Echte Perlenmuschel (Avicula meleagrina)

[389] Die werthvollste und zugleich am weitesten verbreitete Art ist Avicula meleagrina, die echte Perlenmuschel, von Linné einst Mytilus margaritifer genannt. Sie findet sich im Persischen [389] Golfe, an den Küsten von Ceylon, den Inseln des Großen Oceans, im Rothen Meere, im Meerbusen von Panama und Mejiko und an der kalifornischen Küste vor, allerdings in mannigfachen Abänderungen, welche sich vorzugsweise auf die Größe und auf die Dicke der Perlmutterschicht beziehen. So sind die Schalen der Thiere von Ceylon nur 5 bis 61/2 Centimeter lang und 21/2 bis 8 Centimeter hoch, dünn und durchscheinend und für den Handel unbrauchbar, die des Persischen Golfes aber viel dicker, und in der Sundasee ist eine einen halben bis einen Kilogramm schwer werdende Sorte mit einer dicken, herrlich glänzenden Perlmutterschicht. »Die preiswürdigsten Perlen«, theilt von Heßling weiter mit, »sollen sich vorzüglich im muskulösen Theile des Mantels nahe am Schalenschlosse finden; doch kommen sie auch in allen anderen Theilen des Thieres, wie an der inneren Schalenfläche, in dem Schalenschließer, von der Größe des kleinsten Stecknadelkopfes (Seed pearls) bis zu bedeutendem Umfange vor; und wie sich oft viel in einer Muschel finden lassen – Kapitän Stuart z.B. zählte in einer einzigen siebenundsechzig, Cordiner bis zu einhundertundfunfzig Perlen – ebenso werden auch hunderte von Muscheln geöffnet, in welchen nicht eine einzige Perle anzutreffen ist. Nicht uninteressant, weil mit unserer Flußperlenmuschel übereinstimmend, ist die Behauptung der Perlenfischer im Orient, daß sie in vollkommen ausgebildeten und glatten Schalen niemals schöne Perlen erwarteten, wohl aber dieselben gewiß fänden in Thieren mit verdrehten und verkrüppelten Schalen, sowie in solchen, welche an den tiefsten Stellen des Meeresgrundes lagern.«

Aus den lückenlosen Nachweisen des einstigen und des jetzigen Zustandes (bis 1859) der See-Perlenfischereien auf der ganzen Erde, welche sich in von Heßlings Werk finden, heben wir nur einige der wichtigsten und anziehendsten Stellen heraus, zunächst über die Perlenfischereien des Persischen Golfes. »Sie sind gegenwärtig im Besitze des Sultans von Maskate, und der Perlenhandel befindet sich fast ausschließlich in den Händen der großen Banianer Kaufleute, welche in Maskate eine eigene Handelsgilde bilden. Das wichtigste Perlenrevier dehnt sich vom Hafen Scharja westwärts bis zu Biddulphs Island aus, und auf dieser Strecke steht es jedem frei, zu fischen. Die Boote sind von verschiedener Größe und verschiedenem Baue, im Durchschnitte von zehn bis achtzehn Tonnen. Man rechnet, daß während der Fischzeit, vom Juni bis Mitte September, die Insel Bahrein dreitausendundfünfhundert Boote jeder Größe, die persische Küste hundert und das Land zwischen Bahrein und der Mündung des Golfes mit Einschluß der Piratenküste siebenhundert liefert. Die Boote führen acht bis vierzig Mann, und die Zahl der Leute, welche in der günstigsten Jahreszeit mit der Fischerei beschäftigt sind, mag über dreißigtausend betragen. Keiner erhält einen bestimmten Lohn, sondern jeder hat einen Antheil am Gewinne. Der Scheiky des Hafens, zu dem jedes Schiff gehört, erhebt eine kleine Abgabe von einen bis zwei Dollars. Sie leben während der Fischzeit von Datteln, Fischen, und der Reis, den die Engländer liefern, ist ihnen eine sehr willkommene Zugabe. Wo es viele Polypen gibt, wickeln sich die Taucher