unter einer Bevölkerung von noch nicht ganz sechs Millionen nicht weniger als neuntausendzweihundertzweiunddreißig durch Giftschlangen herbeigeführte Todesfälle der Behörde zur Anzeige gebracht wurden; wenn man ferner eine Angabe von Russenberg kennt, daß im Jahre 1834 auf Ceylon zwanzig Menschen durch den Biß giftiger Schlangen, wiederum vornehmlich der Brillenschlange, starben, oder durch Tennent erfährt, daß von den hundertundzwölf Menschen, welche vom Jahre 1851 bis 1855 auf demselben Eilande von wilden Thieren getödtet wurden, achtundsechzig dem Bisse giftiger Schlangen erlagen, gelangt man nothwendigerweise zu der Ansicht, daß die Anzahl der Feinde dieser gefährlichen Kriechthiere nicht eben groß sein kann. Und doch wissen die Indier von einer ziemlichen Anzahl kleinerer Raubsäugethiere, den Mungos voran, und von verschiedenen Raubvögeln zu erzählen, welche dem giftigen Gewürm eifrig nachstellen sollen. Als beachtenswerth möge noch erwähnt sein, daß man Vermehrung der Schlangen überall da beobachtet hat oder doch beobachtet haben will, wo man Pfauen und anderen Wildhühnern eifrig nachstellte und sie demzufolge sehr verminderte. Hieraus würde also hervorgehen, daß diese großen und stolzen Hühner mit den Brillenschlangen ebenso verfahren wie unsere Haushühner mit der Kreuzotter. Auch von den Hirschen Ceylons behauptet man, daß sie [428] viele Schlangen vertilgen, indem sie plötzlich mit allen vier Läufen zugleich auf sie springen und sie durch Stampfen tödten.

Die erschreckende Anzahl von Unglücksfällen hat neuerdings die englischen Behörden bewogen, zu ernsteren Mitteln zur Vernichtung der Giftschlangen und vor allem der Brillenschlange zu schreiten. Glücklicherweise denken nicht alle Hindu so, wie weiter oben angegeben; viele der niederen Kasten befassen sich im Gegentheile so gut als ausschließlich mit dem Fange oder der Tödtung von Giftschlangen, die einen, um mit ihnen zu gaukeln, die anderen um durch Fang oder Tödtung kärglichen Lohn zu gewinnen. Im Jahre 1858 wurde von der Regierung eine Belohnung von vier Annas oder achtundvierzig Pfennigen unseres Geldes für jede getödtete und der Behörde vorgelegte Giftschlange ausgesetzt und in einem einzigen Kreise nicht weniger als eintausendneunhunderteinundsechzig Rupien oder doppelt so viel Mark unseres Geldes ausgegeben. Als man die Belohnung auf zwei Annas herabsetzte, nahm die Anzahl der eingelieferten Schlangen jählings ab, so daß man 1859 in demselben Kreise nur hundertvierundzwanzig, 1860 sogar nur siebenundzwanzig, 1861 aber nur eine einzige Rupie auszugeben hatte; denn niemand wollte für die geringe Summe von zwei Annas sein Leben auf das Spiel setzen. Im Jahre 1862 erhöhte man die Belohnung wiederum auf vier Annas, und sofort zogen auch wieder Leute zum Schlangenfangen aus, so daß schon am ersten Tage siebenundvierzig, am zweiten siebzig, später hundertundachtzehn Giftschlangen täglich eingeliefert wurden. Am zwanzigsten Oktober berichtete der Beamte, daß vom neunundzwanzigsten Mai bis zum vierzehnten Oktober 1862 nicht weniger als achtzehntausendvierhundertdreiundzwanzig Schlangen oder hundertzehn täglich getödtet worden waren, und verlangte eine neue Summe von zehntausend Rupien, um fernerhin die Belohnung leisten zu können, schlug aber gleichzeitig vor, letztere wiederum auf zwei Annas herabzusetzen. Vom funfzehnten Oktober bis zum siebenten December stieg die Ausbeute so bedeutend, daß sechsundzwanzigtausendneunundzwanzig oder täglich durchschnittlich mehr als vierhundertdreiundsechzig Schlangen zur Ablieferung kamen. Als der Statthalter sein Erstaunen ausdrückte, daß gerade im kalten Wetter so viele Schlangen gefangen würden, erklärte man ihm dies einfach und richtig durch den Zuwachs an Schlangenfängern und die von letzteren allmählich gewonnene Erfahrung. Die Möglichkeit, daß unter den giftigen sich auch viele giftlose befinden möchten, schien allerdings nicht ausgeschlossen; die Behörden behaupteten aber, bei der Besichtigung der eingelieferten größte Sorgfalt beobachtet zu haben, und meinten, vierzigtausend Rupien würden mehr ausgegeben worden sein, wenn sie nicht ausschließlich für Giftschlangen gezahlt hätten.

