2. Sippe: Podophryen (Podophrya)

[558] An einer bei Helgoland gefundenen Acinete beobachtete R. Hertwig außer den beschriebenen Saugwerkzeugen noch besondere spitz auslaufende Fangfäden. Er sagt: »Kommt ein Infusor in das Bereich der Fangfäden, so krümmen sich dieselben, indem sie ihr Opfer umklammern. Die Berührung wirkt lähmend und allmählich ertödtend. Durch die Verkürzung der Fangfäden wird nun der todte Körper der Podophrye – Podophrya heißt die Sippe –, genähert und mit den kürzeren Saugröhren in Berührung gebracht. Dieselben schwellen mit ihren Enden an und fixiren letztere wie Saugnäpfe an der Körperoberfläche. Ihre auf- und absteigende Bewegung nähert und entfernt das abgestorbene Infusor, bis dasselbe plötzlich anfängt kleiner zu werden. Es hat sich dann ein Strom vom Körper desselben ins Innere der Podophrya etablirt. Bei der Verlängerung der Saugröhre treten die Körnchen (der Protoplasmasubstanz des Infusors) in dieselbe hinein, die Verkürzung derselben treibt sie ins Innere des fressenden Organismus«.

[558] Es gelang Hertwig auch, die Vermehrungsweise der Helgolander Acinete genau festzustellen. Es entstehen am Vorderende zwischen den Fühlfäden und Saugröhren Erhebungen, in deren jede ein Fortsatz des Kernes hineinwächst. Hieraus werden Knospen, plattgedrückte, etwa muschelförmige Körper, welche endlich sich ablösen und mittels Wimpern träge und langsam sich bewegen. Sie entfernen sich in der Regel nicht weit von dem Mutterthiere, sondern fixiren sich neben demselben, woher es kommt, daß die Tubularien (S. 459), auf denen diese Acineten am häufigsten vorkommen, von ihnen streckenweise ganz überzogen sind.

Ich habe dasselbe Thier in Neapel zu untersuchen Gelegenheit gehabt und theile von den vielen davon angefertigten Zeichnungen eine mit. Man wird sich in dieselbe ohne weiteres nach Hertwigs Erläuterungen finden. Wir sehen aus dem fast becherförmig gewordenen Körper zwei nahezu reise und eine eben in der Bildung begriffene Knospen hervorragen. Die längeren, sich zuspitzenden Tast- und Fangfäden verhalten sich genau so, wie die bald zu beschreibenden Scheinfüßchen der Wurzelfüßer, aber mit dem Unterschiede, daß sie nicht mit einander verschmelzen. Sie zeigen nämlich dieselbe höchst charakteristische Körnchenbewegung im dickflüssigen, durchsichtigen Protoplasma. Die Streifen am Körper sind Faltungen der Haut. Die Streifung im Stiele, von dem in unserem Bilde nur ein Theil zu sehen ist, rührt von einer feinkörnigen Substanz her, welche die Höhlung des Stieles erfüllt.

Auch diese Thiere selbst wieder sind den Verfolgungen zahlreicher Feinde ausgesetzt. Der Podophrye von Helgoland »stellen kleine Krebse, besonders Amphipoden und unter diesen wieder vornämlich die gefräßige Caprella (S. 36), nach. Ferner bohrt sich an der Verbindung von Stiel und Körper, also an einer Stelle, wo es vor der gefährlichen Waffe der Tentakeln sicher ist, ein rasch sich vermehrendes hypotriches Infusor in das Innere der Podophrye ein und zerstört dasselbe«.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 558-560.
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