in ein weißes Kleid, gewöhnlich aber sind sie, mit Ausnahme eines Tuches um die Lenden, ganz nackt. Wenn sie an die Arbeit gehen, so theilen sie sich in zwei Abtheilungen, von denen die eine im Boote bleibt, um die andere, welche untertaucht, wieder heraufzuziehen. Die letzteren versehen sich mit einem kleinen Korbe, springen über Bord und stellen ihre Füße auf einen Stein, an dem eine Leine befestigt ist. Auf ein gegebenes Signal läßt man diese los, und sie sinken mit derselben zu Boden. Sind die Muscheln dicht über einander gelagert, so können sie acht oder zehn auf einmal los bekommen. Dann zerren sie an der Leine und die Leute im Boote ziehen sie möglichst schnell wieder herauf. Man hat die Zeit, welche sie unter dem Wasser bleiben, sehr überschätzt, sie beträgt im Durchschnitte gewöhnlich vierzig Sekunden. Unfälle durch Haifische kommen nicht oft vor, aber der Sägefisch ist sehr gefürchtet. Man erzählt Beispiele, wo Taucher durch diese Ungeheuer völlig entzwei geschnitten wurden. Um den Athem besser anhalten zu können, setzen sie ein Stück elastisches Horn über die Nase, welche dadurch fest zusammengehalten wird. Der Taucher geht nicht jedesmal, wenn er an die Oberfläche kommt, an Bord zurück, sondern hält sich an den [390] Stricken, welche an der Seite des Bordes hängen, fest, bis er wieder hinlänglich Athem geschöpft hat; meist nach drei Minuten Erholung stürzt er von neuem in die Tiefe. Der Ertrag dieser Fischereien, welcher früher bis auf dreihundert Millionen Pfund Sterling sich belief, macht jetzt nach einem Berichterstatter nur mehr den zehnten Theil aus.«

Die zweite berühmteste Perlenregion Asiens ist die Westküste Ceylons und die Küsten des gegenüber liegenden Festlandes. Wir finden bei Heßling die Schilderung des englischen Officiers Grylls, welcher zum Schutze der Perlenfischerei in Aripo auf Ceylon eine Truppenabtheilung befehligte und in seinem Buche sagt, daß er um alle Perlen der Welt diese Expedition nicht mehr wiederholen möge, welche ihm mehrere Monate seines Lebens raubte, indem er sie zuerst fast verhungernd, dann schiffbrüchig und schließlich in heftigem Fieber zubrachte. Heßling gibt nach ihm und unter Benutzung anderer Erzählungen nachstehende Skizze: »Der Hauptplatz der Perlenboote ist die dürre und öde Küste von Aripo (Ceylon). Mit unerbittlicher Macht sengt hier die Sonne alles zusammen, so weit nur das Auge schweifen kann. Im ausgeglühten Sande gedeiht nur Dorngestrüppe, zusammengeschrumpfte Blätter hängen am nackten Gesträuche. Die Thiere suchen Schutz vor den brennenden Strahlen, aber da ist nichts von einem Schatten, nur ein athemhemmender Dunst zittert über dem Boden und die See spiegelt die erdrückende Hitze zurück. Aus glühendem Sande ragen die gebleichten Gebeine der Perlentaucher hervor, welche die Gier nach den Schätzen in den Tod führte. Ein dorischer Palast, seit der englischen Besitzergreifung aus Quadersandstein erbaut, von außen mit dem schönsten Stucco aus Austerschalenkalk überzogen und von dürftigen Baumpflanzungen umgeben, ist der einzige Schmuck dieser Gegend, der einförmigsten von ganz Ceylon. Das ist der Ort, auf welchem sich das Bild des buntesten Treibens aufrollt, wenn die Taucherboote heransegeln und auf den Ruf der Regierung aus allen Gegenden Hindostans tausende und tausende schnöden Gewinnes halber herbeiströmen. Da erheben sich plötzlich von Condatchy an längs dem Gestade hin breite Straßen, wo Hütte an Hütte aus Bambus- und