Ein ähnliches Schauspiel, wie es die indischen Schlangenbeschwörer bieten, kann man an jedem Festtage auf öffentlichen Plätzen Kairos sehen. Dumpfe, jedoch schallende Töne, hervorgebracht auf einer großen Muschel, lenken die Aufmerksamkeit einem Manne zu, welcher sich eben anschickt, eine jener unter den Söhnen und Töchtern der »siegreichen Hauptstadt und Mutter der Welt« im höchsten Grade beliebten Schaustellungen zu geben. Bald hat sich ein Kreis rings um den »Haui« gebildet, und die Vorstellung nimmt ihren Anfang. Ein zerlumpter Junge vertritt die Rolle des Hanswurstes und ergeht sich in plumpen, rohen und gemeinen Scherzen, welche bei den meisten Zuschauern nicht bloß volles Verständnis, sondern auch Widerhall finden; ein Mantelpavian zeigt seine Gelehrigkeit, und die Gehülfin des Schaustellers macht sich auf, den kargen Lohn in Gestalt wenig geltender Kupfermünzen einzuheimsen. Denn das wunderbarste steht noch bevor: die offenbare Zauberei des von gar manchen mit Scheu betrachteten Mannes soll sich erst allmänniglich kund thun.

Geschäftig laufen und springen Schausteller, Hanswurst und Affe durch und über einander, zerrend an diesem Gegenstande, herbeischleppend einen anderen. Endlich ergreift der Haui einen der Ledersäcke, in denen er seine sämmtlichen Geräthschaften aufbewahrt, wirft ihn mitten in den Kreis, öffnet die Schleife, welche ihn bis dahin zusammenhielt, nimmt anstatt der Muschel die [429] »Sumara«, ein von musikfeindlichen Dämonen erfundenes Werkzeug, und beginnt seine eintönige Weise zu spielen. In dem Sacke regt und bewegt es sich, näher und näher zur Oeffnung kriecht es heran, und schließlich wird der kleine eiförmige Kopf einer Schlange sichtbar. Dem Kopfe folgt Hals und Vorderleib, und sowie dieser frei, erhebt sich das Thier genau in derselben Weise wie die Brillenschlange, schlängelt sich vollends aus dem Sacke heraus und bewegt sich nun in einem ihr von dem Gaukler gewissermaßen vorgeschriebenen Umkreise langsam auf und nieder, das kleine Köpfchen stolz auf dem gebreiteten Halse wiegend, mit blitzenden Augen jede Bewegung des Mannes verfolgend. Allgemeines Entsetzen ergreift die Versammlung: denn jedermann weiß, daß diese Schlange die mit Recht gefürchtete »Haie« ist; aber kaum ein einziger hält es für möglich, daß der Gaukler ohne Gefahr ihres Zornes spotten darf, weil er so klug gewesen, ihr die Giftzähne auszubrechen. Der Haui dreht und windet sie, wie bei uns Thierschaubudenbesitzer zu thun pflegen, um ihre Zahmheit zu zeigen, faßte sie am Halse, spuckt sie an oder bespritzt sie mit Wasser und drückt, unmerklich für den Beschauer, plötzlich an einer Stelle des Nackens. In demselben Augenblicke streckt sich die Schlange ihrer ganzen Länge nach, – und wahr und verständlich wird die alte Geschichte: »Aaron warf seinen Stab vor Pharao und vor seinen Knechten, und er ward zur Schlange. Da forderte Pharao die Weisen und Zauberer. Und die egyptischen Zauberer thaten auch also mit ihrem Beschwören. Ein jeglicher warf seinen Stab von sich, da wurden Schlangen daraus.«

