Papiernautilus (Argonauta Argo)

[202] Eine dritte, schon im Alterthume berühmte und vielfach beschriebene Form der achtfüßigen Zweikiemer ist der Papiernautilus (Argonauta Argo). Es ist das Weibchen, welches man bis vor noch nicht zwanzig Jahren allein gekannt hat, und welches mit einem schönen zarten Gehäuse versehen ist. Auch nur ihm gilt unsere folgende Darstellung, da wir die höchst merkwürdigen Abweichungen des Männchens im Zusammenhange mit den Geschlechtsmerkmalen der Männchen der anderen Kopffüßer bringen wollen.


Gehäuse der weiblichen Argonaute (Argonauta Argo). Kleines Exemplar.
Gehäuse der weiblichen Argonaute (Argonauta Argo). Kleines Exemplar.

An dem rundlichen Körper fällt der kleine Kopf und der sehr entwickelte und verlängerte Trichter auf, vor allem aber die lappenartige Verbreiterung des obersten Armpaares. Die Färbung ist außerordentlich brillant und schön. Der neapolitanische Naturforscher Sangiovanni hat sie folgendermaßen beschrieben. Die unteren und seitlichen Theile des Rumpfes sind von einer bräunlichen Silberfarbe, die je nach der Richtung und Stärke der Lichtstrahlen sich bald mit einer leichten und blauen Tinte bedeckt, ähnlich dem Meerblau, bald mit einer gräulichen, bald röthlichen. Auch finden sich auf dieser farbenwechselnden Oberfläche eine Menge kleiner glänzender Punkte, gelb und kastanienbraun, andere rosenroth, und je größer die Bewegung, desto schöner die Farben. Das Zusammenwirken dieser Farbenkügelchen, welche sich über einem silberglänzenden Grunde ausbreiten, verleiht der Haut jener Körpertheile einen Rosenschimmer, der aus unzähligen farbigen Pünktchen zusammengesetzt ist, und worin man einige etwas ausgedehntere Stellen bemerkt, welche symmetrisch liegen und umgeben sind von einem silberfarbenen Hofe. Die Rückentheile und die oberen Seitentheile der Argonaute sind mit einer schönen grünen Farbe geschmückt, die in Pistaziengrün übergeht und sich so besonders gegen Abend zeigt. Die Silberfarbe der unteren Seitentheile setzt sich in Streifen nach den oberen Seitengegenden fort, welche grünlich sind, so daß die Farben hier mit einander abwechseln. Die Natur hat diesen Theil des Körpers der Argonaute mit gelben, bis ockergelben und mit kastanienbraunen Farbzellen geschmückt. Beide Sorten sind in großer Menge vorhanden, viel geringer ist die Anzahl der malvenblauen. Die ersteren beiden bedecken die Haut fast vollständig. Jedoch finden sich da und dort größere solcher Farbenkugeln in der Mitte kleiner Kreise, welche von verschieden gefärbten Zellen umgeben sind, und wel che die Haut wie kleine Rosetten schmücken. Aehnliche Färbungen breiten sich über Kopf und Arme aus.

Die Schale des Papiernautilus, welche sich durch ihre Eleganz und Papierdünnheit auszeichnet, ist ziemlich elastisch, indem sie reichlichen organischen Stoff enthält. Sie ist deshalb weit biegsamer als die viel dünneren Schalen anderer Weichthiere, z.B. der Flossenfüßer. Sie besteht aus einer einzigen Höhlung und ist in der Weise spiralig gewunden daß die früheren Windungen durch den letzten Umgang verdeckt werden. Das Verhältnis des Thieres zur Schale ist ganz einzig, indem es nirgends mit derselben enger verbunden oder verwachsen ist, auch die Gestalt des herausgenommenen Thieres gar nicht dazu zu passen scheint. Es ist daher sehr zu entschuldigen, wenn man früher auf den bis in die neuere Zeit festgehaltenen Gedanken kam, das Thier der Argonauten [202] bewohne die Schale einer fremden, nicht näher bekannten Gattung, wie der Einsiedlerkrebs. Man fand indeß, daß die Schale eine Absonderung der beiden Lappenarme ist, welche jene von außen bedecken und in dieser Stellung die Schale halten. Dieselbe wird also von ihrer Außenfläche her gebildet; wenn aber die verletzte Schale ausgebessert wird, so geschieht dies von innen her, indem die offene Stelle mit einer elastisch bleibenden Haut überzogen wird.

Man findet die Argonaute sehr häufig in einer Stellung abgebildet, welche sie unmöglich annehmen kann, entsprechend einer von Aristoteles bis in unsere Zeiten geglaubten Fabel, daß sie, an der Oberfläche des Meeres schwimmend, ihre beiden segelförmigen Arme emporstrecke und sie wirklich als Segel gebrauche. Wie Verany sah, kommt sie allerdings bei Windstille herauf, aber nicht um zu segeln, sondern um ihre Lappenarme als kräftige Ruder zu gebrauchen. Das Thier schwamm auf diese Weise dem Ufer zu und konnte gefangen werden. Unter Wasser, wenn sie nach Art der anderen Cephalopoden durch das Spritzen aus dem Trichter schneller schwimmen will, legt sie die großen Arme so über die Seitentheile der Schale, daß diese fast ganz davon verhüllt wird.

Im eigentlichen Mittelmeere ist Argonauta Argo besonders an der sicilischen Küste sowie im Golfe von Tarent häufig. Im Adriatischen Meere ist die Insel Lissa der nördlichste Punkt, wo sie nicht selten vorkommt; jedoch sind die Exemplare, welche ich von dort erhielt, ziemlich klein.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 202-203.
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