Arekapfählen, mit Palmenblättern, Reisstroh und bunten Wollenzeugen bedeckt, aufsteigt, in denen Lubbies (die eingeborenen Mohammedaner), Moren (mohammedanische Handelsleute) aus der Ferne, Malabaren, Koromandeler und andere Hindu ihre Buden aufschlagen. Abenteurer und Taschenspieler treten auf, gewandte Diebe schleichen sich ein. An allen Orten Spekulation mit Geld und Kredit. Stolze, im Rufe des Reichthumes stehende Eingeborene vom Kontinente lassen sich zum sinnverwirrenden Schauspiele in reichverbrämten Tragsesseln unter prachtvollen Sonnenschirmen bringen. Alle indischen Sitten und Trachten kommen zum Vorscheine, jede Kaste ist vertreten, Priester und Anhänger jeder Sekte eilen herbei, Gaukler und Tänzerinnen belustigen die Menge. Während dieses Schauspieles gehen jeden Morgen etwa zweihundert Boote in die See, von welchen jedes zwei Taucher nebst zwei Gehülfen und einen Malayensoldaten mit geladenem Gewehre trägt; letzterer soll nämlich verhüten, daß die Muscheln ihrer Schätze nicht eher entledigt werden, bis sie ans Ufer gebracht sind. Ist diese ganze Flotte an ihrem Bestimmungsorte, etwa vier englische Meilen weit vom Lande, angelangt, so beginnt die Arbeit. Eine bewaffnete Schaluppe liegt zu ihrem Schutze in der Nähe und ein Zeltdach dieses Fahrzeuges läßt mit Muße und Bequemlichkeit dieses Schauspiel genießen. Um den Tauchern die Erreichung des Meeresgrundes zu erleichtern, welcher an dem Aufenthaltsorte der Perlenmuscheln zehn bis zwölf Klafter tief ist, hat man ein langes Tau an eine Rolle gewunden, welche von einer Querstange am Maste über den Bord hinaushängt, und an das Tau ist ein Stein von zweihundert bis dreihundert Pfund Gewicht befestigt. Man läßt den Stein neben dem Boote herab, und der Taucher, einen Korb bei sich tragend, der ebenfalls mit einem Taue im Boote befestigt ist, gibt, auf dem Steine stehend, ein Zeichen, ihn herabzulassen, und sinkt dadurch rasch auf den Grund; dann wird der Stein wieder heraufgezogen, während der Taucher im Wasser mit der rechten Hand so viele Perlenmuscheln als möglich in seinen Korb legt und mit der linken an Felsen oder Seegewächsen sich anklammert. Läßt er diese los, so schießt er an die Oberfläche empor, und ein [391] Gehülfe zieht ihn sogleich in das Boot, während ein anderer den Korb mit den Muscheln heraufbefördert. Alsdann wird der zweite Taucher ins Wasser gelassen, und so geht es abwechselnd fort bis 4 Uhr nachmittags, denn nun kehren alle Boote mit ihren Ladungen nach Aripo zurück. Ist die Fischerei den Tag über beendigt, so erhält der Taucher, welcher am längsten unter Wasser geblieben war, eine Belohnung. Die gewöhnliche Zeit dieses Aufenthaltes währt dreiundfunfzig bis siebenundfünfzig Sekunden; einmal hielt ein solcher eine Minute und achtundfunfzig Sekunden unter Wasser aus; als er wieder heraufkam, war er so erschöpft, daß er lange Zeit zu seiner Erholung brauchte. Alle dortigen Taucher sind Malayen und von Kindheit an zu ihrem Handwerke erzogen. Der Lärm ist bei diesem Geschäfte so groß, daß er die gefürchteten Haifische verscheucht, und viele Fischereien werden ohne irgend einen Angriff zu Ende geführt; gleichwohl verlangen die Taucher, daß Haifischbeschwörer während des Fischens am Strande für sie beten und theilen gerne mit ihnen den Gewinn. Selbst die katholischen Taucher aus der portugiesischen Zeit her gehen nicht an ihr Geschäft, ohne Gebetformeln und Sprüche aus der Heiligen Schrift an ihrem Arme zu befestigen.