Die Schlange, mit welcher Moses und Aaron vor Pharao gaukelten, wie heutigentages der Haui, ist die hochberühmte Aspis der Griechen und Römer, die Ara oder Aufgerichtete der alten Egypter, das Sinnbild der Erhabenheit, deren Bildnis man eingemeißelt sieht an den Tempeln zu beiden Seiten der Weltkugel, deren Nachbildung der König als zierendes Abzeichen seiner Hoheit und Herrschergewalt an der Stirne trug, der später nach dem altegyptischen Worte benamsete »Uräus«, die berühmteste Schlange der Erde. Was das wunderbare Nilvolk eigentlich bewogen hat, ihr einen so hervorragenden Platz unter den anderen Thiergestalten zu gewähren: ob die auffallende Stellung, welche sie zuweilen annimmt, oder der Nutzen, welchen sie dem Ackerbautreibenden durch Aufzehrung der Ratten und Mäuse bringt, oder die entsetzliche Wirkung ihrer Giftzähne, muß ich dahingestellt sein lassen, da ich zur Zeit nur über die Quellen verfügen kann, welche in den Schriften der Alten fließen. Von der Aspis weiß fast jeder römische oder griechische Schriftsteller zu berichten, von ihrem Leben und Wirken, von der Verehrung, welche sie genoß, der Verwendung, welche sie fand, etwas mitzutheilen. Aber freilich vereinigt auch fast jeder wahres und falsches, erfahrenes und erdachtes. Man findet, sagt Aelian, die Aspis fünf Ellen lang. Die meisten sind schwarz oder aschgrau, einige feuerfarben. Denke dir die blutige Aspis, schildert Nicander, mit ihren schauerlichen Schuppen. Hört sie ein Geräusch, dann ringelt sie sich kreisförmig zusammen und hebt in der Mitte ihr furchtbares Haupt empor. Dabei schwillt ihr Nacken; sie zischt wüthend und droht jedem, welcher ihr begegnet, den Tod. Dieses entsetzliche Thier, fügt Plinius hinzu, zeigt doch in gewisser Hinsicht zartes Gefühl: es lebt in treuer Ehe, und nur der Tod kann die Gatten trennen. Wird eine Aspis getödtet, so ergreift die andere unglaubliche Rachbegier. Sie verfolgt den Mörder, findet ihn selbst aus der größten Menschenmenge heraus, überwindet alle Schwierigkeiten, achtet keine Entfernung, und nur durch eilige Flucht über Flüsse kann man sich retten. Es ist schwer zu bestimmen, ob die Natur mehr Unheil oder Mittel dagegen erschaffen hat. So hat sie dieser Unglücksschlange blöde Augen gegeben und diese so gestellt, daß sie nicht nach vorn, sondern nur nach den Seiten sehen kann, weshalb sie einen oft nicht eher bemerkt, als bis sie einer tritt. Von den Egyptern, erzählt Aelian weiter, werden die Aspisschlangen in hohen Ehren gehalten und hierdurch zahm und umgänglich. Erzieht man sie mit Kindern zusammen, so thun sie diesen nichts zu Leide und kommen aus ihren Löchern, wenn man in die Hände klatscht; denn mit Worten werden sie nicht gerufen. Haben die Egypter abgetafelt, so weichen sie Brod in Wein und Honig, setzen es auf den Tisch, an welchem sie gegessen haben, und [430] klatschen dann, als ob sie Gäste riefen. Die Schlangen kommen sogleich hervor, stellen sich mit den emporgehobenen Köpfen um den Tisch und lassen sich küssen, indem sie sich ruhig an dem Brode ersättigen. Geht ein Egypter bei dunkler Nacht in seinem Hause, so klatscht er ebenfalls. Die Thiere ziehen sich zurück und können also nicht getreten werden. Die Aspisart, welche die Egypter Thermuthis nennen, wird von ihnen als heilig verehrt und wie ein Diadem um das Haupt der Isis gelegt. Sie behaupten, daß sie nicht zum Schaden der Menschheit geschaffen seien; wenn aber versichert wird, sie schone die Guten, beiße