1. Sippe: Hemiaster

[436] Dagegen führt uns die dritte Hauptgruppe, die der Herzigel (Spatangidae), obgleich in den wärmeren Meeren überall zu Hause, auch wieder in die gemäßigten und kalten Zonen zurück. Die Schale ist dünn und zerbrechlich; der abgerundete schmälere Theil ist das Vorderende. An dem unteren Rande des abgestutzten Hinterendes liegt die Afteröffnung, die Mundöffnung an der Bauchseite gegen vorn. Eine Zahnbewaffnung fehlt. Die Stacheln sind borstenartig, kurz und biegsam. Wie in der vorigen Abtheilung findet sich auf dem Rücken eine oft vertiefte Rosette von Athmungsbläschen, welche von einem eigenthümlichen geschwungenen Bande, der Fasciola, umgeben ist. Dieser Streifen trägt kleine zarte, stachelähnliche Organe mit flimmernden Köpfchen und scheint die Rosette von Schmutz rein zu halten, den man längs desselben sich anhäufen sieht. Außerdem aber bilden diese Stacheln bei manchen Herzigeln mit vertiefter Ambulacral-Rosette ein Schutzdach für die Jungen. Dies ist namentlich der Fall in der Gattung Hemiaster, wie Agassiz mit Verwerthung einiger älteren Beobachtungen an solchen Thieren nachgewiesen hat, welche bei den Kerguelen gesammelt waren. Die Embryonen machen in diesen Fällen offenbar nur eine sogenannte verkürzte Entwickelung durch und gehen nicht in jene oben beschriebenen wunderlichen freischwärmenden Gestalten über. Die Oeffnungen der Eileiter sind so gelegen, daß die lebendig geborenen Jungen, einen Millimeter im Durchmesser, gleich in ihren Schutzraum gelangen. Die größte hier von dem amerikanischen Naturforscher gefundene junge Brut maß drei Millimeter. Diese Jugendformen sind auch für die Verwandtschaftslehre von großer Wichtigkeit, indem sie den regelmäßigen Seeigeln, von denen die Herzigel sich abgezweigt haben, ähnlich sind und vorübergehend eine Stufe einnehmen, welche in der bisher dem Systeme Schwierigkeiten bereitenden Familie der Collycitiden bleibend charakteristisch ist.

Außer den zur Bewegung und zum Anheften dienenden Ambulacralbläschen sehen wir einige Büschel mit Scheiben versehener Bläschen als ausgezeichnete, sehr empfindliche Tastwerkzeuge arbeiten.

Die meisten Herzigel leben in größeren Tiefen, etwa von zwanzig Faden an, auf Schlamm und vorzugsweise auf Sandgrund. Etwas eingegraben, ziehen sie in demselben ihre Furchen, wobei sie vermittels der schöpfkellenartig vorgebogenen Unterlippe sich ununterbrochen mit Sand füllen. Sie nähren sich nämlich nur von den organischen Bestandtheilen und mikroskopischen Organismen, [436] welche zufällig oder infolge ihrer Lebensweise im Sande sich finden. Da nun die Darmwände sehr dünn und zerreißlich und der Darmkanal immer prall mit Sand gefüllt ist, erfordert die Zergliederung der Thiere große Vorsicht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 436-437.
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