Haben nun die Boote ihre gehörige Ladung Muscheln an Bord, so entsteht ein Wettrennen unter ihnen nach dem Ufer. Dort sind die dienstthuenden Truppen aufgestellt, damit niemand sich Muscheln aneigne, ehe sie meistbietend verkauft oder in das Magazin der Regierung abgeliefert sind. Letzteres ist ein mit hohen Mauern umgebener viereckiger Raum, dessen Boden schräg und von vielen kleinen Rinnen durchschnitten ist; durch diese läuft fortwährend Wasser aus einem Behälter, in welchen die unverkauften Muscheln gelegt werden, damit sie bei eintretender Fäulnis sich von selbst öffnen. Sind die Perlenmuscheln ans Land gebracht, so werden sie in kleine Haufen getheilt und versteigert. Dieses ist eine sehr belustigende Art von Lotterie, indem man leicht ein paar Pfund Sterling für einen großen Haufen Muscheln bezahlt, ohne eine einzige Perle darin zu finden, während mancher arme Soldat, welcher einen oder zwei Groschen für ein halbes Dutzend ausgibt, möglicherweise eine Perle darin entdeckt, so werthvoll, daß er damit nicht nur seinen Abschied erkaufen, sondern auch den Rest seines Lebens sorgenfrei zubringen kann. In früheren Zeiten ließ die Regierung die Perlenmuscheln nicht versteigern, sondern in das Magazin bringen und dort durch besonders angestellte Leute öffnen; allein diese waren so schlau, daß sie trotz der genauesten Aufsicht Perlen verschluckten. Gegenwärtig werden die nicht verkauften Muscheln in die erwähnten Wasserbehälter gelegt, und haben sich ihre Schalen durch Fäulnis geöffnet, so fallen die Perlen heraus, das Wasser spült sie in die Rinnen, in welchen sie durch feine Gazewände aufgehalten und in großer Menge gesammelt werden. Ist die Zeit der Perlenfischerei zur Hälfte verstrichen, so beginnt die eigentliche Plage. Die durch die glühenden Sonnenstrahlen schnell in Fäulnis übergehenden Muscheln verbreiten im Magazine einen nicht zu beschreibenden pestilenzialischen Gestank, und dazu gesellen sich Fieber, Brechruhr und Dysenterie, die steten Begleiter von Miasmen, Unreinlichkeit und Hitze. Der Wind verbreitet einen abscheulichen Geruch auf meilenweite Entfernungen, und die Luft ist in der Kaserne, welche absichtlich zwei Meilen weit vom Magazine entfernt liegt, besonders zur Nachtzeit kaum zu ertragen. Wollen sich keine Perlenmuscheln mehr finden, und ist man der beschwerlichen Fischerei müde, dann wird Aripo von seinen Bewohnern nach und nach verlassen und die Ufer werden wieder still und öde; nur die Truppen müssen so lange ausharren, bis die letzte Muschel im Magazine verfault ist. So endet diese vielbewegte Scene, dieses wirre Getreibe, welches Gewinnsucht der Menschheit ihrer Eitelkeit willen ins Dasein ruft. Verklungen ist geschäftiger Händler buntes Feilschen und der neugierigen Menge lärmendes Getöse; verhallt ist das kataraktenähnliche Rauschen der auf- und abfahrenden Taucher; verschwunden sind alle die Handelsleute, Juweliere, Ringfasser, Schmuckhändler und übrigen Glücksritter, welche auf sichere Gewinste in der großen Lotterie ihr Spiel wagten: an der öden verlassenen Küste brandet nach wie vor mit melancholischen Schlägen des Meeres Welle, verflogen in alle Winde sind das Stroh und die Lappen der flüchtig gebauten Hütten, heißer Flugsand bedeckt die Fußtritte der einst hier wogenden Menge.«