dagegen die Taugenichtse todt, so ist dies reine Windbeutelei. Manche setzen auch hinzu, Isis schicke sie zu den schlimmsten Verbrechern. Die Egypter zählen nicht weniger als sechzehn verschiedene Aspisarten auf, sagen aber, die Thermuthis allein sei unsterblich. In jedem Winkel der Tempel sollen sie eine Wohnung für solche Schlangen bauen und sie mit Kälbertalg füttern. Von einer Aspis, ergänzt wiederum Plinius, erzählt Phylarch, sie sei für gewöhnlich an die Tafel eines Egypters gekommen und habe es sich wohl schmecken lassen. Später habe sie Junge geboren, und eins derselben habe den Sohn ihres Wirtes todt gebissen. Als sie nun zurückgekehrt sei, um ihre Mahlzeit zu genießen, habe sie das Unglück erfahren, ihr eigenes Kind getödtet und sich nicht wieder im Hause sehen lassen. Kein Mensch, berichtet Aelian ferner, welcher von einer Aspis gebissen worden, soll mit dem Leben davongekommen sein. Daher tragen die egyptischen Könige, wie ich höre, auf ihrem Diadem das Bild der Aspisschlange, um das unüberwindliche ihrer Herrschaft anzudeuten. Die Aspis beraubt, wenn sie den Hals aufbläst, denjenigen, welcher sich ihrem Hauche aussetzt, der Sehkraft. Die Giftzähne sind von einer dünnen Bekleidung umgeben, welche einem Häutchen ähnlich ist. Beißt nun die Aspis ein, so schiebt sich das Häutchen zurück, und das Gift ergießt sich. Nachher zieht sich das Häutchen wieder über die Zähne. Die Spuren des Aspisbisses sollen nicht sehr deutlich sein, weil sich, wie man behauptet, ihr tödtliches Gift sehr schnell im Körper verbreitet, so daß an der Haut nur geringe Spuren bleiben. Daher konnten die, welche von Augustus zur Kleopatra gesandt worden waren, nur zwei kaum kenntliche Stiche wahrnehmen, aus denen sich das Räthsel des Todes erklärte. Ist jemand von einer Aspis gebissen worden, erläutert Dioskorides, so sieht man nur feine Stiche; aus der Wunde kommt wenig Blut und zwar schwarzes; oft erfolgt der Tod, ehe noch ein Drittel eines Tages vergangen. Wer von einer Aspis gebissen worden ist, weiß Plinius ferner noch anzugeben, verfällt in Gefühllosigkeit und Schlaf. Sie hat von allen Schlangen das tödtlichste Gift. Ins Blut oder in eine frische Wunde gebracht, tödtet es augenblicklich, in alte Geschwüre gestrichen, nur langsam. Uebrigens kann man davon trinken, so viel man Lust hat, ohne Schaden zu leiden, und ebenso Thiere essen, welche an Bissen der Aspis gestorben sind. Aus ihrem Speichel, versichert Aristoteles, bereitet man ein fäulniserregendes Gift, gegen welches es kein Mittel gibt. Wenn in Alexandrien jemand zum Tode verurtheilt wurde und auf sanfte Weise sterben sollte, so ließ man ihn, laut Galenus, von einer Aspis in die Brust beißen. Der treffliche atheniensische Staatsmann und berühmte Gelehrte Demetrius Phalereus hat sich, wie Cicero behauptet, ums Leben gebracht, indem er sich von einer Aspis beißen ließ. Als der wichtigste aller Feinde der Schlange wird allgemein der Ichneumon angegeben, von Aristoteles aber hervorgehoben, daß er stets erst Gehülfen herbeirufe, bevor er die Giftschlange angreife, und sich ihr auch niemals nahe, ohne sich vorher mit Schlamm gepanzert zu haben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 416-431.
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