[392] Auf der gegenüberliegenden Küste sind die Perlenbänke, welche sich nordöstlich vom Kap Komorin an der Küste von Tinnevelly hinziehen, seit vielen Jahrhunderten ausgebeutet worden. Als die Messe von Tuticorin unter portugiesischer Herrschaft noch blühte, zogen funfzig- bis sechzigtausend Kaufleute dorthin. Allein man übernahm sich und erschöpfte die Bänke. Wir entlehnen die folgenden, die Geschichte der Perlenfischerei und die Naturgeschichte der Perlenmuschel ergänzenden Mittheilungen einem auf ungenannte englische Berichte sich stützenden Aufsatze im »Ausland« aus dem Jahre 1865. Im Jahre 1822 schöpfte die englische Verwaltung Indiens aus dem Ertrage der Station Tuticorin im Gebiete von Tinnevelly noch dreizehntausend Pfund Sterling; im Jahre 1830 gegen zehntausend; nach letzterem Zeitpunkte fehlte die Perlenmuschel in den dortigen Gewässern mehrere Jahre gänzlich. Zwischen den Jahren 1830 und 1856 versuchte man vierzehnmal eine genaue Untersuchung der Muschelbänke, und es zeigte sich keine hinreichende Anzahl Perlenmuscheln, daß deren Einsammlung sich hätte als lohnend erweisen können. Man schrieb dieses ungünstige Resultat verschiedenen Ursachen zu. Kapitän Robertson, der Oberbeamte von Tuticorin, fand den Hauptgrund dieser Erscheinung in der Erweiterung des Paumbenkanals, welche eine stärkere Strömung veranlaßt hätte, die die Mollusken verhindern, sich an den Bänken zu befestigen. Einen ferneren Nachteil für die Vermehrung der Perlenmuscheln fand derselbe in dem Umstande, daß die Fischer, die in dortiger Gegend nach jenen großen Muscheln fahnden, die unter dem Namen »Chanks« als Signalhörner in den Götzentempeln dienen, an jenen Bänken ankern und mit den Ankern die Perlenmuscheln ablösen und tödten. Die getödteten Muscheln üben dann auf die noch lebenden einen nachtheiligen Einfluß, wodurch eine stete Verminderung derselben stattfindet.

Die eingeborenen Taucher suchen dagegen den Grund in dem häufigen Auftreten zweier anderen Muschelarten, einer Modiola, dort »Surum« genannt, und einer Avicula, welche sich unter den Perlenmuscheln niederlassen und nach der Ansicht jener Taucher diese vernichten. In den Jahren 1860 bis 1862 war der Ertrag der Perlenbänke sehr befriedigend, indem er sich auf zwanzigtausend Pfund Sterling belief; 1863 fand man dagegen die Bänke wieder in einem Zustande, daß man von einer Einsammlung der Muscheln Abstand nahm. Von den zweiundsiebzig untersuchten Bänken waren nur vier völlig frei von der bereits genannten Modiola-Art, welche sich bei elf anderen Bänken in ziemlicher Menge angesiedelt hatte; sie benundfunfzig Bänke beherbergten gar keine Muscheln. Dieser unverhoffte Mangel an Perlenmuscheln gab Veranlassung zu den künstlichen Züchtungsversuchen des Kapitäns Philipps, welche, soweit man bis 1865 beurtheilen konnte, ganz befriedigende Resultate erwarten lassen. Neuere Nachrichten haben wir nicht.

Die Perlenbänke liegen ungefähr neun englische Meilen von der Küste und erstrecken sich über ein Areal von siebzig Meilen Länge, während die Meerestiefe über denselben acht bis zehn Faden beträgt. Dabei sind sie starken Meeresströmungen ausgesetzt, durch welche Sand in die Felsspalten hereingeführt wird und damit zugleich die jungen Muscheln auf oft große Strecken verschüttet werden. Die verwesenden Thiere schaden den lebenden an ihrem Gedeihen, während zugleich noch jene Modiola-Species ihren verderblichen Einfluß ausübt. Es ist selbstverständlich, daß bei einer solchen Tiefe an den der freien See exponirten Stellen keine wirksame Abhülfe möglich ist, weshalb der Gedanke nahe lag, die junge Brut auf zugänglichen künstlichen Bänken so lange zu züchten, bis sie stark genug geworden, den bezeichneten nachtheiligen Einflüssen Widerstand zu leisten. Dabei wurde man noch besonders zu den gemachten Versuchen durch die scheinbar günstigen, weiter unten darzulegenden Erfolge der Austernkultur an der englischen und französischen Küste ermuthigt, welche mit Wahrscheinlichkeit auch von der Züchtung der Perlenmuscheln an der Küste von Tinnevelly erwartet werden konnten.

Den wesentlichsten Umstand, der bei den Züchtungsversuchen in Betracht zu ziehen war, bildete der Unterschied zwischen der gewöhnlichen Auster, welche (wo sie nicht anwachsen) einfach mit der [393] konvexen Seite der Schale auf dem Grunde liegen, während die Perlenmuschel sich mit Hülfe des Byssus an den Felsen anheftet. Diesen Byssus kann jedoch das Thier nach den Untersuchungen des Dr. Celaart auf Ceylon willkürlich und ohne Schaden abwerfen, um sich an anderen Stellen anzuheften, wenn der eingenommene Platz nicht mehr konvenirt. Auch gehört nach Dr. Celaarts Versuchen die Perlenmuschel mit zu den hartlebigsten Muscheln; sie lebt selbst in Brackwasser und an Stellen, welche so seicht sind, daß sie täglich drei Stunden lang der Sonne und atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt ist. Auch Kapitän Philipps hat sich von dieser für die Züchtung der Muscheln sehr günstigen Zähigkeit überzeugt und seine Einrichtung in folgender Weise getroffen.

Der Hafen von Tuticorin wird von zwei langen Inseln gebildet, zwischen welchen und dem Festlande sich eine drei englische Meilen lange und eine Meile breite Bank ungefähr drei bis sieben Fuß unter der Oberfläche der See hinzieht. Dieselbe ist geschützt vor der Brandung, frei von Strömung und Zufluß von süßem Wasser. Diese Bank hat man nun lose mit Korallenstämmen umgeben, welche einen Rand bilden, der sich ungefähr drei Fuß über die Hochwassermarke erhebt und so eine Art von Bassin bildet. In letzteres werden lebende Korallen gebracht, welche in einigen Jahren ein festes Riff bilden, welches dann geeignet ist, als Unterlage für die zu züchtenden jungen Muscheln zu dienen. Dieses Bassin ist dann ferner in drei Abtheilungen zu theilen, von welchen eine bestimmt ist, die älteren Muscheln aufzunehmen, die beiden anderen die junge Brut. Ist die für die erstere der Abtheilungen bestimmte Menge von gesunden Muscheln eingelegt, so müssen sie sorgfältig überwacht werden, bis die Befruchtung stattgefunden und die Entwickelung der jungen Muscheln Platz gegriffen hat. Man entfernt nun die letzteren, die man in die für sie bestimmten Abtheilungen bringt, wo sie dann bleiben, bis sie hinreichend erstarkt sind, um in die offene See versetzt werden zu können. Diese letztere Operation ist aus dem Grunde nothwendig, weil es unmöglich wäre, einen so großen Raum herzustellen, als er für eine hinreichende Menge von Perlenmuscheln nöthig wäre; außerdem soll auch die Qualität von der Tiefe und Klarheit des Meeres abhängen. Diese Procedur, immerwährend fortgesetzt, sichert eine reichliche Bevölkerung der Perlenmuschelbänke mit starken Thieren, was schon daraus hervorgeht, daß eine sechsjährige Muschel oft zwölf Millionen (?) Eier enthält. Da die Anzahl der 1861 im ganzen gefischten Perlenmuscheln 15,874,800 Stück betrug, so dürfen jährlich schon beträchtliche Mengen der jungen Muscheln zu Grunde gehen, ohne daß die Bestockung der Perlenbänke leiden würde, während zugleich der Ertrag der jährlichen Fischerei gesichert wäre. Inwieweit dieses schöne Projekt seit 1865 ausgeführt worden und gedeihlich fortgeschritten ist, haben wir, wie gesagt, bis jetzt nicht in Erfahrung bringen können.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 389-394.
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